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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 21 W 1/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141 Abs. 3 S. 2
ZPO § 272 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 380 Abs. 3
1. Mit Fragen zu ihren persönlichen Lebensumständen muss die Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, nicht rechnen, wenn das Gericht die Entsendung eines Vertreters nach § 141 II 2 ZPO anheim gestellt und entsprechende Fragen nicht angekündigt hat.

2. Ein Ordnungsgeld ist deshalb auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der entsandte Vertreter solche Fragen nicht oder nur unzureichend beantworten kann.


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld, Ersatz von Haushaltshilfekosten und Feststellung der Ersatzpflicht im Übrigen aus einem Verkehrsunfall vom 10.12.03.

Das Landgericht hat mit der Terminsbestimmung das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin am 11.12.06 angeordnet. Dessen Prozessbevollmächtigter hat mit Schriftsatz vom 17.11.06 gebeten, das persönliche Escheinen zum Termin aufzuheben, da der Kläger an diesem Tage einen wichtigen beruflichen Termin wahrzunehmen habe und in der Firma, in der er tätig sei, unabkömmlich sei. Zudem sei der dem Rechtstreit zu Grunde liegende Sachverhalt mit ihm, dem Bevollmächtigten, ausgiebig erörtert worden, so dass auch die Voraussetzungen des § 141 III 2 ZPO vorlägen.

Die Kammer hat durch den Einzelrichter am 21.11.06 mitgeteilt, es sei derzeit nicht beabsichtigt, die Anordnung des persönlichen Erscheinens aufzuheben, ein Entschuldigungsgrund sei nicht hinreichend dargelegt, und hat die Entsendung eines Vertreters nach § 141 III 2 ZPO anheimgestellt.

Im Termin erschien sein Prozessbevollmächtigter als Vertreter des Klägers nach § 141 III 2 ZPO.

Er beantwortete Fragen des Gerichts zur Wohn- und Lebenssituation des Klägers und seiner Lebensgefährtin, konnte aber einzelne Fragen zur Betreuungssituation des Kindes nicht genau beantworten. Im Einverständnis der Parteien wurde das schriftliche Verfahren angeordnet.

Am 20.12.2006 setzte die Kammer gegen den Kläger ein Ordnungsgeld von 100,- €, ersatzweise Ordnungshaft von 1 Tag je 50,- €, fest. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb seine Abwesenheit unvermeidbar gewesen sei. Sein Vertreter sei nicht hinreichend zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage gewesen. Auf den Beschluss (Bl. 32) wird im Übrigen Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 21.11.07 hat das Landgericht die Hinweise in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die vom Kläger darzulegenden Punkte, nochmals schriftlich festgehalten (Bl. 34).

Mit der form- und fristgerecht eingereichten sofortigen Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss macht der Kläger geltend, er sei zwar nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden worden, der Mitteilung des Landgerichts sei aber auch nicht zu entnehmen gewesen, dass sein Erscheinen zwingend erforderlich sei; statt dessen sei auf die mögliche Vertretung hingewiesen worden. Deshalb hätten er und sein Bevollmächtigter nochmals die Hintergründe des Unfalls vor dem Termin besprochen. Im Termin sei der Bevollmächtigte dann mit Einzelfragen konfrontiert worden, die in dieser Form nicht vorhersehbar gewesen seien und über das hinausgegangen seien, was zur Rechtfertigung des geltend gemachten Anspruchs vorzutragen sei. Er sei dem Gericht keine Rechenschaft dafür schuldig, wie er und seine damalige Lebensgefährtin die Arbeiten im Haushalt verteilt hätten, und hätte zudem auch schweigen können.

Die Kammer habe nicht zu erkennen gegeben, welche Ergänzung oder Erläuterung des schriftlichen Vorbringens sie für notwendig erachte.

Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die nach §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 380 III, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Kläger ist zwar der Ladung zum Termin trotz gerichtlicher Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht gefolgt. Eine Ordnungsmaßnahme gegen eine Partei nach §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 380, 381 ZPO wegen Fernbleibens setzt aber immer auch Verschulden des von der Maßnahme Betroffenen voraus. Der Senat geht davon aus, dass dem Kläger sein Fernbleiben im Termin vorliegend nicht vorzuwerfen ist.

1. Die berufliche Unabkömmlichkeit, auf die er seine Bitte um Entbindung vom persönlichen Erscheinen gestützt hat, hat er allerdings weder gegenüber dem Landgericht, noch dem Senat gegenüber näher dargelegt, so dass sein Verschulden nicht schon aus diesem Grunde entfällt.

2. Da ihm die Kammer die Entsendung eines Vertreters gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO anheimgestellt hat, durfte er jedoch davon ausgehen, dass sein Prozessbevollmächtigter ihn im Termin grundsätzlich vertreten kann, wenn er ihn vorher zu den Themen des Rechtstreits informiert. Ein solches Gespräch mit dem Zweck der Information des Bevollmächtigten hat auch stattgefunden.

Dass der Bevollmächtigte einzelne Fragen dann doch nicht beantworten konnte, lag daran, dass er mit diesen Fragen nicht gerechnet und deshalb insoweit keine konkreten Instruktionen eingeholt hatte. Zwar waren die Themen der Fragen auch Gegenstand der gewechselten Schriftsätze. Es war aber nicht von vorneherein ersichtlich, zu welchen Punkten über den schriftsätzlichen Vortrag hinaus Aufklärungsbedarf herrschte, insbesondere zur Aufteilung der Hausarbeit mit der damaligen Partnerin des Klägers und zur Betreuung des Kindes.

Es kann dahinstehen, ob unzulängliche Sachkunde des entsandten Vertreters schon grundsätzlich dann nicht der Partei vorgeworfen werden kann, wenn das Gericht nicht schon vorher durch eine Verfügung nach § 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu erkennen gegeben hat, welche Ergänzungen und Erläuterungen des streitigen Vorbringens es von ihr selbst oder ihrem Vertreter erwartet (so: OLG München (MDR 1978, 147= juris, dort insbesondere Rnr. 12). Hier hat die Kammer selbst durch den Hinweis auf die Möglichkeit, einen Vertreter nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu entsenden, bei der Partei den Eindruck entstehen lassen, dass konkrete Aufklärung über persönliche Angelegenheiten, über die in der Regel allein die Partei Auskunft geben kann, nicht ansteht. Dass die Kammer indessen gerade im persönlichen Bereich noch Aufklärungsbedarf sah, war danach nicht zu erwarten und hätte jedenfalls unter diesen Umständen vorher offengelegt werden müssen, damit der Kläger seinen Vertreter auch insoweit hätte informieren oder - ungeachtet der beruflichen Inanspruchnahme - selbst erscheinen können.

Dementsprechend fehlt es an einem ein Ordnungsgeld rechtfertigenden Verschulden des Klägers.

Gerichtsgebühren fallen nach KV 1811 nicht an; außergerichtliche Kosten folgen der Hauptsache (OLG Brandenburg, MDR 2001, 411).

Ende der Entscheidung

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