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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.08.2003
Aktenzeichen: 20 W 62/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 I
WEG § 26 I
Bei der Zurückweisung eines Antrags, den Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig zu erklären, richtet sich die Beschwer als individuelles vermögenswertes Interesse des Beschwerdeführers grundsätzlich danach, welche Vergütung er für die fragliche Zeit an den Verwalter zu zahlen hätte. Das erforderliche vermögenswerte Interesse ist auch dann gegeben, wenn die Vergütung des neuen Verwalters niedriger ist als diejenige des bisherigen Verwalters und die Anfechtung auf Informationsmängel bei der Willensbildung über die Verwalterbestellung gestützt wird.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 62/2002

Entscheidung vom 11. August 2003

In der Wohnungseigentumssache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 07.11.2001

am 11.08.2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung ­auch über die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens- an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf bis zu 1.200,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller und Antragsgegner sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... und .... in ...... Die Antragsteller fochten die in der Eigentümerversammlung vom 21.10.1998 (Blatt 8-10 d. A.) gefassten Beschlüsse zu TOP 2 und 2.1 (Gesamt- und Einzelabrechnung 1997), zu TOP 3 und 3.1 (Entlastung des Verwalters und des Verwaltungsbeirats) sowie zu TOP 4 (Bestellung der weiteren Beteiligten zur Verwalterin) und zu TOP 5 (Wahl des Verwaltungsbeirats) mit am 24.11.1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz an. Nach dem Verwaltervertrag vom Dezember 1998 (Blatt 46- 54 d. A.) sollte die Bestellung für fünf Jahre, beginnend am 01.01.1999, gelten, wobei die Vergütung 30,00 DM zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer pro Wohneinheit im Monat betragen sollte.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 26.02.2001 (Blatt 184-196 d. A.) die Anträge auf Ungültigerklärung zu TOP 3, 3.1, 4 und 5 zurückgewiesen. Die Anfechtung zu TOP 2 und 2.1 wurde durch einen Teilvergleich vom 22.01.2001 (Blatt 180,181 d. A.) erledigt.

Mit der Beschwerde haben die Antragsteller ihren Antrag auf Ungültigerklärung der zu TOP 3 (Entlastung des Verwaltungsbeirats), TOP 4 (Verwalterbestellung) und TOP 5 (Bestellung Verwaltungsbeirat) gefassten Eigentümerbeschlüsse weiterverfolgt. Ihre Anfechtung der Bestellung der weiteren Beteiligten haben die Antragsteller darauf gestützt, dass vor der Beschlussfassung keine ausreichende Information zu den Konditionen der Tätigkeit erfolgt sei. Eine Verwalterwahl ohne Regelung der wichtigsten Elemente des Verwaltervertrages entspreche nicht den Regeln ordnungsgemäßer Verwaltung. Gegen die zu TOP 3 und TOP 5 gefassten Beschlüsse über die Entlastung des Verwaltungsbeirats für 1997 und seine Neubestellung haben die Antragsteller vorgebracht, der Verwaltungsbeiratsvorsitzende habe mutwillig den früheren Verwalter zur Einleitung eines Verfahrens auf Beseitigung einer Lüfteröffnung zur Entlüftung der Küche der Antragsteller veranlasst, das in der Sache erfolglos geblieben, durch das den Antragstellern aber nicht unerhebliche außergerichtliche Kosten entstanden seien. Außerdem habe der Verwaltungsbeiratsvorsitzende die frühere Verwaltung veranlasst, die Kosten für Düngemittel bei der Korrektur der Abrechnung für 1997 in die Einzelverrechungskosten zu stellen und die Kosten zusätzlichen Reinigungsaufwandes der Antragstellerin nicht in der Abrechnung zu berücksichtigen. In diesem Verhalten liege eine Pflichtverletzung, die auch eine Neuwahl nicht zulasse.

Das Landgericht hat die Erstbeschwerde nach rechtlichem Hinweis als unzulässig verworfen, da den Antragstellern kein vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung, das die erforderliche Beschwer in Höhe von 750,00 EUR übersteige, zustehe.

Gegen den ihnen am 26.11.2001 zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller mit am 10.12.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und des Beschlusses des Amtsgerichts begehren sowie die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.10.1998 zu TOP 3, 4 und 5 für ungültig zu erklären. Zu ihrer Beschwer verweisen die Antragsteller auf ihren Vortrag im landgerichtlichen Verfahren, dass hinsichtlich der Anfechtung der Verwalterbestellung die für die fragliche Zeit von den Anfechtenden an den Verwalter zu zahlende Vergütung, hier also 1.800 DM zuzüglich Mehrwertsteuer maßgebend sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne das Rechtsschutzbedürfnis nicht davon abhängen, ob gegenüber den bisherigen Verwalterkosten eine Mehrbelastung eintrete. Hinsichtlich der Entlastung bzw. Neubestellung des Verwaltungsbeirats liege der finanzielle Nachteil in der Belastung mit den nicht unerheblichen außergerichtlichen Kosten des Vorverfahrens. In der Sache stützen sich die Antragsteller darauf, dass eine Verwalterbestellung ohne Offenlegung hinreichender Entscheidungsgrundlagen per se nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen könne.

Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

Die weitere Beschwerde hat in der Sache zunächst insoweit Erfolg, als das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat mangels Überschreiten einer Beschwer der Antragsteller von 750 EUR. Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 FGG, 546 ZPO). Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdewert nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers richtet, wobei es allein auf die Entscheidung zur Hauptsache ankommt und Nebenentscheidungen ebenso wie die Kosten außer Betracht bleiben (BayObLG ZWE 00, 461; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 9 und 11; Palandt/Bassenge, aaO., § 45 Rdnr. 3). Maßgebend für die Beschwer eines Antragstellers ist auch im Beschlussanfechtungsverfahren sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Sie ist zu unterscheiden von dem Geschäftswert des Verfahrens, das sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG grundsätzlich nach dem Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung bemisst (BGH NJW 1992, 3305; BayObLG WuM 1991, 226; dass WuM 1999, 130; Palandt/Bassenge: WEG, 62. Aufl., § 45 Rdnr. 3; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 31; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 10). Verfahrenskosten werden für die Berechnung der Beschwer dagegen nicht berücksichtigt, wenn die Kostenentscheidung nicht isoliert, sondern zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache angefochten wird (BayObLG ZWE 2000, 461; Palandt/Bassenge, aaO.)

Wird der Antrag, den Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig zu erklären, zurückgewiesen, so ist für den Beschwerdewert grundsätzlich maßgebend, welche Vergütung der Antragsteller für die fragliche Zeit an den Verwalter zu zahlen hätte (Senat, Beschluss vom 05.08.2003 ­20 W 81/2003; Merle, aaO., § 45 Rdnr. 32; Niedenführ/Schulze, aaO., § 45 Rdnr. 13). Umstände, die zu einer Abweichung von diesem Grundsatz führen könnten, sind nicht ersichtlich, da die Antragsteller ihre Anfechtung der Verwalterbestellung mit der ihrer Ansicht nach ungenügenden Information über die Einzelheiten des in Aussicht genommenen Verwaltervertrages vor der Bestellung der weiteren Beteiligten begründet haben. Gegenstand der Beanstandung war ausdrücklich weder die Geeignetheit der weiteren Beteiligten, noch ihre Amtsführung, sondern die Art und Weise der Willensbildung bei der Bestellung. Über die für die Bestellungszeit von den Antragstellern zu zahlende Vergütung hinaus lässt sich eine weitergehende Beschwer als die Belastung mit den Verwaltergebühren derzeit nicht feststellen, da die Antragsteller nicht vorgetragen haben, dass und in welcher Höhe der frühere Verwalter Schadensersatzansprüche gegen sie geltend gemacht hätte. Ausgehend von der in dem Verwaltervertrag vom Dezember 1998 für die weitere Beteiligte vorgesehene Vergütung von 30,00 DM pro Monat und Einheit zuzüglich jeweils gültiger Mehrwertsteuer entfallen auf die Antragsteller für die vorgesehene Laufzeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2003 2.088,00 DM bzw. 1067,58 EUR. Allein durch die Anfechtung des amtsgerichtlichen Beschlusses über die Ablehnung der Ungültigerklärung der zu TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 21.10.1998 beschlossenen Verwalterbestellung der weiteren Beteiligten ist deshalb die erforderliche Beschwer von 750 EUR gemäß § 45 Abs. 1 WEG überschritten. Dagegen kann ein vermögenswertes Interesse der Antragsteller an der angefochtenen Entscheidung nicht schon deshalb verneint werden, weil die Vergütung der früheren Verwalterin höher war. Dies ändert nichts an der Belastung der Antragsteller mit der, wenn auch niedrigeren, Vergütung der weiteren Beteiligten, deren Bestellung die Antragsteller als fehlerhaft beanstanden. Schließlich würde die Auffassung der Kammer, durch das beanstandete Verfahren bei der Neuwahl der weiteren Beteiligten sei kein vermögenswertes Interesse der Antragsteller betroffen, dazu führen, dass auf formelle Mängel eines Eigentümerbeschlusses keine Anfechtung gestützt werden könnte bzw. bei Erfolglosigkeit der Anfechtung keine zweite Instanz eröffnet wäre. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Da demnach die für die Zulässigkeit der Erstbeschwerde erforderliche Beschwer der Antragsteller bereits im Hinblick auf die Anfechtung der Verwalterbestellung der weiteren Beteiligten gegeben war, kam es auf die kumulative Beschwer durch die Ablehnung der Ungültigerklärung der Entlastung und Neubestellung des Verwaltungsbeirats nicht mehr an. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts war aufzuheben und zur neuen Überprüfung und Entscheidung in der Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Landgericht auch Gelegenheit haben, die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des OLG Hamm in NZM 2003, 486, auf die der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller verwiesen hat, zu berücksichtigen. Da es insoweit auf tatsächliche Feststellungen zur Ermächtigung des Verwaltungsbeirats zum Abschluss des Verwaltervertrages, sei es auf der Grundlage der Teilungserklärung, sei es auf der Grundlage von (bestandskräftigen) Eigentümerbeschlüssen ankommen kann, die bisher noch nicht getroffen worden sind, konnte der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem neue Tatsachen grundsätzlich keine Berücksichtigung finden können, nicht selbst entscheiden.

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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