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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.07.2001
Aktenzeichen: 20 W 522/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1835 a Abs. 2
BGB § 1835 a Abs. 4
BGB § 1835 Abs. 1 Satz 4
BGB § 1835 a Abs. 1
Wird die ehrenamtliche Betreuerin durch ein Verhalten des Vormundschaftsgerichts von der Geltendmachung ihrer pauschalen Aufwandsentschädigung abgehalten, kann der Berufung auf die gesetzliche Ausschlussfrist des § 1835a Abs. 2 BGB der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen stehen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

Entscheidung vom 9.7.2001

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 15. November 2000 am 09. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 600,-- DM.

Gründe:

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss statthafte (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, da der angefochtene Beschluss nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Bewilligung einer pauschalen Aufwandsentschädigung von 600,-- DM für die Betreuertätigkeit der Beteiligten zu 1) im Jahre 1999 die Vorschrift des § 1835 a Abs. 4 BGB nicht entgegensteht.

Nach § 1835 a Abs. 4 BGB erlischt der Anspruch auf Aufwandsentschädigung, wenn er nicht binnen drei Monaten nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, geltend gemacht wird. Nach Inhalt und Zweck der gesetzlichen Regelung handelt es sich hierbei um eine Ausschlussfrist (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1835 a Rn. 6). Zwar führt der Ablauf einer Ausschlussfrist zum Erlöschen des betroffenen Rechtes, so dass die Fristversäumung unmittelbar einen Rechtsverlust zur Folge hat (vgl. Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb., vor § 194 Rn. 11 und 13). Auch weist die Bet. zu 2) zutreffend darauf hin, dass bei Versäumung einer Ausschlussfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist (vgl. KG NJW-RR 1997, 643; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vor§ 194 Rn. 8; Staudinger/Peters, a.a.O., Rn. 16).

Es ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur dem Grunde nach anerkannt, dass auch gegenüber einer Ausschlussfrist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wegen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB durchgreifen kann (vgl. Münch Komm/Grothe, BGB, 4. Aufl., § 194 Rn. 16; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn. 63; Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 242 Rn. 52; BGH NJW 1995, 598 und 2.854). Angesichts der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit der auf Gesetz oder Vertrag beruhenden Ausschlussfristen kann jedoch nicht generell über die Anwendbarkeit des § 242 BGB entschieden werden. Vielmehr kommt es hierfür maßgeblich auf Sinn und Zweck der in Frage stehenden jeweiligen Ausschlussfrist an. Hierbei sind insbesondere Art und Inhalt des Rechtes, dessen Geltendmachung der Ausschlussfrist unterliegt, zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist auch die in der Regelung der Ausschlussfrist zu Tage tretende Interessenbewertung (vgl. BGH NJW-RR 1987, 157; BGHZ 31, 77, 83; Münch Komm/Grothe, a.a.0., § 194 Rn. 16; BGH NJW 1993, 1005; Soergel/Walter, BGB, 13. Aufl., vor § 194 Rn. 13).

Zweck der gesetzlichen Regelung des § 1835 a Abs. 4 BGB ist es, ehrenamtliche Betreuer, die die Jahrespauschale in Anspruch nehmen wollen, zu einer zeitnahen Geltendmachung zu zwingen und insbesondere das Auflaufen mehrerer Jahrespauschalen gegenüber dem vermögenden Betreuten oder der Staatskasse zu verhindern (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.0., § 1835 a Rn. 6; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., vor §§ 65 ff FGG, Rn. 119 und 126). Da die Geltendmachung der Pauschale nur mit einem geringen Aufwand verbunden ist und im Unterschied zur wahlweise ebenso für den ehrenamtlichen Betreuer möglichen Einzelabrechnung seiner konkreten Aufwendungen keinen Dokumentationsaufwand erfordert, hat der Gesetzgeber bei der Ausschlussfrist des § 1835 a Abs. 4 BGB im Unterschied zu §§ 1835 Abs. 1 Satz 4 und 1836 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz BGB die Möglichkeit einer Fristverlängerung bewusst nicht eingeführt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung der pauschalen Aufwandsentschädigung und deren Erhöhung auf derzeit 600,-- DM jährlich in § 1835 a Abs. 1 BGB auch einen Beitrag zur Förderung der ehrenamtlichen Tätigkeit von Staatsbürgern als Vormund oder Betreuer leisten wollte, um die Bereitschaft zur Übernahme eines solchen Amtes durch eine unkomplizierte pauschale Abgeltung der zu erwartenden Aufwendungen zu fördern, wobei zugleich die finanziellen Belastungen für Mündel und Betreute einerseits und die Staatskasse andererseits begrenzt werden sollten (vgl BT-Drucks. 13/10331 S. 38). Die Gesamtwürdigung von Inhalt und Regelungszweck der Aufwendungspauschale und der hierzu eingeführten gesetzlichen Ausschlussfrist steht hiernach zur Überzeugung des Senats einer Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegen.

Des weiteren lässt die rechtliche Würdigung des Landgerichts, wonach im vorliegenden Einzelfall die Berufung auf den Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 1835 a Abs. 2 BGB zugunsten der Staatskasse dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB widersprechen würde, Rechtsfehler nicht erkennen. Die Berufung auf eine Ausschlussfrist wegen unzulässiger Rechtsausübung kann ­ebenso wie die Erhebung der Verjährungseinrede ­ dann ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner den Gläubiger gerade durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruches abgehalten hat ( vgl. MünchKomm/Grothe, a.a.O., § 194 Rn. 13 und Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor § 194 Rn. 10 jeweils m.w.N.). Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen und hat das Überschreiten der Ausschlussfrist um knapp 3 Wochen für unbeachtlich gehalten, weil die ehrenamtliche Betreuerin gerade durch ein Verhalten des Vormundschaftsgerichtes von der rechtzeitigen Geltendmachung ihres pauschalen Aufwendungsersatzanspruches abgehalten wurde. Da es sich hierbei um Fragen tatrichterlicher Würdigung handelt, hat der Senat nur darüber zu befinden, ob das Landgericht bei seiner Beurteilung den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht und die wesentlichen Tatumstände berücksichtigt hat und seine Feststellungen nicht im Widerspruch zu Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen stehen ( vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 27 Rn. 42 m.w.N.). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor. Das Landgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts die Beteiligte zu 1) als langjährige Pflegemutter der Betroffenen anlässlich ihrer erstmaligen Verpflichtung als ehrenamtlicher Betreuerin auf die Möglichkeit der Geltendmachung einer Aufwandsentschädigung hingewiesen hatte und hierbei ausdrücklich vereinbart wurde, dass ein entsprechender Antrag gleichzeitig mit dem Jahresbericht anhand von Vordrucken, die das Gericht übersenden werde, gestellt werden könne. Die Vordrucke für den Jahresbericht und die Beantragung der Aufwandsentschädigung wurden trotz Beginn der Betreuertätigkeit mit dem 01.12.1998 aufgrund eines Versehens des Gerichtes erst am 29. März 2000 ohne Setzung einer Frist für die Einreichung an die Bet. zu 1) abgeschickt, die beide Vordrucke ausgefüllt zeitnah am 20. April 2000 dem Gericht zurücksandte. Hiernach ist die Einschätzung des Landgerichts, die Beteiligte zu 1) sei konkret und ursächlich durch ein Verhalten des Vormundschaftsgerichtes von der rechtzeitigen Geltendmachung ihres Anspruches abgehalten worden, frei von Rechtsfehlern. Als erstmals bestellte ehrenamtliche Betreuerin verfügte die Beteiligte zu 1) bezüglich der Aufwandsentschädigung für ihre neu aufgenommene Tätigkeit erfahrungsgemäß nicht über besondere Rechtskenntnisse. Sie durfte sich deshalb auf die Richtigkeit der ihr vom Vormundschaftsgericht erteilten Auskünfte verlassen und insbesondere davon ausgehen, dass ihr die gesetzlich vorgesehene Jahrespauschale zur Aufwandsentschädigung durch die Staatskasse gewährt wird, wenn sie das ihr übersandte Formular zusammen mit dem Jahresbericht ordnungsgemäß ausfüllt und zeitnah bei Gericht einreicht. Demgegenüber kann der Beteiligten zu 1) die allein vom Vormundschaftsgericht zu verantwortende verspätete Übersendung des Vordruckes für den erstmals zu erstellenden Jahresbericht und das verabredungsgemäß beigefügte Antragsformular für die Aufwendungspauschale nicht zugerechnet werden. Sie beruht vielmehr allein auf der Versäumnis des Vormundschaftsgerichtes. Angesichts der eindeutigen Mitteilung über die Beantragung der Aufwandspauschale hat das Landgericht des weiteren zutreffend darauf abgestellt, dass auch im Falle eines vorherigen Zuganges von der nicht am Gerichtssitz wohnenden Beteiligten zu 1) nicht erwartet werden konnte, dass sie das Antragsformular noch am 31. März 2000 wieder bei Gericht einreichte, was allein die gesetzliche Frist des § 1835 a Abs. 4 BGB gewahrt hätte.

Da sich der Aufwendungsersatzanspruch der Bet. zu 1) wegen Mittellosigkeit der Betroffenen hier gemäß § 1835 a Abs. 2 BGB gegen die Staatskasse richtet, ist dieser das für die verspätete Antragstellung ursächliche Verhalten der Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts zuzurechnen. Das Landgericht hat somit der Bet. zu 1) zutreffend die von ihr erst für die Zeit ab 1. Januar 1999 beanspruchte Jahrespauschale trotz kurzfristigen Überschreitens der Ausschlussfrist des § 1835 a Abs. 4 BGB gegen die Staatskasse festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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