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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.09.2007
Aktenzeichen: 24 U 74/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 1004

Entscheidung wurde am 06.04.2009 korrigiert: der Volltext der Entscheidung wurde wegen fehlerhafter Konvertierung nicht unterstützter Zeichen komplett ersetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten um den inhaltlichen Umfang einer Grunddienstbarkeit. Im Einzelnen geht es darum, wie viele der auf dem Grundstück der Klägerin gelegenen Stellplätze der Beklagte nutzen darf.

Die Klägerin ist seit dem 14. Dezember 2005 Eigentümerin der in O1 gelegenen Grundstücke "1" und "2". Die Klägerin betreibt dort eine Gastwirtschaft.

Der Beklagte erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 23. September 1980 von dem Rechtsvorgänger der Klägerin (A) die benachbarten Parzellen "3" und "4". In den auf diesen Parzellen befindlichen neuen Gebäulichkeiten betreibt der Beklagte eine Apotheke; ferner befinden sich dort mehrere Arztpraxen.

Da die vom Beklagten erworbenen Grundstücksparzellen zur Ausweisung der erforderlichen Fahrzeugstellplätze keinen Raum aufwiesen, wurde im Baulastenverzeichnis des Kreises ... (Nummern ... und ...) zu seinen Gunsten und zu Lasten des Rechtsvorgängers der Klägerin am 29. Juli 1980 eine Baulast über insgesamt fünf Fahrzeugstellplätze eingetragen. Diese Baulast lastet auf beiden nunmehr der Klägerin gehörenden Grundstücken. In dem am 23. September 1980 abgeschlossenen Kaufvertrag bewilligte der Rechtsvorgänger der Klägerin dem Beklagten außerdem eine Grunddienstbarkeit. Unter Nummer 9 der Kaufvertragsurkunde wurde Folgendes geregelt:

"Der Verkäufer räumt hiermit dem jeweiligen Eigentümer der Kaufgrundstücke folgende unentgeltliche Rechte ein:

a) die auf Flur ... Nr. 2 befindlichen Pkw-Abstellplätze mitzubenutzen und dieses Recht auch Dritten zu überlassen, ...; es müssen den Berechtigten mindestens 6 Parkplätze, 2 davon markiert, zur Benutzung zur Verfügung stehen.

b) ...

Es wird die Eintragung entsprechender Grunddienstbarkeiten bewilligt und beantragt: ...".

Wegen nach Kaufvertragsabschluss durchgeführter baulicher Ausbauarbeiten in den Anwesen des Beklagten (zusätzliche Errichtung von Arztpraxen) wurde die Baulast 1983 um weitere vier Stellplätze erhöht. Die diesbezügliche Eintragung im Baulastenverzeichnis für das hinterliegende Grundstück des Rechtsvorgängers der Klägerin ("2") erfolgte am 21. Juni 1983. Zu einer Erweiterung der Grunddienstbarkeit um eine weitere Mindestanzahl von Stellplätzen kam es nicht.

Der Rechtsvorgänger der Klägerin betrieb in den Räumen der Gastwirtschaft eine Disco, die abends und nachts geöffnet hatte. Zu einem Konflikt zwischen den Grundstücksnachbarn wegen der Nutzung der Stellplätze kam es nicht, weil der Beklagte als Betreiber einer Apotheke und die angesiedelten Ärzte zu Zeiten arbeiteten, zu denen die vom Rechtsvorgänger der Klägerin betriebene Gaststätte nicht geöffnet war. Während der abendlichen Öffnungszeit der Gaststätte ruhte der Geschäftsbetrieb in Apotheke und Arztpraxen.

Bereits in den Jahren 1983 und 1984 bildete der Beklagte auf den Grundstücksparzellen "3" und "4" Wohnungseigentum. Das gebildete Sondereigentum steht zum Teil im Eigentum des Beklagten; teilweise steht es Drittpersonen zu. Hiervon unterrichtete der Beklagte die Klägerin zunächst nicht.

Mit den praktizierenden Ärzten schloss der Beklagte Mietverträge, in denen er diesen die Mitbenutzung der auf den Grundstücken der Klägerin befindlichen Stellplätze gestattete. Vermietende Vertragspartei war jeweils der Beklagte selbst. Dies haben die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2007 ergeben.

Nachdem die Klägerin die beiden Grundstücke "1" und "2" im Jahre 2005 erworben hatte, änderte sich auch die Nutzung der Gaststätte. Die Klägerin betreibt dort jetzt zwischen 9.00 Uhr und 14.00 Uhr, sowie zwischen 17.00 Uhr und den Abendstunden ein Bistro, in dem kleinere Speisen verabreicht werden, sowie einen kleineren Biergarten. Seitdem kommt es zu Nutzungsproblemen mit den Stellplätzen.

Mit vorprozessualem Schreiben seines ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 27. Juni 2006 bot der Beklagte der Klägerin als Kompromiss an, die Stellplätze mit den Nummern ... bis ... ihm zu überlassen und die Stellplätze Nummern ... bis ... "überwiegend" der Klägerin und ihren Kunden zur Verfügung zu stellen.

Mit ihrer vom 26. Oktober 2006 datierenden Klage beansprucht die Klägerin vom Beklagten, die Nutzung der Plätze ... bis ... selbst oder durch Dritte zu unterlassen. Des Weiteren begehrt sie für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2006 für insgesamt 19 Plätze ein Nutzungsentgelt in Höhe von € 9.500,00. Schließlich verlangt sie die Feststellung, dass der Beklagte bei einer Nutzung der Plätze Nummern ... bis ... auch zukünftig eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von € 50,00 je Parkplatz zu entrichten habe.

Auf der Grundlage der in der notariellen Urkunde vom 23. September 1980 enthaltenen Eintragungsbewilligung hat die Klägerin die Ansicht vertreten, der Beklagte sei nur zur Nutzung der Stellplätze Nummern 1 bis 6 berechtigt.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihm stehe an sämtlichen Stellplätzen ein unbeschränktes Recht zur Mitbenutzung zu, da keine nähere Nutzungsregelung getroffen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der Anträge der Parteien wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat das Landgericht damit begründet, nach der Eintragungsbewilligung vom 23. September 1980 sei der Beklagte zur Mitbenutzung sämtlicher Stellplätze berechtigt; da in der notariellen Bewilligungsurkunde nur eine Mindestzahl, aber keine Höchstzahl genannt sei, gelte dies für sämtliche Plätze. Eine inhaltliche Einschränkung erfahre die eingeräumte Grunddienstbarkeit durch § 1020 BGB nicht. Einen Zahlungsanspruch hat das Landgericht wegen der vereinbarten Unentgeltlichkeit verneint.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrags und mit der Ansicht, die örtlichen Verhältnisse müssten an die heutige Situation angepasst werden, ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt:

1. Dem Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes untersagt, die Kfz-Stellplätze auf den Grundstücken der Klägerin in O1, Flurstück Nr. 1 und 2 mit Ausnahme der mit Nummer ... - ... bezeichneten Stellplätze, zu nutzen oder Dritten zur Nutzung zu überlassen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 9.500,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über Basiszins seit Rechtshängigkeit und vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 749,00 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Nutzung der mit Nr. ... bis ... bezeichneten Pkw-Stellplätzen auf den Grundstücken Flurstücke 1 und 2 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von € 50,00 je Parkplatz zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte beruft sich weiterhin darauf, ihm stehe ein umfassendes Mitbenutzungsrecht zu. Die ihm eingeräumte Grunddienstbarkeit könne nicht aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse beschränkt werden. Auch werde das Nutzungsrecht der Klägerin nicht beeinträchtigt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 27. Juni 2007 (Bl. 171 ff. d. A.), auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 10. September 2007, sowie auf die Schriftsätze des Beklagten vom 6. Juli 2007 und vom 20. August 2007 (Bl. 194 ff. d. A.) der Einzelheiten wegen verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Der Klägerin steht aus § 1004 BGB ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu.

1. Dass der Beklagte auf den von ihm erworbenen Grundstücken "3" und "4" bereits 1983 und 1984 Wohnungseigentum gebildet hat und er infolgedessen nicht mehr Alleineigentümer dieses Grundbesitzes ist, hindert den Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht. Denn der Beklagte ist als Störer anzusehen. Wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2007 ergeben haben, war es der Beklagte selbst, der mit den niedergelassenen Ärzten die entsprechenden Mietverträge abgeschlossen hat. Die im Anwesen "3" befindliche Apotheke betreibt der Beklagte nach wie vor. Auch war es der Beklagte, der vor Anhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 23. März 2006 insgesamt 16 Parkplätze für sich und seine Apotheke zur Nutzung beansprucht hat. In allen vorprozessualen Verhandlungen reklamierte der Beklagte für sich und für die Personen, die von ihm ihr Nutzungsrecht herleiten, die Überlassung der Stellplätze. Bezeichnenderweise berühmt sich der Beklagte in dem als Anlage zur Berufungserwiderungsschrift beigefügten Vergleichsvorschlag (Anlage B 2) sogar eines Rückbauanspruchs insoweit, als die Klägerin durch Einrichtung eines kleinen Biergartens mögliche weitere Stellplätze dieser Nutzung entzogen hat.

2. Zwischen den Parteien besteht eine unklare Vertragslage. Der Kaufvertrag vom 23. September 1980 ist alles andere als eindeutig; er bedarf der Auslegung. Denn der Vertrag regelt lediglich die Mindestanzahl der Stellplätze, die für den Beklagten auf den Grundstücken der heutigen Klägerin vorgehalten werden müssen. Immerhin ist aus der Eintragungsbewilligung eindeutig zu ersehen, dass dem Beklagten nur ein Recht auf Mitbenutzung eingeräumt worden ist. Anhaltspunkt für den ansonsten nicht umfänglich beschriebenen Bestand der Grunddienstbarkeit ist auch das Baulastenverzeichnis, in dem insgesamt neun Plätze für den Beklagten gesichert werden.

3. Die seit 1980 eingetretenen Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen gestatten keine inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit als solche. Auch die Regelung des § 1020 BGB erlaubt keine Einschränkung des dinglichen Rechts.

Das begleitende schuldrechtliche Begleitschuldverhältnis, aus dem sich Rechte und Pflichten der Parteien im Einzelnen ergeben, ist indes der Anpassung nach § 313 BGB zugänglich. Eine den Grundsätzen von Treu und Glauben gerecht werdende Nutzungsregelung, die den dinglichen Bestand als solchen unberührt lässt, aber einerseits das Alleineigentum der Klägerin an dem dienenden Grundstück berücksichtigt und das eingeschränkte Recht des Beklagten zur Mitbenutzung beachtet, zwingt vorliegend zu einer Anpassung der Situation. Dies begründet in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang die Störereigenschaft des Beklagten.

In welchem Umfang dem Beklagten eine Mitbenutzung gestattet ist, kann aus der vertraglich zugesagten Mindestzahl der Plätze und aus den Eintragungen im Baulastenverzeichnis entnommen werden. Auch deutet der vorprozessuale Vorschlag des damaligen Bevollmächtigten des Beklagten selbst an, wie ein interessengerechter Ausgleich der widerstreitenden Parteiinteressen vorgenommen werden kann.

4. Dies führt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte hinsichtlich der Stellplätze Nummern 12 bis 25 das Eigentum der Klägerin in beeinträchtigender Weise stört. Aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt sich daher ein Unterlassungsanspruch der Klägerin.

5. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht begründet. Insoweit hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Mitbenutzung der Stellplätze erfolgt ausweislich der notariellen Urkunde vom 23. September 1980 ausdrücklich unentgeltlich. Aus diesem Grunde erweist sich auch der für die Zukunft gestellte Feststellungsantrag als sachlich nicht gerechtfertigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 und 108 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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