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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.11.2007
Aktenzeichen: 26 SchH 3/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1035 Abs. 4
ZPO § 1039 Abs. 1
ZPO § 1056 Abs. 3
Nach Aufhebung eines das Verfahren abschließenden Schiedsspruchs kommt eine Fortsetzung des Schiedsverfahrens mit dem "alten" Schiedsgericht nicht in Betracht. Für einen ausgeschiedenen Schiedsrichter ist deshalb auch kein Ersatzschiedsrichter zu bestellen. Den Parteien bleibt es unbenommen, ein neues Schiedsverfahren einzuleiten.
Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Ernennung eines Schiedsrichters für den Antragsgegner; dieser beantragt seinerseits festzustellen, dass das vom Antragsteller eingeleitete schiedsgerichtliche Fortsetzungsverfahren unzulässig bzw. das Amt der bisherigen Schiedsrichter beendet ist.

Die Parteien betrieben in der Form einer BGB-Gesellschaft eine Rechtsanwaltssozietät. Mit Datum vom 30.03.2000 schlossen sie eine Schiedsvereinbarung, nach deren Nr. 2 ein Schiedsgericht über alle Streitigkeiten im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs entscheiden soll. In einem ersten Schiedsverfahren zwischen den Parteien erging am 14.05.2002 ein Schiedsspruch, über dessen Vollstreckbarerklärung das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 26.06.2003 befand. Durch eine weitere Schiedsklage des Antragstellers vom 22.12.2003 wurde ein neues Schiedsverfahren zwischen den Parteien eingeleitet; der in diesem Verfahren ergangene Schiedsspruch vom 29.04.2005 wurde mit Beschluss des erkennenden Senates vom 30.03.2006 (26 Sch 12/05) in Höhe eines Teilbetrages zu Gunsten des Antragstellers für vollstreckbar erklärt; im übrigen wurde der Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruches zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 13.04.2006 begehrte der Antragsteller gegenüber dem Schiedsgericht die Fortsetzung des Schiedsverfahrens. Der Antragsgegner widersprach der Durchführung bzw. Fortsetzung des Schiedsverfahrens und rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. In der Folgezeit lehnte der Antragsgegner die Schiedsrichter auch wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Ein entsprechender Antrag wurde vom Senat mit Beschluss vom 21.02.2007 (26 Sch 17/06) zurückgewiesen.

Nachdem der vom Antragsgegner benannte Schiedsrichter A sein Amt zwischenzeitlich aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte, forderte der Antragsteller den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 01.03.2007 auf, einen Ersatzschiedsrichter zu benennen. Dies ist bislang nicht geschehen.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass das Schiedsverfahren und damit auch das Amt der bisher bestellten Schiedsrichter noch nicht beendet sei, da das Schiedsgericht noch keine vollständige und endgültige Entscheidung getroffen habe, sondern nur über einen Teil der geltend gemachten Ansprüche befunden habe. Das alte Schiedsverfahren sei daher mit den bestellten Schiedsrichtern fortzusetzen. Lediglich anstelle des ausgeschiedenen Schiedsrichters . A sei für den Antragsgegner ein Ersatzschiedsrichter zu bestellen. Sodann habe zunächst das Schiedsgericht über die Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden (§ 1040 ZPO).

Der Antragsteller beantragt,

für den Antragsgegner einen Schiedsrichter zu bestellen.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Antrag zurückzuweisen;

2. festzustellen, dass das vom Antragsteller eingeleitete schiedsgerichtliche Fortsetzungsverfahren unzulässig ist, hilfsweise festzustellen, dass das Amt der bisherigen Schiedsrichter, Vorsitzender Richter am Landgericht B und Rechtsanwalt C, beendet ist.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antrag zu 2. zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass das Schiedsverfahren nach Erlass des Schiedsspruches und der Entscheidung des Senates vom 30.03.2006 beendet sei. Eine Fortsetzung des Verfahrens komme nicht in Betracht, weil der Senat von der Möglichkeit nach § 1059 Abs. 4 ZPO keinen Gebrauch gemacht habe. Der Fortsetzungsantrag des Antragstellers könne auch nicht in eine neue Schiedsklage umgedeutet werden. Im Übrigen komme ein Schiedsverfahren ohnehin nicht mehr in Betracht, nachdem die Schiedsvereinbarung von ihm gekündigt worden sei; dies wirke sich auch auf die Fortsetzung des Verfahrens aus. Zudem sei die Schiedsabrede verbraucht, da der Antragsteller ein Schiedsgericht angerufen habe, deren Amt bereits beendet war. Dieses Gericht habe das Verfahren trotz seines Widerspruches fortgesetzt und sei wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch befangen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 03.07.2007 (Bl. 1 ff d.A.), 09.08.2007 (Bl. 52 ff d.A.) und 06.09.2007 (Bl. 60 ff d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Antragsgegners vom 25.07.2007 (Bl. 37 ff d.A.), 17.08.2007 (Bl. 57 ff d.A.) und 21.09.2007 (Bl. 69 ff d.A.), jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters ist zulässig (§§ 1039 Abs. 1, 1035 Abs. 4 ZPO). Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1035 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Schiedsrichters für eine Schiedspartei durch das staatliche Gericht derzeit nicht vorliegen.

Nach § 1039 Abs. 1 S. 2 ZPO kommt eine Ersatzschiedsrichterbestellung durch das staatliche Gericht in Betracht, wenn ein Schiedsrichter nach Konstituierung des Schiedsgerichts ausgefallen ist und die Partei, die für die Benennung des ausgeschiedenen Schiedsrichters zuständig war, ihrer diesbezüglichen Verpflichtung zur Benennung eines neuen Schiedsrichters nicht nachkommt. Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor, da das schiedsgerichtliche Verfahren durch den Schiedsspruch vom 29.04.2005 beendet wurde und damit auch das Amt der Schiedsrichter endete (§ 1056 Abs. 1, 3 ZPO). Soweit der Antragsteller die gegenteilige Auffassung vertritt, verkennt er, dass das Schiedsgericht gerade nicht nur über einen Teil der geltend gemachten Forderungen entschieden, sondern endgültig über die mit der Schiedsklage erhobenen Ansprüche befunden hat. Dies ergibt sich schon aus dem Vergleich der im Tatbestand wiedergegebenen Anträge des Antragstellers mit dem Tenor des Schiedsspruches. Zwar mag die Abwicklung der ehemaligen BGB-Gesellschaft noch nicht vollständig erfolgt sein, hinsichtlich des dem Schiedsverfahren zugrunde liegenden Streitgegenstandes ist jedoch eine abschließende Entscheidung ergangen.

Da der Senat in dem Beschluss vom 30.03.2006 weder von der Möglichkeit des § 1059 Abs. 4 ZPO Gebrauch gemacht hat noch die in § 1056 Abs. 3 genannten Ausnahmen vorliegen, ist das Schiedsverfahren beendet und kann nicht mehr ohne weiteres mit den bisherigen Schiedsrichtern bzw. einem nach §§ 1039, 1035 Abs. 4 ZPO zu bestellenden Ersatzschiedsrichter fortgesetzt werden, vielmehr ist ein neues Schiedsgericht entsprechend der in der Schiedsvereinbarung getroffenen Regelung zu bilden. Ungeachtet der Frage, ob das alte Schiedsgericht befugt wäre, gemäß § 1040 Abs. 1 ZPO über die Beendigung des Verfahrens und der Schiedsrichterämter zu befinden - der Senat neigt dazu, seine im Beschluss vom 21.02.2007 geäußerte Rechtsauffassung insoweit aufzugeben und diese Frage zu verneinen, da sich das Verfahren nunmehr im Stadium vor der Bildung des Schiedsgerichts befindet und deshalb § 1032 Abs. 2 ZPO und nicht § 1040 ZPO einschlägig sein dürfte -, ist der Senat jedenfalls im Rahmen der beantragten Ersatzschiedsrichterbestellung nicht an der Klärung der Frage gehindert, in welchem Stadium sich das Schiedsverfahren befindet. Davon hängt nämlich ab, ob und unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine Schiedsrichterbestellung durch das staatliche Gericht erfolgen kann.

Dass allein diese Sichtweise vorzugswürdig ist, wird auch durch folgende Überlegung deutlich. Da im vorliegenden Fall das Schiedsverfahren beendet ist, würde die Ergänzung des nicht ausreichend besetzten Schiedsgerichts durch einen vom staatlichen Gericht zu bestellenden Schiedsrichter nur dazu dienen, dem Schiedsgericht die Möglichkeit zu eröffnen, darüber befinden zu können, ob das alte Verfahren fortgesetzt werden muss oder ein neues Schiedsgericht zu bilden ist. Da nur letztere Entscheidung der Rechtslage entspricht, wäre eine gegenteilige Entscheidung des Schiedsgerichts in jedem Fall entweder in dem Verfahren nach § 1040 Abs.3 ZPO oder im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 1059, 1060 ZPO aufzuheben. Dass ein solches Verfahren wenig prozessökonomisch erscheint, liegt auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund kann der Antragsteller jedenfalls nicht die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters gemäß §§ 1039 Abs. 1, 1035 Abs. 4 ZPO verlangen. Nur das hat er aber ausdrücklich geltend gemacht, so dass sein Begehren auch nicht in einen Antrag nach § 1035 Abs. 4 ZPO im Rahmen eines neu einzuleitenden Schiedsverfahrens umgedeutet werden kann.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass ein solches Verfahren nach wie vor möglich ist. Nachdem der Antrag auf Vollstreckbarerklärung mit Beschluss vom 30.03.2006 unter Aufhebung des Schiedsspruches vom 29.04.2005 überwiegend zurückgewiesen wurde, dürfte die alte Schiedsvereinbarung der Parteien wiederaufgelebt sein (§§ 1060 Abs. 2 S. 1, 1059 Abs. 5 ZPO). Angesichts des eindeutigen Wortlautes der zwischen den Parteien zustande gekommenen Schiedsvereinbarung, wonach sämtliche im unmittelbaren und mittelbaren Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät auftretenden Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die abweichend von der gesetzlichen Vermutung auf einen anderen Willen der Beteiligten schließen lassen könnten, wobei der Begriff "Zweifel" auf den Inhalt der ursprünglichen Schiedsabrede zu beziehen ist (vgl. Musielak-Voit, ZPO, 5. Aufl., § 1058 Rz. 42).

Die von dem Antragsgegner ausgesprochene Kündigung ist aus den in der Entscheidung vom 30.03.2006 dargelegten Gründen ebenso unbeachtlich, wie die im Übrigen vom Antragsgegner erhobenen Einwände.

Soweit der Antragsgegner seinerseits festgestellt wissen will, dass das vom Antragsteller eingeleitete Fortsetzungsverfahren unzulässig ist, ist sein dahingehender Antrag zulässig. Insbesondere ist ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners anzuerkennen, da der Antragsteller die Fortsetzung des Verfahrens vor dem "alten" Schiedsgericht bereits beantragt hat und dieses auch schon tätig geworden ist. Aus den oben genannten Gründen ist der Antragsteller nicht darauf zu verweisen, eine Entscheidung des "alten" Schiedsgerichts gemäß § 1040 ZPO abzuwarten, um gegebenenfalls dann eine Entscheidung des staatlichen Gerichts nach § 1040 Abs. 3 ZPO herbeizuführen.

Der Antrag ist aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen auch begründet, wobei der Senat zur Klarstellung noch einmal darauf hinweist, dass lediglich die Fortsetzung des "alten" Schiedsverfahrens mit den bisher bestellten Schiedsrichtern unzulässig ist, die Parteien jedoch nicht gehindert sind, wegen der möglicherweise noch bestehenden Ansprüche im Zusammenhang mit der Abwicklung der ehemals zwischen ihnen bestehenden BGB-Gesellschaft erneut ein Schiedsverfahren einzuleiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 GKG, wobei für die jeweiligen Anträge 1/5 des Hauptsachewertes zugrunde gelegt wurde.

Ende der Entscheidung

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