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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 20 W 53/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1030
BGB § 1093
Die Eintragung eines Wohnungsrechts gemäß § 1039 BGB zusätzlich zu einem Nießbrauch desselben Berechtigten, der dasselbe Grundstück betrifft, ist mangels eines rechtlich geschützten Interesses des Nießbrauchers unzulässig (Anschluss an OLG Hamm FGPrax 1997, 168).
Gründe:

Der Antragsteller zu 1) ist als Eigentümer bzw. Miteigentümer des betroffenen Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. Zu UR.-Nr. .../2006 des Verfahrensbevollmächtigten übertrug der Antragsteller zu 1) sein Eigentum an dem betroffenen Grundbesitz an die Antragsteller zu 2) und 3). In dem Vertrag vom ....2006 bestellten die Übernehmer für den Übergeber ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten betroffenen Grundbesitz und außerdem eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) lastend auf dem in Blatt 6400 eingetragenen Grundstück, das mit einem Einfamilienreihenmittelhaus bebaut ist.

Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf Fol. 10/2 der Akten Bezug genommen.

Der Verfahrensbevollmächtigte beantragte unter dem 06.11.2006 gemäß § 15 GBO die Eigentumsumschreibung sowie die Eintragung des Nießbrauchsrechts und des Wohnungsrechts (nur in Blatt 6400) und einer ebenfalls bewilligten Rückauflassungsvormerkung.

Der Grundbuchrechtspfleger wies mit Schreiben vom 10.11.2006 darauf hin, dass nach einer Entscheidung des Landgerichts Darmstadt die Eintragung eines Wohnungsrechts neben einem Nießbrauch unzulässig sei. Die Vertragsparteien müssten sich entscheiden, ob ein Wohnungsrecht oder ein Nießbrauch für den Übergeber eingetragen werden solle.

Die Antragsteller hielten ihre Eintragungsanträge aufrecht und verwiesen darauf, dass andere Grundbuchämter das Wohnungsrecht neben dem Nießbrauch eintragen würden und das BGB beides als zulässige Belastung nebeneinander zulasse. Auch könne der Nießbraucher ein Interesse daran haben, wegen der Kostenbelastung das Nießbrauchsrecht aufzugeben, aber das Wohnungsrecht zu behalten. Dies müsse ohne Rangverlust möglich sein. Der Rechtspfleger könne entscheiden, welches Recht er zurückweise.

Mit Beschluss vom 13.12.2006 (Fol. 10/8 d. A.) hat das Grundbuchamt, da die Eintragung eines Wohnungsrechts neben der Eintragung eines Nießbrauchs unzulässig sei und wegen des sachlichen Zusammenhangs sämtliche Anträge der Antragsteller zurückgewiesen. Der gegen die Zurückweisung gerichteten Beschwerde der Antragsteller hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 15.01.2007 hat das Landgericht die Beschwerde als unbegründet verworfen. Die Kammer hat ihre frühere, den Antragstellern vom Amtsgericht bereits mitgeteilte Entscheidung zitiert und ausgeführt, es bestehe keine Veranlassung, von ihrer auch vom OLG Hamm und der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung abzuweichen. Wegen der Abdingbarkeit mit dinglicher Wirkung sei auch auf Grund der Lastentragungspflicht des Nießbrauchers nach § 1047 BGB keine andere Sichtweise geboten.

Mit ihrer weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts verweisen die Antragsteller auf ihren bisherigen Vortrag und machen geltend, dass sich das Landgericht nicht mit der für die Praxis bedeutsamen Frage auseinandergesetzt habe, ob eine teilweise Aufgabe des Nießbrauchsrechts unter Beibehaltung eines Wohnungsrechts zur Wahrung der Rangstelle möglich sei. Der Gesetzgeber habe in den Bestimmungen der §§ 1030 ff., 1090 ff. BGB an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass der Nießbrauch an Sachen und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten nur alternativ und nicht nebeneinander einzutragen seien. Die Möglichkeit eines Zusammentreffens von Nießbrauch und anderen Nutzungsrechte setze auch die Regelung des § 1060 BGB voraus. Es ergäbe sich aus keiner Bestimmung der §§ 1030 ff. BGB, dass der Nießbrauch auch die Berechtigung zum Wohnen beinhalte.

Die weitere Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GBO, aber nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts einer Überprüfung auf Rechtsfehler (§§ 78 GBO, 546 ZPO) standhält. Zu Recht hat die Kammer den die Anträge der Antragsteller zurückweisenden Beschluss des Grundbuchamts bestätigt. Die Annahme einer stillschweigenden Bestimmung im Sinn des § 16 Abs. 2 GBO durch das Grundbuchamt mit der Folge der Zurückweisung sämtlicher Anträge ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und ist von der weiteren Beschwerde auch nicht beanstandet worden.

Das Vorbringen der Antragsteller in der weiteren Beschwerde führt nicht zum Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller gehört zum gesetzlichen Inhalt des Nießbrauchs an Sachen, dass der Berechtigte die Nutzungen der Sache ziehen darf, also grundsätzlich sämtliche Nutzungen, es sei denn, dass einzelne Nutzungen qualitativer Art von diesem Recht ausgenommen sind, § 1030 BGB. Da nach § 100 BGB zu den Nutzungen auch die Gebrauchsvorteile einer Sache gehören und nach § 1036 Abs. 1 BGB der Nießbraucher zum Besitz der Sache berechtigt ist, kann kein Zweifel daran bestehen, dass derjenige, dem der Nießbrauch an einem Grundstück eingeräumt ist, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, auch darin wohnen kann (Pohlmann in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1030, Rdnr. 52). Deshalb entspricht es ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Hamm FGPrax 1997, 168; Palandt/Bassenge: BGB, 67. Aufl., 2008, § 1093, Rdnr. 1; Alpmann in jurisPK-BGB, 3. Aufl., § 1093 BGB, Rdnr. 6; Staudinger-Mayer: BGB, 2002, § 1093, Rdnr. 5; Demharter: GBO, 25. Aufl., Anhang zu § 44, Rdnr. 28; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht, 6. Aufl., Einl., Rdnr. M 15; a. A. Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 1237, Fußnote 10), der sich der Senat anschließt, dass für den Nießbrauchsberechtigten kein rechtlich geschütztes Interesse besteht, zusätzlich zu seinem Nießbrauch ein Wohnungsrecht für sich im Grundbuch eintragen zu lassen, weil der Berechtigte eines Nießbrauchs durch die Eintragung eines zusätzlichen Wohnungsrechts keine bessere Rechtsstellung erwirbt. Von überflüssigen Eintragungen ist das Grundbuchamt im Interesse der Übersichtlichkeit freizuhalten. Überflüssig ist eine Eintragung, wenn sie Inhalt und Modalitäten eines Rechts wiederholt, die sich ohnedies aus dem Gesetz ergeben (BayObLG Rpfleger 2000, 543=MittBayNot 2000, 555; OLG Hamm FGPrax 2001, 55; Meikel/Morvilius: Grundbuchrecht, 9. Aufl., Einl. C, Anm. C 9; Demharter, aaO., § 44, Rdnr. 14).

Die von den Antragstellern angeführten Argumente für das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der Eintragung eines Wohnungsrechts zusätzlich zu dem Nießbrauch vermögen nicht zu überzeugen.

Der Rangverlust für den Fall der Aufhebung des Nießbrauchs lässt sich durch die Bewilligung eines dadurch aufschiebend bedingten Wohnungsrechts vermeiden (Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 1237). Die nach § 1059 Satz 2 BGB zulässige Übertragung der Ausübung des Nießbrauchs ist mit dinglicher Wirkung abdingbar (BGH NJW 85, 2827). Ebenso zulässig ist es, das Recht des Nießbrauchers auf Vermietung auszuschließen (Landgericht Aachen Rpfleger 1986, 468; Pohlmann, aaO., Rdnr. 67; Staudinger/Frank: BGB, 2002, § 1030, Rdnr. 57). Wenn dieser Ausschluss aber nicht erfolgt ist, könnte auch ein nachrangig eingetragenes Wohnungsrecht nicht die Vermietung durch den Nießbrauchsberechtigten verhindern. Schließlich kann auch aus § 1060 BGB, der das Zusammentreffen eines Nießbrauchs mit einem sonstigen Nutzungsrecht betrifft, kein Argument für die Auffassung der Antragsteller hergeleitet werden. Wie sich aus der in § 1060 BGB enthaltenen Verweisung auf § 1024 BGB entnehmen lässt, geht es dabei um das Zusammentreffen von Nutzungsrechten, die verschiedenen Berechtigten zustehen, was vorliegend nicht der Fall ist.

Schließlich verfängt auch der Hinweis auf die angeblich andere Handhabung durch andere Grundbuchämter nicht. Die Tatsache der Eintragung von Nießbrauchsrecht und Wohnungsrecht in anderen Fällen besagt noch nicht, dass die zu Grunde liegende Vertragsgestaltung der hier vorliegenden entsprach. Auch falls dies der Fall sein sollte, kann das Verhalten der Praxis kein Grund sein, von der oben dargelegten, ganz überwiegenden Rechtsauffassung abzuweichen und mit dem Hintergrund steuerrechtlicher Vorteile Grundsätze des Sachenrechts und der Grundbuchordnung aufzuweichen. Zu dem Vorwurf der Ungleichbehandlung hat bereits der Grundbuchrechtspfleger zutreffend Stellung genommen.

Die Entscheidung zu den Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Die Anordnung einer Kostenerstattung war mangels unterschiedlichen Verfahrensziels der Antragsteller nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 und erfolgte in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene landgerichtliche Festsetzung.

Ende der Entscheidung

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