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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 24 U 225/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 211 Abs. 2
BGB n.F. § 204 Abs. 2 S. 2
Als "triftiger" Grund, der zur Nichtanwendung des § 211 Abs. 2 BGB a. F. / § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB n. F. führt, ist es nicht zu bewerten, wenn der Kläger eine Teilklage über einen vergleichsweise kleinen Teilbetrag aus einer komplexen Honorarschlussrechnung eingereicht hat.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 225/02

Verkündet am 23. Januar 2004

in dem Rechtsstreit

...

Der 24. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2004 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 11.10.2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist mit weniger als 20.000,00 € beschwert.

Entscheidungsgründe:

1.

Der Kläger ist Architekt. Er war von den Beklagten mit Planungsleistungen für eine gewerbliche Halle beauftragt worden.

a)

Nachdem er seine Planungsleistungen erbracht hatte, entstand zwischen den Parteien Streit über die Honorierung dieser Leistungen. Der Kläger nahm die Beklagten zunächst vor dem Amtsgericht Darmstadt auf Zahlung eines Honorarteilbetrages von 5.000,00 DM in Anspruch; im Laufe dieses Verfahrens (mit anschließendem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Darmstadt) legte er als Anlage zu einem Schriftsatz vom 17.11.1998 die Schlussrechnung vom 17.09.1998 mit einem Gesamtbetrag von 42.173,74 DM vor. Daneben versandte er die Schlussrechnung mit Einschreiben an die Beklagten; der Zusteller traf die Beklagten nicht an und hinterließ eine Benachrichtigung; die Beklagten forderten das Einschreiben aber nicht von der Post ab. Wegen des rechnerisch offenstehenden Differenzbetrages von 36.423,74 DM nebst Zinsen erwirkte der Kläger am 06.01.1999 Mahnbescheid; der Mahnbescheid wurde am 13.01.1999 zugestellt. Nachdem die Beklagten Widerspruch eingelegt hatten, erging am 20.01.1999 an den Kläger Widerspruchsnachricht mit Aufforderung zur Zahlung der Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens.

Der Kläger zahlte den Vorschuss nicht ein, da er - wie er im Rechtsstreit vorträgt - den Ausgang des Teilklage-Verfahrens vor dem Amts- und Landgericht Darmstadt abwarten wollte. Am 14.05.2001 zahlte der Kläger dann im Mahnverfahren den angeforderten Vorschuss ein; unter dem 11.06.2001 wurde Abgabenachricht erteilt, und mit Schriftsatz vom 09.11.2001 begründete der Kläger die Forderung aus dem Mahnbescheid.

Das Landgericht hat die Honorarklage des vorliegenden Verfahrens wegen Verjährung abgewiesen. Wegen seiner tatbestandlichen Feststellungen wird auf das Urteil vom 11.10.2002 verwiesen.

Mit der Berufung trägt der Kläger vor, seine Honorarforderung sei nicht verjährt. Die Einleitung des Mahnverfahrens habe die Verjährung unterbrochen, und der spätere Stillstand habe die Unterbrechungswirkung deshalb nicht beendet, weil der Kläger das vorliegende Verfahren aus driftigem Grunde nicht weiterbetrieben habe; es sei prozesswirtschaftlich sinnvoll gewesen, den Ausgang des Verfahrens über die Teilklage abzuwarten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt - Aktenzeichen 8 O 289/01 - vom 11.10.2002 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an den Kläger 18.623,16 € nebst 10 % Zinsen seit dem 01.10.1998 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, eine Entscheidung über eine Teilklage abzuwarten, stelle sich nicht als triftiger Grund für das Nichtbetreiben eines anhängigen Prozesses dar.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

2.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Beklagten den Einwand der Verjährung erhoben haben und die Honorarforderung auch verjährt ist.

a)

Die regelmäßige Verjährungsfrist betrug, da Gegenstand der Klage eine Honorarforderung nach § 631 BGB i.V.m. § 8 HOAI ist, 2 Jahre (§ 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F., dazu BGHZ 59, 163).

Die Verjährungsfrist lief an mit dem Schluss des Jahres, in dem der Honoraranspruch entstand und fällig wurde (§§ 201, 198 a.F. BGB, zur Fälligkeit vgl. BGHZ 53, 22).

Hierbei kann ungeachtet des zwischen den Parteien aufgekommenen Streits um die Erfüllung des Planungsauftrages die Entstehung des Anspruchs als solche zu Gunsten des Klägers unterstellt werden. Fällig wurde der Honoraranspruch mit der Überreichung einer prüffähigen Honorarschlussrechnung, mit dem Zugang bei den Auftraggebern (§ 8 Abs. 1 HOAI).

Die Schlussrechnung galt als im Jahre 1998, nämlich mit dem vergeblichen Versuch der Zustellung durch Einschreiben zugegangen. Zugang im Rechtssinne stellt zwar nur der Akt dar, durch welchen ein Schriftstück so in den Machtbereich der Empfänger gelangt, dass sie von dem Inhalt des Schriftstückes auch Kenntnis nehmen können.

Da die Beklagten aber den Zugang in diesem Sinne vereitelten, müssen sie sich nach Treu und Glauben behandeln lassen, als sei das Schriftstück zugegangen. Die Beklagten standen nämlich zum Kläger in konkreten Rechtsbeziehungen, erwarteten eine Rechnung von ihm. Traf die Rechnung in ihrer Abwesenheit ein, so war es aus der Sicht des redlichen Geschäftsverkehrs nur "natürlich", die Sendung auch von der Post abzufordern. Von einer erwarteten Rechnung bewusst nicht Kenntnis zu nehmen, war deshalb treuwidrig (vgl. zu diesem Aspekt BGHZ 67, 271; BJW 1996, 1967).

Die Treuwidrigkeit des bewussten Sich-Verschließens vor dem Rechnungsinhalt wirkte nicht nur gegen die Beklagten, sondern zugleich auch für und gegen den Kläger.

Für den Kläger wirkte sie, indem sie die Fälligkeit seines Honoraranspruchs begründete (§ 8 Abs. 1 HOAI). Gegen ihn wirkte sie, indem sie (projiziert auf den Schluss des laufenden Kalenderjahres) den Lauf der Verjährung in Gang setzte.

Denn mit dem Zugang eines Schriftstückes verknüpfte Fristen können nur einheitlich für und gegen beide Seiten wirken.

b)

Die vom 01.01.1999 an laufende Verjährungsfrist wurde mit Einreichung des Mahnbescheidsantrages und seiner demnächst erfolgenden Zustellung am 24.12.1998 / 13.01.1999 zugleich mit ihrem Beginn wieder unterbrochen. Die Unterbrechung konnte dem Grundsatz nach bis zur Erledigung des mit dem Mahnbescheid aufgenommenen Verfahrens andauern (§ 211 Abs. 1 BGB a.F.). Die Unterbrechungswirkung endete aber vorzeitig, da der Prozess dadurch, dass er nicht betrieben wurde, in Stillstand geriet; dieses vorzeitige Ende trat mit der letzten Prozesshandlung, nämlich mit der Vorschussanforderung des Gerichts am 20.01.1999 ein. So ergibt es sich aus § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F..

aa) Diese Regelung galt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht etwa deshalb nicht, weil er einen triftigen Grund für das vorläufige Nicht-Weiter-Betreiben des Verfahrens gehabt hätte (und die Beklagtenseite diesen Grund gekannt hätte). Im Ansatz zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass § 211 Abs. 2 BGB a.F. (nunmehr: 204 Abs. 1 Satz 2 BGB) dann nicht anwendbar ist, wenn die Parteien den Rechtsstreit aus einem triftigen Grund vorerst nicht mehr betreiben (BGH NJW 1979, 810; 2000, 132; 2001, 218). Als "triftigen Grund" hat die höchstrichterliche Rechtsprechung es angesehen, wenn das Gericht über einen Teil eines einheitlich geltend gemachten Anspruchs durch Teilurteil entschieden und in diesem Zusammenhang angeraten hat, erst den Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten, bevor über den restlichen Anspruch weiter verfahren wird; für einen Fall, in dem der Grund einer Forderung nur einheitlich beurteilt werden konnte, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auf die prozesswirtschaftliche Vernunft, auf die praktische Vorgreiflichkeit der Entscheidung über den einen Forderungsteil für die Entscheidung über den anderen abgestellt (BGH NJW 1979, 810).

Allerdings begründet nicht jeder "vernünftige" Zusammenhang zweier Verfahren einen triftigen Grund i.S.d. Rechtsprechung zu § 211 Abs. 2 BGB. Im Interesse der Rechtssicherheit, im Interesse der notwendigen Klarheit in der Bestimmung des Laufes der Verjährung ist vielmehr ein enger inhaltlicher Zusammenhang der beiden Verfahren und der mit ihnen verfolgten Ansprüche zu fordern, der wenn nicht prozessrechtliche Bindungswirkung, so doch eine zwingende Verknüpfung der Ergebnisse beider Verfahren fordert; im Zentrum steht die einheitliche Beurteilung beider Prozessgegenstände (BGHZ 106, 295; NJW 2001, 218).

bb) Bindungswirkung im prozessrechtlichen Sinne konnte die Entscheidung in dem Rechtsstreit über die (erste) Teilklage für das vorliegende Verfahren nicht entfalten.

Die Rechtskraft von Urteilen über offene Teilklagen beschränkt sich auf den geltend gemachten Anspruchsteil; es findet keine Rechtskrafterstreckung auf den Gesamtanspruch statt; die Rechtskraftwirkung erfasst nicht die vorgreiflichen Rechtsverhältnisse (BGHZ 42, 342; NJW 1999, 287; OLG Düsseldorf MDR 2001, 1257).

cc) Um einen in einem weiteren Sinne einheitlichen Anspruch, dessen wesentliche Fragen im Verfahren über die Teilklage geklärt und vernünftigerweise im anschließenden Verfahren nicht abweichend würden beurteilt werden können, handelte es sich im Verhältnis der beiden Teilansprüche, die hier im Raume standen und stehen - ebenfalls - nicht. Dem seinerzeitigen Verfahren lagen nur einige wenige, beispielhaft oder willkürlich "herausgegriffene" kleinere Honorarpositione n zu Grunde. Insgesamt war die Schlussrechnung für eine komplexe Vielzahl von Einzelleistungen zu ganz unterschiedlichen Teilwerten mit ganz unterschiedlichen technischen Aufgaben erteilt worden. Davon, dass das Urteil über einige wenige kleinere Positionen zu einem Teilbetrag von nur 5.000,00 DM dem gesamten Verfahren über eine Schlussrechnung von insgesamt 42.173,74 DM praktisch "die Richtung geben" würde, konnten die Beteiligten schlechterdings nicht ausgehen.

c)

Endete die Unterbrechung demnach entsprechend § 211 Abs. 2 BGB a.F. mit dem Stillstand des Prozesses vom 20.01.1999 an, dann war die Honorarforderung zum 20.1.2001 und damit vor den ersten der Fortführung des Verfahrens dienenden Handlungen des Gerichts und des Klägers - zwischen dem 14.05. und dem 19.11.2001 - verjährt. Mit dem Wegfall der Unterbrechungswirkung lief die neue Verjährungsfrist sofort an; § 201 BGB a.F. war auf die neue Verjährung nicht anzuwenden (BGHZ 86, 103; NJW-RR 1990, 665).

3.

Das Berufungsgericht erachtet die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision für nicht gegeben. Die Rechtssache hat nach Klärung der einschlägigen rechtlichen Aspekte durch die höchstrichterliche Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung fordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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