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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 23 U 102/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB pVV
Zu möglichen Schadensersatzansprüchen eines Auftraggebers gegen seinen Rechtsanwalt, die dieser daraus herleitet, dass es der Anwalt abgelehnt hat, ihn zu Verkaufsverhandlungen zu begleiten.
Tatbestand:

Der Kläger sowie die Herren A und B waren Gesellschafter der "C ...gesellschaft 01, 02" (im Folgenden kurz: C). Diese, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, war Käuferin verschiedener Grundstücke in der Innenstadt von O1, auf denen ein Einkaufszentrum errichtet werden sollte. Um eine möglichst gewinnbringende Verwertung der Grundstücke zu erreichen, führte die C mit verschiedenen Investoren Verhandlungen, unter anderem mit den Herren D und F. Der Beklagte war von den Gesellschaftern der C beauftragt, sie bei den Verhandlungen über einen Kaufvertrag zu beraten.

Vorgesehen war, dass die C auf den Grundstücken ein Einkaufzentrum mit Tiefgarage und Parkhaus errichtet und als Gesamtkomplex an die Herren D und F verkauft. Der Kaufpreis sollte 61.100.000,00 DM betragen, wovon 4.185.210,64 DM auf den Grund und Boden entfielen. In dem Vertragsentwurf, der das Verhandlungsergebnis bis zum 22.02.1995 widerspiegelte, befand sich unter § 5.5. folgende Regelung:

"Der Käufer verpflichtet sich, dem Verkäufer innerhalb von 10 Tagen nach Beurkundung dieser Vereinbarung eine auf erste Anforderung zahlbare Bürgschaft in Höhe von DM 52.100.000,00 zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer eines öffentlich-rechtlichen oder der Aufsicht nach dem KWG unterliegenden Kreditinstitutes der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem dieser Urkunde beigefügten Muster zu übergeben."

Das Muster für die Bürgschaftserklärung stammte von der ...bank ..., dem für die Zwischenfinanzierung vorgesehenen Kreditinstitut.

Diesen Vertragsentwurf übersandte der Beklagte an die Kaufvertragsbeteiligten sowie an Notar E, der ihn am 23.02.1995 beurkunden sollte. Deshalb begaben sich die Gesellschafter der C an diesem Tag nach O1 zu Notar E. Dort verhandelten sie mit dem ebenfalls anwesenden Herrn D über den abzuschließenden Kaufvertrag weiter. Der Beklagte hat diesen Termin nicht wahr genommen, weil er am 24.02.1995 einen Kurzurlaub antreten wollte, war für seine Mandanten aber bis 18.00 Uhr per Fax und Telefon erreichbar. Um 16.50 Uhr wurde ein weiterer 30-seitiger Vertragsentwurf per Fax an den Beklagten gesandt, der diesen prüfte, handschriftlich korrigierte und per Fax an das Büro des Notars E zurücksandte. Bezüglich der von den Käufern zu stellenden Bürgschaft auf erstes Anfordern enthielt diese Version des Vertrags keine wesentliche Änderung.

Gegen 18.00 Uhr teilte der Beklagte seinen Mandanten fernmündlich mit, dass er für sie ab jetzt nicht mehr erreichbar sei.

Um 19.57 Uhr ging im Büro des Beklagten per Fax ein auf Wunsch der Käufer nochmals geänderter Vertragsentwurf ein. In ihm enthielt die oben erwähnte Regelung des § 5.5 nunmehr als § 4.5 folgende Fassung:

"Der Käufer verpflichtet sich, dem Verkäufer innerhalb von 10 Tagen nach Bestätigung des Notars ............. eine auf erste Anforderung zahlbare Bürgschaft in Höhe von DM 52.100.000,00 zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer eines öffentlich-rechtlichen oder der Aufsicht nach dem KWG unterliegenden Kreditinstitutes der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem dieser Urkunde beigefügten Muster zu übergeben. Die Verkäufer verpflichten sich, diese Bürgschaft vorrangig zur Deckung der Gesellschaftsschulden zu verwenden bzw. diese Bürgschaft bis zum Betrag der auf den Kaufpreis anzurechnenden Gesellschaftsschulden freizugeben.

Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjektes oder eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,00 in Bürgschaftshöhe erfolgt ist."

Diese Fassung des Kaufvertrags war schließlich Grundlage der am Nachmittag des 24.02.1995 erfolgten notariellen Beurkundung. Im Rahmen der Protokollierung des Kaufvertrags kam es noch zu zwanzig weiteren Änderungen des Vertragstextes. Die oben zitierte Passage der Regelung unter § 4.5 lautete nunmehr:

"Der Käufer verpflichtet sich, dem Verkäufer innerhalb von 10 Tagen nach Bestätigung des Notars ............. eine auf erste Anforderung zahlbare Bürgschaft in Höhe von DM 52.100.000,00 zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer eines öffentlich-rechtlichen oder der Aufsicht nach dem KWG unterliegenden Kreditinstitutes der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem der Urkunde vom 22.10.1995 (Anlage 10) beigefügten Muster zu übergeben.

Die Bürgschaft darf nachfolgende Einschränkungen enthalten.

Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjektes und eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,00 in Bürgschaftshöhe erfolgt ist.

Die Verkäufer verpflichten sich, diese Bürgschaft vorrangig zur Deckung der Gesellschaftsschulden zu verwenden und hier wiederum vorrangig für Grundpfandgläubiger, bzw. diese Bürgschaft bis zum Betrag der auf den Kaufpreis anzurechnenden Gesellschaftsschulden freizugeben."

In der Folgezeit konnte die C die erforderliche Zwischenfinanzierung nicht darstellen. Aus diesem Grund haben die Vertragsparteien den am 24.02.1995 protokollierten Kaufvertrag wieder aufgehoben und am 07.07.1995 einen neuen Kaufvertrag über die unbebauten Grundstück einschließlich der Genehmigungsplanung und der Baugenehmigung geschlossen. Als Kaufpreis waren 11.000.000,00 DM vereinbart, der sich aber je nach der Vermietungslage bis auf 14.400.000,00 DM erhöhen konnte.

Parallel zu den Verhandlungen mit den Herren D und F hatte die C auch mit Herrn G über die Bebauung der Grundstücke sowie deren Verkauf verhandelt. Auch diese Verhandlungen haben zu einem Vertragsentwurf geführt, der am 10.02.1995 bei dem Beklagten eingegangen ist. Wegen der Einzelheiten dieses Vertragsentwurfs, der nicht weiterverfolgt worden ist, wird auf Bl. 796 - 872 d.A. verwiesen.

Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn und die übrigen Gesellschafter der C zu den Verhandlungen nach O1 zu begleiten und ihnen jedenfalls am Abend des 23.02.1995 und während der Protokollierung am 24.02.1995 beratend zur Seite zu stehen, was von ihm aber abgelehnt worden sei. Außerdem habe er die wesentliche Änderung bezüglich der zu stellenden Bürgschaft auf erstes Anfordern gekannt. Dennoch habe er ihm und seinen Mitgesellschaftern nicht abgeraten, die geänderte Fassung zu akzeptieren. Nur mit Notar E habe der Beklagte am 23.02.1995 in einem Ferngespräch, das noch nach 18.00 Uhr zustande gekommen sei, die Vertragsänderungen erörtert. Ihm gegenüber habe der Beklagte hinsichtlich der von den Käufern gewünschten Änderungen keine Einwände erhoben. Nur aufgrund dieser Pflichtverletzungen sei es zu der protokollierten Fassung des Kaufvertrags gekommen, die wiederum Ursache dafür gewesen sei, dass die ...bank ... eine Zwischenfinanzierung abgelehnt habe. Denn Voraussetzung für die Zwischenfinanzierung durch die ...bank ... sei das Stellen einer klassischen, d.h. uneingeschränkten Bürgschaft auf erstes Anfordern über 52.100.000,00 DM gewesen, was aber aufgrund des geänderten Vertragsinhalts nicht mehr habe durchgesetzt werden können. Allein dies sei der Grund für das Scheitern des gesamten Vertrages gewesen, wodurch ein Schaden von 10.500.000,00 DM entstanden sei. Bei diesem Schaden handele es sich um die Differenz zwischen dem erzielbaren Verkaufspreis von 61.100.000,00 DM und den Erstellungskosten einschließlich Risikoreserven von 50.155.406,00 DM, also den Gewinn, der mit diesem Geschäft hätte erzielt werden können. Aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten sei es der C auch nicht mehr möglich gewesen, nach dem Scheitern des Vertrages mit den Herren D und F auf den ausgehandelten Vertrag mit Herrn G zurückzugreifen. Denn eine Aufhebung des am 24.02.1995 protokollierten Vertrags sei nur unter der Bedingung des am 07.07.1995 geschlossenen neuen Kaufvertrags über die unbebauten Grundstücke möglich gewesen.

Außerdem hat der Kläger behauptet, er selbst habe seine Ansprüche in Höhe von 270.000,00 DM nebst 6% Zinsen seit dem 05.03.1998 an die Eheleute H und I, ...straße ..., O3, abgetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.02.1998 (Bl. 1 - 49 Bd. I d.A., Bl. 73 - 231 Anlagenband I; 28.08.1998 (Bl. 8 -125 Bd. II, Bl. 1 - 72 Anlageband I; 28.12.1998 (Bl. 312 - 388 d.A., Bl. 605 - 619 Anlageband II; 27.01.1999 (Bl. 472 - 508 d.A., Bl. 232 - 380 Anlageband II) und vom 22.02.1999 (Bl. 590 - 688 d.A. nebst gekennzeichneten Anlagen in Anlageband II) verwiesen.

Nachdem die Mitgesellschafter des Klägers, A und B, ihre Schadensersatzansprüche mit Vereinbarung vom 23.03.1997 an den Kläger abgetreten haben, verlangt dieser nunmehr mit seiner Klage, die dem Beklagten am 04.03.1998 zugestellt worden ist, einen Teilbetrag des behaupteten Schadens.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Eheleute H und I, ...straße ..., O3, als Gesamtgläubiger 270.000,00 DM nebst 6% Zinsen seit dem 05.03.1998 und an ihn 4.730.000,00 DM nebst 6% Zinsen seit dem 05.03.1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, dass ihm keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 13.05.1998 (Bl. 222 - 285 d.A. Bd. I); 21.09.1998 (Bl. 203 - 223 d.A. Bd. II, Bl. 630 - 649 Anlagenband II); 02.10.1999 (Bl. 247 - 269 d.A. Bd. II, Bl. 620 - 629 Anlagenband II); 28.12.1998 (Bl. 295 - 311 d.A.); 29.01.1999 (Bl. 406 - 455 d.A., Bl. 589 - 604 Anlagenband II) und vom 22.02.1999 (Bl. 513 - 567 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.04.1999, das dem Kläger am 19.04.1999 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass die behauptete Pflichtverletzung nicht ursächlich für den behaupteten Schaden gewesen sei. Der gleiche Schaden wäre nämlich auch dann eingetreten, wenn der Beklagte von der Unterzeichnung des Vertrags abgeraten hätte und deshalb das Vorhaben gescheitert wäre. Ergänzend wird auf das schriftlich abgefasste Urteil (Bl. 697 - 704 d.A.) sowie den Beschluss vom 21.06.1999 (Bl. 744 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 18.05.1999 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, die innerhalb der bis zum 18.08.1999 verlängerten Frist begründet worden ist.

Der Kläger trägt vor, das Urteil leide an erheblichen Verfahrensfehlern. Es sei überraschend, weil vor dem Wechsel in der Kammerbesetzung eine Beweiserhebung zur Debatte gestanden habe. Ein Hinweis auf die Änderung in der Rechtsauffassung sei nicht erfolgt. Ebenso sei das Gericht seiner Verpflichtung, darauf hinzuweisen, dass es den Sachvortrag zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden für unzureichend erachte, nicht nachgekommen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Pflichtverletzung des Beklagten auch ursächlich für den behaupteten Schaden. Denn für den Fall, dass ein Kaufvertrag mit den Herren D und F nicht zustande gekommen wäre, hätte die C die realistische Option gehabt, einen Kaufvertrag mit Herrn G abzuschließen. Diese Möglichkeit habe aber aufgrund der Bedingungen, die im Zusammenhang mit der Aufhebung des am 24.02.1995 protokollierten Vertrags gestellt worden seien, nicht mehr genutzt werden können. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 17.08.199 (767 - 1038 d.A.), 11.08.2000 (Bl. 1265 - 1445 d.A.), 06.01.2006 (Bl. 1538 - 1795 d.A.) und vom 03.04.2006 (Bl. 1819 - 1846 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und das Verfahren der 1. Instanz aufzuheben und die Sache an das Gericht des 1. Rechtszugs zurückzuverweisen.

hilfsweise,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Eheleute H und I, ...straße ..., O3 als Gesamtgläubiger 270.000,00 DM nebst 6% Zinsen seit dem 05.03.1998 und an ihn 4.730.000,00 DM nebst 6% Zinsen seit dem 05.03.1998 zu zahlen.

Der Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Sachvortrags das angefochtene Urteil. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 10.04.2000 (Bl. 1045 --1250 d.A), 04.10.2000 (Bl. 1446 - 1527 d.A.) und vom 24.02.2006 (Bl. 1799 - 1817 d.A.) verwiesen.

In einem Parallelverfahren (3 O 695/95 Landgericht Gießen, 9 U 70/98 Oberlandesgericht Frankfurt am Main), in dem der Beklagte dieses Verfahren gegen die Gesellschafter der C auf Zahlung seines Honorars klagt und in dem die dortigen Beklagten mit dem hier streitigen Schadensersatzanspruch die Aufrechnung erklärt haben, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Zwischenurteil vom 19.11.2003 den Antrag der beweisbelasteten Partei auf Feststellung, dass Notar E nicht berechtigt sei, das Zeugnis über ihre Behauptung,

".... bei Herrn Notar E sei am 23.02.1995, gegen 18.19 Uhr, kurz nach dem die Beklagten zusammen mit Herrn D die Kanzlei verlassen gehabt haben, ein Telefax des Herrn F, O4 (...) eingegangen, das inhaltlich mit dem kurz vor 20.00 Uhr in der Kanzlei des Klägers eingetroffenen Telefax übereingestimmt und gegenüber den vorigen vertragsentwürfen Abänderungen hinsichtlich der von der Käuferseite beizubringenden Bürgschaft enthalten habe; daraufhin habe der Notar E im Büro des Klägers in O5 angerufen, den Kläger jedoch nicht erreicht; auf seine Bitte hin habe ihm die Mitarbeiterin des Klägers eine Telefonnummer genannt, unter der es ihm auch gelungen sei, den Kläger zu erreichen; der Notar habe den Kläger über das eingetroffene Telefax und die verlangten Abänderungen, auch hinsichtlich der Bürgschaft, unterrichtet; der Kläger habe keinerlei Bedenken geäußert..."

zu verweigern, zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist, nachdem der Bundesgerichtshof die zugelassene Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 9.12.2004 zurückgewiesen hat (IX ZB 279/03), rechtskräftig.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt und begründet. Der Sache nach hat sie aber keinen Erfolg, da das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Dahingestellt bleiben konnte es, ob das Verfahren des ersten Rechtszuges tatsächlich an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 539 ZPO a.F.). Denn auch dann, wenn es wesentliche Verfahrensmängel geben würde, käme eine Aufhebung des Urteils und des Verfahrens nicht in Betracht, da der Rechtsstreit entscheidungsreif und es deshalb sachdienlich ist, wenn der Senat in der Sache selbst entscheidet (§ 540 ZPO a.F.).

Der mit der Klage verfolgte Schadensersatzanspruch steht dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil dem Beklagten nicht nachgewiesen werden konnte, dass er seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit dem Gesellschaftern der C verletzt hat.

Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrages verpflichtet, den Auftraggeber allgemein und umfassend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, dass Nachteile für ihn möglichst vermieden werden (vgl. BGH, NJW 1993, 2676). Dies gilt selbst für einen rechtskundigen Mandanten. Das Mandat des Beklagten erstreckte sich darauf, den Kläger und seine Mitgesellschafter bei der Vermarktung des Einkaufszentrums rechtlich zu beraten und zu unterstützen, an Vertragsverhandlungen teilzunehmen und ihnen anwaltliche Hilfe bei der Abfassung, Abänderung und Prüfung von Vertragsentwürfen zu leisten. Der Beklagte war ihnen daher zu einer umfassenden und erschöpfenden Beratung bis zum Abschluß des Vertrages verpflichtet. Er mußte die Vertragsentwürfe dahin prüfen, ob sie geeignet waren, den erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er mußte über mögliche Risiken aufklären, damit der Kläger und seine Mitgesellschafter sachgerechte Entscheidungen treffen konnten. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlaß gab, mußte der Beklagte darlegen und mit dem Kläger und den Mitgesellschaftern erörtern (vgl. BGH, NJW 1995, 449, 450).

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte seine vertraglichen Pflichten dadurch, dass er es ablehnte, persönlich an dem für den 23.2.1995 in O1 angesetzten Protokollierungstermin teilzunehmen, nicht verletzt. Der Vertragsentwurf war im Vorfeld zwischen den Parteien abgesprochen worden und lag dem Notar vor. Indem der Beklagte am 23.02.1995 einen weiteren gegen 16.50 Uhr per Telefax übersandten Vertragsentwurf durchgesehen und mit eigenen handschriftlich vermerkten Änderungswünschen zurückgesandt hat, ist er auch an diesem Tag seinen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag gerecht geworden. Außerdem befand sich in diesem Entwurf die später protokollierte Einschränkung der von den Käufern zu stellenden Bürgschaft auf erstes Anfordern noch nicht.

Ebenso kann darin, dass der Beklagte dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern am 23.02.1995 erklärt hat, er sei ab 18.00 Uhr nicht mehr erreichbar und trete am 24.02.1995 einen Kurzurlaub an, keine Verletzung des Anwaltsvertrags gesehen werden. Einem Anwalt muss es nämlich möglich sein, neben einem laufenden Mandat auch seinen anderen Verpflichtungen und Interessen nachzukommen. Unter diesem Aspekt kann es ihm nicht vorgeworfen werden, wenn er seinen Mandanten, auch bei der vertraglichen Gestaltung von Großprojekten, nicht jederzeit und uneingeschränkt, sondern nur in bestimmten zeitlichen Grenzen als Berater zur Verfügung steht. In Anbetracht der Kenntnis, dass der Beklagte am 23.02.1995 nach 18.00 Uhr nicht mehr erreichbar war und am 24.02.1995 einen Kurzurlaub antreten wollte, hatten der Kläger und seine Mitgesellschafter, sofern sie auf eine Beratung durch den Beklagten nicht verzichten wollten, die Möglichkeit, im Falle von weiterem Beratungsbedarf auf eine nochmalige Verschiebung des Termins zur Vertragsprotokollierung hinzuwirken. Somit hätten sie sich eine Abstimmung mit dem Beklagten sichern können, da dieser ihnen nach seinem Kurzurlaub wieder als Berater zur Verfügung gestanden hat. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Terminsverschiebung nicht möglich gewesen wäre, zumal die Käuferseite es war, die immer wieder neue Wünsche hinsichtlich der Vertragsgestaltung geäußert hat. Der Kläger hat vielmehr diese Möglichkeit in der mündlichen Verhandlung vom 8.3.2006 ausdrücklich eingeräumt.

Der Beklagte hat seine Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass er für die Zeit seiner Abwesenheit nicht dafür gesorgt hätte, dass er in besonderen Fällen zumindest für seine Mitarbeiter erreichbar war. Zwar wußte er aufgrund des am 23.2.1995 gegen 18.00 Uhr mit dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern geführten Telefongesprächs, dass die Beurkundung noch nicht erfolgt war. In dieser Situation war weiterhin mit Änderungswünschen der an den Verhandlungen Beteiligten zu rechnen. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Sache bestand demzufolge auch stets die Möglichkeit, dass bis zur Beurkundung noch Fragen auftreten könnten, die eine weitere anwaltliche Beratung durch den Beklagten erforderlich machten. Seine ständige Bereitschaft, Beratungsleistungen zu erbringen, war aber wie dargelegt nicht erforderlich. In Gestalt einer solcher "Rufbereitschaft" auch während der angekündigten Zeiten kurzfristiger Ortsabwesenheit wäre sie auch ungeeignet. Denn im Hinblick auf die Schwierigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit wäre eine qualifizierte Beratung, für deren Richtigkeit der Beklagte auch einzustehen hätte, ohne hinreichende Informationsgrundlage und ohne die erforderliche Zeit, sich mit den Fragen in dem erforderlichen Umfang auseinanderzusetzen, ersichtlich nicht zu leisten und dem Beklagten jedenfalls auch nicht zumutbar. Ein zu bestellender Vertreter hätte eine Beratungstätigkeit in dieser Situation mangels Kenntnis der Sachlage nicht erbringen können. Eine Erreichbarkeit des Beklagten nur zu dem Zweck, dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern zu raten, einen neuen Beurkundungstermin nach seiner Rückkehr aus dem Kurzurlaub zu vereinbaren, war nicht erforderlich. Der Beklagte konnte wie dargelegt ohne weiteres davon ausgehen, der Kläger und seine Mitgesellschafter würden bei Erkennen eines Beratungsbedarfs von sich aus auf eine Terminverschiebung dringen. Ein solcher Beratungsbedarf war gerade auch ohne anwaltlichen Rat erkennbar.

Sofern der Kläger vorträgt, ihm und seinen Mitgesellschaftern sei die Erheblichkeit der Änderung in der Regelung über die Verwendbarkeit der zu stellenden Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht aufgefallen, so dass ein weiterer Beratungsbedarf nicht erkannt worden sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Alle Beteiligten auf der Verkäuferseite, der Kläger und die übrigen Gesellschafter der C, waren im Bauträgergeschäft bewandert. Außerdem ist der Kläger ein Diplom-Kaufmann und Herr K ein ausgebildeter Bankfachwirt. Deshalb kann es ihnen nicht abgenommen werden, dass für sie die Tragweite des ihnen bis zur Protokollierung nicht bekannten Zusatzes

"Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjektes und eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,00 in Bürgschaftshöhe erfolgt ist."

nicht erkennbar war. Zwar kann eingeräumt werden, dass sie diesen Zusatz in juristischer Hinsicht nicht in vollem Umfang werten konnten. Doch musste ihnen auch bei laienhafter Wertung auffallen, dass die Verwertung der Bürgschaft andere Voraussetzungen erhalten hatte, deren Erfüllung im Einzelfall mit einer schwierigen Beweiserhebung verbunden sein konnte.

Dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern konnte dies alles auch nicht entgangen sein, da der Text des Vertragsentwurfs, der dem Beklagten am 23.02.1995 um 19.57 Uhr per Fax übersandt worden und schließlich Grundlage für den zu protokollierenden Vertrag war, noch während der Protokollierungsverhandlung eine entscheidende Veränderung erfahren hatte. Ausgangspunkt im Protokollierungstermin war nämlich folgender Zusatz zur Regelung über das Stellen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern:

"Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjektes oder eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,00 in Bürgschaftshöhe erfolgt ist."

Protokolliert wurde dieser aber in folgender Fassung:

"Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjektes und eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,00 in Bürgschaftshöhe erfolgt ist."

Dass es sich hierbei um eine entscheidende Veränderung gehandelt hat, war für jedermann erkennbar. Denn die Erfüllung von zwei Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist in jedem Falle nachteiliger als eine Regelung, nach der hierfür wahlweise entweder nur die eine oder aber nur die andere Voraussetzung erfüllt sein muss.

Nicht vorstellbar ist ferner, dass der Kläger und seine Mitgesellschafter aufgrund der Äußerung des Notars, die Bürgschaft richte sich nach wie vor nach dem beigefügten Muster, in die Irre geleitet worden sind. Denn auch nach der neuen Regelung sollte der Bürgschaftstext so lauten, wie er in dem Muster vorgegeben war. Damit ist aber noch keine Aussage darüber gemacht, dass die in den übrigen Vertragstext aufgenommenen Einschränkungen hinsichtlich der Inanspruchnahme der Bürgschaft keinerlei Einfluss auf die wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Bürgschaft haben. Besondere rechtliche Kenntnis sind hierfür nicht erforderlich gewesen, da die in den Vertrag zusätzlich aufgenommen Einschränkungen hinsichtlich der Inanspruchnahme der Bürgschaft existent waren und somit auch Wirkungen entfaltet haben. Der Kläger und seine Mitgesellschafter hätten also Anlass genug gehabt, die Protokollierung zu verschieben, haben sich aber hierfür nicht entschieden, was dem Beklagten als Pflichtverletzung aber nicht angelastet werden kann.

Der Kläger und seine Mitgesellschafter konnten auch nicht davon ausgehen, dass der Beklagte den letztlich protokollierten Vertragstext überprüft und für gut befunden hat. Zum einen war dies deshalb nicht möglich, weil es noch während der Protokollierungsverhandlung nicht nur zu der bereits erwähnten wesentlichen Textänderung sondern auch zu einer Vielzahl weiterer Änderungen gekommen ist, zum anderen aber auch deshalb, weil sie nichts für eine solche Annahme in der Hand hatten und wussten, dass der Beklagte am 23.02.1995 ab 18.00 Uhr für sie nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, der neue Vertragstext aber erst nach diesem Zeitpunkt Gegenstand der Vertragsverhandlungen geworden sein konnte. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass sich Herr K und der Kläger nunmehr "etwas dunkel" (Bl. 55 d.A. Bd. II) daran erinnern können, dass Notar E zu Beginn der Protokollierungsverhandlung von einem Ferngespräch mit dem Beklagten gesprochen habe. Denn dieses Ferngespräch haben der Kläger und seine Mitgesellschafter erst im Nachhinein mit einer Erörterung über die dem Beklagten gegen 19.57 Uhr per Fax übersandte Fassung des Vertragsentwurfs in Verbindung gebracht.

Der Umstand, dass es bei Anwesenheit des Beklagten tatsächlich nicht zu der erfolgten Protokollierung gekommen wäre, bedeutet nicht, dass ihm insoweit auch eine Pflichtverletzung zur Last fällt.

Von einer Pflichtverletzung des Beklagten könnte nur dann ausgegangen werden, wenn es zutreffend wäre, dass Notar E mit dem Beklagten die diesem am 23.02.1995 um 19.57 Uhr übersandte Fassung des Vertragsentwurfs ausführlich erörtert und der Beklagte den Zusatz zur Regelung über das Stellen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern als unproblematisch gebilligt hätte. Unter diesen Umständen wäre es seine Pflicht gewesen, den Kläger und seine Mitgesellschafter hierüber zu informieren und auch mit ihnen die geänderten Regelungen zu besprechen und sie auf die entstehenden Risiken hinzuweisen, was aber nicht geschehen ist.

Eine solche Pflichtverletzung ist aber nicht nachweisbar.

Zum einen fehlt es an einem hinreichend detaillierten Vortrag hierzu. Unbekannt ist der gesamte Inhalt des Ferngesprächs, das Notar E noch am Abend des 23.02.1995 mit dem Beklagten geführt haben soll. Der Kläger trägt nicht vor, welche Informationen der Beklagte, dem der geänderte Vertragsentwurf nicht vorlag, von Notar E erhalten hat und welche Reaktionen seitens des Beklagten hierauf erfolgt sind. Nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 8.3.2006 hat Notar E während des Protokollierungstermins das angebliche Telefongespräch mit dem Beklagten nicht erwähnt. Im übrigen habe Notar E nur von vertragstechnischen und formalen Änderungen gesprochen. Es ist aber nur unter ganz besonderen Umständen vorstellbar, dass ein Notar, der wesentliche Änderungen eines Vertragsentwurfs mit dem Bevollmächtigten einer Partei inhaltlich erörtert hat, hierauf bei der nachfolgenden Protokollierung mit keinem Wort hinweist. Solche besonderen Umstände ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht, so dass von einer Information des Beklagten die ihn zu einem Tätigwerden hätten veranlassen müssen, nicht ausgegangen werden können.

Zum anderen gibt es aber auch keine geeigneten Beweismittel für den Vortrag des Klägers. Denn Notar E ist nicht verpflichtet, hierzu eine Aussage zu machen, da er von den Herren D und F nicht von seiner Schweigepflicht befreit worden ist. Dies steht aufgrund der Entscheidung des BGH in dem Parallelverfahren (IX ZB 279/03) fest. Notar E hat sich in dem vor dem Oberlandesgericht anhängigen Parallelverfahren (Az. 9 U 70/98) auch bereits auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.

Auch eine Vernehmung des als Zeugen benannten K zu der Behauptung, Notar E habe ihm gegenüber im Juni 1998 und am 02.07.1998 ein am 23.02.1995 mit dem Beklagten geführtes Telefongespräch erwähnt, in dem die gewünschten Vertragsänderungen besprochen worden seien, muß nicht erfolgen. Denn durch eine Vernehmung des Herrn K könnte nur nachgewiesen werden, dass Notar E eine solche Äußerung gemacht hat. Der Beweis dieser Tatsache würde aber unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände allein noch nicht ausreichen, um auch als erwiesen ansehen zu können, dass ein solches Gespräch tatsächlich stattgefunden hat und welchen genauen Inhalt es hatte. Auch gibt es keine weiteren Indizien, die im Zusammenhang mit der in das Wissen des Herrn K gestellten Behauptung Beweis dafür erbringen könnten, dass Notar E die Vertragsänderungen tatsächlich mit dem Beklagten abgesprochen hat. Im Gegenteil, es bleiben vielmehr nur Zweifel an einem solchen Gespräch, weil Notar E damit seine ihm als Notar obliegenden Pflicht, Neutralität zu wahren, verletzt hätte und ferner auch keinen Verhandlungsauftrag von dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern hatte. Deswegen erscheint es auch lebensfremd, dass sich der Beklagte auf bloße fernmündliche Darstellung des Vertragsinhalts durch einen Dritten eingelassen hätte.

Da es bereits an dem Nachweis einer Pflichtverletzung seitens des Beklagten fehlt, kann es dahingestellt bleiben, ob der behauptete Schaden durch die behauptete Pflichtverletzung verursacht worden ist und welchen Umfang er hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 543 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 7 EGZPO).

Ende der Entscheidung

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