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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 23 U 369/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 676
Zur Beweislast für den Abschluss einer Restschuldversicherung bei Eröffnung eines Girokontos.
Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage auf Ausgleich des Minussaldos des Girokontos des Beklagten bei der Klägerin bei Ausspruch der Kündigung in Höhe von 12.157,81 € mit der Begründung weitgehend abgewiesen, es sei vom Abschluss einer Restschuldversicherung zu Gunsten des Beklagten für der Fall dessen Arbeitslosigkeit überzeugt und im übrigen stünde dem Beklagten bei Nichtabschluss einer solchen Restschuldversicherung jedenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von diesbezüglichen Hinweis- und Informationspflichten durch die Klägerin zu. Allerdings sei insoweit nur der bei Eintritt der Arbeitslosigkeit des Beklagten bestehende Minussaldo in Höhe von 9.568,87 € anzusetzen, weshalb der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 2.588,94 € zustehe.

Gegen das dem Beklagten am 29.11.2005 und der Klägerin am 30.11.2005 zugestellte Urteil des Landgerichts haben der Beklagte und die Klägerin jeweils am 29.12.2005 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 27.1.2006 bzw. 30.1.2006 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung eines über 845,07 € hinausgehenden Betrages an die Klägerin unter Verteidigung des Urteils im übrigen gegen den Berufungsangriff der Klägerin. Seit dem Eintritt seiner Arbeitslosigkeit habe es Abbuchungen in Höhe von insgesamt 2.588,94 € gegeben, von denen nur ein Teilbetrag von 845,07 € zugunsten Dritter geleistet worden sei, wogegen der Restbetrag aus Versicherungsprämien und Zinsen bestünde, die an die Klägerin bzw. die Restschuldversicherung geflossen seien. Das neue Vorbringen der Klägerin zum Abschluss lediglich einer Restschuldversicherung auf den Todesfall, was die Bezeichnung im Kontoauszug "F 3" erklären solle, sei ebenso nach § 531 Abs.2 ZPO präkludiert wie die nun vorgelegten AGB-Unterlagen. Ihm stehe aber auch bei deren Berücksichtigung ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Klägerin wegen ihrer Pflichtverletzungen in Höhe von 8.377,43 € zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 27.1.2006 (Bl. 360-362 d.A.), 7.4.2006 (Bl. 383-385270 d.A.,) 8.6.2006 (Bl. 400-407 d.A.) und vom 16.11.2006 (Bl. 430-433 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 845,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.1.2003 zu zahlen unter Klageabweisung im übrigen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über den ihr vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag weitere 9.568,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.1.2003 zu zahlen sowie die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Mit ihrer Berufung greift die Klägerin die überwiegende Klageabweisung durch das Landgericht an und verlangt die Zahlung weiterer 9.568,67 €. Die Entscheidung des Landgerichts sei in sich widersprüchlich und habe ihr zu Unrecht die Darlegungs- und Beweislast für den Nichtabschluss einer Restschuldversicherung zu Gunsten des Beklagten für der Fall dessen Arbeitslosigkeit auferlegt, die jedoch beim Beklagten liege. Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen sie sei nicht gegeben; es fehle schon an einer Anspruchsgrundlage, die auch das Landgericht nicht genannt habe, ferner an einer Pflichtverletzung ihrerseits im Hinblick auf das Nichtbestehen einer Restschuldversicherung zu Gunsten des Beklagten für der Fall dessen Arbeitslosigkeit. Der Beklagte habe nach neuen Recherchen bei Eröffnung des Girokontos lediglich eine Restschuldversicherung auf den Todesfall abgeschlossen, was durch die Verwendung des Kürzels "F 3" im Kontoauszug belegt werde. Restschuldversicherungen für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wären als "RSV 7" oder "F 7", Restschuldversicherungen für den Fall der Arbeitslosigkeit als "RSV 8" oder "F 8" bezeichnet worden. Diese Angaben fänden sich jedoch nicht auf den Kontoauszügen. Außerdem wäre Vertragspartner solcher Restschuldversicherungen nicht - wie vorliegend - die A AG, sondern die B AG gewesen. Nach § 2 GKAL2000 (Bl. 357 d.A.) wäre zudem eine Ersatzpflicht auf 1.000.- € beschränkt. Schließlich sei bei Eröffnung des Girokontos am 21.7.1998 eine Restschuldversicherung für der Fall der Arbeitslosigkeit noch gar nicht angeboten worden, sondern erst ab 2000 (daher auch GKAL2000 und Angebot erst auf dem Kontoauszug vom 2.7.2001 - Bl. 160 - mit Angabe "Jetzt"), weshalb eine solche Versicherung zugunsten des Beklagten entgegen dessen Behauptung nicht habe abgeschlossen worden sein können.

Deshalb habe sie nicht über solche Vertragsunterlagen verfügen und auch der Beklagte sie - im Unterschied zu anderen Versicherungsunterlagen - nicht vorlegen können. Der Beklagte sei insoweit beweisfällig geblieben. Die Berechnung des angeblichen Schadensersatzanspruchs des Beklagten werde bestritten, ebenso eine angebliche Zusage der Abdeckung des Minussaldos von einer Restschuldversicherung durch eine Mitarbeiterin der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 27.1.2006 (Bl. 272-285 d.A.), vom 7.2.2006 (Bl. 375-377), vom 24.4.2006 (Bl. 87 d.A.), vom 9.6.2006 (Bl. 397-399), vom 20.7.2006 (Bl. 408-418 d.A.), vom 24.11.2006 (Bl. 434-436 d.A.) und vom 1.12.2006 (Bl. 437-440) verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist ebenso form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet wie die der Klägerin, hat aber im Gegensatz zu jener in der Sache keinen Erfolg.

Es liegt danach ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO und nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat zu Unrecht einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ausgleich des Minussaldos seines Girokontos bei ihr in Höhe von 12.157,81 € verneint, der ihr vielmehr nach §§ 488 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 676f BGB zusteht.

Zunächst ist festzustellen, dass der vom Beklagten gestellte Berufungsantrag von seinem Vorbringen nicht mehr in schlüssiger Weise gedeckt wird, denn sein Schadensersatzanspruch soll sich nunmehr nur noch auf 8.377,43 € belaufen.

Der Beklagte hat den Abschluss der von ihm bei der Eröffnung des Girokontos behaupteten Restschuldversicherung für den Fall seiner Arbeitslosigkeit weder substantiiert dargelegt noch bewiesen; dasselbe gilt für die Voraussetzungen eines zur Aufrechnung gegen den nach Grund und Höhe unstreitigen Anspruch der Klägerin auf Ausgleich der Girokonto-Überziehung geeigneten Schadensersatzanspruchs.

Der Beklagte hat - im evidenten Unterschied zu anderen Versicherungen - keinerlei Unterlagen für den von ihm bei der Eröffnung des Girokontos behaupteten Abschluss einer Restschuldversicherung für der Fall seiner Arbeitslosigkeit vorgelegt und damit auch nicht den ihm obliegenden Beweis für das Bestehen einer solchen Restschuldversicherung geführt. Das muss angesichts der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast zu seinem Nachteil gehen. Eine Rechtfertigung für die vom Landgericht entgegen den allgemeinen Grundsätzen vorgenommene Umkehr der Beweislast für diese anspruchsbegründenden Voraussetzungen besteht nicht. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum die Klägerin im Gegensatz zum Beklagten über solche Unterlagen eines zwischen dem Beklagten und einer Versicherung (als Dritter) abgeschlossenen Versicherungsvertrages verfügen sollte, wobei sie allenfalls als Vermittlerin fungiert haben könnte.

Das schließt zugleich das Vorliegen einer vom Landgericht angenommen Verletzung von diesbezüglichen Hinweis- und Informationspflichten der Klägerin gegenüber dem Beklagten aus, die zudem bis zur erstmaligen Berufung des Beklagten auf eine solche Restschuldversicherung nach dessen eingetretener Arbeitslosigkeit auch keine Veranlassung zu der Annahme hatte, dass dieser irrig von einem entsprechenden Abschluss ausgegangen wäre.

Darüber hinaus steht nach dem im Berufungsverfahren entgegen der Ansicht des Beklagten zu berücksichtigenden neuen und vom Beklagten nicht erheblich bestrittenen Vortrag der Klägerin nunmehr sogar fest, dass er bei der Eröffnung des Girokontos am 21.7.1998 eine Restschuldversicherung für den Fall seiner Arbeitslosigkeit nicht abgeschlossen hat.

Denn das Kürzel "F 3" in den vorgelegten Kontoauszügen kennzeichnet eine Restschuldversicherung auf den Todesfall, wogegen eine Restschuldversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit als "RSV 8" oder "F 8" bezeichnet worden wäre, was sich in den vorgelegten Kontoauszügen jedoch nicht wiederfindet. Ferner ist nur die A AG Vertragspartnerin des Beklagten geworden, nicht aber die Restschuldversicherungen für den Fall der Arbeitslosigkeit offerierende B AG. Außerdem hat es zum damaligen Zeitpunkt der Kontoeröffnung ein solches Angebot (der Vermittlung) einer Restschuldversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit seitens der Klägerin noch nicht gegeben, sondern erst ab 2000, wie auch die von der Klägerin vorgetragenen Indizien (GKAL2000 und Angebot erst auf dem Kontoauszug vom 2.7.2001 - Bl. 160 - mit Angabe "Jetzt") belegen.

Der Beklagte hat diesen neuen Vortrag lediglich für nach § 531 Abs.2 ZPO präkludiert gehalten, jedoch in der Berufungserwiderung nicht im einzelnen bestritten, weshalb er im Berufungsverfahren zugrunde zu legen ist. Wie der BGH mit Urteil vom 18.11.2004 (BGHZ 161, 138 mit ausführlicher Begründung) entschieden hat, sind unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen werden, stets zu berücksichtigen; § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, auch wenn keiner der in dieser Vorschrift genannten Zulassungsgründe gegeben ist. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch eine Beweisaufnahme erforderlich werden sollte, was vorliegend nicht der Fall ist.

Im übrigen hat sich der Beklagte zur Begründung seines geltend gemachten Anspruchs selbst auch auf die von der Beklagten erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen berufen, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat und was ebenfalls einem beachtlichen Bestreiten entgegen steht.

Außerdem bestehen ohnehin Zweifel an der Erheblichkeit des Bestreitens des Beklagten mit Nichtwissen, weil der Beklagte ja selbst das Angebot und den Abschluss einer Restschuldversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit behauptet (indessen nicht bewiesen) hat, womit es sich aber um einen Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung handelt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 138 Rn 13).

Überdies wäre selbst im Falle der Annahme eines beachtlichen Bestreitens mit Nichtwissen angesichts der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, deren Unrichtigkeit in der Sache vom Beklagten nicht behauptet wird, wohl vom Nachweis der Richtigkeit des diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin auszugehen.

Mit diesen Feststellungen ist auch einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Beklagten jede Grundlage entzogen, denn die Klägerin konnte offenkundig nicht zur Information des Beklagten über den Nichtabschluss einer von ihr gar nicht (vermittelnd) angebotenen Restschuldversicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit verpflichtet sein.

Es kommt deshalb auch nicht mehr entscheidend darauf an, dass nach § 2 GKAL2000 (Bl. 357 d.A.) eine etwaige Ersatzpflicht der Beklagten ohnehin auf 1.000.- € beschränkt wäre.

Einwendungen gegen Grund und Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Ausgleich des überzogenen Girokontos an sich hat der Beklagte ansonsten nicht vorgebracht, so dass dem Klageantrag insgesamt einschließlich der nicht bestrittenen Zinsforderung zu entsprechen war.

Da kein stichhaltiger Grund dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, weshalb die Klägerin diesen neuen Sachvortrag nicht auch schon in der ersten Instanz hätte vorbringen können (zumal in Anbetracht des rechtlichen Hinweises des Landgerichts zu den abgebuchten Versicherungsbeiträgen) und dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg der Klage geführt hätte, erscheint im Hinblick auf die wechselseitig gestellten Anträge eine Kostenentscheidung für den Rechtsstreit unter Aufrechterhaltung der Kostenquotelung des landgerichtlichen Urteils von 80 % zu Lasten der Klägerin und 20 % zu Lasten des Beklagten nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO als gerechtfertigt, die für das Berufungsverfahren hinsichtlich der Berufung der Klägerin auf der Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO (wofür keine Verschleppungsabsicht oder grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist, vgl. BGHZ 31, 350) und der Berufung des Beklagten auf § 97 Abs. 1 ZPO iVm § 92 Abs. Abs. 2 Nr. 1 ZPO beruht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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