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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 01.10.2003
Aktenzeichen: 25 W 58/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 1 S. 1
ZPO § 42
Die Äußerungen eines Sachverständigen in einem schriftlichen Gutachten: "Die Einwände des Beklagten zeugten von einer gewissen Uneinsichtigkeit und eines Besserwissens" sowie eine bestimmte Behauptung des Beklagten sei "schon eine idiotische Behauptung", sind geeignet, den Eindruck zu erwecken, der Sachverständige sei gegenüber dem Beklagten befangen. (ZPO 42: ZPO 406)
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN 25. Zivilsenat in Kassel BESCHLUSS

25 W 58/03

Entscheidung vom 01.10.2003

In dem Rechtsstreit

....

hat der 25. Zivilsenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 1. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 9. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Kassel vom 19. August 2003, durch welchen der Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen X zurückgewiesen worden ist, aufgehoben.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen X wird für begründet erklärt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 406 Abs. 2 ZPO), fristgerecht erhoben und auch sonst zulässig.

Das Ablehnungsgesuch ist auch begründet. Der Sachverständige X hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 30. Juni 2003 durch die Formulierungen,

- die Einwände des Beklagten zu Punkt 11 des Erstgutachtens zeugten von "einer gewissen Uneinsichtigkeit und eines Besserwissens",

- sowie, dass ein Kantholz von 8 x 20 cm Dicke mit einer 7 cm langen Elektrode gemessen werden müsse, sei "schon eine idiotische Behauptung",

gegenüber dem Beklagten den Eindruck erweckt (§§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO), er sei zum Nachteil des Beklagten befangen. Die zitierten Formulierungen stellen, wie der Sachverständige inzwischen selbst mit dem Ausdruck des Bedauerns eingeräumt hat, Entgleisungen dar, die einem zu Objektivität und Neutralität - auch in der Ausdrucksweise - verpflichteten Sachverständigen jedenfalls in einem schriftlichen Gutachten nicht unterlaufen sollten.

Diese Formulierungen stellen sich objektiv als Ausdruck einer Aversion gegen den Beklagten dar, weil sie ihn als uneinsichtig, besserwisserisch und intellektuell krass defizitär beschreiben. Insofern liegen Gründe vor, die ein Misstrauen des Beklagten gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO).

Diese - nicht in einer möglicherweise lebhaften Verhandlung aufgrund einer augenblicklichen Erregung gesprochenen, sondern in einem schriftlichen Gutachten niedergelegten und auch bei Korrektur des Gutachtens nicht entfernten - Formulierungen sind schließlich auch nicht etwa durch entsprechende, persönlich abwertende Angriffe des Beklagten gegen den Gutachter provoziert worden. Sie lassen sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht als drastische bzw. handfeste Ausdrucksweise unter Handwerkern erklären. Denn bei einem im Gerichtsauftrag erstellten schriftlichen Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handelt es sich nicht um einen Disput unter Handwerkern auf dem Bau, wo möglicherweise auch beleidigende Formulierungen als nicht wirklich ernst gemeinte Drastik akzeptiert werden.

Schließlich vermögen auch die Entschuldigung des Sachverständigen in seinem Schreiben vom 05.08.2003 sowie seine Versicherung, dass er die Einwände des Beklagten gleichwohl unvoreingenommen behandelt habe, den durch die Wortwahl im Ergänzungsgutachten einmal entstandenen Eindruck der Voreingenommenheit nicht wieder aufzuheben. Der Sachverständige teilt selbst in diesem Schreiben mit, die "Falschbehauptungen" des Beklagten hätten ihn während des Diktates so erregt, dass seine Wortwahl entgleist sei.

Mithin bestand gerade auch während der Abfassung des Gutachtens die affektive Aversion des Sachverständigen gegen den Beklagten, welche den - für eine Ablehnung ausreichenden - Schein der Voreingenommenheit des Sachverständigen begründet und die Objektivität der unter dem Eindruck dieser inneren Haltung verfassten gutachtlichen Äußerung als fraglich erscheinen lässt.



Ende der Entscheidung

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