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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: 20 W 45/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43
WEG § 45
WEG § 47
1. In Verfahren nach § 43 ff. WEG ist die Hauptsache dann erledigt, wenn ein Ereignis nach Verfahrenseinleitung die Sach- und Rechtslage derart verändert, dass der Verfahrensgegenstand entfallen und deshalb eine Sachentscheidung über den Antrag nicht mehr erforderlich ist.

2. Dies ist der Fall, wenn während eines Verfahrens mit dem Ziel der Beseitigung einer baulichen Anlage ein bestandskräftiger Beschluss über die Duldung der Anlage gefasst wird.

3. Es kommt für die Erledigung der Hauptsache nicht darauf an, ob der ursprüngliche Antrag zulässig und begründet war. Diese Frage spielt nur noch eine Rolle für die nach Billigkeit zu treffende Kostenentscheidung.


Gründe:

Die Beteiligten sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage B .../C-Ring ... in O1.

Den Rechtsverhältnissen der Beteiligten liegt die Teilungserklärung vom 8. Juni 1999 mit der dazugehörigen Miteigentümerordnung zu Grunde. Dort sind unter 4 a und b Bestimmungen für die den Wohnungseigentümern eingeräumten Sondernutzungsrechte an Grundstücksflächen enthalten, die u. a. eine Nutzung als Ziergarten vorsehen und die Errichtung von Wintergärten, Gartenhäusern o. ä. sowie das Aufstellen von Zelten o. ä. untersagen (Bl. 44 d. A.).

Die Antragstellerin hatte im Bereich der Sondernutzungsfläche, die ihr zur Gartengestaltung zugewiesen ist, eine Gartengerätebox aufgestellt und die darunter sowie eine danebenliegende Fläche mit einem Plattenbelag versehen. Mit Schreiben vom 18.10.2000 (Bl. 15 d. A.) hatte ihr die frühere Verwalterin mitgeteilt, keine Einwände gegen die Erstellung eines kleinen Gartenhauses zu haben. Die jetzige Hausverwaltung hat mit Schreiben vom 07.07.2002 (Bl. 30, 31 d. A.) die Antragstellerin auf Grund von Beanstandungen anderer Wohnungseigentümer zur Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden Zustands bis zum 15.08.2002 aufgefordert. Mit Schreiben vom 19.08.2002 hat die Verwalterin zu einer Wohnungseigentümerversammlung am 03.09.2002 eingeladen. Der Tagesordnungspunkt 9 ist dort mit "Gartengestaltung der Sondernutzungsflächen der Gemeinschaft" bezeichnet (B. 28, 29 d. A.). In der Versammlung wurde dann folgender Antrag zur Abstimmung gestellt:

"Die Hausverwaltung wird ermächtigt - in eigenem Namen - handelnd für die WEG gerichtlich gegen die Aufstellung der Box und gegen die Plattenfläche auf der Sondernutzungsfläche der Wohnung von der Eigentümerin Frau A vorzugehen". Bei überwiegender Enthaltung wurde der Antrag mehrheitlich angenommen.

Die Antragstellerin hat mit am 02.10.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten den Ermächtigungsbeschluss angefochten, weil sie der Auffassung gewesen ist, der Beschlussgegenstand sei in der Einladung nicht ausreichend bezeichnet worden. Infolge mangelnder Information sei es zu der großen Anzahl der Stimmenthaltungen gekommen.

Im Übrigen sei die Beschlussfassung deshalb überraschend gewesen, weil seitens der Hausverwaltung eine Genehmigung der Gerätebox erfolgt sei. Außerdem würde willkürlich eine Nutzung untersagt, die seit Jahren üblich sei und die Gemeinschaft nicht störe.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2002 zu dem Tagesordnungspunkt 9 für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner, die dem Antrag entgegentreten sind, haben im Wege des Gegenantrags erstinstanzlich beantragt,

der Antragstellerin aufzugeben, die von ihr auf dem Grundstück C-Ring ... in O1 aufgestellte Gartengerätebox nebst Pflasterung zu entfernen.

Die Antragsgegner haben vorgetragen, die formelle Beanstandung des Ermächtigungsbeschlusses sei unberechtigt, weil das Problem der Gerätebox schon vor der Sitzung durch die Verwaltung mit der Antragstellerin erörtert worden und im Übrigen auch bereits Gegenstand des Schreibens vom 07.07.2002 gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass nur 587/10000 der Miteigentumsanteile nicht anwesend waren und 3867/10000 zugestimmt haben, wäre das Ergebnis nicht anders gewesen, wenn die abwesenden Miteigentümer anwesend gewesen wären.

Von einer seit Jahren üblichen Nutzung könne deshalb nicht gesprochen werden, weil die Box erst im Frühjahr 2002 aufgestellt worden sei. Auf Grund ihrer Ausmaße von 2/1,80/1,20 m und einem Gewicht von 70 kg sei die Box nicht anders zu bewerten wie ein Gartenhaus. Sie und die 16-18 qm umfassende Pflasterung störten das Gesamtbild der Anlage.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.05.2003 (Bl 214-217 d. A.) den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen und sie auf den Gegenantrag hin zur Entfernung der Box und der Pflasterung verurteilt.

Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 02.02.2003 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss hat sich die als sofortige Beschwerde zu wertende Beschwerde der Antragstellerin gerichtet, die mit Faxschreiben vom 12.06.2003 eingelegt worden ist und am gleichen Tag das Gericht erreicht hat.

Die Antragstellerin hat ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt und die Auffassung vertreten, dass weder die Aufstellung der Gerätebox, noch die Bepflasterung bauliche Veränderungen darstellten. Vielmehr handele es sich um die erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Da die nur ca. 13 qm umfassende Pflasterung dem Terrassenbelag angepasst sei, bestehe keine erhebliche optische Beeinträchtigung. Auch käme es nicht zu störenden Emissionen auf Grund einer intensiven Nutzung. Da die Gerätebox unter der Pflanzhöhe von 2 m bleibe, könne sie von Pflanzen umstellt werden.

Die Antragsgegner haben demgegenüber geltend gemacht, die Teilungserklärung erlaube im Rahmen des Sondernutzungsrechts nur die Nutzung als Ziergarten, nicht die Einrichtung von Plätzen für Sitzgruppen, da sich sonst jeder Wohnungseigentümer im Erdgeschoss eine zweite Terrasse anlegen könnte. Es bestehe die Gefahr von Lärmimmissionen und der Schaffung eines Präzedenzfalles.

Das Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 03.09.2002 zu TOP 9 insoweit für ungültig erklärt, als die Hausverwaltung zu gerichtlichem Vorgehen gegen die Plattenfläche auf der Sondernutzungsfläche der Antragstellerin ermächtigt worden ist. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin hat die Kammer zurückgewiesen.

Auf den Gegenantrag der Gemeinschaft ist Antragstellerin zur Entfernung der Gartengerätebox verpflichtet worden, im übrigen hat die Kammer den Gegenantrag zurückgewiesen.

Gegen die landgerichtliche Entscheidung haben nur die Antragsgegner weitere Beschwerde eingelegt und diese in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Antragstellerin die Gerätebox und den sie umgebenden Plattenbelag entfernt hatte und die Wohnungseigentümer in der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.06.2004 zu TOP 4 bestandskräftig beschlossen hatten, die noch vorhandene Zweitterrasse der Antragstellerin bis auf Widerruf zu dulden.

Die Antragstellerin ist der Erledigungserklärung und dem Kostenantrag der Antragsgegner entgegengetreten und hat Zurückweisung der weiteren Beschwerde unter Auferlegung der Verfahrenskosten beantragt. Sie ist der Meinung, eine Erledigung im Rechtssinn sei nicht eingetreten. Es müsse den Antragsgegnern verwehrt bleiben, den Grund für die weitere Beschwerde selbst auszuräumen und sich dann auf Erledigung zu berufen. Die weitere Beschwerde sei unbegründet, da es sich bei der Plattenfläche zwar um eine bauliche Veränderung handele, diese aber als geringfügige Beeinträchtigung hinzunehmen sei.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner war zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 43 WEG, 27 Abs. 1, 29 FGG. Nachdem die Antragsgegner einseitig die Hauptsache für erledigt erklärt und damit zu erkennen gegeben haben, dass sie ihren ursprünglichen Gegenantrag nicht mehr weiter verfolgen und statt dessen die gerichtliche Feststellung begehren, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat, war nur noch über diesen Feststellungsantrag zu entscheiden.

Der Feststellungsantrag ist begründet, da eine Erledigung tatsächlich eingetreten ist. Die Hauptsache ist dann erledigt, wenn ein Ereignis nach Verfahrenseinleitung die Sach- und Rechtslage derart verändert, dass der Verfahrensgegenstand entfallen und deshalb eine Sachentscheidung über den Antrag nicht mehr erforderlich ist. Im Unterschied zum Zivilprozess kommt es nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die auch der Senat vertritt, in Verfahren nach § 43 ff WEG für die Erledigung der Hauptsache nicht darauf an, ob der ursprüngliche Antrag zulässig und begründet war. Diese Frage spielt nur noch eine Rolle für die nach Billigkeit zu treffende Kostenentscheidung (BayObLG WuM 1998, 512, 513; OLG Hamm FG-Prax 1999, 48, 49; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 44, Rdnr. 102; Palandt/Bassenge: WEG, 64. Aufl., § 43, Rdnr. 20; Demharter ZMR 1987, 201, 202; a. A. OLG Zweibrücken WE 1995, 24; Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl., Vor §§ 43 ff., Rdnr. 219; Staudinger/Wenzel: WEG, 2005, § 44, Rdnr. 46, Jennissen NZM 2002, 594, 598).

Nachdem die Antragstellerin den landgerichtlichen Beschluss nicht angefochten hatte und der Verpflichtung zur Beseitigung der Gerätebox und des darunter befindlichen Plattenbelags nachgekommen war, blieb als Verfahrensgegenstand lediglich noch der Gegenantrag übrig, die Antragstellerin auch zur Beseitigung der (weiteren) Plattenfläche zu verpflichten. Insoweit ist eine Entscheidung durch den bestandskräftigen Duldungsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.06.2004 zu TOP 10 entbehrlich geworden. Die Rechtslage ist im Hinblick auf die Erledigung vergleichbar dem Fall, dass die Wohnungseigentümer während eines Verfahrens, dessen Gegenstand ein Antrag ist, einem Wohnungseigentümer eine zweckbestimmungswidrige Nutzung seiner Wohnung zu untersagen, diese Nutzung durch einen bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss genehmigen (vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 149).

Nach Feststellung der Erledigung der Hauptsache war lediglich noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden, § 47 WEG.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde haben die Antragsgegner gemäß §§ 47 Satz 1 WEG, 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO (analog) zu tragen, denn ihre weitere Beschwerde wäre voraussichtlich zurückgewiesen worden.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Erstellung der (weiteren) Plattenfläche als eine bauliche Veränderung anzusehen ist, die aber ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zulässig war, da ihre Rechte nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß beeinträchtigt werden, § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG.

Auf Grund der geringen Abmessungen der streitgegenständlichen Plattenfläche, auf der ausweislich der von den Antragsgegnern vorgelegten Lichtbildern kaum mehr als ein Liegestuhl passt, kann nicht von einer maßgeblichen Erweiterung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums ausgegangen werden. Hinsichtlich der optischen Beeinträchtigung obliegt die Beurteilung ihrer Erheblichkeit in erster Linie der Tatsacheninstanz und konnte an Hand der vorgelegten Lichtbilder ohne Rechtsfehler vorgenommen werden.

Zur Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ( § 47 Satz 2 WEG) hat der Senat keine Veranlassung gesehen. Das voraussichtliche Unterliegen der Antragsgegner im Rechtsbeschwerdeverfahren ist dafür nicht ausreichend. Wegen der unterschiedlichen Entscheidungen von Amts - und Landgericht war die Einlegung der weiteren Beschwerde auch nicht wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit mutwillig erfolgt. Daran ändert es auch nichts, dass die Wohnungseigentümerversammlung vier Monate nach der Beschwerdeeinlegung von ihrem Beseitigungsbegehren abgerückt ist, was nicht auf Grund der Einschätzung der rechtlichen Erfolgsaussichten, sondern zur Verbesserung des zwischenmenschlichen Klimas in der Gemeinschaft erfolgt sein kann.

Hinsichtlich der Kosten der Vorinstanzen verbleibt es bei der Kostenentscheidung im Beschluss des Landgerichts.

Bei der Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde (§ 48 Abs. 3 WEG) hat der Senat berücksichtigt, dass nur noch die Verpflichtung der Antragstellerin zur Beseitigung des (weiteren) Plattenbelags den Verfahrensgegenstand gebildet hat.

Ende der Entscheidung

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