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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.03.2003
Aktenzeichen: 20 W 74/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57 Abs. 2 Ziff. 5
Die Inanspruchnahme eines Schleusers rechtfertigt nicht in jedem Fall die Annahme, es bestehe der begründete Verdacht, der betroffene Ausländer wolle sich der Abschiebung entziehen.
20 W 74/03

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden - 4. Zivilkammer - vom 18. Februar 2003 am 4. März 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, der sich seit dem 21. Januar 2003 in Abschiebungshaft befindet, ist zulässig und hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Landgericht hält den Verdacht für begründet, dass sich der Betroffene, dessen Asylantrag erfolglos geblieben ist, der Abschiebung entziehen will, weil er sich nach eigenen Angaben mit Hilfe eines Schleusers von Algerien über Melilla nach Alicante/Spanien begeben und für den Schleuser - anstelle einer Geldzahlung - gearbeitet hat.

Das Landgericht beruft sich auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21. Januar 2001 in der Sache 3Z BR 57/01 (= NVwZ-Beil. 2001, 56 = InfAuslR 2001, 343 = BayVBl. 2001, 571). Nach jener Entscheidung lässt der Umstand, dass ein Ausländer einen Schleuser oder eine Schleuserorganisation mit der Durchführung seiner Einreise beauftragt, den Rückschluss zu, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen wolle, da er im Falle der Abschiebung die erheblichen finanziellen Mittel für den/die Schleuser vergeblich aufgewendet hätte. Die Rechtsansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts geht zurück auf seine Entscheidung vom 23. November 2000 in der Sache 3Z BR 360/00 (= InfAuslR 2001, 174 = BayObLGR 2001, 37) sowie auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2000 in der Sache V ZB 5/00 (= FGPrax 2000, 130). Die entschiedenen Fälle betrafen jeweils indische Staatsanghörige, die für ihre Einschleusung in die Bundesrepublik Deutschland hohe Geldbeträge - zum Teil weit über 5.000,- DM - aufwenden mussten.

Die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs kann nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht ohne weiteres allgemein auf Fälle der Inanspruchnahme von Schleusern übertragen werden. Der vorliegende Fall weist die Besonderheiten auf, dass der Betroffene, der von Spanien mit dem Zug nach Deutschland gereist ist, sich beim Passieren der Grenze Deutschlands keines Schleusers bediente und dass er auch keinen Geldbetrag für die Schleusung von Algerien über Melilla nach Alicante aufwendete. Der Umstand, dass der Betroffene für seinen Schleuser gearbeitet hat, trägt ohne nähere Erkenntnisse nicht die Annahme, die Arbeitsleistung könne der Aufwendung eines erheblichen Geldbetrages im Sinne der genannten Rechtsprechung gleichgestellt werden.

Soweit das Landgericht ein Indiz für einen Entziehungswillen des Betroffene auch darin sieht, dass er den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich der Ausländerbehörde Daun dreimal verlassen hat und unerlaubt nach Frankfurt am Main gefahren ist, fehlt es an näheren Feststellungen, vor allem dazu, ob der Betroffene in Anbetracht der ihm bis zum 30. April 2003 erteilten Aufenthaltsgestattung davon ausgehen musste, dass seine Abschiebung jederzeit erfolgen könnte.

Danach ist die Sache zur Durchführung weiterer Feststellungen an das Landgericht zurückzuverweisen.

Einer vorherigen Anhörung der Antragstellerin durch den Senat bedurfte es in Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Sache, aber insbesondere auch deshalb nicht, weil eine vorherige Anhörung zu keiner anderen Entscheidung geführt hätte und die Antragstellerin im weiteren Verfahren Gelegenheit zur Äußerung haben wird.



Ende der Entscheidung

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