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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 25 U 225/00
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 2 III (2)
1. Bei Bandscheibenschäden besteht nur ausnahmsweise Versicherungsschutz in der privaten Unfallversicherung nach den AUB 88.

2. Es liegt erfahrungsgemäß fern, dass ein äußeres Ereignis die überwiegende Ursache eines Bandscheibenschadens war, wenn die entsprechende Körperregion keiner unmittelbaren Gewalteinwirkung mit äußeren Verletzungen oder Frakturen ausgesetzt war. Das gilt erst recht, wenn der Versicherungsnehmer (VN) schon vor jenem Ereignis degenerative Veränderungen am fraglichen Wirbelsäulensegment aufwies.

3. Unter solchen Voraussetzungen trägt der VN die Beweislast für einen Ausnahmefall im Sinne von § 2 III (2) AUB 88.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN 25. ZIVILSENAT IN KASSEL IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

25 U 225/00

Verkündet am 18.02.2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 25. Zivilsenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 12. September 2000 wird zurückgewiesen.

Die durch das Rechtsmittel verursachten Kosten hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt 7.669,38 ? (Ursprungsbetrag: 15.000,-- DM).

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger aufgrund eines zwischen ihnen geschlossenen Unfallversicherungsvertrages eine Invaliditätsentschädigung zu gewähren hat.

Der Kläger hatte sich bei der Beklagten gegen Unfälle in Freizeit und Beruf versichert.

Vertragsbestandteil waren die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 1988 (AUB 88). Für berufliche Unfälle betrug ab 01. Februar 1993 die Versicherungssumme bei Invalidität mit Progression 50.000 DM.

Seit März 1990 war der Kläger in einem Betrieb in B.-F. beschäftigt und dort im Bereich der Tiegelherstellung tätig. Am 27. September 1993 hatte der Kläger einen etwa 1,60 Meter hohen und ca. 200 kg schweren Schmelztiegel zu einer Arbeitsbühne gefahren und dort abgestellt, als er unmittelbar darauf bemerkte, dass dieser Tiegel ins Kippen geraten war. Daraufhin fing er den Schmelztiegel mit beiden Armen auf.

Anschließend richtete er den Tiegel - insoweit nach seinen Angaben bei der persönlichen Anhörung im Berufungsverfahren auch unter Zuhilfenahme seiner Brust wieder auf.

Seit diesem Ereignis klagte der Kläger über Schmerzen vor allem im Schulter- und Nackenbereich und begab sich in orthopädische Behandlung. Am 2. November 1993 wurde seine Halswirbelsäule in der Praxis der Radiologin Dr. H. in Es. mittels Computertomographie untersucht. Frau Dr. H. beurteilte den Befund dahin, dass im Bereich der Halswirbel 5/6 einerseits ein Bandscheibenvorfall vorliege, andererseits aber auch erhebliche degenerative Veränderungen vorhanden seien. Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls im Segment C 5/6 wurde auch bei nachfolgenden weiteren Untersuchungen bestätigt. Dabei wurde der Bandscheibenvorfall teilweise als traumatisch bedingt bewertet. Während einer stationären Krankenhausbehandlung im März 1994 wurde der Bandscheibenvorfall operativ dekomprimiert und stabilisiert.

Unter dem 15. April 1994 begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung wegen der Folgen des Vorfalls vom 27. September 1993.

Nach längerer Prüfung dieses Antrags und Einholung eines außergerichtlichen Gutachtens lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Dezember 1997 schließlich die Gewährung von Leistungen ab, weil das Ereignis vom 27. September 1993 nicht als maßgebliche Ursache des Bandscheibenvorfalls bzw. der Beschwerden des Klägers angesehen werden könne.

Demgegenüber hat der Kläger zur Begründung seiner Klage behauptet, der Bandscheibenvorfall sei allein auf das Ereignis vom 27. September 1993 zurückzuführen und habe innerhalb eines Jahres zu einem Invaliditätsgrad von 30 % geführt.

Nach teilweiser Rücknahme der anfangs weitergehenden Klage hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter anderem in Abrede gestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 27. September 1993 um einen "Unfall" im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt habe, und auch weiter die Ursächlichkeit dieses Ereignisses für den Bandscheibenvorfall bestritten. Ferner hat sie sich darauf berufen, dass unfallbedingte Invalidität nicht innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt wurde.

Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 178 - 188 Bd. I d. A.), hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Bei dem Vorfall vom 27. September 1993 habe es sich zwar entgegen der Auffassung der Beklagten um ein Unfallereignis gehandelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (fachorthopädisches Gutachten des Sachverständigen Dr. med. S. vom 17. Februar 2000 nebst mündlicher Erläuterung und Ergänzung vom 12. September 2000) lasse sich jedoch nicht feststellen, dass der Kläger infolge des Unfallereignisses eine Gesundheitsschädigung erlitten habe. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen habe der Kläger bereits anlagebedingte Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule aufgewiesen, und das Ereignis vom 27. September 1993 sei für sich genommen nicht in der Lage gewesen, einen Bandscheibenvorfall auszulösen; das Ereignis habe allenfalls eine akute Schmerzsymptomatik ausgelöst, könne aber nicht als Invaliditätsursache angesehen werden. Ž Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger die Klageforderung (nunmehr: 7.669,38 Euro) unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihrer Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch das angefochtene Urteil.

Im Berufungsrechtszug ist Beweis erhoben worden durch Einholung ergänzender schriftlicher gutachterlicher Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. med. S. vom 24. Januar 2002 (Bl. 298 - 300 Bd. II d. A.) und vom 3. September 2002 (Bl. 325, 326 Bd. II d. A.), auf deren Inhalt verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zwar statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

In der Sache kann das Rechtsmittel aber keinen Erfolg haben, weil sich das angefochtene Urteil unter Berücksichtigung der Ergebnisse der ergänzenden Beweisaufnahme im zweiten Rechtszug als zutreffend erweist.

Unabhängig von den weiteren Streitpunkten zwischen den Parteien scheitert der vom Kläger erhobene Anspruch jedenfalls daran, dass das Ereignis vom 27. September 1993 nicht als wesentliche Ursache der vom Kläger geklagten gesundheitlichen Beschwerden angesehen werden kann.

Nach § 2 III (2) der AUB 88, die unstreitig Bestandteil der Vertragsbeziehung der Parteien sind, sind unter anderem Schädigungen an Bandscheiben grundsätzlich vom Versicherungsschutz in der Unfallversicherung ausgenommen.

Versicherungsschutz besteht nur, wenn ein Unfallereignis im Sinne des § 1 III AUB 88 die überwiegende Ursache des Bandscheibenschadens ist. Diese Regelung dient der Abgrenzung von Versicherungsrisiken, die in der Regel der Krankenversicherung zuzuordnen sind, von solchen, die typischerweise in den Bereich der Unfallversicherung gehören (vgl. OLG Oldenburg, VersR 1997, 821). Diese Abgrenzung trägt der Erfahrungstatsache Rechnung, dass unter anderem die in § 2 III (2) AUB 88 aufgeführten Gesundheitsschädigungen ihre Ursachen in aller Regel im Krankheitsbereich haben oder - mit anderen Worten - in der Regel auf konstitutionsbedingte Besonderheiten des einzelnen Versicherungsnehmers zurückzuführen sind (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.; Wussow/Pürckhauer, AUB, 6. Aufl., § 2 Rdnr. 10). Insbesondere Bandscheibenschäden entstehen erfahrungsgemäß nur selten durch traumatische Einwirkungen, zumeist dagegen durch natürliche Gewebealterung und vorzeitigen Verschleiß (vgl. Wussow/Pürckhauer, a. a. O., § 2 Rdnr. 96). Diese Erfahrungstatsache hat sich auch in Rechtsstreitigkeiten über die Einstandspflicht von Unfallversicherern bei Bandscheibenschäden immer wieder als richtig bestätigt (vgl. aus der Rechtsprechung zum Beispiel OLG Oldenburg, a. a. O.; OLG Schleswig VersR 1995, 825 = RuS 1995, 119; OLG Frankfurt/Main VersR 1996, 1355). Es ist deshalb sachlich gerechtfertigt, bei Bandscheibenschädigungen nur ausnahmsweise Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren, nämlich dann, wenn im Einzelfall - abweichend von der Regel - nicht vor allem körperinterne Vorgänge von Krankheitswert für die Schädigung ursächlich waren, sondern diese allein oder zumindest überwiegend durch einen Unfall, d. h. durch ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (§ 1 III AUB 88), verursacht worden sind (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.). Der Versicherungsschutz für Bandscheibenschäden hat in der Unfallversicherung - mit anderen Worten - zur Voraussetzung, dass ein von außen wirkendes Unfallereignis der Hauptfaktor des Gesundheitsschadens war (vgl. Wussow/Pürckhauer, a. a. O., § 2 Rdnr. 97). Ein Anzeichen für eine in diesem Sinne überwiegende Beteiligung einer traumatischen Einwirkung kann insbesondere darin liegen, wenn der Bereich der Wirbelsäule, wo die Bandscheiben geschädigt wurden, deutliche Spuren äußerer (Gewalt-)Einwirkung aufweist (vgl. Wussow/Pürckhauer, a. a. O., § 2 Rdnr. 97). Traumatisch bedingte Bandscheibenvorfälle im unfallversicherungsrechtlichen Sinne (d. h. ohne wesentliche Mitwirkung degenerativer Vorschäden an den Bandscheiben bzw. an der Wirbelsäule) setzen nämlich in aller Regel eine unmittelbare Gewalteinwirkung auf den betroffenen Körperbereich voraus, die auch zu weiteren Verletzungen wie etwa Frakturen führen (vgl. OLG Schleswig, a. a. O.).

Nicht in den Schutzbereich der Unfallversicherung fallen demgegenüber solche Bandscheibenschädigungen, die nur bei Gelegenheit eines äußeren Ereignisses eingetreten sind, etwa bei einer besonderen Kraftanstrengung (vgl. OLG Frankfurt/Main VersR 1996, 1355), bei eine m Sturz (vgl. OLG Schleswig VersR 1995, 825) oder wie hier -bei dem Versuch, einen in Bewegung geratenen schweren Gegenstand festzuhalten bzw. abzufangen (vgl. OLG Frankfurt/Main VersR 1994, 1055 = RuS 1994, 233). Für das Bestehen von Versicherungsschutz in der Unfallversicherung ist insbesondere nicht entscheidend, dass der Versicherungsnehmer subjektiv die aufgetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Unfallfolge erlebt, weil er bis zu einem bestimmten äußeren Ereignis beschwerdefrei war (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.). Maßgebend ist vielmehr, ob das vom Versicherungsnehmer als verantwortlich empfundene äußere Ereignis auch bei einer Person ohne degenerative Vorschäden an der Wirbelsäule bzw. den Bandscheiben zu einem Gesundheitsschaden geführt hätte (vgl. OLG Frankfurt/Main VersR 1994, 1055) oder ob es nur - im Sinne einer "Gelegenheitsursache" - von den vorgeschädigten Bandscheiben ausgehende Beschwerden hat akut werden lassen (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.; OLG Schleswig, a. a. O.). Die letztgenannte Möglichkeit ist auch durchaus nicht ungewöhnlich, denn erfahrungsgemäß kommt es häufig vor, dass sich degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule bzw. an den Bandscheiben für den Betroffenen zunächst nicht bemerkbar machen und erst anlässlich eines letztlich beliebigen Alltagsereignisses, wie zum Beispiel bei einer ungewöhnlichen Bewegung, zu klinischen Symptomen wie Schmerzen und anderen Beschwerden führen (vgl. OLG Oldenburg und OLG Schleswig, jeweils a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen lässt sich hier nicht feststellen, dass der Bandscheibenvorfall, den der Kläger erlitten hat, ein durch die Unfallversicherung abgedecktes Schadensereignis war. Schon der äußere Ablauf des vom Kläger für verantwortlich gehaltenen Ereignisses spricht gegen einen traumatischen Bandscheibenvorfall im eigentlichen Sinne. Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2001 hat er Schmerzen bereits verspürt, als er den kippenden Schmelztiegel mit seinen Armen abfing. Eine unmittelbare Gewalteinwirkung von außen auf die Wirbelsäule, insbesondere eine solche, die zu weitergehenden und äußerlich sichtbaren Verletzungen des Körpers oder gar zu Frakturen geführt hat, hat nicht stattgefunden. Damit fehlt es hier nach dem oben Gesagten bereits an einem wesentlichen Anzeichen für einen ausschließlich oder jedenfalls überwiegend durch ein äußeres Ereignis verursachten Gesundheitsschaden. Vielmehr weist der vom Kläger vorgetragene äußere Ablauf unter Berücksichtigung der oben genannten Erfahrungstatsachen schon eher darauf hin, dass das Ereignis vom 27. September 1993 bei einem Menschen ohne Vorschädigungen im Wirbelsäulenbereich keine derartigen Folgen gehabt hätte und beim Kläger nur deshalb schmerzhafte Beschwerden und Beeinträchtigungen ausgelöst hat, weil seine Wirbelsäule schon vorher nicht mehr gesund war.

Die Ergebnisse der durchgeführten Begutachtung haben diesen Eindruck bestätigt. Der Sachverständige Dr. S. ist bereits im ersten Rechtszug zu dem Ergebnis gekommen, dass allein das Abfangen des kippenden Schmelztiegels nicht geeignet war, den vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsschaden auszulösen. Daran hat sich durch die ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme im Berufungsrechtszug nichts geändert. Es kann im Gegenteil nunmehr als gesichert gelten, dass der Kläger schon vor dem Vorfall vom 27. September 1993 erhebliche degenerative Veränderungen im Wirbelsäulensegment C 5/6 aufwies. Denn der Sachverständige Dr. S., der im ersten Rechtszug den entsprechenden Befund der Radiologin Dr. H. vom 2. November 1993 ungeprüft seiner Beurteilung zugrunde gelegt hatte, hat im zweiten Rechtszug die computertomographischen Aufnahmen vom 2. November 1993 nunmehr selbst befundet und ist dabei zum selben Ergebnis gekommen wie seinerzeit schon Frau Dr. H.. Er ist darüber hinaus zu dem einleuchtenden Ergebnis gelangt, dass die degenerativen knöchernen Veränderungen so ausgeprägt waren, dass sie auf keinen Fall erst innerhalb der rund 5 Wochen zwischen dem Ereignis vom 27. September 1993 und der Fertigung der computertomographischen Aufnahmen am 2. November 1993 entstanden sein können.

Zweifel an diesen gutachterlichen Feststellungen vermag das Gericht ungeachtet der vom Kläger vorgebrachten Einwendungen nicht zu erkennen. Soweit der Kläger die Richtigkeit der Befundbeurteilung durch Frau Dr. H. von Anfang November 1993 unter Hinweis auf drei Jahre später erhobene Röntgenbefunde bezweifelt hat (Schriftsatz vom 25. März 2002), hat das Gericht bereits mit Beschluss vom 27. Juni 2002 (dort: Ziffer II) darauf hingewiesen, dass dieser Einwand wegen der in der Zwischenzeit (im März 1994) durchgeführten Operation im fraglichen Wirbelsäulensegment nicht stichhaltig ist. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (Bl. 317/318 Bd. II d. A.).

Auch der Einwand des Klägers, dass er vor dem 27. September 1993 nie wegen Bandscheibenschäden behandelt wurde, stellt das Gutachten nicht in Frage. So lange der Kläger keine spürbaren Beschwerden hatte, was für die Zeit vor dem 27. September 1993 durchaus zutreffend sein mag, bestand für Behandlungen der - bis dahin nicht entdeckten - Veränderungen an der Wirbelsäule keine Veranlassung. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, es seien allerdings vor dem 27. September 1993 auch nie degenerative Veränderungen seiner Wirbelsäule festgestellt worden, obwohl er "immer wieder gründlichst" untersucht worden sei (Schriftsatz vom 21. Oktober 2002), erweist sich auch das nicht als stichhaltig. Denn auf Nachfrage (Verfügung vom 24. Oktober 2002; Bl. 336 R. Bd. II d. A.) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. November 2002 klar gestellt, dass in der Zeit vor dem Ereignis vom 27. September 1993 keine röntgenologischen oder computertomographischen Befunde im Hinblick auf seine Halswirbelsäule erhoben worden sind. Unter dieser Voraussetzung kann keine Rede davon sein, dass trotz gezielter Diagnostik degenerative Veränderungen vor dem 27. September 1993 nicht feststellbar gewesen seien. Dementsprechend ist auch kein Widerspruch zwischen dem Befund vom 2. November 1993 und der Vorgeschichte feststellbar. Denn aus den oben schon genannten Gründen kommt es erfahrungsgemäß häufig vor, dass sich bis dahin unentdeckt gebliebene degenerative Wirbelsäulenveränderungen erst anlässlich eines bestimmten Ereignisses durch entsprechende Symptome manifestieren. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. werden auch dadurch nicht nachhaltig in Frage gestellt, dass einige der Ärzte, die nach dem 27. September 1993 mit der Behandlung des Klägers befasst waren, den Bandscheibenschaden als "traumatisch" bewertet haben, wenn man das - wie es auch der Kläger selbst tut (Schriftsatz vom 21. Oktober 2002) -in dem Sinne versteht, dass das Ereignis vom 27. September 1993 das auslösende Moment war, durch das ein klinisches Erscheinungsbild überhaupt erst zum Vorschein kam. Denn das allein löst - selbst wenn der Kläger bis zum 27. September 1993 beschwerdefrei gewesen ist -aus den oben genannten Gründen noch keine Leistungsansprüche aus der Unfallversicherung aus. Hierfür reicht es - wie gesagt -nicht aus, wenn erst durch ein äußeres Ereignis klinische Symptome wie Schmerzen in Erscheinung getreten sind, weil das allein das äußere Ereignis noch nicht zur überwiegenden Ursache des Gesundheitsschadens macht. Dass der Vorfall vom 27. September 1993 mehr als nur das auslösende Moment für Beschwerden war, lässt sich im übrigen den früheren ärztlichen Äußerungen auch nicht entnehmen, weil diese - im Unterschied zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen - keine Auseinandersetzung mit den durch das Computertomogramm vom 2. November 1993 dokumentierten degenerativen Veränderungen erkennen lassen.

Im übrigen hat auch der Sachverständige Dr. S. bei seiner Beurteilung keineswegs verkannt, dass das Ereignis vom 27. September 1993 in dem letztlich auch vom Kläger geltend gemachten Sinne das auslösende Moment seiner Beschwerden gewesen sein kann. Bereits bei seiner Anhörung durch das Landgericht am 12. September 2000 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass das Ereignis vom 27. September 1993 durchaus zu einer weiteren Verengung des Nervendurchgangs geführt und dadurch (erst) Schmerzempfinden beim Kläger ausgelöst haben kann. Er hat indes auch darauf hingewiesen, dass dieses plötzlich auftretende Schmerzempfinden keinen Beleg dafür liefert, dass es erst in diesem Moment zu einer Schädigung gekommen ist; denn es gebe einen erheblichen Prozentsatz von Männern, bei denen bereits bestehende Bandscheibenschäden zunächst ohne entsprechende Schmerzsymptomatik blieben und daher zunächst auch nicht wahrgenommen würden. Diese Ausführungen decken sich mit Erfahrungstatsachen, die sich nach dem oben Gesagten bei Streitigkeiten über die maßgebliche Ursache von Bandscheibenschäden bereits vielfach als richtig erwiesen haben. Deshalb erscheinen die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit plausibel und einleuchtend. Nach alledem bleibt zumindest offen, ob das Ereignis vom 27. September 1993 die überwiegende Ursache des vom Kläger erlittenen Bandscheibenvorfalls war. Das geht zu Lasten des Klägers, der nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen für den von ihm erhobenen Anspruch nachweisen muss. Dafür, dass ein Gesundheitsschaden durch ein unter den Versicherungsschutz fallendes Unfallereignis verursacht worden ist, ist grundsätzlich der Versicherungsnehmer voll beweispflichtig (vgl. BGH NJW 1993, 201; OLG Frankfurt/Main VersR 1996, 1355). Auch soweit bestimmte Arten von Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht dem Versicherungsschutz in der Unfallversicherung unterliegen und nur ausnahmsweise entschädigt werden, trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen eines ihm günstigen Ausnahmefalles (vgl. OLG Hamburg, RuS 1990, 102). Das gilt auch im Hinblick auf die hier maßgebliche Regelung in § 2 III (2) AUB 88. Denn danach sind unter anderem Schädigungen an den Bandscheiben grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen, es sei denn sie wurden überwiegend durch ein Unfallereignis verursacht. Es handelt sich also um einen Ausschlusstatbestand mit Ausnahmeregelung, so dass der Versicherungsnehmer das Vorliegen der Tatsachen beweisen muss, die zur Anwendung der für ihn günstigen Ausnahmeregelung führen (vgl. Wussow-Pürckhauer, a. a. O., § 2 Rdnr. 10 und Rdnr. 97; anderer Ansicht Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 AUB 88 Rdnr. 39, jedoch ohne überzeugende Begründung und zudem in Widerspruch zur Beurteilung der Beweislastverteilung bei anderen Regel-Ausnahme-Bestimmungen in § 2 AUB 88, vgl. a. a. O. Rdnrn. 21, 35 und 38). Unabhängig davon dürften die Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme sogar die Feststellung rechtfertigen, dass das Ereignis vom 27. September 1993 definitiv nicht die überwiegende Ursache des Gesundheitsschadens war, sondern lediglich im Sinne einer Gelegenheitsursache klinische Symptome hervorgerufen hat, für die in erster Linie die vorhanden gewesenen degenerativen Vorschädigungen verantwortlich sind.

Da die Berufung nach alledem keinen Erfolg haben konnte, hat der Kläger die durch das Rechtsmittel verursachten Kosten zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO n. F., 26 Nr. 8 EGZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.) sind nicht erkennbar.

Der Rechtssache kommt keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu; insbesondere wirft sie keine ungeklärten Rechtsfragen auf. Ausschlaggebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des einzelnen Falles, insbesondere im Hinblick auf den Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden.

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer erschien im Hinblick auf das Übergangsrecht in § 26 Nr. 8 EGZPO angezeigt.

Ende der Entscheidung

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