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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 20 W 466/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 I
WEG § 48 III
Bei einem Streit über die Duldung der Anbringung einer Parabolantennenanlage kann der Geschäftswert wie auch sonst bei einem Streit über die Nutzung gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Regelwert des § 30 Abs. 2 KostO bestimmt werden. Die nach § 45 Abs. 1 WEG zur Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Beschwer eines Wohnungseigentümers mit italienischer Staatsangehörigkeit, der mit seinem Antrag auf Duldung der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Hausdach unterliegt, übersteigt 750,00 EUR, wenn er über den vorhandenen Kabelanschluss auf Dauer keine italienischen Sender empfangen kann.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 466/02

Entscheidung vom 10. Juli 2003

In der Wohnungseigentumssache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 16.10.2002

am 10.07.2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Erstbeschwerde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wird. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des amtsgerichtlichen Verfahrens sowie der Wert des Verfahrens der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde werden auf jeweils 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten sind die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft ......strasse ....weg 34-36 in ..... . Sie streiten um die Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des von der Antragstellerin und ihrem Ehemann seit 1970 bewohnten Hauses ...strasse 5. Die Antragstellerin ist gebürtige Deutsche und besitzt auch die italienische Staatsangehörigkeit, ihr Ehemann ist seit Geburt italienischer Staatsangehöriger und zwischenzeitlich pensioniert. Das Anwesen ist mit einem Kabelanschluss versorgt, mit dem aber derzeit kein italienischer Sender empfangen werden kann.

In der Eigentümerversammlung vom 12.04.1996 (Bl. 21 d. A.) wurde das Anbringen von Satellitenschüsseln mehrheitlich abgelehnt und die Entfernung einer installierten Schüssel beschlossen. Zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 30.03.2001 wurde dieser Beschluss aus 1996 bestätigt und beschlossen, dass für die Eheleute G. und M. eine Sonderregelung gefunden werden sollte.

Der Antragstellerin war durch Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 19.09.2001 in dem Verfahren 41 II 144/01 (Bl. 115-119 d. A.) aufgegeben worden, eine von ihr am Balkon angebrachte Satellitenschüssel zu entfernen. Außerdem hatte das Amtsgericht den Gegenantrag der Antragstellerin zurück gewiesen, dass sie berechtigt sei, an dem Hausanwesen .....straße 5 zu den Bedingungen der jetzigen Antragsgegner eine Satellitenanlage zum Empfang italienischer Sender zu installieren. Diesen Beschluss hat die Antragstellerin nicht angefochten. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin die Duldung der fachgerechten Installation einer Parabolantenne auf dem Dach des Hauses ....strasse 5 auf ihre Kosten und zu den Bedingungen der Antragsgegner begehrt, hilfsweise die Zuweisung einer geeigneten Stelle zur Installation. Diesen Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 15.05.2001 (Bl. 29-32 d. A.) zurückgewiesen mit der Begründung, es fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil in dem Beschluss vom 19.09.2001 über denselben Verfahrensgegenstand bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 16.10.2002 als unzulässig verworfen, da der erforderliche Beschwerdewert von 750 EUR nicht überschritten sei. Zu einem vermögenswerten Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung bzw. der begehrten Installation der Parabolantenne habe die Antragstellerin nichts vorgetragen und es sei auch nichts ersichtlich. Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 08.11.2002 (Bl. 69 d. A.) zugestellten Beschluss des Landgerichts hat die Antragstellerin mit am 20.11.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Zulässigkeit der Erstbeschwerde trägt die Antragstellerin vor, es seien auch die ihr in dem amtsgerichtlichen Beschluss auferlegten Kosten zusätzlich zu den Installationskosten und dem Materialwert zu berücksichtigen. In der Sache beruft sie sich auf das ihr bzw. ihrem Ehemann auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zustehende Grundrecht auf Information, das hier Vorrang genieße, da das Eigentum der Antragsgegner nicht nennenswert beeinträchtigt werde, weil die Parabolantenne bei Anbringung auf dem Dach von unten nicht zu sehen sei. Der Anschluss an eine Parabolantenne eines anderen Eigentümers sei durch die zwischenzeitliche Entfernung nicht mehr möglich. Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten und machen geltend, dass weder die Verfahrenskosten, noch die Kosten einer Beseitigung zur Bewertung des Interesses der Antragstellerin an der begehrten Duldung heranzuziehen seien. Sie behaupten, die Antragstellerin habe den Anschluss an eine früher bestehende Parabolanlage eines anderen Miteigentümers abgelehnt. Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthafte sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch sonst ohne Rücksicht auf die Höhe der Beschwer schon allein deshalb zulässig, weil die Erstbeschwerde der Antragstellerin verworfen worden ist (Palandt/Bassenge: BGB, 62. Aufl., § 45 WEG, Rdnr. 4; Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 2 und 4 m.w.H.).

Die weitere Beschwerde ist insoweit begründet, als das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat mangels Überschreiten eine Beschwer der Antragstellerin von 750 EUR. Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27 FGG, 546 ZPO). Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdewert nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers richtet, wobei es allein auf die Entscheidung zur Hauptsache ankommt und Nebenentscheidungen ebenso wie die Kosten außer Betracht bleiben (BayObLG ZWE 00, 461; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 9 und 11; Palandt/Bassenge, aaO., § 45 Rdnr. 3). Dieses Interesse der Antragstellerin, das darauf gerichtet ist, das gemeinschaftliche Eigentum durch die Anbringung einer Parabolantenne in besonderer Weise nutzen zu dürfen, hat die Kammer jedoch zu gering bewertet. Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, in Zweifelsfällen, zu denen auch solche gehören, in denen die Bestimmung des Geschäftswertes oder der Beschwer mangels konkreter Anhaltspunkte weitgehend Ermessenssache ist, von der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auszugehen und in der Sache zu entscheiden (BayObLG WuM 1994, 565, 566; Senat Beschluss vom 18.02.2002­20 W 272/01-); so ist beispielsweise auch bei einer bloß optischen Beeinträchtigung eines Beschwerdeführers eine großzügige Schätzung vorzunehmen (KG WE 1995, 123). Hier besteht die Beeinträchtigung der Antragstellerin darin, dass sie bzw. ihr italienischer Ehemann auf Dauer von der Information und Unterhaltung durch italienische Fernsehsender abgeschnitten sind, wenn es bei der Entscheidung der Vorinstanzen bleibt. Die Antragsgegner haben jedenfalls nicht vorgetragen, dass in absehbarer Zeit mit dem Empfang italienischer Sender über den Kabelanschluss zu rechnen oder er durch sonstige technische Möglichkeiten zu erreichen sei. Bei der Bedeutung, die die Allgemeinheit heute einer umfassenden Teilnahme an der Medienwelt beimisst und dem Rang, den die Informationsfreiheit nach der Rechtssprechung auch des Bundesverfassungsgerichts einnimmt, muss deshalb von einer Beschwer der Antragstellerin ausgegangen werden, die jedenfalls 750,00 EUR übersteigt.

Der Senat konnte aber von einer Aufhebung und Zurückverweisung absehen und selbst in der Sache entscheiden. Denn auf die Abwägung des Informationsrechtes der Antragstellerin und des Eigentumsrechtes des Antragsgegner, die noch weitere Aufklärung der tatsächlichen Gegebenheiten in der Anlage und der Lebensumstände der Antragstellerin und ihres Ehemannes erfordert hätte, kam es vorliegend nicht an. Wie bereits das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für diesen hier den Verfahrensgegenstand bildenden Unterlassungsantrag auf Grund der rechtskräftigen Zurückweisung ihres Gegenantrags in dem Verfahren 41 II 144/01 des Amtsgerichts Offenbach. Unabhängig von der Formulierung haben beide denselben Verfahrensgegenstand, nämlich die Nutzung von Gemeinschaftseigentum durch die Anbringung einer Parabolantenne, allenfalls war der frühere Feststellungsantrag noch umfassender, weil der die Anbringung "an dem Hausanwesen" vorsah, während nach dem Duldungsantrag Anbringungsort nur das Hausdach sein soll. Die Antragsgegner können zur Duldung der Installation der Parabolantenne auf dem Dach schon allein deshalb nicht mehr verpflichtet werden, weil in dem Vorverfahren die Feststellung einer Berechtigung der Antragstellerin zur Anbringung an dem (gesamten) Hausanwesen rechtskräftig abgelehnt worden ist. Maßgebliche Veränderungen der Tatsachengrundlage, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden und bei dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem durch Beschluss vom 19.09.2001 endenden Vorverfahren und der jetzigen Antragstellung Ende März 2002 auch nicht zu erwarten. Sie könnten als neuer Vortrag auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden, sondern allenfalls in einem Abänderungsverfahren nach § 45 Abs. 4 WEG. Aus welchen Gründen es nicht zur Anfechtung des Beschlusses vom 19.09.2001 gekommen ist, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn der frühere Verfahrensbevollmächtigte eine Anfechtung weisungswidrig unterlassen hätte, wie die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 14.02.2003 ausgeführt hat, ändert dies nichts an der eingetretenen Rechtskraft.

Die Gerichtskosten ihrer im Ergebnis erfolglosen weiteren Beschwerde hat die Antragstellerin zu tragen (§§ 47 Satz 1 WEG, 97 Abs. 1 ZPO analog). Dagegen sah der Senat keine Veranlassung zur Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten (§ 47 Satz 2 WEG).

Den Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde (§ 48 Abs. 3 WEG) und gemäß § 31 Abs. 1 KostO auch der Vorinstanzen hat der Senat entsprechend dem Regelwert des § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt, der bei einem Streit über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 16.09.2002 ­20 W 146/2002-) maßgeblich ist. Dagegen kommt es nicht auf den Wert der Sache bzw. die Höhe eines Nutzungsentgelts an, ebenso wenig auf die Kosten der Anbringung der Parabolantenne und ihrer Unterhaltung. Für eine Unterschreitung des Regelsatzes besteht aber im Hinblick auf die in der tatsächlichen Auswirkung für das Nutzungsrecht vergleichbaren Sachverhalte, die der Anfechtung von Beschlüssen über die Nichtgestattung von Parabolanlagen oder von Beseitigungsanträgen zu Grunde liegen und für die ein Geschäftswert von 5.000,00 DM für angemessen erachtet worden ist (OLG Celle NJW-RR 1994, 977, 979), keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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