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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: 23 U 203/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO § 513
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546
BGB § 242
BGB § 814
InsO § 94
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 134
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 2
Die in der realen Gewinn- und Verlustverteilung enthaltenen Kosten und Bestandsprovisionen können für die Ermittlung des gesamten Scheingewinns nicht herangezogen werden, da diese vertraglich vereinbarte Leistungen betreffen, die tatsächlich nicht erbracht wurden.
Gründe:

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A1 GmbH Rückzahlung unentgeltlich erlangter Zahlungen, sog. Scheingewinne, nach Insolvenzanfechtung.

Das Landgericht hat der Klage teilweise in Höhe von 5.188,56 € stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne die an den Beklagten ausgekehrten Beträge zurückverlangen, demgegenüber könne der Beklagte allerdings mit der Einlage, dem gezahlten Agio und einer angemessenen Verzinsung der Einlage aufrechnen. Bei den an den Beklagten ausgezahlten Geldern handele es sich um Scheingewinne, diese Leistungen seien auch unentgeltlich gewesen.

Der Beklagte könne im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 814 BGB gegenüber dem Rückzahlungsanspruch die Aufrechnung mit einem eigenen Schadensersatzanspruch erklären. Der Schadensersatzanspruch des Beklagten sei als Vertrauensschaden zu verstehen, so dass die von ihm geleisteten Zahlungen vollumfänglich, auch im Hinblick auf die begehrte Verzinsung, zu berücksichtigen seien. Der Kläger könne daher lediglich Zahlung in Höhe von 5.188,56 € verlangen.

Gegen das ihm am 16.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 14.11.2008 begründet. Er begehrt die Zahlung weiterer 2.874,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2006 sowie die Zahlung weiterer 159,01 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2007.

Mit Schriftsatz vom 22.12.2008 hat der Kläger die Klage um einen Betrag in Höhe von 3.340,14 € erweitert.

Eine Aufrechnung im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 814 BGB sei nicht möglich. Die Vorschrift des § 143 Abs. 2 InsO bestimme abschließend, unter welchen Voraussetzungen der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung diese zurückzugewähren habe. Wenn der Gesetzgeber eine weitere Beschränkung der Rückgewährverpflichtung beabsichtigt hätte, sei eine Aufnahme eines Verweises auf § 814 BGB notwendig gewesen. Allenfalls könne lediglich die Einlagenzahlung selbst in Abzug gebracht werden. Es bestehe keine Aufrechnungslage gemäß §§ 94, 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die Vornahme einer 4%-igen Verzinsung sei rechtsirrig und verfahrensfehlerhaft.

Im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az.: IX ZR 195/07) sei eine Aufrechnung nicht möglich, so dass der gesamte erzielte Scheingewinn, der 11.402,89 € betrage, geltend gemacht werden könne. Der Berechnung des Scheingewinns könne die reale Gewinn- und Verlustverteilung (Anlage K 11) zugrunde gelegt werden. Es müsse vertragsgemäß abgerechnet werden, um überhaupt bestimmen zu können, ob die Unentgeltlichkeit vorliege und im welchem Umfang die Einlage aufgezehrt worden sei. Hierbei müsse auch die Verwaltungsgebühr in Höhe von 0,5 % je Monat berücksichtigt werden, denn diese knüpfe an den Bestand und nicht an die tatsächlich getätigten Umsätze an.

Ferner sei der Kläger aktivlegitimiert. Ein Treuhandverhältnis sei nicht wirksam begründet worden. Es sei unklar, welche Rechtspersönlichkeit der Finanzpool und die Zweckgemeinschaft der Anleger darstellen solle. Gegenüber der Schuldnerin seien lediglich die einzelnen Anleger handlungsfähig, nicht jedoch die Zufallszusammenführung der die Einzahlungen leistenden Personen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 14.11.2008 (Bl. 148 - 156 d. A.), vom 22.12.2008 (Bl. 168 - 169 d. A), vom 11.03.2009 (Bl. 213 - 217 d. A), vom 17.06.2009 (Bl. 226 - 227) und vom 08.07.2009 (Bl. 229 - 231 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, weitere 2.874,19 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.04.2006 zu zahlen.

2. den Beklagten ferner unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an ihn weitere 159,01 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.12.2007 zu zahlen.

3. den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an ihn weitere 3.340,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Die Klagerweiterung sei unsubstantiiert, der neu berechnete Scheingewinn werde bestritten. Die Geltendmachung der in der Anlage K 11 aufgeführten weiteren Belastungen, insbesondere die dort aufgeführte Bestandsprovision, setze voraus, dass das Vermögen tatsächlich im Sinne der vertraglichen Vereinbarung verwaltet worden sei. Im Übrigen sei der Kläger nicht aktivlegitimiert, denn wirtschaftlich sei die Gemeinschaft der Kunden Inhaberin des Vermögens des A2 (A2) gewesen, rechtlich die Insolvenzschuldnerin. Die Konten seien als Treuhandkonten ausgewiesen gewesen. Die Insolvenzschuldnerin habe das Vermögen halten und verwalten sollen, die Ausschüttungen an den Beklagten als Anleger seien als Auszahlung der durch die Anleger gebildeten Zweckgemeinschaft und nicht als Zahlung der insoweit beauftragten Insolvenzschuldnerin zu betrachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 26.01.2009 (Bl. 184 - 194 d. A) nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat zunächst ohne Rechtsfehler festgestellt, dass es sich bei den an den Beklagten ausgezahlten Geldern um Scheingewinne handelt, da der A2 bereits im ersten Jahr und auch in den weiteren Jahren Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet hat. Eine Gewinnzone wurde nie erreicht. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.09.2006 (5/26 KLs 7570 Js 210600/05 Wi <26/05>). Diese Leistung war auch unentgeltlich, denn den an den Beklagten ausgezahlten Beträgen stand keine wirtschaftliche Gegenleitung gegenüber.

Das Landgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beklagte mit eigenen Ansprüchen aufrechnen könne.

Das Landgericht hat sich diesbezüglich auf die noch unter der Geltung der Konkursordnung ergangenen Rechtsprechung gestützt und diese auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung für anwendbar betrachtet (wie auch Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 11.03.2007, 5 U 551/07, OLG Frankfurt, ZIP 2007, 2426).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.12.2008, IX ZR 195/07), der sich der Senat anschließt, kann dies keinen Bestand mehr haben.

Mit der Einführung der Insolvenzordnung hat sich die Rechtslage in diesem Punkt geändert. Anders als im Anwendungsbereich der Konkursordnung wird durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Insolvenzschuldnerin und ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen. Der auf Rückgewähr in Anspruch Genommene hätte die Möglichkeit der Aufrechnung dadurch erhalten, dass er durch eine unentgeltliche und damit nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Leistung der Insolvenzschuldnerin zugleich auch Schuldner eines Bereicherungsanspruchs geworden wäre, nachdem er zuvor bereits Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs war. Der Bereicherungsanspruch hätte nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unabhängig von der Gegenforderung des Beklagten durchgesetzt werden können. Eine schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Aufrechnungserklärung wäre mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich unwirksam geworden. Auch der Normzweck des § 814 BGB als solcher fordert keine Einschränkung.

Der Schutz des Anfechtungsgegners wird durch § 143 Abs. 2 InsO oder, in Ausnahmefällen, durch § 242 BGB ausreichend gewährleistet. Die andere Auffassung, die den Schutzgedanken des § 814 BGB bei dem Empfänger einer unentgeltlichen Leistung für maßgeblich hält, würde zu einem Normwiderspruch führen, denn das Vertrauen des Empfängers einer solchen Leistung ist nach der Insolvenzordnung gerade nicht in besonderem Maße schutzwürdig. Die Insolvenzordnung betont in noch stärkerem Umfang als die Konkursordnung die geringe Bestandskraft des unentgeltlichen Erwerbs (BGH a. a. O.).

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der geltend gemachte Anspruch aus §§ 134, 143 Abs. 1 InsO steht dem Kläger als Insolvenzverwalter originär zu. Die Insolvenzanfechtung eröffnet dem Insolvenzverwalter eine Rückforderungsmöglichkeit, die dem Verfügenden nach dem materiellen Recht selbst verwehrt ist (BGH a. a. O.). Soweit der Beklagte sich darauf stützt, eine Zweckgemeinschaft von Anlegern sei die Inhaberin des Vermögens des A2 gewesen und dies auf die Entscheidung des Landgerichts Baden-Baden, Az.: 1 O 57/08 gründet, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich unter den Anlegern eine Zweckgemeinschaft gebildet hat und diese Schuldnerin der Auszahlungsansprüche der Anleger wurde, da vertragliche Beziehungen lediglich zwischen der Insolvenzschuldnerin und den einzelnen Anlegern, nicht jedoch zwischen den einzelnen Anlegern untereinander entstanden sind. Im Übrigen wird nicht näher dargelegt, welchen Rechtscharakter diese Zweckgemeinschaft gehabt haben soll.

Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 159,01 €, da die Klage in Höhe des ursprünglich begehrten Betrages von 8.062,75 € begründet ist.

Grundsätzlich ist der Zinsanspruch auf die Hauptforderung in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (BGH a. a. O). Das Insolvenzverfahren wurde am 01.07.2005 eröffnet, der Kläger begehrt jedoch Zinsen erst ab dem 21.04.2006. Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung geltend gemacht werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgebend (§ 308 Abs.1 Satz 2 BGB).

Die Nebenforderung auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet.

Die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom 22.12.2008 ist zulässig. Diese ist an §§ 533 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu messen. Der entsprechende Sachverhalt wurde bereits erstinstanzlich vorgetragen.

Die Klage ist jedoch hinsichtlich des erweiterten Antrages unbegründet.

Der Kläger legt der Berechnung des gesamten Scheingewinns die Anlage K 11, die reale Gewinn- und Verlustverteilung, zugrunde. Hier werden weitere Kosten, insbesondere auch die Bestandsprovisionen, aufgeführt. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass tatsächlich lediglich in einem marginalen Bereich Optionsgeschäfte ausgeführt wurden. Ferner wurde das Vermögen nicht entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen verwaltet, sondern lediglich eingesammelt und dann im Rahmen eines Schneeballsystems an die Altanleger verteilt. Die vertraglichen Pflichten wurden von der Insolvenzschuldnerin nicht erbracht, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb für nicht erbrachte Leistungen Kosten und Provisionen in Ansatz gebracht werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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