Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.07.2008
Aktenzeichen: 22 U 5/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 156
ZPO § 296 a
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 525
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren Regressansprüche gegen den Beklagten wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus anwaltlicher Tätigkeit des Beklagten geltend.

Der Beklagte war in den Jahren 2001 bis 2004 für den Kläger tätig. Dieser war bereits geraume Zeit vor der Mandatierung des Beklagten mit der Errichtung eines Sportzentrums in O1 befasst, in dem insbesondere eine Tennishalle und Tennisfreiplätze betrieben werden sollten. Die Tennishalle befand sich auf einem Grundstück, für das ein Erbbaurecht einer aus fünf Personen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestand. Die A-Bank betrieb die Zwangsversteigerung bezüglich dieses Erbbaurechts. Der Kläger schloss mit ihr am 20.09.1999 (noch ohne die anwaltliche Beratung des Beklagten) einen von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten konzipierten notariellen "Ausbietungsvertrag" (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 17 ff d. A.), in dessen §§ 5 und 6 Regelungen über Zahlungsverpflichtungen und -modalitäten enthalten waren. Auf die Vertragsurkunde wird wegen deren Einzelheiten Bezug genommen.

Der Kläger zahlte in der Zwangsversteigerung einen Betrag von 1 Million DM und in der Folgezeit weitere 250.000,-- DM gemäß § 5 Nr. 2 des Ausbietungsvertrags an die A-Bank. Er wurde am 02.03.2000 als Erbbauberechtigter bezüglich des Grundstücks, auf dem die Tennishalle stand, eingetragen.

Die weiteren mit dem Verbleib der Tennisfreiplätze zusammenhängenden Beträge von insgesamt 250.000,-- DM gemäß § 5 Nr. 1 und § 6 Nr. 1 des Ausbietungsvertrags zahlte der Kläger zunächst nicht. Er wurde deshalb von B, der aus abgetretenem Recht der A-Bank vorging, im Verfahren B ./. C (4 O 444/02 Landgericht Darmstadt = 22 U 98/03 Oberlandesgericht Frankfurt), dessen Akten im vorliegenden Verfahren beigezogen waren, in Anspruch genommen. Ihn vertrat der Beklagte als Prozessbevollmächtigter. während sein jetziger Prozessbevollmächtigter für die gegnerische Partei, B, tätig war. Das in diesem Verfahren ergangene Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10.04.2003, durch das der hiesige Kläger verurteilt wurde, an B 127.822,97 € nebst Zinsen zu zahlen, wurde durch Beschluss des Senats gemäß § 522 II ZPO vom 09.09.2004 bestätigt und damit rechtskräftig. Der Kläger zahlte daraufhin die Urteilssumme nebst Zinsen und Kosten an B. Die Gesamtsumme bildet -nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten - die hiesige Klageforderung.

Bezüglich der Freiplätze schloss der Kläger am 29.05.2001 einen Pachtvertrag mit der Stadt O1, auf den Bezug genommen wird (Anlage K 6 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 28 f. d. A.). Dem vorausgegangen war u. a. eine Besprechung am 19.02.2001 im Rathaus der Stadt O1, zu der der Beklagte den Kläger begleitet hatte, und über deren Verlauf es eine Gesprächsnotiz (Anlage K 3 zur Klageschrift vom 08.04.2005) des Assessors D, der die Gesprächsbeteiligte E (jetzt: F) begleitete, gibt, auf die verwiesen wird. Einen förmlichen an die Stadt O1 gerichteten Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts an dem fraglichen Grundstück hatte der Kläger damals und hat ihn bis heute nicht gestellt.

Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, der Beklagte habe seine ihm gegenüber bestehenden anwaltlichen Pflichten in zweifacher Hinsicht verletzt, wodurch seine - des Klägers - Verurteilung im Verfahren 4 O 444/02 bewirkt worden sei: Zum einen habe der Beklagte ihm nicht geraten, einen - vermutlich erfolglosen - förmlichen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts an die Stadt O1 zu richten; zum anderen habe er im Verfahren 4 O 444/02 in erster Instanz nicht hinreichend und rechtzeitig vorgetragen, was er in zweiter Instanz wegen § 531 ZPO nicht mehr erfolgreich habe nachholen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die vor dem Landgericht gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht in seinem am 09.11.2005 verkündeten Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat der Klage aus positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrags stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Pflichtverletzung der falschen Beratung sei kausal für einen Schaden des Klägers. Dieser Schaden müsse darin gesehen werden, dass der Kläger nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens 4 O 444/02 250.000,-- DM zahlen musste, ohne die mit derselben Summe zu bewertende Gegenleistung, nämlich die Einräumung des Erbbaurechts, zu erhalten. Auf die Frage, inwieweit verspäteter Vortrag des Beklagten im Verfahren 4 O 444/02 zum Prozessverlust beigetragen hatte, käme es daher nicht mehr an.

Gegen das ihm am 27.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 09.01.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.03.2006 mit am 15.03.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte, der das Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt, trägt unter Bezugnahme auf eine von ihm nach der Beratung des Klägers und seines Vaters am 06.02.2001 gefertigte Aktennotiz (Anlage B 2 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Bl. 121 d. A.) und eine am 25.02.2003 ihm vom Kläger zugefaxte Zusammenstellung (Anlage B 3 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Bl. 122 ff d. A.) vor, er habe es dem Kläger gegenüber keinesfalls als sicher dargestellt, dass die Zahlung der 250.000,-- DM gemäß §§ 5 und 6 des Ausbietungsvertrags vom 20.09.1999 bei Anpachtung der Freiplätze zu vermeiden sei.

Weiterhin sei nicht klar, wie der Kläger sich entschieden hätte, wenn der Beklagte ihm den nach der jetzt vom Kläger vertretenen Ansicht richtigen Rat der förmlichen Beantragung des Erbbaurechts damals gegeben hätte, da es dem Kläger und seinem Vater zentral um eine zeitnahe Nutzungsmöglichkeit der Freiplätze noch in der Saison 2001 gegangen sei. Es habe jedenfalls mehrere Handlungsalternativen für den Kläger gegeben, so dass eine Vermutung beratungskonformen Handelns nicht eingreifen könne.

Zudem sei der Schaden vom Landgericht offensichtlich unzutreffend und auch für die Parteien überraschend ermittelt worden: die 250.000,-- DM, die an die A-Bank zu zahlen waren, seien keinesfalls der Wert des Erbbaurechts, sondern das Erbbaurecht hätte zusätzlich zu dieser Zahlung vom Berechtigten erworben werden müssen. Die Nutzungsmöglichkeiten des Klägers aufgrund des Pachtvertrags entsprächen denjenigen, die bei Einräumung eines Erbbaurechts gegeben gewesen wären.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.07.2008 (dort S. 2, Bl. 269 d. A.) behauptet der Beklagte, der Kläger hätte einen Kredit aufnehmen und Zinsen zahlen müssen, wenn ihm der Beklagte von der Durchführung des Prozesses 4 O 444/02 abgeraten hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Beklagten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 15.03.2006 (Bl. 21 ff d. A.), 08.08.2006 (Bl. 242 ff d. A.) und 03.07.2008 (Bl. 268 ff d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils der Landgerichts Darmstadt vom 09.11.2005 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet unter Benennung seines Vaters als Zeugen, dass er vom Beklagten nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er den Antrag auf Erbbaurecht hätte stellen können und er sich - falls ein solcher Hinweis erteilt worden wäre - beratungskonform verhalten hätte.

Weiterhin vertritt der Kläger die Ansicht, die in § 5 des Ausbietungsvertrags vom 20.09.1999 gewählte Formulierung "wenn der Erwerber das im Grundbuch des Amtsgerichts O2 von O1 bezeichnete Erbbaugrundstück Band ... Blatt ... zur Inhaberschaft erwirbt, und zwar ohne Übernahme irgendwelcher Rechte in Abt. II und III mit Ausnahme solcher Rechte in Abt. II, die sich auf das Erbbaurecht beziehen" könne nur so verstanden werden, dass Zahlungsvoraussetzung der Erwerb des Erbbaurechts und nicht auch der Erwerb der Nutzungsmöglichkeiten bezüglich der Freiplätze aufgrund eines Pachtvertrags gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29.05.2006 (Bl. 224 ff d. A.) und 04.07.2008 (Bl. 276 ff d. A.) Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.06.2008 hat der Kläger auf Befragen erklärt, er habe bislang keinen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts gestellt und könne nichts dazu sagen, ob er einen solchen Antrag noch stellen wolle. Auf das Terminsprotokoll vom 10.06.2008 (Bl. 264 ff d. A.) wird verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der von ihm im Oktober 2004 aufgrund des im Verfahren 4 O 444/02 ergangenen rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Darmstadt gezahlten Urteilssumme von 127.822,97 € (entsprechend 250.000,-- DM). Die Verurteilung des Klägers im genannten Verfahren entspricht auch nach der Auffassung des jetzt entscheidenden Senats der materiellen Rechtslage und war nicht die Folge einer Pflichtverletzung des Beklagten.

Zunächst ist festzustellen, dass der Ausbietungsvertrag vom 20.09.1999 in seinem § 5 nicht eindeutig und lückenlos regelt, unter welchen Voraussetzungen der Kläger zur Zahlung der in den §§ 5 und 6 genannten Beträge von insgesamt 250.000,-- DM verpflichtet sein sollte. Der Senat hält an seiner mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008 diskutierten Auslegung des Ausbietungsvertrags, nach der es auf die tatsächliche Nutzung beider Grundstücke ankommt, fest.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Benennung des "Erbbaugrundstücks" mit Band- und Blattzahl des Erbbaurechtsgrundbuchs sowie der Hinweis auf die mangelnde Übernahme irgendwelcher Rechte in Abt. II und III darauf hindeutet, dass der Erwerb des Erbbaurechts Zahlungsvoraussetzung sein sollte. Andererseits ist dies nicht so eindeutig formuliert, wie es von einem unter anwaltlicher Beratung zustande gekommenen notariellen Vertrag zu erwarten wäre, sondern die Regelung kann ohne weiteres auch anders verstanden werden: Die Verwendung des Ausdrucks "Erbbaugrundstück ... zur Inhaberschaft" legt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Abstellen auf die tatsächliche Inhaberschaft, also den Besitz am Grundstück, nahe. Diesen hat der Kläger aufgrund des Pachtvertrags mit der Stadt O1 erlangt. Damit war die faktische Nutzungsmöglichkeit in gleicher Weise wie beim Erwerb des Erbbaurechts gegeben. Das wirtschaftlich erstrebte Ziel, das Hallen- und das Freiplätzegrundstück gleichzeitig nutzen und bewirtschaften zu können, war erreicht. Die laufenden finanziellen Belastungen des Klägers waren durch die gleiche Höhe von Pacht- und Erbbauzinsen identisch. Darauf hatte der Klägervertreter als Vertreter des Klägers B in seiner Klageschrift vom 09.09.2002 (dort S. 6) im Verfahren 4 O 444/02 selbst hingewiesen, also die nunmehr von ihm bekämpfte Auslegung des Ausbietungsvertrags vertreten. Es war auch entgegen der vom Kläger im Schriftsatz vom 04.07.2008 geäußerten Ansicht nicht wirtschaftlich verfehlt, 200.000,-- DM für die faktische Nutzungsmöglichkeit bezüglich des Freiplätzegrundstücks aufzuwenden. Der Pachtvertrag enthielt über die zunächst vereinbarte Vertragsdauer von 5 Jahren hinaus eine Verlängerungsoption für weitere fünf Jahre. Wie der Kläger mehrfach ausgeführt hat, war die gemeinschaftliche Verwendung beider Grundstücke sein erklärtes Ziel, von dem er sich ein insgesamt wirtschaftlich erfolgreiches Engagement versprach. Auch ist das Freiplätzegrundstück, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, für ihn deutlich besser verwendbar als für den benachbarten Tennisverein, so dass nichts dafür spricht, dass das Pachtverhältnis nicht auch in Zukunft fortgesetzt werden wird.

Selbst wenn man aber der Auslegung des Vertrags durch den Kläger im Schriftsatz vom 04.07.2008 folgen wollte, stünde nicht mit der für eine Verurteilung des Beklagten erforderlichen Sicherheit fest, dass ein Beratungsfehler des Beklagten für die Belastung des Klägers mit der Verpflichtung, 250.000,-- DM an die A-Bank bzw. an den Zessionar B zu zahlen, kausal geworden wäre.

Der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten gegenüber zu umfassender und möglichst erschöpfender Beratung verpflichtet (BGHZ 171, 261 ff). Zwar muss der Mandant in seinen Angelegenheiten eigenverantwortlich die Weichenstellungen vornehmen; jedoch muss der Rechtsanwalt ihn dazu mit allen notwendigen Informationen über die Rechtslage und die Folgen möglicher Entscheidungsvarianten ausstatten.

Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte - die Richtigkeit der Auslegung des Ausbietungsvertrags durch den Klägervertreter einmal unterstellt - den Kläger richtig dahingehend beraten müssen, dass auch bei Abschluss eines Pachtvertrags die in den §§ 5,6 des Ausbietungsvertrags genannte mit der Nutzungsmöglichkeit des Freiplätzegrundstücks zusammenhängende Summe von insgesamt 250.000,-- DM zu bezahlen war.

Dem Kläger hätten nach einer derartigen Information durch den Beklagten mehrere Reaktionsmöglichkeiten und Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden, wie sie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 14.06.2005 (dort S. 5, Bl. 130 d. A.) darlegt. Wenn objektiv mehrere Verhaltensweisen denkbar und nicht gänzlich unwahrscheinlich sind, gilt die Vermutung beratungskonformen Verhaltens nicht (vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 Rdn. 39, 66 a), so dass der Kläger beweispflichtig dafür ist, welche Handlungsalternative er gewählt hätte. Er hat sowohl in erster Instanz (Schriftsatz vom 13.09.2005, dort S. 2, Bl. 166 d. A.) wie auch in der Berufungserwiderung vom 29.05.2006 (dort S. 3, Bl. 226 d. A.) seinen Vater als Zeugen dafür angeboten, dass er für jeden Rat des Beklagten offen und keinesfalls bereits fest in der Wahl seiner Vorgehensweise war.

Unterstellt man, dass das vom Kläger behauptete Beweisergebnis erzielt werden könnte, ist es jedoch nicht ausreichend, um die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden feststellen zu können: Die einzige Alternative, bei der die Summe von 250.000,-- DM nicht zu zahlen gewesen wäre, wäre diejenige gewesen, dass der Kläger einen förmlichen Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts bei der Stadt O1 gestellt hätte, und dass dieser Antrag dann förmlich abgelehnt worden wäre. Nur in diesem Fall hätte der Kläger, wie es der Ausbietungsvertrag in § 5 a. E. forderte, alles unternommen und nichts unterlassen, was der in § 5 Nr. 1 des Ausbietungsvertrags formulierten Zielsetzung förderlich war. Der Vorwurf, er habe den Bedingungseintritt vereitelt (§ 162 I BGB), hätte in diesem Falle nicht erhoben werden können.

Ob der Kläger aber in der damaligen Situation diese Handlungsalternative gewählt hätte, ist fraglich und nicht hinreichend unter Beweis gestellt, da er, wie aus seiner als Anlage B 3 überreichten Aufstellung (dort S. 3, Bl. 124 d. A.) hervorgeht, der schnellen Nutzungsmöglichkeit bezüglich der Freiplätze noch in der Saison 2001 große Priorität einräumte und wegen des späten Tagens ("erst acht Wochen später", a.a.O.) der für die Entscheidung über die Einräumung eines Erbbaurechts zuständigen Stadtverordnetenversammlung Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines solchen Antrags hatte. Fraglich ist weiterhin, ob sich die Stadtverordnetenversammlung tatsächlich gegen eine Einräumung des Erbbaurechts an den Kläger ausgesprochen hätte. Zwar hatte der Bürgermeister der Stadt O1 in seinem Schreiben vom 13.12.2001 an die A-Bank (Anlage K 25 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 98 d. A.) ausgeführt, der Magistrat habe sich gegen eine Vergabe des Grundstücks in Form eines Erbbaurechtes ausgesprochen; jedoch ist weder sicher, ob die Stadtverordnetenversammlung einer entsprechenden Magistratsvorlage zugestimmt hätte, noch ob der Kläger im Frühjahr/Sommer 2001 von dieser Haltung des Magistrats Kenntnis hatte.

Es ist daher nicht sicher und mit den angebotenen Beweismitteln nicht beweisbar, dass der Kläger bei umfassender Beratung durch den Beklagten den Antrag auf Einräumung des Erbbaurechts an die Stadtverordnetenversammlung gestellt hätte und dieser Antrag abgelehnt worden wäre. Es steht damit - selbst bei Unterstellung der vom Kläger vertretenen Auslegung des Ausbietungsvertrags - nicht fest, dass der Kläger bei umfassender Beratung durch den Beklagten die Zahlung der Verurteilungssumme im Verfahren 4 O 444/02 hätte vermeiden können.

Ein Schaden des Klägers in Höhe von 250.000,-- DM kann entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht darin gesehen werden, dass der Kläger 250.000,-- DM an den Zessionar zahlen musste, ohne im Gegenzug das Erbbaurecht zu erhalten. Der Wert des Erbbaurechts kann nämlich entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen, jedoch nicht näher begründeten Auffassung nicht mit 250.000,-- DM angenommen werden. Hierauf hatte der Beklagte bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 31.10.2005 (Bl. 178 f. d. A.) und nochmals in der Berufungsbegründung vom 15.03.2006 (dort S. 9 ff, Bl. 219 ff d. A.) hingewiesen, so dass ein weiterer rechtlicher Hinweis des Senats auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt, der nur im Rahmen der Hilfserwägungen bei Unterstellen der Richtigkeit der klägerischen Vertragsauslegung zum Tragen kommt, nicht erforderlich war. Dass der Schaden nicht so, wie es das Landgericht getan hat, begründet werden kann, folgt schon daraus, dass Zahlungsempfänger bezüglich der 250.000,-- DM die A-Bank als Vertragspartnerin des Ausbietungsvertrags bzw. der Zessionar war, während Inhaber des Erbbaurechts zunächst die später in Insolvenz geratene Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der Frau F beteiligt war, und nach dem Heimfall des Erbbaurechts die Stadt O1 war. Von diesen Inhabern hätte das Erbbaurecht zu unbekannten Konditionen neu und zusätzlich zu den Zahlungen an die A-Bank bzw. der Zessionar erworben werden müssen.

Zu der Frage, welchen Wert das Erbbaurecht als solches hatte, sind im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, so dass auch keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht. Dem Senat stehen auch keine Anhaltspunkte für die Schätzung einer Wertdifferenz zwischen den beiden Rechtspositionen "Erbbaurecht" einerseits und "Pachtvertrag" andererseits zur Verfügung. Die faktische Nutzungsmöglichkeit für den Kläger ist in beiden Fällen gleich hoch, ebenso die Höhe der jährlich zu entrichtenden Gegenleistungen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger, wenn er dies wünscht, nicht die weitere Verlängerung des Pachtverhältnisses über das Jahr 2011 hinaus erreichen könnte. Ein bezifferbarer Schaden kann mithin in diesem Punkte nicht festgestellt werden.

2. Ein kausal auf der Pflichtverletzung unzureichender Beratung beruhender Schaden liegt jedoch in der Belastung mit Prozesskosten und Prozesszinsen. Dieser Schaden ist vom Beklagten zu ersetzen, was zu einer Verurteilung in der im Tenor genannten Höhe führt.

Hätte der Beklagte den Kläger zutreffend dahingehend beraten, dass die Zahlung der hier in Rede stehenden 250.000,-- DM auch bei Abschluss eines Pachtvertrags bezüglich des Freiplätzegrundstücks geleistet werden müsse, hätte der Beklagte sich entsprechend der hier einschlägigen Vermutung beratungskonformen Verhaltens bei Existenz nur einer vernünftigen Handlungsmöglichkeit nicht verklagen lassen, sondern vorprozessual gezahlt. Ihm wären dann weder Prozesskosten in Höhe von 18.673,19 € (vgl. die Aufstellung in der Klageschrift vom 08.04.2005, dort S. 13, Bl. 13 der Akten - 3. bis 8. Position) noch die am 14.10.2004 an den Kläger des Verfahrens 4 O 444/02 gezahlten Prozesszinsen in Höhe von 19.104,89 € entstanden. Die Summe beider Posten ergibt den im Tenor genannten Betrag.

Der neue Vortrag des Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 03.07.2008, der Kläger hätte in diesem Falle einen Kredit aufnehmen und hierfür Zinsen in nicht genannter Höhe zahlen müssen, bleibt gemäß §§ 525, 296 a ZPO unberücksichtigt und bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß §§ 525, 156 ZPO.

Die unrichtige Rechtsauskunft des Beklagten ist ihm entgegen seiner im Schriftsatz vom 03.07.2008 geäußerten Rechtsansicht auch vorzuwerfen. Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich jeden Rechtsirrtum zu vertreten (vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 Rdn. 68 m.w.N.).

Der Beklagte hat die von ihm vertretene unzutreffende Rechtsansicht im gesamten Verfahren 4 O 444/02 = 22 U 98/03 durchgängig vorgetragen. Dass er im Innenverhältnis zu seinem Mandanten, dem Kläger anders - nämlich in dem Sinne, dass die Richtigkeit seiner Ansicht durchaus zweifelhaft sei - beraten hätte, hätte der Beklagte substantiiert darlegen und unter Beweis stellen müssen. Dies ist nicht geschehen. Der Inhalt der internen Aktennotiz des Beklagten vom 07.02.2001 (Anlage B 2 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Bl. 121 d. A.), in der der Beklagte Zweifel äußert, reicht hierfür nicht aus, da diese Aktennotiz nichts darüber aussagt, wie der Beklagte sich dem Kläger gegenüber geäußert hat. Sein zeitlich etwas späteres Schreiben an den Kläger vom 27.02.2001 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 23 d. A.) lässt nämlich irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit der vom Beklagten geäußerten Rechtsauffassung nicht erkennen, sondern stellt sie ohne Einschränkung als richtig dar (".. nicht fällig", "... nicht gleichwertig", "...keine Umgehung"). Die am 25.02.2003 vom Kläger gefaxte Zusammenstellung (Anlage B3 zur Klageerwiderung vom 09.06.2005, Blatt 122 ff. d. A.) hat wegen der großen zeitlichen Differenz keinen Aussagewert bezüglich der Kenntnisse des Klägers wie im soweit entscheidenden Jahr 2001.

3. Es kann in dem vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob eine weitere Pflichtverletzung des Beklagten darin liegt, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und damit gemäß § 296 a ZPO unbeachtlich beim Landgericht und gemäß § 531 II ZPO unbeachtlich beim Oberlandesgericht u. a. zur "Chronologie der Ereignisse" (vgl. S. 4 ff des Schriftsatzes vom 03.03.2003, Bl. 76 ff der Beiakten 4 O 444/02), auch eingereicht als Anlage K 19 a zur Klageschrift vom 08.04.2005, Bl. 64 ff d. A.) vorgetragen zu haben. Denn es ist auch nach Einführung des gesamten Streitstoffes in den vorliegenden Rechtsstreit festzustellen, dass der Kläger eben nicht "alles" unternommen hat, um das Ziel der Erlangung des Erbbaurechts zu erreichen. Er hat nämlich, wie oben bereits gesagt, insbesondere bis heute keinen förmlichen Antrag auf Einräumung dieses Rechts an die Stadtverordnetenversammlung gestellt. Durch rechtzeitigen Vortrag im Verfahren 4 O 444/02 wäre eine Verurteilung des hiesigen Klägers mithin nicht zu verhindern gewesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO und berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung bezüglich der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt der gerichtlichen Kostenentscheidung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Angabe der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO i. d. F. des Art. 9 des 2. JuMoG vom 22.12.2006.

Ende der Entscheidung

Zurück