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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 24 U 198/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313
ZPO § 321 a
ZPO § 540
1. Vollständigkeit ist keine Anforderung an den Tatbestandsteil des zweitinstanzlichen Urteils.

2. Die Auswahl der für erwähnenswert zu erachtenden tatbestandlichen Aspekte ist originäre Aufgabe des erkennenden Richters.

3. Die Gehörsrüge ist nicht statthaft, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist.


Gründe:

1. Der Berichtigungsantrag ist unbegründet. Denn das Urteil vom 25.11.2005 enthält in seinen tatbestandlichen Darstellungen keine Unrichtigkeiten, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche i. S. d. § 320 Abs. 1 ZPO.

a) Nach § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO ist im Berufungsurteil zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Tatbestand auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug zu nehmen; etwaige Änderungen oder Ergänzungen sind darzustellen. Ohne dass dies im Gesetz besonderer Erwähnung bedurft hätte, muss das Berufungsurteil den Sach- und Streitstand in seinen großen Zügen zusammenfassen und erkennen lassen, was die Standpunkte der Parteien und ihrer im Berufungsverfahren verfolgten Anträge sind.

Innerhalb dieses Rahmens ist das Berufungsgericht frei in der Gestaltung der tatbestandlichen Urteilsausführungen. Die Anforderungen an die Darstellung von Einzelheiten im Berufungsurteil gehen keineswegs weiter als die Anforderungen an den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils; im Gegenteil bezweckt § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO eine Vereinfachung der Darstellung. Dem an § 313 Abs. 2 ZPO angeknüpften Gebot einer (sehr) knappen, auf den wesentlichen Inhalt beschränkten Darstellung der erhobenen Ansprüche (einschließlich einer wenigstens sinngemäßen Wiedergabe der Anträge) und der dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel werden die Ausführungen im Urteil vom 25.11.2005 mehr als gerecht. Unrichtigkeiten, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche enthalten sie nicht.

b) Im Einzelnen ist - der von der Beklagten gewählten Antrags- und Begründungsreihenfolge im Schriftsatz vom 15.12.2005 folgend - festzuhalten:

(1) Ob die Beklagte "hervorgehoben" oder nur "darauf verwiesen" hat, "dass Straftaten durch Mitarbeiter nie völlig auszuschließen seien", ist in seinen rechtlichen Konsequenzen - die tatsächlichen Grundlagen der Rechtsanwendung zusammenzufassen, ist einer der zentralen Zwecke des Tatbestandes - vollkommen belanglos. Nur ergänzend sei deshalb festgehalten, dass die Beklagte, wie sie in der Begründung zu ihrem Antrag zu Ziffer 1) ausdrücklich - und jetzt in der Tat: - hervorhebt, vorgetragen hat, "dass die Beklagte die bei einem Massenverkehr leider nicht ganz auszuschließenden Verluste (konsequent verfolgt...)". Diesen Vortrag hat der Senat im Urteil vom 25.11.2005 nicht etwa mit den Worten "hebt hervor", vielmehr mit den Worten "verweist darauf" eingeführt, gerade nicht also mit dem im Antrag zu Ziffer 1) fälschlich angegebenen Begriff des Hervorhebens.

Dem Wunsch der Beklagten, der Senat möge im Urteil weiter festhalten, die Beklagte habe "darauf verwiesen..., dass sie die bei einem Massenverkehr leider nicht ganz auszuschließenden Verluste konsequent verfolgt und gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen gegensteuert", kommt der Senat nicht nach. Es ist originäre Aufgabe der erkennenden Richter, den eingangs umschriebenen Rahmen der §§ 540 Abs. 1 Ziffer 1, 313 Abs. 2 ZPO auszufüllen; dies betrifft nicht nur die Wahl der Worte - die sprachliche Darstellung - , sondern auch die Abgrenzung der tatbestandlichen Aspekte, welche die erkennenden Richter einer ausdrücklichen Erwähnung für würdig erachten, von den tatbestandlichen Aspekten, die sie als weniger wesentlich für nicht erwähnenswert halten.

(2, 3) Für im Tatbestandsteil des Urteils vom 25.11.2005 nicht erwähnenswert hat der Senat auch die Tatsachen erachtet, die die Beklagte im nunmehrigen Antrag zu Ziffern 2) und 3) - teils doppelt - bezeichnet; dass der Senat diese Tatsachen berücksichtigt hat, lässt sich den Ausführungen zu Ziffer 2) lit. g) bb) und cc) des Urteils unschwer entnehmen.

(4) Ebenfalls für nicht erwähnenswert hat der Senat den zu Antragsziffer 4) bezeichneten Vortrag zur Kenntnis vom Wert der Sendung im Zeitpunkt der Versendung des Schecks erachtet. Der Abschluss eines Abfindungsvergleichs ist gegenseitiger Vertrag; der objektive Erklärungswert der Handlungen der Beteiligten wird nicht von einseitigen Irrtümern oder einem einseitigen Sichverschließen vor den offen zutage liegenden Tatsachen bestimmt.

(5) Für nicht erwähnenswert hat der Senat schließlich das Vorbringen der Beklagten zur "Unzulässigkeit" der Mitnahme von Taschen in den Lagerbereich erachtet.

2. Die Gehörsrüge ist unzulässig. Denn dieser spezielle Rechtsbehelf nach § 321 a ZPO ist nur dann statthaft, wenn - § 321 a Abs. 1 Ziffer 1 ZPO - ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen das Urteil nicht zulässig ist; so aber liegen die Dinge hier nicht:

Zwar ist gegen das Urteil vom 25.11.2005 nicht unmittelbar ein Rechtsmittel eröffnet; denn der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Eine Anfechtung ist aber über einen "anderen Rechtsbehelf" zulässig, nämlich über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO (i. V. m. § 26 Ziffer 8 EGZPO). Ist die Nichtzulassungsbeschwerde auch kein Rechtsbehelf in Bezug auf die Hauptsache - insoweit fehlt es am Devolutiveffekt (Musielak-Ball, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 544 Rz 2) - , so lässt sie doch exakt die Prüfung zu, die Gegenstand der Gehörsrüge ist. Wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist, ist die Revision auf Nichtzulassungsbeschwerde dann zuzulassen, wenn eindeutig dargelegt wird, dass das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen, den Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (BGHZ 154, 288; vgl. auch BVerfGE 47, 182; 86, 133).

Zweck der Gehörsrüge als eines speziellen, außerordentlichen Rechtsbehelfs ist es nicht, verschiedenen Gerichten die Prüfung derselben Problematik zu ermöglichen; Zweck ist vielmehr dem erkennenden Gericht eine nochmalige Prüfung dann zu ermöglichen, wenn eine Prüfung möglicherweise nicht berücksichtigter Aspekte durch ein Instanzenzug höheres Gericht nicht mehr offen steht und die Folgen des Verstoßes nur noch durch das Bundesverfassungsgericht beseitigt werden könnten.

Ende der Entscheidung

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