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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.04.2002
Aktenzeichen: 25 U 120/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
Besteht bei einer Behandlung die Möglichkeit des Verlustes der Zeugungsfähigkeit, muss auf die Möglichkeit der Konservierung einer Samenspende (Kryokonservierung) hingewiesen werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN 25. Zivilsenat in Kassel IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

25 U 120/01

Verkündet am 26.04.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 25. Zivilsenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 26. April 2001 (8 O 517/99) wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 9.248,70 EURO (18.088,88 DM) nebst4% Zinsen seitdem 16. Januar 1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 76% und die Beklagten 24% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 26.156,26 EURO (51.157,20 DM) und für die Beklagten 9.248,70 EURO (18.088,88 DM.

Tatbestand:

Der am 24.8.1966 geborene und verheiratete Kläger nimmt den Beklagten zu 1. als behandelnden Arzt und die Beklagte zu 2. als Klinikträgerin auf Zahlung von Schmerzensgeld und auf materiellen Schadensersatz mit dem Vorwurf in Anspruch, der Beklagte zu 1. habe ihm im Rahmen der Behandlung eines akut bösartigen Keimzellentumors, durch welche letztlich seine Unfruchtbarkeit verursacht worden sei, von der vor Beginn der Behandlung bestandenen Möglichkeit, eine Samenspende abzugeben und im Wege des Einfrierens konservieren zu lassen - sog. Kryokonservierung -, abgeraten und ihm so die Möglichkeit, weiteren Nachwuchs zu zeugen, zerstört. Die Beklagten berufen sich auf den höchst akut lebensbedrohlichen Zustand des Klägers, angesichts dessen Fragen zukünftiger Familienplanung völlig in den Hintergrund getreten seien, und darauf, der Beklagte zu 1. habe den Kläger und seine Ehefrau sachlich zutreffend aufgeklärt und ihnen die eigenständige Entscheidung über die prächemotherapeutische Abgabe einer Samenspende überlassen.

Der Kläger erlitt erstmals im Juli 1996 plötzlich auftretende krampfartige Magen- und Darmbeschwerden im Bereich des Epigastriums (Oberbauch). Im August traten diffuse abdominelle (im Bauchraum) Schmerzen sowie Flankenschmerzen beidseits auf. Am 13.8.1996 suchte er das Rote-Kreuz-Krankenhaus in K. zu r stationären Abklärung seiner Beschwerden auf. Während seines bis zum 17.8.1996 andauernden Krankenhausaufenthalts wurde der Verdacht auf ein Lymphom (Lymphknotenvergrößerung), insbesondere der retroperitonealen Lymphknotenstationen (hinter dem Bauchfell gelegene Lymphknoten) bei gleichzeitiger Metastasierung in Leber und Lunge geäußert. Zu der vorgesehenen erneuten stationären Aufnahme am 20.8.1996 wurde der Kläger auf seinen Wunsch in die Chirurgische Abteilung der Städtischen Kliniken K. verlegt. Von dort gelangte er am 21.8.1996 in die Abteilung für Urologie. Hier wurde alsbald der Verdacht auf einen primär extragonadalen retroperitonealen Keimzellentumor geäußert (außerhalb der Keimdrüsen gelegener Keimzellentumor mit Metastasen im Hinterbauchraum). Man mußte davon ausgehen, daß vor allem die Lunge wie auch die Leber des Klägers bereits mit Metastasen befallen waren.

Der Beklagte zu 1. beabsichtigte, eine sofortige Chemotherapie durchzuführen, die am (Montag, dem) 26.8.1996 begonnen werden sollte. Hierzu führte er am (Donnerstag, dem) 22.8.1996 ein Aufklärungsgespräch mit dem Kläger und dessen Ehefrau, der im Berufungsrechtszug als Zeugin vernommenen K. K., die zu jenem Zeitpunkt im fünften Monat schwanger war. Die Eheleute erwarteten ihr erstes Kind.

Im Rahmen dieser Besprechung wurden dem Kläger und seiner Ehefrau die rasche Einleitung einer chemotherapeutischen Behandlung, deren voraussichtliche Dauer, mögliche Nebenwirkungen und Risiken vorgestellt. Zumindest beiläufig wurde seitens des Klägers und seiner Ehefrau die Möglichkeit einer Samenspende nachgefragt. Nach dem Vorbringen der Beklagten im ersten Rechtszug (Klageerwiderungsschrift vom 21.4.1999, Seite 2; Bl.13 Bd.I d.A.) erläuterte der Beklagte zu 1. daraufhin, daß die Wahrscheinlichkeit eines irreversibelen Keimzellenschadens durch eine Standardchemotherapie als sehr niedrig anzusehen sei. Zwar könne eine exakte Prognose nicht gestellt werden, es sei aber nach Ablauf von ein bis zwei Jahren mit einer Restitution des Keimepithels im Hoden, nämlich mit einer weitgehenden Wiederherstellung der Fertilität (Fruchtbarkeit) des Klägers zu rechnen. Eine Samenspende vor Beginn der zytostatischen Therapie sei zwar theoretisch möglich, medizinisch aber nicht indiziert. Sie sei außerdem mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden, da eine Kryokonservierung der Spermien in der K. Klinik nicht vorgenommen werden könne. Demgegenüber sei eine unverzügliche Einleitung der Chemotherapie unabdingbar erforderlich.

Der weitere Inhalt dieses Aufklärungsgespräches ist zwischen den Parteien streitig.

Am folgenden Tag, (Freitag, dem) 23.8.1996, wurde der Kläger auf eigenen Wunsch kurzzeitig aus der stationären Behandlung beurlaubt, weil er seinen am 24.8.1996 anstehenden 30. Geburtstag zu Hause verbringen wollte. Am (Montag, dem) 26.8.1996 kehrte er in die Urologische Abteilung der Städtischen Kliniken in K. zurück. Dort wurde am selben Tage die chemotherapeutische Behandlung in Form der sogenannten Standardchemotherapie aufgenommen. Hierzu verblieb der Kläger bis zum 31.8.1996 in stationärer Behandlung.

Weitere Zyklen entsprechender chemotherapeutischer Behandlungen wurden am 23.9., 21.10. und am 18.11.1996, nach einer Behandlungspause dann nochmals am 13.1. und am 11.2.1997 in der Urologischen Abteilung der Beklagten zu 2. durchgeführt.

Am 21.3.1997 wurden operativ Tumore entnommen, die sich histologisch als Tumornekrosen ohne Anhalt für Vitalität erwiesen. Daran schlössen beginnend am 2.4. und am 29.4.1997 zwei weitere Zyklen der Standardchemotherapie an.

Als sich bestimmte Serumwerte gleichwohl nicht entscheidend besserten, wurde der Kläger am 12.5.1997 in die Onkologische Klinik des Virchow-Krankenhauses der Humboldt-Universität in Berlin stationär zur Einleitung einer Hochdosischemotherapie aufgenommen. Diese Therapie wurde bis Anfang Mai 1998 fortgeführt. Bei einer Nachsorge-Untersuchung durch die Ambulanz der Beklagten zu 2. am 25.5.1998 ergab sich kein Anhalt mehr für eine Tumorprogression. Seither besteht auch kein Anhalt für ein Tumorrezidiv.

Der Kläger und seine Ehefrau gingen davon aus, daß die Hochdosischemotherapie die Zeugungsunfähigkeit des Klägers herbeigeführt, nämlich die Produktion von Spermien zerstört habe, wie dem Kläger vor Aufnahme der Hochdosischemotherapie in Berlin als sichere Nebenwirkung erklärt worden war. Dennoch beabsichtigten beide, weitere Kinder in die Welt zu setzen. Ihre Tochter war im Dezember 1996 zur Welt gekommen. Sie entschlossen sich, eine heterologe Insemination (künstliche Befruchtung mit Samen eines fremden Spenders) auf sich zu nehmen. Hierzu sind alle inzwischen zahlreich durchgeführten Versuche bisher erfolglos geblieben. Die Zeugin hat sich entsprechenden Versuchen der Herbeiführung einer Schwangerschaft am 30.5., 1.7., 28.7., 24.8., 19.10., 21.10., 18.11., 16.12.1998, sodann am 8.3., 4.5., 27.7.1999 und am 3.3.2000 unterzogen. Die Behandlungen fanden durch Dr. W. in B. N. statt. vorbereitende ärztliche Untersuchungen zur Abklärung geeigneter Konzeptionstermine ließ die Zeugin durch Dr. V. in W. vornehmen. Die Kosten für die Inseminationsversuche in B. N., für die hierfür zurückgelegten Fahrkilometer wie auch für die Fahrtkosten seiner Ehefrau zu Dr. V. nach W. macht der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit als materiellen Schaden geltend, den er von den Beklagten ersetzt verlangt.

Der Kläger hat vorgebracht, im Rahmen des Aufklärungsgesprächs am 22.8.1996 habe der Beklagte zu 1. ihm von einer Samenspende vor Einleitung der Chemotherapie nicht nur abgeraten, sondern diese abgelehnt und geäußert, die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme seien nicht gegeben. Dies hat der Kläger für grob fehlerhaft gehalten. Er hat vorgebracht, die Abgabe einer Samenspende sei bis zum beabsichtigten Beginn der Chemotherapie am 26.8.1996 ohne weiteres möglich gewesen. Der Beklagte zu 1. habe ihm im Rahmen des Aufklärungsgesprächs vor allem auch die Möglichkeit einer Hochdosierungschemotherapie, welche die Zeugungsfähigkeit irreparabel ausschließe, vorstellen müssen. Dies sei nicht geschehen. Er, der Kläger, sei infolge der Hochdosierungschemotherapie unfruchtbar geworden. Dem Beklagten zu 1. sei seinerzeit ausdrücklich erläutert worden, daß er, der Kläger, und seine Ehefrau das damals erwartete Kind nicht als Einzelkind hätten aufwachsen wissen wollen, sondern ihre Familienplanung sei auf drei oder vier Kinder gerichtet gewesen. Unter diesen Umständen sei die Beratung durch den Beklagten zu 1. am 22.8.1996 grob fehlerhaft gewesen und habe den Kläger und seine Ehefrau um die Möglichkeiten der Realisierung ihrer Familienplanung gebracht.

Hierauf hat der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch gegen die gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Beklagten gestützt, den er in das Ermessen des Gerichts gestellt, mindestens aber mit 50.000 DM für angemessen gehalten hat. Für die vorgenannten Fahrtkosten hat er mit seiner am 17.3.1999 zugestellten Klage zunächst für den Zeitraum vom 30.5. bis zum 16.12.1998-8 Inseminationsversuche - 6.176,96 geltend gemacht und diese Position mit am 20.6.2000 zugestelltem Schriftsatz um die Kosten für weitere 4 Inseminationsversuche - 8.3.1999 bis 3.3.2000 - um 3.069,12 DM erweitert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

als Gesamtschuldner an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 50.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 15. Januar 1999, weitere 9.246,08 DM nebst 4% Zinsen aus 6.176,96 DM seit dem 15. Januar 1999 und aus 3.069,12 DM seit dem 21. Juni 2000 zu zahlen, sowie festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner alle weiteren notwendigen Kosten zu erstatten, die erforderlich werden, damit seine Ehefrau K. K. zweimal schwanger wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgebracht, der Beklagte zu 1. habe dem Kläger im Rahmen jenes Aufklärungsgesprächs vor allem dessen damals bestandenen Zustand akuter Lebensgefahr vorgestellt. Es habe ein Darmverschluß gedroht, der bei der weit fortgeschrittenen primär extragonadalen Tumorbildung zu befürchten gewesen sei, und der die unverzügliche Aufnahme der Chemotherapie erfordert habe. Jede Verzögerung sei medizinisch nicht zu vertreten gewesen. Dies umso weniger, als die Wahrscheinlichkeit des Verlusts der Fruchtbarkeit infolge der beabsichtigten Standardchemotherapie sehr niedrig gewesen sei. Allerdings habe man dem Kläger auch erklärt, daß es hierfür keine exakte Prognose gebe, und man habe ihn darauf hingewiesen, daß die Entscheidung über die Durchführung einer Samenspende letztlich bei ihm selbst liege. Allerdings hätte die Entnahme einer solchen Samenspende, die damals für die Beklagten nur in Gießen möglich gewesen sei, einen Zeitaufwand erfordert, welcher in Ansehung der dringend gebotenen sofortigen Aufnahme der Chemotherapie medizinisch nicht zu vertreten gewesen sei.

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts K. hat der Klage durch Urteil vom 26.4.2001 teilweise stattgegeben. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Oberarztes an der Klinik für Urologie der Medizinischen Hochschule H. Dr. K. vom 15.3.2000 (Bl.48-70 Bd.I d.A.), schriftlich ergänzt am 11.12.2000 (Bl.129-131 Bd.I d.A.), ist sie davon ausgegangen, daß das unterlassene Angebot der Entnahme einer Samenspende des Klägers vor Einleitung der Chemotherapie einen Behandlungsfehler darstelle. Soweit nicht feststellbar sei, ob der Kläger in der Zeit um den 22.8.1996 überhaupt noch eine hinreichend fertile Samenspende hätte abgeben können, gehe diese Unklarheit zu Lasten der Beklagten, denen als Folge des fehlerhaften Abratens von einer Samenspende der Beweis für deren Unergiebigkeit obliege. Hierauf gestützt hat die Zivilkammer dem Kläger einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 15.000 DM zugebilligt und darüber hinaus für von dessen Ehefrau aufgewendete Kosten für 4 Inseminationsversuche weitere 2.000 DM. Weitere, offensichtlich aussichtslose Versuch einer heterologen Insemination unterlägen dem eigenen Kostenrisiko der Ehefrau des Klägers. Der Feststellungsantrag sei unbegründet.

Gegen das ihnen am 11.5.2001 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 8.6.2001 Berufung eingelegt, die sie am 6.7.2001 begründet haben.

Dem Kläger ist das erstinstanzliche Urteil am 21.5.2001 zugestellt worden. Am 20.6.2001 hat er hiergegen Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 12.7.2001 begründet.

Die Beklagten begehren im Berufungsrechtszug die Klageabweisung. Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter und möchte die Beklagten, über das Urteil der Zivilkammer hinaus im Sinne seiner Klageanträge erweitert, verurteilt wissen.

Die Beklagten stellen eine Aufklärungspflichtverletzung weiterhin in Abrede. Sie berufen sich darauf, der Kläger sei über die Möglichkeit der Samenspende aufgeklärt worden, und ihm sei die Entscheidung, hiervon Abstand zu nehmen, selbst überlassen worden. Dies stelle keinen Behandlungsfehler dar. Vielmehr habe der Beklagte zu 1. ganz maßgeblich dazu beigetragen, daß der Kläger seinen Krankheitszustand vom August 1996 mit einer nahezu aussichtslosen Prognose überlebt habe. Im Gegensatz zur Auffassung der Zivilkammer obliege nicht ihnen, den Beklagten, der Beweis dafür, daß der Kläger vor Eröffnung ihrer Behandlung zeugungsunfähig gewesen sei, sondern der Kläger müsse beweisen, daß er zu jenem Zeitpunkt überhaupt noch zeugungsfähig gewesen sei. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden, weil nach 25 Fehlversuchen einer heterologen Insemination seiner Ehefrau davon ausgegangen werden müsse, daß auch eine Invitrolensemination mit dem Sperma des Klägers nicht zu einer Konzeption geführt hätte.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 26. April 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das angefochtene Urteil dahin abzuändern und neu zu fassen, daß die Beklagten verurteilt werden, an ihn als Gesamtschuldner ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 DM nebst 4% Zinsen seit dem 15. Januar 1999, sowie 9.246,08 DM nebst 4% Zinsen aus 6.146,96 DM seit dem 15. Januar 1999 und aus 3.069,12 seit dem 21. Juni 2000 zu zahlen, sowie festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger als Gesamtschuldner alle weiteren notwendigen Kosten zu erstatten, die erforderlich werden, damit seine Ehefrau zweimal schwanger wird.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, hält aber das von der Zivilkammer festgesetzte Schmerzensgeld für untersetzt. Zum Zeitpunkt des Beratungsfehlers sei noch unbekannt gewesen, ob das erwartete Kind auf die Welt kommen werde. Das Verschulden des Beklagten zu 1. sei grob, nicht gering gewesen. Dies umso mehr, als der Beklagte zu 1. eindringlich darauf hingewiesen worden sei, daß seine Frau und er das erwartete Kind auf gar keinen Fall als Einzelkind aufwachsen sehen wollten, sondern daß sie drei bis vier Kinder geplant hätten. Der Kläger hält auch an seinem Vorbringen fest, der Beklagte zu 1. habe im Rahmen jenes Aufklärungsgesprächs die Veranlassung einer Samenspende abgelehnt. Die Beklagten seien darüber hinaus verpflichtet, ihm sämtliche Kosten für die bisher erfolgten Versuche einer heterologen Insemination seiner Ehefrau zu erstatten, insbesondere auch die Fahrtkosten nach Bad Nauheim, denn im näheren Umkreis ihres Wohnsitzes habe sich kein Arzt bereitgefunden, diese Inseminationsversuche vorzunehmen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Direktors der Klinik für Urologie im Klinikum K., Prof. Dr. M., und der Ehefrau des Klägers als Zeugen sowie durch ergänzende mündliche Anhörung des Sachverständigen (jetzt) Professor Dr. K.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.2001, Seiten 3-15 (Bl.3-15 Bd.II d.A.), Bezug genommen.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst sämtlichen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers ist als selbständige Berufung ebenfalls rechtzeitig eingelegt und begründet worden und ebenfalls auch im übrigen zulässig.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg, während das Rechtsmittel des Klägers zu einer geringen Aufstockung der erstinstanzlichen Urteilssumme um DM 1.088,88 führt, die sich aus den Kosten für 4 Fahrten nach Bad Nauheim und 17 Fahrten zu Dr. V. nach W. in Zusammenhang mit insgesamt 4 Versuchen einer heterologen Insemination der Ehefrau des Klägers ergeben haben. Das erstinstanzliche Urteil erweist sich danach im wesentlichen als zutreffend.

Die Entscheidung des Klägers, vor Beginn der chemotherapeutischen Behandlung durch die Beklagten keine Samenspende abzugeben und im Wege der Kryokonservierung aufbewahren zu lassen, war aus damaliger Sicht sachlich falsch, und sie ist zumindest mitverursacht durch eine fehlerhafte Aufklärung des Klägers seitens des Beklagten zu 1.. Der Kläger ist im Verlauf der Behandlung seiner Krebserkrankung unfruchtbar geworden. Die vorherige Konservierung einer Samenspende hätte ihm seine Zeugungsfähigkeit jedenfalls für eine oder mehrere Invitro-Fertilisationen bewahrt. Deshalb hat das von dem Beklagten zu 1. mitverschuldete Unterlassen der Abgabe einer Samenspende letztlich eine dem Beklagten zu 1. als schuldhaft mitbewirkt, zuzurechnende Körper- oder Gesundheitsverletzung des Klägers zur Folge, für welche die Beklagten gesamtschuldnerisch haften.

Dem Beklagten zu 1. fällt dem Kläger gegenüber eine Aufklärungspflichtverletzung dahin zur Last, daß die Möglichkeit einer, selbst durch eine Standardchemotherapie verursachten Infertilität entgegen dem damaligen Kenntnisstand verharmlost worden ist. Dem Kläger ist dadurch keine hinreichende Orientierung vermittelt worden für die von ihm zu treffende Entscheidung, eine Samenspende zur Kryokonservierung vor Eröffnung der Standardchemotherapie abzugeben oder nicht. Angesichts des akuten Krankheitszustands des Klägers ist die Beratung durch den Beklagten zu 1. zwar nicht ein grober Behandlungsfehler, doch bestand die Möglichkeit, eine Samenspende abgeben und konservieren zu lassen. Zwar hätte dieses Verfahren die Aufnahme der Chemotherapie um zwei bis drei Tage verzögert, doch wäre diese Verzögerung angesichts des Krankheitszustands des Klägers noch hinnehmbar gewesen. Eine Samenspende des Klägers, entnommen in der Zeit zwischen dem 23. und dem 28.8.1996, wäre für die spätere Erzeugung einer Invitro-Fertilisation ausreichend geeignet gewesen. Greifbare Anhaltspunkte dafür, daß die Fertilität des Klägers, der wenige Monate zuvor die Konzeption seiner später geborenen Tochter bewirkt hatte, am 22.8.1996 bereits irreparabel zerstört war, bestehen nicht. Angesichts der extragonadalen Lage des Tumors ist dies im Anschluß an die Ausführungen des Sachverständigen, namentlich in dessen schriftlichem Gutachten, wenig wahrscheinlich, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Soweit eine restliche Unsicherheit über die tatsächliche Qualität einer vom Kläger vor Aufnahme der Chemotherapie abgegebenen Samenspende für eine spätere Invitro-Fertilisation bestehen bleibt, beruht dies gerade auf der Aufklärungspflichtverletzung, welche dem Beklagten zu 1. zur Last fällt, und die - vergleichbar mit einer unterlassenen ärztlichen Dokumentation - unmittelbar das Fehlen eines Beweismittels für den Kläger, nämlich einer in jenem Zeitraum abgegebenen und konservierten Samenspende, bewirkt hat. Hieraus resultiert ein Anspruch des Klägers, so gestellt zu werden, als sei dieses Beweismittel vorhanden. Da mit höherer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, daß die Samenspende für eine spätere Invitro-Fertilisation g geignet gewesen wäre, wozu schon eine minimale Anzahl funktionsfähiger Spermien genügt hätte, obliegt - wie die Zivilkammer im Ergebnis ebenso vertreten hat - den Beklagten der Gegenbeweis für die selbst für eine Invitro-Fertilisation bestandene Unfruchtbarkeit des Klägers schon vor Beginn der Chemotherapie. Dieser Beweis kann mangels Beweismaterials nicht geführt werden. Für die Schmerzensgeld-Bemessung ist entscheidend, daß der Kläger mit einer hinreichend fertilen, rechtzeitig abgegebenen Samenspende gewissermaßen ein Surrogat seiner Zeugungsfähigkeit erhalten hätte, dessen Fehlen ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, aber auch in einer graduellen Aufrechterhaltung seiner körperlichen Integrität, was seine Fortpflanzungsfähigkeit anbelangt, verletzt. Zum Ersatz materiellen Schadens aus fehlgeschlagenen Versuchen einer heterologen Insemination der Ehefrau des Klägers sind die Beklagten nur insoweit verpflichtet, als die Versuche einer heterologen Insemination aussichtsreich waren. Dies kann nur hinsichtlich der ersten vier fehlgeschlagenen Inseminationsversuche angenommen werden. Nachdem die Beklagten dem vertiefenden Vorbringen des Klägers, die Versuche seien in keiner nähergelegenen Arztpraxis als in Bad Nauheim möglich, nicht mehr widersprochen haben, steht dem Kläger insoweit auch die Erstattung der für diese Versuche aufgewendeten Fahrtkosten zu. Der Feststellungsantrag scheitert, weil nicht erkennbar ist, daß die Beklagten den Nicht-Eintritt einer zweiten und einer dritten Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers verschuldet haben, denn es ist unabhängig von der Qualität einer kryokonservierten Samenspende des Klägers ungewiß, ob solche Schwangerschaften mit einer Samenspende des Klägers hätten hergestellt werden können.

Anspruchsgrundlage für den Kläger sind gegen den Beklagten zu 1. §§ 823 Abs.1, 847 Abs.1 BGB und gegen die Beklagte zu 2. dieselben Vorschriften in Verbindung mit § 831 Abs.1 BGB, andernfalls in Verbindung mit §§ 39,89 BGB. Die Geltungsbereiche der Zurechnungsnormen aus §§ 39,89, 831 BGB decken lückenlos die Haftung der Beklagten zu 2. für unerlaubte Handlungen des Beklagten zu 1. ab, so daß es auf eine genauere Aufklärung des Status des Beklagten zu 1. zur Beurteilung der Haftung der Beklagten zu 2. nicht ankommt. Wegen des materiellen Schadensersatzanspruchs haftet die Beklagte zu 2. dem Kläger darüber hinaus wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem zwischen beiden bestandenen Arztvertrag, im Rahmen dessen sich die Beklagte zu 2. ein Verschulden des Beklagten zu 1. gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muß.

Nach diesen Anspruchsgrundlagen hat der Arzt, dem ein schuldhafter Behandlungsfehler zur Last fällt, aus welchem die Verletzung von Körper oder Gesundheit oder auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Patienten hervorgeht, den hieraus für den Patienten folgenden materiellen Schaden zu ersetzen und - § 847 Abs.1 BGB- dem Patienten darüber hinaus eine billige Entschädigung in Geld, das sogenannte Schmerzensgeld, zu leisten. Der Krankenhausträger haftet für ein Verschulden seines Personals wie auch seiner Organe im selben Umfang gesamtschuldnerisch mit.

Ein Behandlungsfehler kann auch in einer fehlerhaften Aufklärung des Patienten durch den Arzt bestehen. Die Aufklärung des Patienten ist neben Diagnostik und Behandlung - auch unter Vertragsgesichtspunkten - eine weitere wesentliche Pflicht des Arztes, keine bloße Nebenpflicht. Sie hängt eng mit der Behandlungspflicht zusammen. Dies beruht auf dem körperlichen Selbstbestimmungsrecht, welches ausschließlich dem Patienten zusteht. Der behandelnde Arzt wird mit Wissen und Willen des Patienten im Bereich von dessen körperlichen Selbstbestimmungsrecht tätig, er greift ggf. in dessen Gegenstände unmittelbar ein. Die Selbstbestimmung des Patienten über seinen Körper und seine Gesundheit, mithin auch über jegliches ärztliches Handeln, welches seine körperliche Selbstbestimmung unmittelbar oder mittelbar tangiert, erfordert die eingehende, lückenlose, selbstverständlich sachlich zutreffende Aufklärung des Patienten durch den Arzt über alle Umstände, welche für die vom Patienten zu treffende Selbstbestimmungsentscheidung relevant sind. Dabei ist dem Patienten das fragliche Wissen im Rahmen seiner individuellen Einsichtsfähigkeit und seines individuellen Verständnisses zu vermitteln.

In Anwendung dieser Grundsätze sind Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten auf Ersatz seines immateriellen und materiellen Schadens im Zusammenhang mit seiner heutigen Infertilität aus den vorgenannten Vorschriften dem Grunde nach gegeben.

Die Unterlassung der Kryokonservierung einer Samenspende des Klägers vor Eintritt in die Standardchemotherapie durch die Beklagten hat zur Verletzung der körperlichen Integrität des Klägers geführt. Sie ist ursächlich dafür, daß dem Kläger nach dem Verlust seiner Zeugungsfähigkeit infolge des Ausschlusses seiner Fertilität, die im Rahmen der Chemotherapie, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit infolge der Hochdosierungschemotherapie, eingetreten ist, eine konservierte Samenspende nicht gewissermaßen als Surrogat seiner Zeugungsfähigkeit zur Verfügung gestanden hat. Damit ist nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, sondern auch sein körperliches Selbstbestimmungsrecht, welches § 823 Abs.1 BGB schützen will, verletzt worden. Wenn die heutigen medizinischen Möglichkeiten es zulassen, dem Körper Bestandteile zu entnehmen, um sie ihm später wieder einzugliedern, die mithin auch während ihrer Trennung vom Körper aus der Sicht des Schutzzwecks der Norm des § 823 Abs.1 BGB mit diesem weiterhin eine funktionale Einheit bilden (vgl. so: BGH NJW 1994, 127 (128) für eine vernichtete Spermaprobe), dann ist die Beschädigung oder die Vernichtung solcher ausgegliederter Körperbestandteile als Körperverletzung im Sinne von §§ 823 Abs.1, 847 Abs.1 BGB zu werten (BGH aaO). Deshalb ist es inzwischen in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Vernichtung von Sperma, das der Spender hat einfrieren lassen, um sich für eine vorhersehbare Unfruchtbarkeit die Möglichkeit zu erhalten, eigene Nachkommen zu haben, eine Körperverletzung darstellt (BGH aaO). Diese Wertung hat aber entsprechende Geltung, wenn eine Samenspende, die in Vorsorge hätte abgegeben werden und in Form der Kryokonservierung aufbewahrt werden können, um dem Spender wiederum für eine mögliche drohende Unfruchtbarkeit die Möglichkeit der Fortpflanzung zu erhalten, infolge eines ärztlichen Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers von vornherein unterbleibt. Wird dem Patienten solchenfalls die heute bestehende medizinische Möglichkeit, seine Fähigkeit, eigenen Nachwuchs auch noch nach eingetretener Infertilität zu zeugen, genommen, so unterscheidet sich dieser Fall nicht von demjenigen der Vernichtung einer bereits vom Patienten getrennten Samenspende. Hätte die pflichtgemäße und der durchschnittlichen ärztlichen Sorgfalt zum Zeitpunkt der fraglichen Behandlungsmaßnahme entsprechende Aufklärung und Beratung die Zeugungsfähigkeit des Patienten außerhalb seines Körpers erhalten und hat er in Ermangelung einer entsprechenden Vorsorge seine Zeugungsfähigkeit nunmehr verloren, so stellt dies jedenfalls dann eine von dem behandelnden Arzt verursachte Körperverletzung des Patienten dar, wenn das Unterbleiben entsprechender Vorsorge gerade auf einer Pflichtwidrigkeit des Arztes beruht.

So ist der vorliegende Fall gelagert. Dem Beklagten zu 1. fällt dem Kläger gegenüber eine Aufklärungspflichtverletzung zur Last, begangen am 22.8.1996 im Rahmen des Gesprächs, welches die umfassende Aufklärung des Klägers über den Zustand seiner Krebserkrankung und die zu ergreifenden therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die Eröffnung der Standardchemotherapie, leisten sollte. Nach dem Vorbringen der Beklagten wurde im Rahmen jenes Gesprächs zumindest beiläufig nach der Möglichkeit einer Samenspende gefragt. Wie die Beklagten vorbringen, erläuterte der Beklagte zu 1. dem Kläger und dessen Ehefrau, daß die Wahrscheinlichkeit eines irreversibelen Keimzellenschadens durch eine Standardchemotherapie als sehr niedrig anzusehen sei, daß eine exakte Prognose zwar nicht gestellt werden könne, daß aber in der Regel nach Ablauf einer in den meisten Fällen ca. ein bis zwei Jahre dauernden Regenerationsphase eine Restitution des Keimzellenepithels im Hoden zu erwarten sei.

Diese Information war nach dem urologischen Kenntnisstand von August 1996 fehlerhaft. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten war im Falle eines Keimzellentumors schon aus damaliger Sicht bei einer Standandchemotherapie mit einer Regeneration der Spermatogenese etwa zwei Jahre nach Abschluß der Therapie nur in etwa 50 bis 75% aller chemotherapeutisch behandelten Patienten zu rechnen. Das bedeutet, daß 25 bis 50% jener Patienten befürchten mußten, auch nach Anwendung - lediglich - einer Standardchemotherapie anschließend auf Dauer unfruchtbar zu sein. Im Falle des Klägers war die Situation zwar günstiger, weil er an einem extragonadalen Tumor litt, die Keimzellen unmittelbar also nicht geschädigt waren. Solchenfalls liegt - wie der Sachverständige ausgeführt hat - die Wahrscheinlichkeit einer Unfruchtbarkeit im Anschluß an eine Stardardchemotherapie bei 10 bis 15%. Aber auch diese Wahrscheinlichkeit ist eine so gravierende Unfruchtbarkeitsgefahr, daß der Arzt hierüber exakt aufklären mußte. Die Erklärung, die Wahrscheinlichkeit eines irreversibelen Keimzellenschadens durch eine Standardchemotherapie sei "als sehr niedrig anzusehen", deckt die Häufigkeit eines solchen Ausgangs einer Standardchemotherapie, bei der jeder zehnte bis jeder siebte Patient mit dieser Folge zu rechnen hatte, nicht ab. Unabhängig davon, ob dem Kläger vom Beklagten zu 1. - wie die Beklagten vorbringen - die endgültige Entscheidung über die Abgabe einer Samenspende überlassen wurde oder ob diese Möglichkeit - wie der Kläger behauptet - mangels Indikation oder praktischer Ausführbarkeit bei der Beklagten zu 2. von vornherein verneint wurde, ist die Entscheidungsgrundlage, die nach der Version der Beklagten dem Kläger verblieben wäre, objektiv unrichtig. Sie bagatellisiert das tatsächlich für den Kläger bestandene Risiko der Infertilität infolge der beabsichtigten Standardchemotherapie und hat entscheidenden Anteil daran, daß der Kläger in Ansehung des akut lebensbedrohlichen Zustands des vorgefundenen metastasierenden Keimzellentumors, auf den der Beklagte zu 1. ihn nach dem Vorbringen der Beklagten eindringlich hingewiesen hat - was der Kläger wiederum bestreitet -, sich ohne ernsthaft offene Entscheidungsmöglichkeit für die Unterlassung der Abgabe einer Samenspende und für die unmittelbare Aufnahme der Chemotherapie entscheiden mußte. Die Alternative, welche der Beklagte dem Kläger - immer nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten (Klagerwiderungsschrift S.2/3; Bl.13/14 Bd.I d.A.) - vorstellte, nämlich die bestandene lebensbedrohliche Situation, welche die unverzügliche Einleitung der Standardchemotherapie als einziges Mittel erforderte, um einen drohenden Darmverschluß zu verhindern, gegenüber dem "als sehr niedrig anzusehender!' Risiko eines irreversibelen Keimzellenschadens, mußte einen auf die Fachkunde des aufklärenden Arztes vertrauenden Patienten ohne weiteres zu der Entscheidung veranlassen, von einer Spermaabgabe abzusehen.

Dabei war nach dem Ergebnis der Anhörung des Sachverständigen die Darstellung der Abgabe einer Samenspende als mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden und in Ansehung der Eilbedürftigkeit der Aufnahme der Chemotherapie zu zeitaufwendig, ebenso unrichtig. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, waren auch im August 1996 bereits in nicht erheblicher Entfernung von K. praktische Möglichkeiten gegeben, eine Samenabgabe des Klägers in einem Zeitraum zu ermöglichen, welcher mit seinem akuten Krankheitsbild noch vereinbar war. Solche Möglichkeiten bestanden beispielsweise in den Universitätskliniken in H. wie auch in G.. In beiden Kliniken wäre - wie der Sachverständige als sicher annimmt - eine notfallmäßige Sofortabnahme einer Samenspende des Klägers möglich gewesen. Ausgehend von dem Aufklärungsgespräch am Donnerstag, dem 22. August 1996, wäre eine solche Samenspende nach der Einschätzung des Sachverständigen an dem darauffolgenden Montag (26.8.1996) oder Dienstag (27.8.1996) realisierbar gewesen. Solchenfalls hätte zwar die Chemotherapie nicht bereits am Montag, dem 26. August 1996, aufgenommen werden können, doch ließ das Krankheitsbild des Klägers nach der Beurteilung des Sachverständigen eine Therapieverzögerung von zwei bis drei Tagen als vertretbar erscheinen. Innerhalb dieses Zeitraumes hätte ein Darmverschluß nicht akut gedroht. In der Krankenakte ist -wie der Sachverständige ausgeführt hat- ein akut drohender Heus nicht dokumentiert. Gegen einen in dieser Weise akut lebensbedrohlichen Zustand spricht auch der Umstand, daß dem Kläger noch am Freitag, dem 23.8., bis Montag, den 26.8. 1996, eine Beurlaubung aus der stationären Behandlung zu sich nach Hause bewilligt worden war. Wäre der Montag (26.8.) der letzte mögliche Termin für den Beginn der Standard Chemotherapie gewesen, so hätte sich diese zeitweise Entlassung des Klägers aus der klinischen Aufsicht bis zum selben Tage verboten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen drohte dem Kläger kein mechanischer Heus, sondern ein sogenannter paralytischer Ileus, nämlich eine Störung der Darmperistaltik aus dem Hirterbauchraum, die zu einem Heus führen konnte. Hätte diese Störung aber nach Größe und Lage des extragonadalen Keimzellentumors des Klägers akut gedroht, so hätte der Kläger auf keinen Fall noch bis unmittelbar vor Beginn der Chemotherapie für einige Tage beurlaubt werden dürfen. Die Verfahrensweise der Beklagten impliziert also, daß ein Darmverschluß im Falle einer Nicht-Behandlung des Klägers eine mögliche Folge seiner Krebserkrankung sein konnte, daß er allerdings nicht unmittelbar bevorstand.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage des als Zeugen vernommenen Direktors der Klinik für Urologie im Klinikum K., Prof. Dr. M.. Danach war der Kläger wegen der hervorgetretenen Befunde todkrank, sein Zustand war lebensbedrohlich. Hinweise aber dahin, daß ein Behandlungsaufschub um wenige Tage alle Behandlungsbemühungen von vornherein aussichtslos hätte werden lassen, können der Aussage des Zeugen Prof. Dr. M. nicht entnommen werden. Vielmehr ergibt sich aus ihr, daß der drohende Heus überhaupt erst der Grund für die Einweisung des Klägers ins Rote-Kreuz-Krankenhaus gewesen ist. Auf seinen Wunsch war der Kläger dann in die Klinik für Allgemeinchirurgie gekommen, und seine Überweisung in die Klinik für Urologie spricht dafür, daß allgemeinchirurgische Akutmaßnahmen angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Lokalisierung des Tumors nicht veranlaßt waren. Nach der Aussage von Prof. Dr. M. besteht der Eindruck, daß ein drohender Heus des Klägers in der Klinik für Urologie nicht mehr im Vordergrund der ärztlichen Aufmerksamkeit gestanden hat. Dies wird bestätigt durch die Interpretation der Arztunterlagen seitens des Sachverständigen Prof. Dr. K., in welchen danach ein akut drohender Heus nicht dokumentiert ist. Die Lebensbedrohlichkeit des Zustands des Klägers bestand also primär in den Wirkungen des gefährlichen Keimzellentumors mit zahlreichen Metastasen in Leber und Lunge wie auch im retroperitonealen Bereich, welche eine Chance auf Heilung nahezu aussichtslos erscheinen lassen mußten. Prof. Dr. M. hat auch ausgeführt, daß der Kläger damals, am 22.8.1996, nicht operabel gewesen sei. Wegen der Lungentumore hätte er nicht einmal narkotisiert werden können. Deshalb hätte, wie Prof. Dr. M. bekundet hat, eine Operation nur für den unmittelbaren Notfall einer vitalen Bedrohung in Betracht gezogen werden können, etwa bei einer akuten Ileus-Erkrankung. Hieraus folgt im Umkehrschluß, daß eine solche akute unmittelbare vitale Bedrohung seinerzeit beim Kläger nicht gesehen worden ist.

Bei dieser Sachlage ist es allerdings verständlich, daß Fragen, die für den Fall einer Gesundung des Klägers von erheblicher Bedeutung sein konnten, wie zum Beispiel seine spätere Möglichkeit, weitere eigene Kinder in die Welt zu setzen, für das Ärzteteam in der Urologischen Klinik von ganz nachrangiger Bedeutung waren. Laut Prof. Dr. M. stand die Frage einer Samenspende völlig im Hintergrund, sie wurde im Rahmen einer umfassenden Mittagsbesprechung des Falles des Klägers am Freitag, dem 23.8.1996, nicht diskutiert. Wenn Prof. Dr. M. weiter ausführt, die am 26.8.1996 begonnene Chemotherapie sei ein " akuter lebensrettender Eingriff gewesen, so dürfte dies einer Beurteilung aus nachträglicher Sicht entsprechen. Der Kläger sprach unmittelbar auf diese Therapie an. Aus der Aussage des Zeugen ergibt sich der Eindruck, als sei hiermit im vorhinein keineswegs zu rechnen gewesen. Prof. Dr. M. kann zwar nicht "Weissagen", was geschehen wäre, wenn mit der Chemotherapie noch einige Tage gewartet worden wäre.

Andererseits hat er eingeräumt, daß er eine Samenspende für den Kläger in die Wege geleitet hätte, wenn jener nach deutlicher Hervorhebung der ungünstigen Prognose auf einer solchen bestanden hätte. Wie sich aus der Aussage des Zeugen Prof. Dr. M. ergibt, bestand die Übung, daß die Fragen der Samenspende mit den Patienten in solchen Fällen zu diskutieren waren, in denen berechtigte Chancen auf Heilung bestanden. Bei Fällen mit schlechter Prognose - "infausten Fällen" - werde diese Frage in den Hintergrund gestellt. Daraus erklärt sich, daß der Beklagte zu 1. von sich aus im Rahmen des Aufklärungsgesprächs vom 22.8.1996 nicht auf die Möglichkeit einer Samenspende eingegangen war, daß er seine genannten Aussagen hierzu vielmehr erst auf Frage von selten des Klägers und dessen Ehefrau getroffen hat.

Diese Einstellung nimmt allerdings eine letztlich dem Patienten allein obliegende Abwägung der Durchführung einer Samenspende vor Eintritt in die Chemotherapie tendenziell vorweg. Es klingt die Haltung an, die Prognose sei so schlecht und Heilungsmaßnahmen, wenn diese überhaupt noch ansatzweise erfolgreich sein könnten, müßten so unverzüglich eingeleitet werden, daß es auf Fragen der späteren Fertilität des Patienten nur äußerst nachrangig oder überhaupt nicht ankomme. Hiergegen hat der Sachverständige durchgängig gefordert, daß prinzipiell jedem Patienten, der im Rahmen der Behandlung eines metastasierten oder extragonadalen Keimzelltumors einer chemotherapeutischen Behandlung zugeführt werde, eine Kryokonservierung des Spermas angeboten werden solle.

Die Aufklärung, welche der Beklagte zu 1. dem Kläger am 22.8.1996 erteilte, war in ihrer relativ sicheren Einschätzung der Wiedererlangung einer zeugungsgeeigneten Fertilität ein bis zwei Jahren nach Abschluß der Chemotherapie auch um deswillen unrichtig, weil schon zum damaligen Zeitpunkt in 50% der Fälle eines Keimzelltumors mit der Erforderlichkeit einer Hochdosischemotherapie zu rechnen war. Solchenfalls mußte mit einer Sicherheit von nahezu 100% davon ausgegangen werden, daß der Patient infolge der Hochdosischemotherapie unfruchtbar werde. Dies bedeutet, daß auch für den Kläger am 22.8.1996 mit einer Wahrscheinlichkeit zu letztlich 50% mit einer Hochdosischemotherapie und der nahezu zwangsläufig aus ihr hervorgehenden Infertilität zu rechnen war. Dies zeigt erst recht, daß die vom Beklagten zu 1. geleistete Aufklärung, so wie sie von den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit behauptet wird, inhaltlich grob falsch war.

Die Abgabe einer Samenspende durch den Kläger im Zeitraum vom 22.8. bis zum 28.8.1996 hätte eine Spermasubstanz ergeben, die für eine oder mehrere Invitro-Fertilisationen geeignet gewesen wäre. Dem Kläger wäre dann gewissermaßen eine externe Zeugungsfähigkeit erhalten geblieben. Diese Feststellung ist geboten, auch wenn mangels Fehlens einer solchen Samenspende des Klägers aus dem fraglichen Zeitraum deren Analyse, also die sicherere Verifizierung ihrer genügenden oder nicht genügenden Fertilität, nicht möglich ist.

Hierfür ist zum einen maßgeblich, daß die Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger in der Zeit vom 22.8.1996 an bis zum Beginn der Standardchemotherapie noch ein für eine Invitro-Fertilisation geeignetes Sperma produzieren konnte, höher ist als für die gegenteilige Annahme der bereits eingetretenen völligen Unfruchtbarkeit. Nach den statistischen Darlegungen des Sachverständigen werden in Fällen des Hodenkarzinoms für 40% der Patienten aus prächemotherapeutisch gegebenen Samenspenden noch Schwangerschaften durch autologe Inseminationen erzielt. Diese Wahrscheinlichkeit ist für den Kläger abstrakt deutlich erhöht, weil sein Tumor kein Hodenkarzinom gewesen ist, welches von vornherein die Spermaqualität einschränken kann, sondern ein extragonadal lokalisierter Keimzelltumor. Konkret kommt für den Kläger hinzu, daß er noch sechs Monate zuvor die Konzeption seiner im Dezember 1996 geborenen Tochter bewirkt hatte. Aus diesen Umständen hat der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten geschlossen, daß für den Kläger eher vom prächemotherapeutischen Vorliegen eines normalen Spermiogramms auszugehen ist. Hierbei darf nicht unbeachtet sein, daß für eine Invitro-Fertilisation eine ganz geringe Anzahl gesunder Samenzellen, womöglich nur eine einzige, ausreichen kann. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Annahme, daß der Kläger unmittelbar vor Aufnahme der Standardchemotherapie eine wenigstens für die Invitro-Fertilisierung geeignete Samenspende hätte abgeben können, noch in erheblichem Maße.

Wenn der Sachverständige gleichwohl eine definitive Aussage zur Geeignetheit des prächemotherapeutischen Spermas des Klägers für eine Konzeption nicht sicher hat treffen können, so liegt dies in der Natur der Sache. Exakte Feststellungen wären nur möglich gewesen, wenn die Samenabgabe erfolgt wäre. Das Fehlen einer entsprechenden Spermaprobe des Klägers aus der fraglichen prächemotherapeutischen Zeit führt zur Beweislosigkeit beider Parteien hinsichtlich der Frage der Fertilität jenes Spermas.

Diese Beweislosigkeit ist Folge der Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu 1. Wäre der Kläger darüber aufgeklärt worden, daß in Ansehung der möglichen Erforderlichkeit einer Hochdosischemotherapie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% von seiner späteren Unfruchtbarkeit auszugehen war, wäre ihm darüber hinaus erklärt worden, daß seine Prognose auf Heilung unabhängig davon äußerst schlecht war, er deshalb so schnell wie möglich der Standardchemotherapie zugeführt werden mußte, hätte man ihn pflichtgemäß aber darüber hinaus auch davon unterrichtet, daß ein Aufschub der Chemotherapie von zwei bis drei Tagen gegenüber dem geplanten Termin, Montag, 26. August 1996, vertretbar war, und daß in diesem Zeitraum die Abgabe einer Samenspende unter Notfallbedingungen in H. oder G. zu ermöglichen gewesen wäre, so ist im Rahmen dieser Hypothese zu erwarten, daß der Kläger sich für die Abgabe einer Samenspende entschieden hätte. Es hätte dann für ihn kein sachlicher Aspekt dafür bestanden, eine solche Samenspende zu unterlassen.

Verletzt- wie eingangs ausgeführt - eine inhaltlich unrichtige Aufklärung seitens eines Arztes unmittelbar das körperliche Selbstbestimmungsrecht des Patienten, so hat dies entsprechende Ausgleichspflichten von Arzt oder Behandlungsträger dem Patienten gegenüber zur Folge. Der Patient ist so zu stellen, wie er ohne die Pflichtverletzung gestanden haben würde. Ist durch eine ärztliche Pflichtverletzung für den Patienten beispielsweise eine Beweislosigkeit verursacht worden, so ist in den Fällen der Dokumentationspflichtverletzung eines Arztes in der Rechtsprechung anerkannt, daß dem Patienten zum Ausgleich für die hierdurch eingetretene Erschwernis, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt, um auch für die Prozeßführung eine gerechte Rollenverteilung im Arzt-/ Patientenverhältnis zu schaffen (vgl. z.B.: BGH NJW 1995,1611 ff (1612 m.w.N.)).

Dieser Konstellation steht der vorliegende Fall rechtlich gleich. Wie ausgeführt, war die Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu 1. ursächlich dafür, daß der Kläger nicht auf der Abgabe einer prächemotherapeutischen Samenspende bestand. Der von den Beklagten zu vertretende Aufklärungsmangel hat, was die Analyse der Samenspende anbelangt, die Beweislosigkeit zur Folge. In Entsprechung zu den Grundsätzen der Dokumentationspflichtverletzung durch den Arzt muß nun nicht nur unterstellt weiden, daß eine Samenspende abgegeben worden wäre, sondern im Wege der Beweiserleichterung ist auch das wahrscheinlich anzunehmende Analyseergebnis der Entscheidung zugrundzulegen. Dies ist vorliegend die Annahme der für eine Invitro-Fertilisation ausreichenden Geeignetheit einer vom Kläger prächemotherapeutisch abgegebenen Samenspende.

Diese Vermutung ist von den Beklagten widerlediglich, doch fehlen ihnen ihrerseits hierfür die Beweismittel. Im Ergebnis erweist sich hiernach die Auffassung der Zivilkammer als zutreffend, daß der Beweis für die Unergiebigkeit eines prächemothera peutischen Spermiogramms des Klägers den Beklagten obliegt.

Die nach alledem anzunehmende Körperverletzung des Klägers infolge mangelhafter Aufklärung und die hierdurch unterlassene vorsorgliche Herstellung einer externen Zeugungsfähigkeit wirkt sich für die Haftung der Beklagten allerdings nur dann aus, wenn der Kläger tatsächlich im übrigen unfruchtbar, also auch nach seinen internen körperlichen Möglichkeiten zeugungsunfähig ist.

Hiervon ist nach dem Beweisergebnis auszugehen. Soweit die Beklagten die jetzige Unfruchtbarkeit des Klägers bestreiten, ist diese schon durch die Untersuchungsergebnisse der Ärzte Dres. R und G vom 20.1. bzw. 31.1.2000 belegt (Bl.80-82 Bd.I d.A.), welche der Kläger mit Schriftsatz vom 12.5.2000 in den Rechtsstreit eingeführt hat. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.12.2000 (Bl.129-131 Bd.I d.A.) darauf verwiesen, daß für einen objektivierten Beleg der gegenwärtigen Infertilität des Klägers die Durchführung eines aktuellen Spermiogramms möglich sei, wenn die Zivilkammer dies für erforderlich halte. Im Rahmen dieser ergänzenden schriftlichen Stellungnahme haben dem Sachverständigen allerdings die Gerichtsakten mit den vorgenannten Untersuchungsergebnissen vom Januar 2000 nicht zur Verfügung gestanden. Dies folgt aus der Verfügung des Vorsitzenden der Zivilkammer vom 30.10.2000 (Bl.120R Bd. I d.A.), ausweislich deren dem Sachverständigen mit der Bitte zu einer ergänzenden Stellungnahme gemäß Beschluß vom 30.10.2000 (Bl.122 Bd.I d.A.) lediglich die Beschlußausfertigung, nicht aber die Akten zugesandt worden sind. Der Sachverständige hat aber im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat die fraglichen Befunde einer Hodenbiopsie des Klägers vom 20. bzw. 31.1.2000 eindeutig im Sinne einer auf Dauer bestehenden Zeugungsunfähigkeit beurteilt. Für ihn steht nach diesen Unterlagen mit Sicherheit fest, daß sich die Spermiogenese des Klägers nicht erholen wird. Dies alles korrespondiert mit der Erfahrung, daß eine Hochdosischemotherapie mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Infertilität des Patienten zur Folge hat.

Das dem Kläger nach alledem von den Beklagten zu leistende Schmerzensgeld beziffert der Senat im Einklang mit der Zivilkammer auf 15.000 DM. Für diese Bewertung ist vorrangig maßgeblich, daß der Kläger pflichtwidrig veranlaßt worden ist, keine Vorsorge für eine externe Zeugungsfähigkeit zu treffen. Insoweit sind Unterschiede zu Fällen, in welchen abgegebene Samenspenden, mithin die bestandene externe Zeugungsfähigkeit, zerstört werden, nicht erkennbar. Weniger entscheidend kommt es auf den Verlust der Möglichkeit einer konkreten Familienplanung des Klägers mit seiner Ehefrau an. Es ist nämlich nicht sicher, ob Frau K. bei einer autologen Insemination, das heißt im Rahmen des Versuchs einer Befruchtung mit dem Sperma ihres Ehemannes, eher zu einer Konzeption hätte gelangen können, als dies in bisher 25 Versuchen einer heterologen Insemination, die sämtlich gescheitert sind, der Fall war. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hierzu kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Versuch einer Insemination mit dem - hypothetisch - prächemotherapeutisch gewonnenen Sperma des Klägers erfolgversprechender hätte sein können als die für die Eheleute K. jetzt allein verbleibende Möglichkeit der Begründung einer Schwangerschaft mit einer fremden Samenspende. Im Gegenteil liegt die Annahme nahe, daß eine prächemotherapeutisch abgegebene Samenspende in ihren für eine Invitro-Fertilisation maßgeblichen Qualitätsmerkmalen der Samenspende eines fremden Spenders unterlegen ist, weil für letztere auf möglichst optimale Spermaeigenschaften Wert gelegt wird. Deshalb kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, daß eine Invitro-Fertilisation der Zeugin K. mit dem - hypothetisch - vor Eröffnung der Chemotherapie vom Kläger abgegebenen Sperma zu einer Schwangerschaft geführt hätte, auch wenn die Samenspende des Klägers nach den vorstehenden Ergebnissen für eine Invitro-Fertilisation hinreichend geeignet gewesen wäre. Dann kann das Fehlschlagen der Familienplanung des Klägers mit seiner Ehefrau nicht auf die Unterlassung der Abgabe einer prächemotherapeutischen Samenspende zurückgeführt werden.

Des weiteren muß im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes beachtet werden, daß das Verschulden des Beklagten zu 1. nicht als grob beurteilt werden kann. Die fehlerhafte Unterrichtung des Klägers und dessen Ehefrau über die sachlich unter allen Aspekten veranlaßte Abgabe einer Samenspende vor Aufnahme der Standardchemotherapie durch den Beklagten zu 1. ist von dem Sachverständigen durchgängig als nicht grobes Verschulden beurteilt worden. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Angesichts der lebensbedrohlichen Erkrankung des Klägers mit der aus Sicht vom 22.8.1996 fast völlig aussichtslosen Prognose ist es - wie ausgeführt - sachlich ohne weiteres nachvollziehbar, daß für die Ärzte der Beklagten zu 2. zu jenem Zeitpunkt die Fragen einer späteren Fertilität des Klägers und der zukünftigen Familienplanung der Eheleute K. nicht maßgeblich beachtet wurden. Die entscheidende Ursache für die gesamte Entwicklung liegt in der schweren Erkrankung des Klägers selbst, in welcher sich sein eigenes Lebensrisiko realisierte. Die Bemühungen der Beklagten waren darauf konzentriert, das Leben des Klägers zu retten, was das Gewicht des festgestellten Aufklärungsfehlers als ärztlicher Behandlungsfehler deutlich relativiert. Auch der Umstand, daß die Bemühungen der Beklagten zweifellos einen maßgeblichen Anteil daran haben, daß der Kläger die Erkrankung bis heute überlebt hat, darf im Rahmen der Bezifferung des Schmerzensgeldes, welches als billige Entschädigung in Geld - so der Wortlaut von § 847 Abs.1 BGB - von allen nach Treu und Glauben beachtlichen Umständen des Falles geprägt wird, nicht unberücksichtigt bleiben. Hinzukommt, daß dem Kläger durch die Vorenthaltung der Möglichkeit zur Begründung einer externen Zeugungsfähigkeit eigene Kinder nicht versagt geblieben sind, denn er hat mit seiner Ehefrau zusammen die im Dezember 1996 geborene Tochter.

In Abwägung all dieser Punkte erreicht die Höhe des vorliegend angemessenen Schmerzensgeldes nicht den Betrag von 25.000 DM, der im Falle der schuldhaften Vernichtung einer vorsorglich für eine vorhersehbare Unfruchtbarkeit abgegebenen und konservierten Samenspende eines Spenders, der sich hiermit die Möglichkeit erhalten wollte, überhaupt mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Kind zu haben, als angemessen angenommen worden ist (vgl.: BGH NJW 1994,127 f). Zwar ist in beiden Fällen das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Patienten in gleichem Maße verletzt. Doch kann sich der Kläger im Gegensatz zu dem vorgenannten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Elternschaft einer eigenen Tochter zusammen mit seiner Ehefrau erfreuen, so daß sein Wunsch, eigene Kinder zu haben, nicht grundsätzlich unerfüllt geblieben ist. Andererseits ist ihm die Möglichkeit genommen worden, in Zukunft jedenfalls in den Grenzen einer für die Invitro-Fertilisation geeigneten Samenspende extern zeugungsfähig zu sein. Dies alles rechtfertigt ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM.

Materieller Schadensersatz steht dem Kläger nur für die vier ersten fehlgeschlagenen Versuche einer heterologen Insemination seiner Ehefrauen zu, und zwar für diejenigen vom 30.5., 1.7., 28.7. und 24.8.1998. Hierfür schulden die Beklagten dem Kläger die Erstattung der Arzt- und Behandlungskosten in Höhe von jeweils 500 DM und der hierauf entfallenden Fahrtkosten nach B. N. in Höhe von 752,96 DM (Hin- und Rückfahrt: 362 km x 4 Fahrten = 1.448 km; x 0,52 DM = 752,96 DM). Die Beklagten haben dem vertiefenden Vorbringen des Klägers im Berufungsrechtszug, eine näher gelegene Arztpraxis, in der die Bereitschaft zur Durchführung der heterologen Insemination der Zeugin K. bestanden hätte, habe nicht ausfindig gemacht wenden können, nicht mehr widersprochen. Hinzukommen die Fahrtkosten der Zeugin K. zu Dr. V. in W., der nach dem unstreitigen Sachverhalt zur Bestimmung der geeigneten Konzeptionszeitpunkte herangezogen worden war. Der Kläger hat die Anzahl dieser Fahrten nach W. im Zusammenhang mit 8 Inseminationsversuchen in der Klageschrift mit 34 angegeben. Dies haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt. Für die zu seinen Gunsten berücksichtigungsfähigen lediglich 4 Inseminationsversuche ist diese Anzahl auf 17 zu halbieren. Hieraus folgt ein Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung für die Strecke Sch. - W. in Höhe von 335,92 DM (17 Fahrten zu je 38 km = 646 km x 0,52 DM = 335,92 DM). Die Summe der erstattungspflichtigen Behandlungs- und Fahrtkosten beläuft sich auf 3.088,88 DM (2.000,00 + 752,96 + 335,92 DM).

Ein darüber hinausgehender Anspruch des Klägers auf Tragung der Kosten für heterologe Inseminationsversuche besteht nicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen würde kein verantwortungsvoller Mediziner mehr als fünf Versuche unternehmen, eine heterologe Invitro-Fertilisierung herbeizuführen. In seinem Krankenhaus lehnen es die Gynäkologen ab, mehr als vier heterologe Inseminationen vorzunehmen, um eine Schwangerschaft herbeizuführen. Dies entspricht der Wertung des Gesetzgebers hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsfähigkeit von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung gemäß § 27a Abs.1 Nr. 2 letzter Halbsatz SGB V. Nach dieser Vorschrift besteht eine hinreichende Aussicht dahin, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann, in der Regel nicht mehr, wenn die fragliche Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Demnach aussichtslose weitere Inseminationsversuche können nicht auf Kosten der Beklagten unternommen werden.

Der Feststellungsantrag scheitert, weil nicht sicher davon ausgegangen werden kann, daß eine Schwangerschaft der Zeugin K. im Wege einer Invitro-Fertilisierung mit einer prächemotherapeutischen Samenspende des Klägers hätte herbeigeführt werden können, selbst wenn das so gewonnene Sperma grundsätzlich für eine Invitro-Fertilisierung geeignet gewesen wäre.

Der Zinsanspruch des Klägers ist gemäß §§ 288 Abs.1 Satz 1, 284 Abs.1 Satz 1 BGB aF mit 4% seit dem 16. Januar 1999 begründet.

Die Kostenentscheidung entspricht gemäß § 92 Abs.1 ZPO dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO aF.

Der Wert der Beschwer der Parteien ist gemäß § 546 Abs.2 ZPO aF festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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