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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.04.2002
Aktenzeichen: 20 W 503/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Einem Berufsbetreuer mit dem Fachschulabschluss als Ingenieurpädagogen kann der erhöhte Stundensatz von 45,-- DM gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG zugebilligt werden. Eine Gleichsetzung mit einem Hochschulabschluss im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG kommt aber nicht in Betracht.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 503/01

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 15. November 2001 am 08. April 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Beschwerdewert: 452,40 DM = 231,31 EUR.

Gründe:

Der Betreuer hat von 1982 bis 1984 am Institut zur Ausbildung von Ingenieurpädagogen in Gotha den Fachschulabschluss als Ingenieurpädagoge erworben. Er wurde mit Beschluss vom 02. März 2001 zum Berufsbetreuer für den Betroffenen bestellt. Für seine Tätigkeit in der Zeit vom 13. März 2001 bis zum 30. Juni 2001 beantragte er die Festsetzung einer Betreuervergütung für 26 Arbeitsstunden auf der Grundlage eines Stundensatzes von 60,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Das Amtsgericht ging jedoch von einem Stundensatz von 45,-- DM aus und bewilligte deshalb mit Beschluss vom 17. August 2001 lediglich eine Vergütung von 1.357,20 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betreuers, der weiterhin einen Stundensatz von 60,-- DM erstrebt, wurde durch den angefochtenen Beschluss des Landgerichts zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betreuer mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit welcher er insbesondere die Auffassung vertritt, nach ihrem Inhalt und aufgrund der ihm vom Thüringer Kultusministerium in Aussicht gestellten Eingruppierung als Fachlehrer in die Vergütungsgruppe IV b BAT-O sei der von ihm erworbene Berufsabschluss einem Fachhochschulstudium gleichzusetzen. Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

Für die Bemessung der Vergütung der Tätigkeit des Berufsbetreuers für den vermögenden Betroffenen gemäss §§ 1908 i Abs. 1, 1836 BGB ist hier auf die Stundensätze des § 1 BVormVG abzustellen, da diese im Regelfall auch für vermögende Betreute als Orientierungshilfe heranzuziehen sind und die vorliegende Betreuung keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, die diesbezüglich eine Abweichung rechtfertigen würde (vgl. BGH MDR 2001, 91; Senatsbeschlüsse vom 13 Dezember1999 und 22. Mai 2000 OLG-Report Frankfurt am Main 2000, 240 und Rpfleger 2000, 498).

Gemäß § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 35,-- DM. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 45,-- DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 60,-- DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. Um ein zu grobes Raster zu vermeiden (vgl. hierzu Barth-Wagenitz, BtPrax 1996, 118/120) hat der Gesetzgeber jeweils abgeschlossene Ausbildungen, die diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, gleichgestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BVormVG).

Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61 Aufl., § 1836 Rn. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft, wobei die Ausbildung in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger Kenntnisse ausgerichtet sein sollte (vgl. BayObLG a.a.O. und BtPrax 2000, 124/125).

Durch eine einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind Fachkenntnisse, wenn sie im Rahmen einer Ausbildung vermittelt wurden und diese Ausbildung in ihrer Wertigkeit einer Hochschulausbildung entspricht sowie einen formalen Abschluss aufweist (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 31 = JurBüro 2000, 93; Barth/Wagenitz, a.a.O.). Einer Hochschulausbildung gleichwertig ist eine Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschulstudiums entspricht (vgl. BayObLG a.a.O. und EzFamR 2000, 104; OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130).

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125). Derartige Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts hier nicht erkennen. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Betreuer durch die von ihm absolvierte Ausbildung zum Ingenieurpädagogen insbesondere in den Fächern Pädagogik und Psychologie Fachkenntnisse erworben hat, die für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar sind.

Rechtsfehlerfrei ist des weiteren die mit der Rechtsbeschwerde angegriffene Würdigung des Landgerichts, wonach der erworbene Fachschulabschluss, der die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieurpädagoge" einschloss, zwar einer abgeschlossenen Lehre im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG, nicht jedoch einer abgeschlossenen Hochschulsausbildung im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG als vergleichbar angesehen werden kann. Insbesondere hat das Landgericht insoweit die von dem Betreuer behauptete Gleichwertigkeit mit einer Fachhochschulausbildung rechtsfehlerfrei verneint und dabei insbesondere auch den Inhalt des von dem Betreuer vorgelegten Schreibens des Thüringer Kultusministe-riums berücksichtigt, mit dem lediglich eine Gleichstellung mit einem staatlich geprüften Techniker bescheinigt wurde. Die vom Landgericht vorgenommene Einordnung des Ausbildungsstandes des Betreuers auf der Ebene einer üblichen Berufsausbildung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BVormVG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit einer Vielzahl obergerichtlicher Entscheidungen, die in aller Regel einen Fachschulabschluss dieser Vergütungsstufe zuordnen (vgl. OLG Schleswig BtPrax 2000, 172; BayObLG FamRZ 2000, 1307, LG Neubrandenburg, BtPrax 2000, 221; OLG Dresden FamRZ 2000, 316; BayObLG Rpfleger 2000, 392 und BayObLG-Report 2000, 35). Die Richtigkeit dieser Einstufung für den vorliegenden Einzelfall wird auch dadurch bestätigt, dass die Ausbildung des Betreuers an der Fachschule ausweislich seiner Angaben im Lebenslauf im Laufe des Jahres 1982 begonnen wurde und nach dem vorgelegten Abschlusszeugnis bereits am 31. August 1984 beendet war. Eine derartige, deutlich weniger als drei Jahre dauernde Ausbildung an einer Fachschule ist einem in der Regel mindestens dreijährigen und wissenschaftlich ausgerichteten Fachhochschulstudium nicht gleichzusetzen. Hieran vermag auch der Hinweis des Betreuers in der Rechtsbeschwerde auf die mögliche tarifliche Einstufung in die Vergütungsgruppe IV b BAT-O im Falle einer Einstellung als Fachlehrer nichts zu ändern, da diese Vergütungsgruppe jedenfalls nicht ausschließlich Fachhochschul- oder Hochschulabsolventen vorbehalten ist, wie dies im Falle des BayObLG ( BtPrax 2000, 32 betreffend die Besoldungsgruppe A 14 ) gegeben war. Demgegenüber betrafen die von dem Betreuer in Bezug genommenen Entscheidungen des OLG Dresden ( FamRZ 2000, 847 und 1310) und des LG Koblenz ( FamRZ 2001, 712 ), mit denen ein Stundensatz gemäss § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG zugebilligt worden war, jeweils Lehrer, die eine Hochschulausbildung absolviert hatten. Im übrigen hat der Senat bereits in dem durchaus vergleichbaren Fall einer abgeschlossenen Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberufe die Gleichwertigkeit mit einer Fachhochschulausbildung verneint (Senatsbeschluss vom 08. Januar 2001 ­ OLG-Report Frankfurt am Main 2001, 113). Ebenso hat das BayObLG (BtPrax 2000, 33) die Ausbildungsberechtigung für Bankkaufleute gemäß § 76 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz lediglich dem § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG, nicht aber dessen Nr. 2 gleichgesetzt. Im übrigen geht auch das Thüringer Oberlandesgericht (Beschluss vom 14. November 2001 ­ 6 W 488/01 ­ dokumentiert bei JURIS) davon aus, dass die in der früheren DDR erworbene Fachschulausbildung zum Ingenieurpädagogen lediglich eine Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG, nicht aber den von dem Betreuer hier begehrten Stundensatz von 60,-- DM, rechtfertigt.

Die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers war deshalb zurückzuweisen.

Der Senat hat von der Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen trotz dessen erheblicher gesundheitlicher Einschränkung Abstand genommen, da dem Rechtsmittel des Betreuers der Erfolg aus Rechtsgründen zu versagen war und eine Abänderung der Entscheidung zu Gunsten des Betroffenen wegen des Grundsatzes der reformatio in peius ohnehin nicht in Betracht kam.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht veranlasst, da der Betroffene sich im vorliegenden Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert hat.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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