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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 23 U 77/05
Rechtsgebiete: UmwG, ZPO


Vorschriften:

UmwG § 133
ZPO § 840
ZPO § 840
ZPO § 845
1. Eine wirksame Vorpfändung nach § 845 ZPO begründet keine Auskunftspflicht des Drittschuldners.

2. Zur Haftung der an einer Spaltung beteiligten Rechtsträger für Verbindlichkeiten des übertragenen Rechtsträgers


Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend und korrigierend ist Folgendes festzustellen:

Der Sparplan-Vertrag zwischen dem Schuldner A und der Beklagten vom 14.12.1983 mit der Konto-Nr. ... hatte eine Laufzeit von 20 Jahren und lief am 31.12.2003 aus (Bl. 28 d.A.).

Der Schuldner A verpfändete mit Vereinbarung vom 27.6.2001 (Bl. 29 d.A.) seine Guthabenforderung aus dem vorgenannten Sparplankonto in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 48.189.- DM als Sicherheit zugunsten der B-Bank; die Verpfändungserklärung wurde mit der Klageerwiderung vom 3.9.2004 in Kopie vorgelegt.

Auf die Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes nach § 845 ZPO vom 2.12.2003 (Bl. 5f d.A.) zugunsten des Klägers betreffend den Schuldner A u.a. mit seinem Anspruch aus dem vorgenannten Sparplankonto bei der Beklagten am 8.12.2003 reagierte diese mit der "Drittschuldnererklärung" vom 9.12.2003 (Bl. 7 d.A.), der zufolge das betreffende Konto bei der Beklagten nicht geführt werde und zum 1.9.1999 der Unternehmensbereich Privat- und Geschäftskunden der Beklagten auf die C-Bank übertragen worden sei, die seit dem 1.1.2002 als D-Bank umfirmiert habe. Bezüglich der bis zum 31.8.1999 vom ehemaligen Unternehmensbereich der Beklagten betreuten Kunden solle man sich an die D-Bank, ... Straße, O1 wenden.

Daraufhin ließ der Kläger ein entsprechendes Zahlungsverbot nach § 845 ZPO vom 8.1.2004 an die D-Bank zustellen, und zwar am 15.1.2004, worauf diese mit Schreiben vom selben Datum erklärte, dass die Geschäftsverbindung mit dem Pfändungsschuldner nicht mehr bestehe (Bl. 10 d.A.). Letzteres ist unstreitig; zum 31.12.2003 war der Guthabensaldo des o.g. Sparplankontos ausgezahlt worden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte bejaht aufgrund von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem vorläufigen Zahlungsverbot nach § 845 ZPO vom 2./8.12.2003, den es auf §§ 133 Abs. 1 UmwG, 840 analog, 845 ZPO gestützt hat.

Gegen das ihr am 11.3.2005 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 7.4.2005 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 9.5.2005 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Bejahung eines Anspruchs des Klägers auf Schadensersatz gegen sie wegen angeblicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem vorläufigen Zahlungsverbot nach § 845 ZPO vom 2./8.12.2003 aus §§ 133 Abs. 1 UmwG, 840 analog, 845 ZPO. Sie meint, dass sie keine Verpflichtung zu Maßnahmen zur Durchsetzung des vorläufigen Zahlungsverbotes vom 2./8.12.2003 getroffen und im übrigen auch keine Pflichten aus § 840 ZPO oder einem Auskunftsvertrag gehabt bzw. jedenfalls nicht verletzt habe. Ein Haftungsanspruch aus § 133 UmwG sei vom Zahlungsverbot nicht erfasst worden; außerdem schütze das UmwG lediglich die Gläubiger der Gesellschaft im Zeitpunkt der Ausgliederung sowie deren Gesellschafter, nicht jedoch mögliche Pfändungsgläubiger, die vier Jahre nach der Ausgliederung beim falschen Drittschuldner zu vollstrecken versuchten. Es liege auch kein der Beklagten zurechenbarer Schaden des Klägers vor, zumal hinsichtlich eines Betrages von 24.600.- € eine vorrangige Pfändung zugunsten der B-Bank bestanden habe, was bereits mit der Klageerwiderung vorgetragen worden sei. Das Landgericht habe im übrigen zu Unrecht den Schriftsatz vom 2.3.2005 nicht berücksichtigt und insoweit auch den gebotenen richterlichen Hinweis nicht erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 6.5.2005 (Bl. 123-141 d.A.) und vom 30.12.2005 (Bl. 163-165 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.3.2005 teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Nach seiner Ansicht enthalte die Berufung insbesondere zum Thema der Auszahlung des Guthabensaldos neues Vorbringen, das nicht zu berücksichtigen sei. Bei der Auszahlung habe eine wirksame Vorpfändung zugunsten des Klägers bestanden, deren Zweck die Beklagte vereitelt habe. Der Beklagten werde keine Verletzung des § 840 ZPO vorgeworfen, sondern die Nichtbeachtung der Vorpfändung zugunsten des Klägers. Sie sei im Rahmen der von ihr selbst herbeigeführten Gesamtschuldnerschaft nach § 133 UmwG zu den erforderlichen Maßnahmen verpflichtet gewesen, um das vorläufige Zahlungsverbot durchzusetzen und die Auszahlung des Guthabens an Dritte zu verhindern. Das UmwG schütze nicht einzelne Personengruppen, sondern die Forderung als solche. Das Landgericht habe keine Hinweispflicht zur Frage der Verpfändung zugunsten der B-Bank gehabt, die Gegenstand der Schriftsätze und der mündlichen Verhandlung gewesen sei. In der ersten Instanz habe die Beklagte nicht fristgerecht zur Frage der Auszahlung des Guthabens vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 12.7.2005 (Bl. 149-153 d.A.) und vom 17.2.2006 (Bl. 166fd.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn das Urteil des Landgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat zu Unrecht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem vorläufigen Zahlungsverbot nach § 845 ZPO vom 2./8.12.2003 zuerkannt.

Hinsichtlich eines Betrages von 24.638,64 € (= 48.189.- DM) kann dem Kläger ungeachtet dessen, ob ihm überhaupt dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, ein Schaden schon deshalb nicht entstanden sein, weil insoweit betreffend das streitgegenständliche Sparplankonto im Zeitpunkt der Auszahlung des Guthabens eine chronologisch vorangehende und damit vorrangige Verpfändung zugunsten der B-Bank gemäß Vereinbarung vom 27.6.2001 (Bl. 29 d.A.) bestand. Diesen Umstand hatte die Beklagte bereits mit der Klageerwiderung vom 3.9.2004 unter Vorlage einer Kopie der Verpfändungserklärung substantiiert vorgetragen und war hiervon auch nachfolgend nicht abgerückt. Der Kläger hat dies erstinstanzlich auch nicht bestritten, insbesondere nicht die Unrichtigkeit oder einen Wegfall dieser Verpfändung behauptet oder gar unter Beweis gestellt, sondern lediglich eine Auszahlung an den Schuldner A vorgebracht. Die Frage der tatsächlichen Auszahlung ist jedoch, was auch das Landgericht verkannt hat, für die dingliche Zuordnung des gepfändeten Guthabens des Schuldners, die hier vorrangig zugunsten der B-Bank erfolgt ist, ohne Belang. Im übrigen hat die Beklagte in der ersten Instanz entgegen der Ansicht des Klägers eine Auszahlung an den Schuldner weder selbst vorgetragen (sondern in diesem Kontext nur von einem "Verteilen" durch den Schuldner gesprochen (Bl. 24 d.A.)) noch unstreitig gestellt.

Auch das Landgericht ging ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.2.2005 (Bl. 53 d.A.) von einer "Problematik der Vorpfändung" aus; jedenfalls ist dem Protokoll kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass es von dem Wegfall oder sonstigem Nichtbestand der vorangegangenen Verpfändung zugunsten der B-Bank ausgehe, weshalb sich das Urteil insoweit als überraschend für die Beklagte darstellen musste. Vor diesem Hintergrund durfte das Landgericht auch den Schriftsatz der Beklagten vom 2.3.2003 (nach Schluss der mündlichen Verhandlung) nicht übergehen, in dem diese nochmals den Fortbestand der Verpfändung unterstrichen und eine dementsprechende Auszahlung vorgetragen hat (Bl. 62 d.A.). Hinsichtlich des Fortbestandes der Verpfändung handelt es sich aus den dargelegten Gründen auch nicht um neuen Vortrag der Beklagten, der wegen nicht hinreichend entschuldigter Verspätung nach § 531 Abs. 2 ZPO hätte ausgeschlossen werden können.

Nach dem Vorstehenden ist von dem Klagebetrag von 34.475,48 € schon mangels Schadens ein Betrag aus der vorrangigen Verpfändung an die B-Bank in Höhe von 24.638,64 € in Abzug zu bringen, so dass dem Kläger allenfalls ein Anspruch in Höhe von 9.836,84 € hätte zustehen können. Insoweit bestehen jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts durchgreifende Bedenken gegen das Vorliegen einer Anspruchsgrundlage.

Unzweifelhaft konnte die Vorpfändung vom 2./8.12.2003 weder für die verbliebene Beklagte, und zwar wegen des Fehlens einer Drittschuldnereigenschaft aufgrund der Ausgliederung des Unternehmensbereichs Privat- und Geschäftskunden der Beklagten zum 1.9.1999 auf die C-Bank (seit dem 1.1.2002 als D-Bank firmierend), noch im Hinblick auf die Forderung des Schuldners A selbst Wirkung nach § 845 Abs. 2 ZPO entfalten, ungeachtet des Ausbleibens der Pfändung binnen einen Monats. Im übrigen stellt die Bestimmung des § 845 ZPO ohnehin keine Anspruchsgrundlage dar, so dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts hierauf nicht gestützt werden kann.

Soweit das Landgericht zur Herleitung des zuerkannten Anspruchs ohne nähere Begründung § 840 ZPO analog anwenden will, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden.

Selbst eine wirksame Vorpfändung nach § 845 ZPO begründet keine Auskunftspflicht des Drittschuldners (Zöller-Stöber, ZPO, 25.Aufl. 2005, § 845 Rn 6; Musielak-Becker, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 845 Rn 4), denn die Vorpfändung ist noch keine Pfändung im Sinne des § 840 ZPO. Eine Analogie kommt daher nicht in Betracht. Zugleich folgt aus dem Rechtsgedanken der fehlenden Auskunftspflicht eines Drittschuldners bei einer wirksamen Vorpfändung, dass eine solche Auskunftspflicht bei einem Nicht-Drittschuldner wie der Beklagten erst recht nicht besteht. Wenn aber noch nicht einmal eine Auskunftspflicht eines Drittschuldners im Rahmen des § 845 ZPO existiert, so kann dieser erst recht nicht zu darüber noch hinausgehenden "Maßnahmen zur Durchsetzung der Vorpfändung" gegenüber Dritten verpflichtet sein, wie das Landgericht meint. Das muss wiederum erst recht für einen Nicht-Drittschuldner wie die Beklagte gelten, von der demzufolge solche "Maßnahmen", deren Charakter im übrigen sowohl vom Landgericht als auch vom Kläger völlig im Dunkeln gelassen wurden, nicht verlangt werden können.

Der Umstand, dass eine Auskunft, die der Drittschuldner ohne rechtliche Verpflichtung erteilt, nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung (Zöller-Stöber aaO u. § 840 Rn 16; Musielak-Becker aaO u. § 840 Rn 12; aA OLG Düsseldorf OLGR 1996, 35) richtig sein muss und eine Haftung auslöst, führt vorliegend schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil die Auskunft der Beklagten vom 9.12.2003 (Bl. 7 d.A.), wonach das betreffende Konto bei der Beklagten nicht geführt werde und zum 1.9.1999 der Unternehmensbereich Privat- und Geschäftskunden der Beklagten auf die C-Bank übertragen worden sei, die seit dem 1.1.2002 als D-Bank umfirmiert habe, und man sich bezüglich der bis zum 31.8.1999 vom ehemaligen Unternehmensbereich der Beklagten betreuten Kunden an die D-Bank O1 wenden solle, unstreitig richtig, vollständig und rechtzeitig gewesen ist. Auch nach dieser Meinung kommt eine Haftung der Beklagten nicht in Frage, weshalb ihre Berechtigung im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Düsseldorf dahingestellt bleiben kann.

Schließlich lässt sich eine Haftung der Beklagten auch nicht auf die Regelung des § 133 UmwG stützen, der zufolge die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind, als Gesamtschuldner haften. Dies betrifft zum einen unmittelbar nur die Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten als Schuldnerin der Sparforderung und dem Schuldner A als deren Gläubiger. Zum anderen war eine etwaige Forderung aus § 133 UmwG nicht Gegenstand der Vorpfändung vom 2./8.12.2003 und sollte es nach dem Vorbringen des Klägers in der Berufungserwiderung auch nicht sein. Ein Gesamtschuldverhältnis nach § 421 BGB begründet ferner keine Verpflichtung eines Gesamtschuldners, irgendwelche "Maßnahmen" zur Durchsetzung des Anspruchs gegen den anderen Gesamtschuldner zu ergreifen. Schließlich soll durch die Spaltung der Umfang der Rechte des Gläubigers weder beschnitten noch erweitert werden (Semler/Stengel-Maier-Remer, UmwG, 2003, § 133 Rn 43 mwN); letzteres wäre aber bei der Annahme einer solchen Verpflichtung des Gesamtschuldners der Fall. Außerdem erfasst § 133 UmwG keine Verpflichtungen, die erst nach dem Wirksamwerden der Spaltung entstanden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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