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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 20 W 565/05
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 24 Abs. 3
FGG § 26 S. 1
FGG § 26 S. 2
1. Im Abschiebungshaftverfahren wird die Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts erst mit der Rechtskraft wirksam. Daher kann das Erstbeschwerdegericht nicht die sofortige Vollziehbarkeit seiner Entscheidung aussetzen, sondern nur die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anordnen.

2. Bei Minderjährigen sind die Voraussetzungen für eine Haftanordnung nur gegeben, wenn mildere Mittel als Haft nicht in Frage kommen.


Gründe:

Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2005 beantragte die Antragstellerin, gegen die Betroffene, die am 25. Juni 2004 mit einem bis zum 2. Juli 2004 befristeten spanischen Schengenvisum eingereist ist, Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten anzuordnen. Zur Begründung ist u.a.ausgeführt:

"Am 06.12.2005 wurde Frau A von Polizeibeamten des ... Polizeireviers, im Rahmen einer Personenkontrolle, in der Bstraße, in O1 in der Gaststätte "Z " im Beisein ihrer Mutter wegen des Verdachtes auf Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz vorläufig festgenommen. ....

Ein milderes Mittel als Abschiebehaft, um die Zeitnahe Rückführung der Frau A nach Russland zu gewährleisten sehe ich nicht, da Frau A über keinerlei soziale Kontakte in Deutschland verfügt wo sie sicher untergebracht werden könnte. Jugendhilfeeinrichtungen in Hessen gibt es leider nicht, die sicher dafür sorgen könnten, dass Frau C für Maßnahmen der Ausländerbehörde zur Verfügung steht. Die Mutter der Frau A scheint auch kein wirkliches Interesse an ihrer Tochter zu haben, da die Mutter bei der Festnahme nicht bereit war für ihre Tochter eine Sicherheitsleistung zu bezahlen und somit eine Haft für ihre Tochter zu vermeiden. ..."

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 hat das Amtsgericht gegen die Betroffene zunächst eine einstweilige Freiheitsentziehung bis zum 13. Dezember 2005 und mit Beschluss vom 12. Dezember 2005 Abschiebungshaft bis zum 6. März 2006 angeordnet. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Dezember 2005 aufgehoben. Der Beschluss wurde im Anschluss an die mündliche Anhörung der Betroffenen am 28. Dezember 2005 verkündet. Zur Begründung führt das Landgericht in der schriftlichen Fassung des Beschlusses aus, dass der vom Amtsgericht angenommene Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht mehr bestehe, weil die Betroffene bei ihrer Mutter in der X-Straße 3 in O1 wohne. Weil die Betroffene noch minderjährig sei, müssten durch die Ausländerbehörde mildere Mittel als die Haft zunächst geprüft und versucht werden; hierzu könnten Meldeauflagen oder auch die Stellung einer Kaution dienen.

Gegen den landgerichtlichen Beschluss legte die Antragstellerin noch am 28. Dezember 2005 per Fax sofortige Beschwerde ein und beantragte die sofortige Aussetzung der Vollziehbarkeit. Zur Begründung führte die Antragstellerin an, dass eine Befragung durch Polizeibeamte ergeben habe, dass die Betroffene und ihre Mutter nicht in der X-Straße leben, sondern in der Ystraße anzutreffen seien.

Mit einem weiteren Beschluss vom 28. Dezember 2005 hat das Landgericht daraufhin die Vollziehbarkeit seiner vorausgegangenen Entscheidung unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 3 FGG ausgesetzt.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30. Dezember 2005 wendet sich die Betroffene mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 28. Dezember 2005.

Die Rechtsmittel der Antragstellerin und der Betroffenen sind zulässig. Allerdings ist nur das Rechtsmittel der Betroffenen begründet. Sie ist durch die landgerichtlichen Entscheidungen insoweit beschwert, als das Landgericht den Haftantrag nicht zurückgewiesen hat.

Das Landgericht und die Antragstellerin haben - offensichtlich in der Annahme, die landgerichtliche Entscheidung sei sofort wirksam - verkannt, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts in den Fällen, in welchen - wie hier - die sofortige weitere Beschwerde stattfindet, erst mit der Rechtskraft wirksam wird (§ 26 Satz 1 FGG). Dementsprechend sieht das Gesetz auch nur die Möglichkeit für das Beschwerdegericht vor, die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anzuordnen (§ 26 Satz 2 FGG), nicht aber, die sofortige Vollziehbarkeit auszusetzen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lagen die Voraussetzungen für die Haftanordnung von Anfang an nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschluss vom 30. August 2004 in der Sache 20 W 245/04 - dok. bei Melchior - und Beschluss vom 29. Dezember 2005 in der Sache 20 W 562/05) ist davon auszugehen, dass der Anordnung der Sicherung der Abschiebung/Zurückschiebung/Zurückweisung durch Haft bei minderjährigen Ausländern wegen der Schwere des Eingriffs ganz besondere Bedeutung zukommt und die Voraussetzungen für eine Haftanordnung nicht gegeben sind, wenn die Ausländerbehörde in ihrem Haftantrag nicht darlegt, warum mildere Mittel als Haft zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise nicht in Frage kommen.

Der Senat teilt insoweit die Auffassung der Oberlandesgerichte Köln (Beschluss vom 11. September 2002 in der Sache 16 Wx 164/02 - dokumentiert bei Melchior = NVwZ-Beil 2003, 64 und Beschluss vom 5. Februar 2003 in der Sache 16 Wx 247/02 = JMBl. NW 2003, 129 = NVwZ- Beil. 2003, 48 = OLGR Köln 2003, 193), Braunschweig (Beschluss vom 18. September 2003 in der Sache 6 W 26/03 = InfAuslR 2004, 119) und nimmt auch auf die Entscheidungen des Kammergerichts vom 14. Oktober 2005 in der Sache 25 W 66/05 (dok. bei Melchior) und vom 18. März 2005 in der Sache 25 W 64/04 (dok. bei Melchior = InfAuslR 2005, 268) und des Oberlandesgerichts München vom 9. Mai 2005 in der Sache 34 Wx 37/05 (dok. bei Melchior = InfAuslR 2005, 324 und vom 28. April 2005 in der Sache 34 Wx 45/05 - dok. bei Melchior - Bezug.

Die Angaben der Antragstellerin, weshalb hier nur Haft zur Sicherung der Abschiebung der Betroffenen in Frage kommt, können nicht überzeugen. Der Antragstellerin war die familiäre Situation der Betroffenen von Anfang an bekannt. Der Antragstellerin war auch bekannt, dass sich die mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratete Mutter der Betroffenen in der X-Straße und gelegentlich in der Ystraße aufhält. Davon, dass die Betroffene über keinerlei soziale Kontakte in Deutschland verfügt, kann danach keine Rede sein.

Im übrigen muss der Senat davon ausgehen, dass die Antragstellerin keinen Haftantrag gestellt hätte, wenn für die Betroffene eine Sicherheitsleistung in Höhe von 250,- € gezahlt worden wäre. Dies ergibt sich zum einen aus dem Abschiebungshaftantrag (Bl. 1 und 2 GA) und zum anderen aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 20. Dezember 2005 (Bl. 52 und 53 GA). Darin wird ausgeführt, dass die Mutter der Betroffenen die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung der Betroffenen durch die Weigerung, eine Sicherheitsleistung zu stellen, aktiv verhindert habe. Aus dem polizeilichen Festnahmebericht wird dazu wie folgt zitiert:

"Zwischenzeitlich war eine Bekannte der beiden Festgenommenen auf das Revier gekommen. Diese Dame wäre bereit gewesen, bis zu 500,- € von sich aus für die Sicherheitsleistung aufzubringen.

Die Mutter weigerte sich jedoch beharrlich, auch nur einen Cent für ihre Tochter zu zahlen, damit diese nicht in die Haftzellen eingeliefert wird.

Sie würde sich auskennen und ihr Rechtsanwalt würde ihre Tochter sofort wieder aus der Haft herausholen, ohne dass sie (die Mutter) Bargeld dafür bezahlen müsste.

Der Vorschlag des Staatsanwaltes zuvor, 250 € Sicherheitsleistung einzubehalten, scheiterte am Zahlungsunwillen der Mutter und der Zahlungsunfähigkeit der Beschuldigten (Tochter)."

Unabhängig davon, ob die Zahlung einer Sicherheitsleistung zur Abwendung von Abschiebungshaft überhaupt ein gesetzlich zulässiges Mittel ist, kommt darin jedenfalls hinreichend zum Ausdruck, wie gering die Antragstellerin das Risiko bewertete, die Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen. Dann aber ist für einen Haftantrag von vornherein kein ausreichender Grund vorhanden gewesen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf den §§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 16 FEVG.

Ende der Entscheidung

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