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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 21 U 78/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 280
BGB § 305 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

540 Abs. Nr. 1 ZPO)

Am Nachmittag des 26.12.2002 landete ein Flugzeug der Klägerin Typ ... mit dem Kennzeichen ... auf dem von der Beklagten betriebenen Flughafen O1. Es nahm eine zugewiesene Parkposition in der Hallenvorfeldfläche zwischen den Wartungshallen der A ein, in die es anschließend geschleppt werden sollte. Zur Örtlichkeit wird auf die Skizzen Bl. 93 und 110 sowie die Farbbilder Bl. 111 - 123 d. A. verwiesen.

Nachdem die Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, näherte sich ein von Herrn B gesteuertes, für Bodenverkehrsdienste eingesetztes Schleppfahrzeug der Beklagten (Farbbild Bl. 261 d. A), stieß gegen die Tragfläche des Flugzeuges und beschädigte das Winglet, ein Kunststoffteil, das am Tragflächenende angebracht ist, um Verwirbelungen durch über den Tragflächen seitlich abfließende Luft zu verhindern (Schadensbilder Bl. 15 - 17 und 51 - 63 d. A.)

Die Klägerin hat von der Beklagten Schadensersatz begehrt und dazu behauptet, das Flugzeug sei ordnungsgemäß beleuchtet gewesen. Das Fahrzeug der Beklagten habe sie auch nicht angefordert.

Den Schaden hat sie unter Vorlage der Belege Bl. 18 - 24 d. A. wie folgt beziffert:

 Nrn. 1-3 Reparaturkosten, zusammen 111.036,21 €
Nr. 4 Verdienstausfall am 29.12.02 21.150,00 €
Nr. 5 Kosten für Ersatzflug am 31.12.02: 66.150,00 €
Nr. 6 Überführung 10.640,00 €
Nr. 7 Wertminderung 180.448,84 €
 368.275,05 €

Zur Wertminderung hat die Klägerin behauptet, für gebrauchte Flugzeuge dieses Typs bestehe ein Markt, bei dem sich eine solche Beschädigung mit 5 % des Anschaffungspreises (19.277.350 $) wertmindernd auswirke, was Erkundigungen am Markt ergeben hätten. Von der mit 963.867,50 $ = 5 % des Anschaffungspreises zu berechnenden Wertminderung hat sie einen erstrangigen Teilbetrag von 192.773,50 $ = 180.448,84 € = 1 % des Anschaffungspreises verlangt.

Die Beklagte hat behauptet, das Flugzeug sei trotz tiefer Dunkelheit nicht beleuchtet und auch nicht mit Pylonen abgesperrt gewesen; hierzu hat sie sich auf die Richtlinien der Flughafen- Benutzungsverordnung (Bl. 64 ff d. A.) berufen. Das Schleppfahrzeug, ein Allroundfahrzeug, dem ein Fäkalienwagen oder auch ein Bodenstromaggregat angehängt werden könne, sei dorthin beordert worden sei, um anzufragen, ob solche Dienste benötigt würden. Ihr Fahrer B habe an der rechten Tragfläche vorbeifahren wollen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihren Fahrer treffe kein Verschulden, allenfalls leichte Fahrlässigkeit, und hat sich auf die gegenüber Kaufleuten vorgesehene Haftungsbeschränkung auf Vorsatz in den Bestimmungen für die Durchführung von besonderen Leistungen und Lieferungen (Bl. 78 d. A.) und auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in den "Richtlinien für unsere Kunden" unter der Rubrik "5 Management" (Bl. 157 ff d. A.) unter 5.1.7 "Allgemeine Luftfahrt", dort 2.7 (Bl. 163 d. A.) berufen. Jedenfalls sei der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anzurechnen.

Des weiteren hat sie den Schaden bestritten, insbesondere die Positionen Nr. 4 und 5 (Verdienstausfall und Ersatzflug) sowie Nr. 7 (Wertminderung).

Das Landgericht hat die Beklagte als in vollem Umfang schadensersatzpflichtig angesehen und die Beklagte - nach Abzug der nicht unter Beweis gestellten Positionen Nr. 4 und 5, jedoch unter Einschluss der Wertminderung, deren Bestreiten durch die Beklagte es als nicht substantiiert angesehen hat - zur Zahlung von 302.125,05 € verurteilt.

Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz weiter.

Sie hält das Urteil für eine Überraschungsentscheidung. Die Beleuchtungsverhältnisse seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie verweist darauf, dass die Bodenverkehrsdienste nach den Richtlinien ohne Anforderung geleistet würden.

Eine Wertminderung bestehe mangels entsprechenden Verkaufsmarkts für Flugzeuge dieser Art nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen für Luftfahrtschäden und -bewertung SV1 mit dem Ergebnis wie Bl. 292 ff. d. A.

Die Klägerin hält das Gutachten wegen der Bindung des Gerichts an § 531 Abs. 1 ZPO nicht für verwertbar und beantragt, die Kosten zu Lasten der Staatskasse niederzuschlagen.

II. Begründung (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist nur im zuerkannten Umfang begründet.

A)

Soweit sich die Beklagte gegen ihre Haftung aus dem Unfallereignis auf dem Flughafen wendet, hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Die Beklagte haftet der Klägerin für den hierdurch entstandenen Schaden nach §§ 280, 278 BGB.

1. Der Mitarbeiter der Beklagten, Herr B, ist mit dem von ihm gesteuerten Schleppfahrzeug gegen das stehende Fugzeug der Beklagten gestoßen und hat es an der rechten Tragfläche beschädigt. Das Flugzeug ist mit Erlaubnis auf dem Flughafen gelandet und hat auf dem Gelände der Beklagten den zugewiesenen vorläufigen Stellplatz aufgesucht, es stand dort also im Rahmen eines bestehenden gegenseitigen Vertragsverhältnisses, zu dessen Pflichten auch gehört, das Eigentum des Vertragspartners nicht zu beschädigen. Gegen diese Verpflichtung hat der Mitarbeiter der Beklagten verstoßen: Er hat entweder auf das Flugzeug der Klägerin nicht geachtet, ist für die Sichtverhältnisse zu schnell gefahren, hatte selbst keine ausreichende Beleuchtung oder hat sich bei dem Umfahren des Flugzeugs grob verschätzt. Da das Flugzeug der Klägerin jedenfalls unstreitig nicht in Bewegung war, ist der Unfall nur mit einer - oder auch mehrerer - dieser 4 Möglichkeiten zu erklären. Für die letzte Variante spricht die Darstellung der Beklagten, Herr B habe an der rechte Tragfläche vorbeifahren wollen.

Da der Fahrer B nach eigenem Vortrag der Beklagten, wenn auch nicht von der Klägerin, so aber doch von der Beklagten, eigens zu diesem Flugzeug hinbeordert wurde, tauchte das Flugzeug an dieser Stelle auch keineswegs überraschend vor ihm auf. Selbst wenn es tatsächlich nicht zusätzlich beleuchtet gewesen wäre, wofür nichts spricht, und auch nicht durch Pylonen abgeschirmt gewesen wäre, träfe den Fahrer der Beklagten ein so grobes Verschulden, dass eine etwa unterlassene Beleuchtung in den Hintergrund träte. Darüber hinaus sind auch nach den eingereichten Richtlinien Flugzeuge nicht generell zu beleuchten. Die von der Beklagten hier angeführten Richtlinien in der Flughafen-Benutzungsordnung sehen eine Kennzeichnung durch Lichter nur vor, sofern dies aus Sicherheitsgründen erforderlich ist (Schlüssel 5.1.2, Abschnitt II 2.6.2). Dass ein solches Erfordernis für den Piloten der Klägerin ersichtlich vorlag, ergibt sich aus dem beiderseitigen Vorbringen zum Unfallereignis nicht: Denn das Flugzeug stand nicht auf einer Straße bzw. einem Verkehrsweg für Flughafenfahrzeuge, sondern auf einem Stellplatz. Mit dem Herannahen eines Schleppers der Beklagten musste der Flugkapitän der Klägerin nicht rechnen, denn er hatte einen solchen nicht angefordert, auch sonstiger Verkehr war nicht zu erwarten. Es gab deshalb auch keinen konkreten Anlass zur Beleuchtung. Auch wenn die Beklagte mit dem unangeforderten Angebot von Diensten auf eine internationale Gepflogenheit verweist, ändert sich nichts. Denn dass ein Fahrer eines Schleppers, der Dienste anbietet (ua. gerade Strom zur Beleuchtung), das Flugzeug nicht sieht, sondern rammt, konnte sie nicht vorhersehen. Für den Schlepperfahrer, der die Position kannte, war keine Warnfunktion erforderlich, zumal erwartet werden kann, dass ein solcher Schlepper, der im Gegensatz zum Flugzeug in Bewegung ist, mit ausreichender eigener Beleuchtung versehen ist.

Hinzukommt, dass es auch Sache der Beklagten ist, auf dem Flughafen für eine ausreichende Beleuchtung zu sorgen, sofern diese aus Sicherheitsgründen etwa erforderlich und hier nicht vorhanden gewesen sein sollte. Diese ihre eigene vertragliche Verpflichtung kann sie nicht per Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf die Fluglinien abwälzen.

Zudem fehlt es auch nach dem Vortrag der Beklagten an der Kausalität: der Fahrer des Schleppfahrzeugs wollte nach ihrer eigenen Unfallschilderung an der rechten Tragfläche vorbeifahren, also muss er das Flugzeug auch gesehen haben.

Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich eine Pflicht der Klägerin zur Absperrung mit Pylonen ergeben soll, auch nicht, inwiefern diese geeignet gewesen wären, den hier eingetretenen Schaden zu verhindern.

Eine Mitverursachung oder gar ein Mitverschulden der Klägerin ist mithin nicht festzustellen. Es bleibt vielmehr, auch wenn nur eine der aufgezeigten Varianten als Unfallursachegegeben war, beim alleinigen groben Verschulden des Fahrers des Schleppfahrzeugs.

2. Die Haftungsbeschränkung auf Vorsatz im "Verzeichnis der Leistungsentgelte" Abschnitt 1, 1.3 (Bl. 78 d. A.) greift nicht ein. Seitens der Beklagten sind keine besonderen Leistungen von dem Schleppfahrzeug und dessen Fahrer erbracht worden, auch nicht konkret von der Klägerin angefordert worden; selbst dann hätten sie aber -wenn sie nicht überhaupt nur Bodenverkehrsdienst dargestellt hätten, jedenfalls im Zusammenhang mit Bodenverkehrsdiensten gestanden, so dass auch nach ihrem Wortlaut (1.3 a) Satz 3) die Bestimmungen für die Durchführung von besonderen Leistungen und Lieferungen nicht einschlägig sind. Selbst wenn der Bestimmung ein weitergehender Regelungsgehalt zukommen sollte, stünde diesem- auch unter Kaufleuten - § 305 c BGB entgegen. Eine weitgehende Haftungsbeschränkung ist in einem "Verzeichnis der Leistungsentgelte" nicht zu erwarten, erst recht nicht, wenn in übergeordneten ausführlichen Bestimmungen eine umfassendere Haftungsregelung enthalten ist, stellt also eine überraschende Klausel dar.

Die Haftungsbeschränkung in den "Richtlinien für unsere Kunden 2" zur Allgemeinen Luftfahrt (5.1.7) sehen in 2.7 eine Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vor (Bl. 163). Sie sind auch zulässig eingeführt, da sie inhaltlich unstreitig sind (BGH NJW 2005, 291). Der Senat wertet aber, wie oben unter 1. a) ausgeführt, das zum Schaden führende Verhalten des Schleppfahrzeugfahrers unter den gegebenen Umständen als grob fahrlässig.

B)

Erfolg hat die Berufung jedoch, soweit sie sich gegen den Ansatz der Wertminderung als Schadensposition wendet.

Der Sachverständige hat in seinem überzeugenden Gutachten eine Wertminderung des Flugzeuges durch die Beschädigung des Winglet verneint und dies einleuchtend damit begründet, dass an dem Flugzeug mit einfachen Mitteln ein beschädigtes Kunststoffteil durch ein neues ausgetauscht wurde und nach diesem Teileaustausch kein repariertes, also minderwertiges Teil verblieb.

Der Verwertung des Gutachtens steht auch nicht § 531 Abs. 1 ZPO entgegen. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung S. 9 unten bis S. 10 oben, Bl. 49 - 50 d. A.) die seitens der Klägerin geltend gemachte Wertminderung bestritten. Das Bestreiten ist auch ausdrücklich im Tatbestand des angefochtenen Urteils dargestellt. Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, das - ursprüngliche - Bestreiten seitens der Beklagten sei nicht substantiiert, handelt es sich um eine - konsequent auch erst in den Entscheidungsgründen dargestellte - Wertung des Vorbringens der Beklagten, die der Senat aber nicht teilt. Ob ein Bestreiten substantiiert ist, ist eine vom Senat selbständig zu beurteilende Frage. Da es weder eine eigene Handlung der Beklagten noch einen von ihr wahrgenommenen tatsächlichen Vorgang betrifft, war die Beklagte zur weiteren Substantiierung nicht gehalten (§ 138 Abs. 4 ZPO), zumal auch die Klägerin keine seitens der Beklagten ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen überprüfbare Tatsachen hierzu vorgetragen, sondern sich auf Erkundigungen am Markt bezogen hat.

Es sind daher lediglich die Reparaturkosten (Nrn 1-3 der Schadensaufstellung der Klägerin) und die Überführungskosten (Nr. 6), insgesamt 121.676,21 €, mit den aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB folgenden Zinsen zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zu den unterschiedlichen Streitwerten der Instanzen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) ist nicht veranlasst. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein konkretes Schadensereignis, das keine grundsätzlichen Fragen aufwirft und auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht tangiert.

Ende der Entscheidung

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