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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 23 U 151/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 718
BGB § 733
BGB § 738 I 2
Zum Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters und zur subsidiären Haftung verbleibender Gesellschafter.
Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Die zulässige Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat zu Unrecht den Klägern einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der begehrten Abfindung sowie auf Ausschüttung des Mietzinses zuerkannt.

Dabei gehen allerdings die Angriffe der Berufung gegen die Zulässigkeit der Klage, die zunächst auf § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO gestützt werden, fehl.

Vorliegend handelt es sich nicht um einen Fall der notwendigen Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen. Die Kläger als ausscheidende Gesellschafter nehmen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten der GbR in Anspruch, der er neben anderen Gesellschaftern weiterhin angehört. Es handelt sich somit um eine sogenannte Gesamtschuldklage, da hier eine Forderung gegen einen Gesellschafter persönlich geltend gemacht wird, und zwar aus seiner gesamtschuldnerischen Mithaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten (Münchener Kommentar-Ulmer, BGB, § 718 Rdnr. 47). Davon zu unterscheiden ist die sogenannte Gesamthandsschuldklage, die auf gerichtliche Durchsetzung einer aus dem Gesellschaftsvermögen zu erfüllenden Gesamthandsverbindlichkeit gerichtet ist und grundsätzlich gegen alle Gesellschafter erhoben werden muss, die aus materiellrechtlichen Gründen eine notwendige Streitgenossenschaft auf der Passivseite bilden (Münchener Kommentar-Ulmer a.a.O.). Diese Unterscheidung zwischen Gesamthands- und Gesamtschuldklage entspricht der Anerkennung der Gesamthand als selbständiges Verpflichtungssubjekt und hat sich sowohl in der neueren Literatur als auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt (BGH WM 1990, 113 f.; Münchener Kommentar-Ulmer § 718, Rdnr. 49 mwN).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Leistungsklage gegen einen mitberechtigten Gesellschafter, der als Gesamtschuldner (§§ 421, 427 BGB) in Anspruch genommen wird. In einem solchen Fall besteht nach ganz einhelliger Meinung keine notwendige Streitgenossenschaft, sondern es kommt gegebenenfalls lediglich eine einfache Streitgenossenschaft in Betracht (Münchener Kommentar-Schilken, ZPO § 62, Rdnr. 31 mwN). Das gilt auch für Leistungsklagen gegen Gesamthänder im Regelfall ihrer gesamtschuldnerischen Haftung (BGHZ 23, 73; Münchener Kommentar-Schilken a. a. O.).

Hier ist das Begehren der Kläger eindeutig nur darauf gerichtet, einen Anspruch auf Leistung gegen einen Gesellschafter persönlich durchzusetzen, womit eine Beschränkung auf eine Gesamtschuldklage gegeben ist, für die keine notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO besteht.

Ob materiellrechtlich eine persönliche gesamtschuldnerische Haftung der übrigen Gesellschafter gegenüber einem ausscheidenden Gesellschafter im Hinblick auf dessen Abfindungsanspruch oder sonstige Ansprüche, die mit dem Gesellschaftsverhältnis in Verbindung stehen, gegeben ist, spielt für die Frage der Zulässigkeit noch keine Rolle, da insoweit allein auf das Begehren des Klägers abzustellen ist.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich auch nicht aus § 15 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages, der eine Schiedsgutachter-Abrede folgenden Inhalts enthält:

"3. Kommt eine Einigung über die Höhe der Abfindung nicht zustande, so erstellt ein von der Industrie- und Handelskammer zu Bonn zu benennender Sachverständiger ein Schiedsgutachten. Dieses ist für die Gesellschaft und den ausgeschiedenen Gesellschafter verbindlich. ..."

Diese Vereinbarung ist dahingehend auszulegen, dass ein Schiedsgutachten nur dann einzuholen ist, wenn tatsächlich Streit über die Höhe der Abfindung besteht. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Höhe von Aktiva und Passiva der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Gesellschafter, also zum 31.12.1994, ergibt sich aus der Rechnungslegung des Dipl.-Betriebswirtes A im Auftrag des Geschäftsführers der GbR, der der Beklagte noch angehört. Das Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass diese Rechnungslegung vom Beklagten nicht substantiiert bestritten worden ist, der sie zudem in einem Vorprozess bei dem Landgericht Bonn, bei dem es um dieselbe Gesellschaft ging, selbst mit diesem Inhalt erteilt hat. Der Beklagte war dort zur Rechnungslegung verurteilt worden und hat neben den 121 verbliebenen Gesellschaftern selbst die Höhe des Überschusses der Aktiven über die Passiven zum 31.12.1991 mit 523.423,32 DM erklärt (Bl. 27-31 d. A.). Das Landgericht hat daher das jetzige Bestreiten des Beklagten zutreffend nicht nur als unsubstantiiert, sondern auch für unerheblich gehalten unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).

Auch im Hinblick auf den Anspruch auf Ausschüttung der restlichen Mietzinsen begegnet die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der Schiedsgutachterabrede im Gesellschaftsvertrag keinen durchgreifenden Bedenken. Zum einen ist die faktische Höhe der vereinnahmten Mietzinsen unstreitig; die Frage des Abzugs von Verwaltungskosten ist keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage. Zum anderen - und das ist der entscheidende Gesichtspunkt - betrifft die Schiedsgutachterklausel ausschließlich das Abfindungsguthaben, und der erwähnte weitere Anspruch der Kläger ist kein Bestandteil dieses Abfindungsguthabens, sondern hat seine Grundlage vielmehr darin, dass die in § 15 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Abfindung durch Übertragung des Eigentums an einem bestimmten Sondereigentum unter Verstoß gegen diese Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag noch nicht erfolgt ist, weshalb die Gesellschaft insoweit die betreffenden Mietzinszahlungen ohne Rechtsgrund erlangt haben könnte (wie unten ausgeführt wird).

Bei der Begründetheit der Klage ist zu differenzieren zwischen dem Abfindungsanspruch der Kläger und ihrem Anspruch auf Zahlung des restlichen Mietzinses.

Der Abfindungsanspruch der Kläger wird auf § 738 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 15 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages sowie § 421 BGB gestützt.

Die materielle Berechtigung des geltend gemachten Abfindungsanspruchs folgt bereits aus § 15 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages, der folgenden Wortlaut hat:

"1. Im Falle einer ordentlichen Kündigung erhält ein Gesellschafter unter Verzicht auf die Bewertung des Grundbesitzes der Gesellschaft als Abfindung das Eigentum an dem von ihm bezeichneten Sondereigentumsrecht. Die Übertragung hat mit wirtschaftlichem Übergang auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft zu erfolgen. Der ausscheidende Gesellschafter übernimmt das Sondereigentumsrecht, belastet mit einem Grundpfandrecht in der nominellen Höhe des von ihm persönlich aufgenommenen Darlehens. Der ausscheidende Gesellschafter tritt mit der Übernahme des Sondereigentumsrechts, anteilig im Verhältnis seiner Beteiligung am Gemeinschaftseigentum im Rahmen der Wohnungseigentumsgemeinschaft, in die hinsichtlich des Gesamtobjektes begründeten Rechte und Pflichten ein. Im übrigen beschränkt sich in diesem Falle die Ermittlung eines etwaigen Abfindungsguthabens auf die außer dem Grundbesitz der Gesellschaft etwa vorhandenen Aktiven und Passiven."

Der letztgenannte Satz 5 bildet also die Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Abfindung, wobei sich die Höhe aus der oben erwähnten Rechnungslegung zum 31.12.1994 ergibt.

Nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB haben die verbleibenden Gesellschafter dem ausscheidenden Gesellschafter dasjenige zu zahlen, was er aus der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre.

Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts ist jedoch eine persönliche Haftung des Beklagten für diesen Abfindungsanspruch der Kläger nicht gegeben, womit die Passivlegitimation des Beklagten fehlt.

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 17.1.2001 (NZG 2001, 467) in einem Parallelverfahren mit gleicher Fallkonstellation entschieden, dass die Klage gegen alle Gesellschafter der B GbR in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gerichtet werden müsse und daher der einzelne Gesellschafter als Beklagter nicht passivlegitimiert sei. Der BGH hat mit Beschluss vom 24.3.2003 (Az. II ZR 58/01) die hiergegen gerichtete Revision nicht angenommen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

Zur Begründung hat das OLG Köln ausgeführt, dass es sich bei dem geltend gemachten Abfindungsanspruch nicht um eine Gesamtschuld gemäß § 421 BGB, sondern um eine Gesamthandsverbindlichkeit im Sinne von §§ 718, 733 BGB handele. Zwar gehe die herrschende Meinung in der Literatur hinsichtlich des Abfindungsanspruchs aus § 738 BGB von einer Gesamtschuld und damit der persönlichen Haftung der einzelnen Gesellschafter auch mit ihrem Privatvermögen aus (Palandt-Sprau, BGB, §738 Rdnr. 2), dem seien aber sowohl der BGH (BGHZ 37, 299 (301ff) zum Aufwendungsersatzanspruch) als auch K. Schmidt (Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 60 Anm. III 2) zu Recht unter Hinweis auf die begrenzte Nachschusspflicht der Gesellschafter während des Bestehens der Personengesellschaft entgegen getreten. Die für Personengesellschaften des Handelsrechts geltende Vorschrift des § 128 HGB könne nicht ohne weiteres auf die nach Zweck, Art und Struktur sehr unterschiedlichen Gesellschaften bürgerlichen Rechts Anwendung finden, sondern es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob durch die Rechtsgeschäfte der jeweiligen GbR auch die Gesellschafter persönlich mitverpflichtet werden sollten (ebenso BGH NJW 1998, 2904f). Bei einer so großen Wohnungseigentümergemeinschaft wie der B GbR könnten aber selbst Außenstehende kaum davon ausgehen, dass bei Rechtsgeschäften auch die Gesellschafter persönlich mitverpflichtet werden sollten. Schließlich betrage das Gesamthandskapital über 24 Mio DM, was angesichts des Ausscheidens von rund 30 Gesellschaftern zu einer persönlichen Haftung des einzelnen verbliebenen Gesellschafters für deren Abfindung in Millionenhöhe führen würde.

Dem steht die grundlegende Entscheidung des BGH vom 27.9.1999 (BGHZ 142, 315) nicht entgegen, der zufolge die Gesellschafter einer GbR für die im Namen der Gesellschaft begründeten Verpflichtungen grundsätzlich kraft Gesetzes auch persönlich haften, wenn nicht eine individualvertragliche Haftungsbeschränkung wirksam vereinbart worden ist. Dieser Grundsatz gilt entsprechend dem vom BGH entschiedenen Fall aber nur für die Haftung gegenüber Dritten, nicht jedoch bezüglich der Abfindungsansprüche ausscheidender gegen die verbliebenen Gesellschafter. Außerdem betraf die vorgenannte Entscheidung die Wirksamkeit einer Haftungsregelung durch einseitigen Hinweis, wogegen im vorliegenden Fall eine individuelle Regelung der Haftungsbeschränkung im Gesellschaftsvertrag erfolgt ist, weshalb es insoweit bei dem Grundsatz bleibt, dass im Verhältnis der Gesellschafter untereinander die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter zunächst aus dem Gesamthandsvermögen zu begleichen sind und die Mitgesellschafter nur subsidiär haften (BGHZ 37, 299 (303)). Das gilt auch für die Zeit nach dem Ausscheiden der Gesellschafter, weil hier Nachwirkungen der gegenseitigen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsvertrag bestehen, wie auch das OLG Köln (aaO) entschieden hat. Denn der Ausgeschiedene ist zwar aus der Gesellschaft herausgetreten, kann damit aber noch nicht den Status eines den gesellschaftsvertraglichen Bindungen nicht mehr unterliegenden Gesellschaftsgläubigers, d.h. eines außenstehenden Dritten, einnehmen, weshalb es gerechtfertigt ist, den Abfindungsanspruch als Gesamthandsverbindlichkeit mit der Folge einer primären Haftung der Gesellschaft anzusehen.

Eine Haftungsbeschränkung zugunsten des Beklagten ergibt sich vorliegend zudem aus den Regelungen des Gesellschaftsvertrags, wonach zur Abdeckung der gegenseitigen Sozialverpflichtungen vor allem das Gesellschaftsvermögen herangezogen und die subsidiäre Haftung der verbleibenden Gesellschafter für den Abfindungsanspruch als Sozialverbindlichkeit auf die jeweiligen Anteile am Gesellschaftsvermögen bzw. auf eine diesem Anteil entsprechende Quote am Privatvermögen reduziert wird. Das folgt etwa für den Abfindungsanspruch aus § 15 Ziffer 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags, wo lediglich die Gesellschaft als Schuldnerin genannt wird. Nach § 15 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrags erfolgt die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in drei gleichen Jahresraten Zug um Zug gegen die Befreiung des Grundbesitzes der Gesellschaft von den zur Sicherung der persönlichen Darlehen bestellten Grundpfandrechte. Weitere Regelungen in § 4 Ziffer 2 und 4, § 6 Ziffer 5 und § 8 Ziffer 1 und 3 des Gesellschaftsvertrags bestimmen schließlich sogar im Verhältnis zu Dritten eine Haftungsbeschränkung auf die jeweilige Beteiligungsquote des Gesellschafters.

Auch ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Ausschüttung des restlichen Mietzinses (also der abgezogenen Verwaltungskosten) scheitert ebenso am Fehlen der erforderlichen Passivlegitimation, so dass dahingestellt bleiben kann, ob er sich aus Bereicherungsrecht, und zwar dem Tatbestand der Bereicherung in sonstiger Weise nach § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB, oder etwa dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach §§ 284, 286 BGB a.F. ergeben könnte.

Zwar ist der Anspruch auf Ausschüttung des Mietzinses kein Bestandteil des Abfindungsanspruchs aus § 738 BGB, also auch kein Element des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens der Kläger als Gesellschafter. Gleichwohl haben sich auch in dieser Hinsicht die ausgeschiedenen Gesellschafter nach den oben dargelegten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags und wegen der subsidiären Haftung der Gesellschafter zunächst an das Gesellschaftsvermögen zu halten, wie auch das OLG Köln entschieden hat (aaO).

Den Versuch einer Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die B GbR haben die Kläger indessen nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO iVm § 26 Nr. 7 EGZPO).

Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO a.F. auf 16.741,42 Euro (= 32.743,38 DM) festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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