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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 20 W 451/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1806
BGB § 1807
BGB § 1811
BGB § 1908 i Abs. 1
Bei größeren Vermögen kann eine Geldanlage in einem offenen Immobilienfond nach § 1811 BGB genehmigungsfähig sein. Die Entscheidung erfordert eine umfassende Prüfung der Vor- und Nachteile, die an den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ausgerichtet sein muss. Dabei ist auch die den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprechende Streuung auf mehrere Anlageformen zu berücksichtigen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss

20 W 451/01

Verkündet am 18.07.2002

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 15. Oktober 2001 am 18. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht ­ auch bezüglich des Verfahrens der Erstbeschwerde- gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Beschl. m. v. Rubrum (EU_UB_00.dot)

Der Betreuer ist unter anderem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt. Er beantragte im Mai 2001 die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Anlage eines Geldbetrages von 300.000,-- DM im Grundwert-Fonds der DEGI, Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds mbH, einem offenen Immobilienfonds. Der Betroffene verfügte im Juni 2001 nach der Veräußerung eines ererbten Zweifamilienhauses unter Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechtes für eine der Wohnungen, Rückzahlung eines Betrages von ca. 44.000,-- DM für ungedeckte Sozialhilfekosten an den LWV Hessen und Entnahme einer bewilligten Betreuervergütung von ca. 13.700,-- DM über ein Barvermögen von ca. 380.000,-- DM. Der Betroffene arbeitet in einer Behindertenwerkstatt und erhält dort monatlich ca. 250,-- DM. Zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes muss er deshalb nach Angaben seines Betreuers monatlich ca. 1.000,-- DM bis 2.000,-- DM seines vorhandenen Vermögens einsetzen.

Das Amtsgericht verweigerte mit Beschluss vom 18. Juni 2001 die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für die beabsichtigte Geldanlage und führte zur Begründung im wesentlichen aus, für die hier angestrebte Anlageform fehle es an der erforderlichen Sicherheit für die Rückzahlung des investierten Mündelvermögens; außerdem sei das Vormundschaftsgericht nicht in der Lage, die zukünftige Entwicklung des Fondsvermögens abzuschätzen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers wies das Landgericht nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen mit Beschluss vom 15. Oktober 2001 zurück. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die gewählte Anlageform des offenen Immobilienfonds biete nicht das erforderliche Maß an Sicherheit.

Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der weiteren Beschwerde, mit der er im wesentlichen geltend macht, eine Vielzahl von Gerichten habe zwischenzeitlich die von ihm gewählte Anlageform für genehmigungsfähig erachtet. Unter Berücksichtigung der bisherigen Wertentwicklung und der Anlageform handele es sich um eine wirtschaftlich sinnvolle längerfristige Geldanlage.

Der vom Senat bestellte Verfahrenspfleger befürwortet die vom Betreuer angestrebte Geldanlage als wirtschaftlich sinnvolle Anlagemöglichkeit.

Die zulässige weitere Beschwerde des Betreuers führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechtes beruht (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Die Genehmigung hätte zwar durch die Vorinstanzen nicht mit der pauschalen Begründung, die angestrebte Anlageform in einem offenen Immobilienfonds biete generell nicht das erforderliche Maß an Sicherheit, abgelehnt werden dürfen. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend, so dass die weitere Beschwerde zurückzuweisen war.

Gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1806, 1807 BGB hat der Vormund oder Betreuer das zum Vermögen des Mündels oder Betreuten gehörende Geld soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereit zu halten ist, verzinslich in der in § 1807 BGB im einzelnen näher aufgelisteten sog. mündelsicheren Form anzulegen. Allerdings kann das Vormundschaftsgericht nach § 1811 BGB auch eine andere Anlegung gestatten, wobei die Erlaubnis nur verweigert werden soll, wenn die beabsichtigte Art der Anlegung nach Lage des Falles den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwider laufen würde.

Dabei kann für den vorliegenden Fall dahinstehen, ob eine Genehmigung gemäß § 1811 BGB nur dann erteilt werden darf, wenn die beabsichtigte Anlage im Einzelfall klar erkennbare wirtschaftliche Vorteile bietet und gleichermaßen sicher ist wie die mündelsichere Anlage im Sinne des § 1807 BGB (vgl. in diesem Sinne RGZ 128, 309; KG, OLGZ 1967, 255, OLG Frankfurt am Main Rpfleger 1984, 147; Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., § 1811 Rn. 4; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1811 BGB Rn. 5) , oder hierfür ausreichend ist, dass die beabsichtigte anderweitige Geldanlage derjenigen nach § 1807 BGB bezüglich der wirtschaftlichen Bedingungen und der Sicherheit als gleichwertig anzusehen ist (so insbesondere RGRK/Dickescheid, BGB, 12. Aufl., § 1811 Rn. 8; Staudinger-Engler, BGB, 13. Aufl., § 1811 Rn. 2; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1811 Rn. 3; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl., § 1811 Rn. 8). Denn bereits das Landgericht ist aufgrund der vorgelegten Unterlagen zutreffend davon ausgegangen , dass im Sinne der hier vom Betreuer beabsichtigten längerfristigen Anlage die Investition in den hier ausgewählten deutschen offenen Immobilienfonds eine höhere Rendite und damit wirtschaftliche Vorteile erwarten lässt.

Die Vorinstanzen haben die Versagung der Genehmigung auf die generelle Erwägung gestützt, dass die beabsichtigte Anlageform nicht ausreichend sicher sei, weil sie Verluste, insbesondere im Hinblick auf das Risiko der allgemeinen Entwicklung der Immobilienpreise und der Schwierigkeit der Beurteilung der künftigen Wertentwicklung nicht mit der bei den mündelsicheren Geldanlagen nach § 1807 BGB gegebenen Sicherheit ausschließen und diesen deshalb nicht gleichgesetzt werden könne. Dem kann so nicht gefolgt werden. Denn eine derart enge Auslegung in Bezug auf das Erfordernis der Sicherheit und das alleinige Abstellen auf diese Umstände hätte zur Folge, dass anderweitige Geldanlagen als diejenigen des § 1807 BGB im Ergebnis generell ausgeschlossen wären, ohne dass es auf eine Prüfung der am Einzelfall orientierten Vor- und Nachteile der vom Betreuer beabsichtigten Geldanlage nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung ankäme (so auch für die Anlage in einem deutschen Aktienfonds mit Standardpapieren OLG Köln FamRZ 2001, 708 und OLG Schleswig für Renten- und Aktienfonds BtPrax 2000, 87). So hat auch der BGH für das Vermögen eines Mündels oder Betreuten im Rahmen der Entscheidung nach § 1811 BGB eine teilweise Anlage in Aktien nicht für generell ausgeschlossen erachtet (vgl. BGH NJW 1987, 1070/1071). Des weiteren wird auch in der Literatur die Genehmigungsfähigkeit einer Geldanlage in Investment-, Immobilien-, Renten- oder Aktienfonds gemäß § 1811 BGB nicht für generell ausgeschlossen erachtet (vgl. Vogt, Rpfleger 1996, 389; Jünger, FamRZ 1993, 147; Fiala/Behrendsen, Rpfleger 1997, 281).

Die Genehmigung einer anderweitigen Geldanlage im Sinne des § 1811 BGB erfordert vielmehr eine umfassende Prüfung der Vor- und Nachteile, ausgerichtet an den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Dabei darf zwar dem in § 1807 BGB herausgestellten gesetzlichen Ziel der Erhaltung des Vermögens des Mündels oder Betreuten besonderes Gewicht in Relation zur Erzielung einer höheren Rendite eingeräumt werden (vgl. auch Soergel/Damrau, a.a.0., § 1811 Rn. 1 Münch Komm/Schwab, 3. Aufl., § 1811 Rn. 4; RGRK/Dickescheid, a.a.0., § 1811 Rn. 4). Daneben sind jedoch stets auch die individuellen Umstände des Betroffenen zu berücksichtigten. Hierbei können insbesondere Art und Umfang des Vermögens sowie dessen in der Vergangenheit eigenverantwortlich getroffenen Anlageentscheidungen eine Rolle spielen. Relevant ist auch, ob der Betroffene seinen laufenden Lebensunterhalt aus anderweitigen Einkünften bestreiten kann oder hierzu auf die Erträge aus der beabsichtigten Geldanlage oder auch die längerfristige Verwertung von deren Substanz angewiesen ist. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass es bei größeren Vermögen den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht, eine Streuung auf unterschiedliche Anlagearten vorzunehmen (vgl. OLG Köln und OLG Schleswig jeweils a.a.0.; OLG Frankfurt am Main ­ 6. Familiensenat Darmstadt ­ NJW-RR 1999, 1236 mit Anm. Wanner-Laufer = DB 1939, 739; RGRK Dickescheid, a.a.0., § 1811 Rn. 6; Damrau/Zimmermann, a.a.0., § 1811 Rn. 5; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1811 Rn. 3). Dabei werden bezüglich der Frage der Wertsicherheit, Rendite und steuerlichen Auswirkungen einer beabsichtigten Vermögensanlage nach dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG und der hierfür erforderlichen Sachkunde des öfteren die Einholung amtlicher Auskünfte oder eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommen können ( vgl. auch OLG Schleswig und Köln, a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Umstände kommt im vorliegenden Falle eine Genehmigung der beabsichtigten Geldanlage von 300.000,- DM in dem vom Betreuer ausgewählten deutschen offenen Immobilienfonds nicht in Betracht. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, dass der Betroffene zur Bestreitung seines laufenden Lebensunterhaltes sowie des Aufwendungsersatzes und der Vergütung des Betreuers auf die Substanz seines Vermögens zurückgreifen muss und erst 47 Jahre alt ist. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Vermögen des Betroffenen neben dem im Grundbuch eingetragenen Wohnrecht an der von ihm genutzten Wohnung unter Berücksichtigung seiner zwischenzeitlichen weiteren Ausgaben deutlich unter 400.000 DM beträgt. Bei dieser Gesamtsituation mag die Anlegung eines kleineren Bruchteils des vorhandenen Geldvermögens in dem von dem Betreuer ins Auge gefassten offenen Immobilienfonds im Hinblick auf die auch vom Landgericht gesehenen und im einzelnen aufgeführten Sicherheitsmechanismen dieser Anlageform und der in der Vergangenheit erzielten Rendite durchaus in Betracht kommen. Die hier vom Betreuer beabsichtigte Investition des ganz überwiegenden Teils des Vermögens (deutlich über 75%) in einem einzelnen ausgewählten Immobilienfonds entspricht jedoch bereits deshalb nicht den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung, weil er die gebotene Streuung auf mehrere Anlageformen vermissen lässt.

Eine nur teilweise Genehmigung der beabsichtigten Geldanlage bezogen auf einen geringeren Geldbetrag kommt im Verfahren gemäß § 1811 BGB nicht in Betracht, weil das Vormundschaftsgericht auf diesem Wege nicht die zunächst dem Betreuer obliegende wirtschaftliche Entscheidung bezüglich der Vermögensverwaltung an dessen Stelle treffen kann.

Deshalb war im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanzen über die Versagung der Genehmigung zu der beantragten anderweitigen Anlage im Sinne des § 1811 BGB zu bestätigen und die weitere Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO. Nach den Gesamtumständen ist davon auszugehen, dass der Betreuer sowohl die Beschwerde als auch die weitere Beschwerde im Interesse des Betroffenen eingelegt hat.

Ende der Entscheidung

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