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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 26 U 24/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 478
BGB § 639
Ein den Vergütungsanspruch berührenden Mangel eines Schiedsgutachtens liegt nur dann vor, wenn das Gutachten offenbar unrichtig ist.
Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung der Vergütung für ein von ihm erstelltes Schadensgutachten.

Der Kläger ist öffentlich bestellter Sachverständiger für die Bewertung technischer und kaufmännischer Betriebseinrichtungen sowie für Sachversicherungs- und Betriebsunterbrechungsschäden. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer der A GmbH (ehemals B GmbH), die im Jahre 1996 einen Gebäudekomplex auf ihrem Betriebsgelände in O1 an die Fa. C GmbH vermietete.

Im Februar 1996 kam es in diesem Lagerhaus zu einem Austritt von Wasserdampf, wodurch erhebliche Schäden an Produktionsanlagen, Einrichtungsgegenständen, Waren und sonstigen Geräten der Fa. C verursacht wurden. Im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens erkannt die Fa. B ihre Ersatzpflicht dem Grunde nach an; die Höhe des Schadens, sowohl des Sach- als auch der Betriebsunterbrechungsschadens, sollte durch ein Schiedsgutachten ermittelt werden.

Die Beklagte und die Geschädigte setzten sich darauf hin mit dem Kläger in Verbindung, der von der IHK als Sachverständiger vorgeschlagen worden war. Der Kläger übersandte einen von ihm bereits unterzeichneten Gutachtervertrag mit Kostenansätzen und seinen AGB, der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gegengezeichnet an den Kläger zurückgesandt wurde. Die AGB enthalten in §§ 8 und 11 Regelungen zur Fälligkeit des Vergütungsanspruches und zur Gewährleistung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 83 ff d.A. Bezug genommen In einem ersten Gutachten ermittelte der Kläger den entstandenen Sachschaden. Hiergegen wurden keine Beanstandungen erhoben; die entsprechende Rechnung wurde von der Beklagten ausgeglichen.

Mit Schreiben vom 01.03.2000 übersandte der Kläger das Gutachten betreffend den Betriebsunterbrechungsschaden an die Bevollmächtigten der Fa. C und der Beklagten mit einer Prüfungsfrist von 2 Monaten. Während die Fa. C ihren diesbezüglichen Schaden mit ca. 99.000,- DM beziffert hatte, wies das Gutachten einen Schaden in Höhe von 178.000,- DM aus. Die Beklagte beauftragte am 03.04.2000 einen anderen Sachverständigen mit der Überprüfung des Schiedsgutachtens; dieser kam zu dem Ergebnis, dass das Gutachten den Kläger unverwertbar sei (Bl. 95 ff d.A.). Die Beklagte forderte daher den Kläger mit Schreiben vom 25.07.2000 (Bl. 115 ff d.A.) unter Fristsetzung zur Nachbesserung seines Gutachtens auf. Der Kläger reagierte hierauf nicht und teilte lediglich mit, seinen Vergütungsanspruch nunmehr gerichtlich geltend machen zu wollen. Die Beklagte und die Fa. C hielten das Gutachten vor diesem Hintergrund übereinstimmend für unverbindlich und einigten sich unabhängig davon auf die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 70.000,- DM.

Zwischenzeitlich hatte der Kläger unter dem 02.05.2000 seine Schlussrechnung erstellt, mit der er abzüglich einer Akontozahlung noch einen Betrag von 11.246,34 € geltend machte (Bl. 91 ff d.A.); eine Zahlung erfolgte nicht.

Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass die Beklagte unmittelbar die Vergütung schulde, da sie den Gutachtervertrag unterschrieben habe. Die Vergütung sei mit dem Zugang des Gutachtens fällig geworden, da es einer Abnahme gemäß § 8 seiner AGB nicht bedurft hätte. Gewährleistungsansprüche der Beklagten bestünden aus mehreren Gründen nicht. Zum einen sei das Gutachten nicht mangelhaft; im Übrigen könnte ein Mangel nur dann bejaht werden, wenn das Gutachten wegen einer offenbaren Unrichtigkeit unverbindlich wäre. Das sei aber keineswegs der Fall. Schließlich seien etwaige Gewährleistungsansprüche auch verjährt; die Einrede der Verjährung hat der Kläger ausdrücklich erhoben.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Vergütungsanspruch sei mangels Abnahme nicht fällig. Die Schlussrechnung sei im Übrigen nicht nachvollziehbar und überhöht. Sie hat darüber hinaus die Einrede der Verjährung erhoben. Zudem könne sie die Zahlung zumindest gemäß §§ 639, 478 BGB a.F. verweigern. Die Beklagte hat insoweit behauptet, dass das Gutachten des Klägers mangelhaft sei, da er den Betriebsunterbrechungsschaden falsch bzw. nicht nachvollziehbar berechnet habe. Das ergebe sich schon darauf, dass die Geschädigte insoweit selbst nur von einem Schaden in Höhe von 99.000,- DM ausgegangen sei, während der Sachverständige einen solchen von 178.000,- DM errechnet habe.

Hinsichtlich der weiteren in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des am 02.08.2005 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 550 ff d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme zur Frage der Mangelhaftigkeit des Gutachtens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat zwar die Passivlegitimation der Beklagten bejaht und ferner angenommen, dass der Vergütungsanspruch des Klägers nicht verjährt sei. Der Beklagten stehe aber ein Wandlungsrecht zu, so dass der Vergütungsanspruch des Klägers erloschen sei. Nach dem Gutachten des Sachverständigen D sei von der Mangelhaftigkeit des Gutachtens des Klägers auszugehen. Zwar könnten Fehler eines Schiedsgutachtens nur dann zu Ansprüchen der Parteien führen, wenn das Gutachten offenbar unrichtig sei. Die sei hier indes der Fall; das Gutachten des Klägers sei schon deshalb offenbar unrichtig, weil er für die Berechnung des Betriebsunterbrechungsschadens einen unzulässigen Vergleichszeitraum zugrunde gelegt habe. So habe er die Umsatzkompensation des Streckengeschäftes nicht für den tatsächlichen Ausfallzeitraum (Februar bis April 1996) ermittelt, sondern insoweit auf den Zeitraum von Juni bis Dezember 1996 abgestellt, was schon deshalb nicht nachvollziehbar sei, weil normalerweise der Ist-Umsatz des betreffenden Zeitraumes dem wie auch immer ermittelten Soll-Umsatz des gleichen Zeitraumes gegenüberzustellen sei. Wähle ein Sachverständiger andere Zeiträume, müsse er dies begründen. Der Sachverständige D habe die Berechnung des Klägers auch unter Berücksichtigung der gerichtlichen Vorgaben für nicht vertretbar erachtet. Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers seien nicht erheblich, insbesondere gebiete auch die gesetzliche Regelung in §§ 249 ff BGB keine andere Bewertung. Für die Ermittlung des adäquat verursachten Schadens sei eine objektive nachträgliche Prognose geboten, bei der alle zur Zeit des Schadens erkennbaren Umstände zu berücksichtigen seien. Schon deshalb müsse der Vergleichszeitraum in der Vergangenheit liegen.

Der Wandlungsanspruch der Beklagten sei auch nicht verjährt. Die Mängelrüge vom 25.08.2000 sei noch unverzüglich im Sinne des § 11 Ziffer 3 der AGB des Klägers erfolgt. Angesichts der Komplexität des Sachverhaltes habe man der Beklagten eine angemessene Prüfungspflicht zubilligen müssen, die den Zeitraum erfasse, der für die Einholung einer sachverständigen Stellungnahme notwendig sei. Im Übrigen beginne die Verjährungsfrist mit der Abnahme, die hier weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er hält die angefochtene Entscheidung aus mehreren Gründen für rechtsfehlerhaft. Da auf den vorliegenden Vertrag altes Schuldrecht anzuwenden sei, hätte es einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bedurft, die hier nicht erfolgt sei. Eine solche ausdrückliche und eindeutige Erklärung sei insbesondere nicht in dem Schreiben vom 25.07.2000 enthalten. Darüber hinaus sei der Wandlungsanspruch auch verjährt. Das Landgericht habe insoweit nicht auf § 638 BGB a.F. abstellen und die Verjährung mangels Abnahme verneinen dürfen, da die Parteien in § 8 Ziffer 1 der AGB des Klägers zur Frage der Abnahme eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten, an deren Wirksamkeit keine Bedenken bestünden. Die Beklagte könne sich auch nicht auf §§ 639, 478 BGB a.F. berufen, da ein Leistungsverweigerungsrecht nach diesen Vorschriften voraussetze, dass sämtliche Voraussetzungen der Wandlung und damit auch die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in nicht verjährter Zeit vorlagen. Das sei aber gerade nicht der Fall.

Des Weiteren entfalle der Vergütungsanspruch für ein Schiedsgutachten nur, wenn das Gutachten offenbar unrichtig und die daraus folgende Unverbindlichkeit für die Parteien gemäß § 318 BGB vom Gericht festgestellt worden sei; auch dies sei hier nicht geschehen.

Schließlich sei die Annahme des Landgerichts, das Gutachten sei offenbar unrichtig, rechtsfehlerhaft. Ihm werde allein vorgeworfen, bei der Ermittlung des Betriebsunterbrechungsschadens auf einen Zeitraum nach dem Schadensereignis abgestellt zu haben. Das sei aus Rechtsgründen aber nicht zu beanstanden. Der Kläger habe bei dieser Berechnung lediglich berücksichtigt, dass es nach den ihm vorliegenden Informationen bereits in dem Unterbrechungszeitraum zu der Produktionssteigerung gekommen wäre, die tatsächlich ab Juni 1996 eingetreten ist. Diese Annahme habe er in seinem Gutachten ausdrücklich begründet. Das Landgericht habe bei seiner Bewertung nicht ausreichend zwischen Schadensermittlung und der Zurechenbarkeit unter Adäquanzgesichtspunkten differenziert. Nur bei der Prüfung des letzteren Gesichtspunktes sei auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses abzustellen, während bei der Schadensermittlung eine dynamische Betrachtung unter Einbeziehung der hypothetischen Entwicklung geboten sei. Weitere Mängel des Gutachtens seien nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

Der Kläger beantragt,

das am 02.08.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2-5 O 74/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.246,34 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie ist der Auffassung, dass es einer Ablehnungsandrohung nicht bedurfte. Der Kläger habe bereits im Schreiben vom 19.07.2000 erklärt, dass er Einwände der Beklagten nicht akzeptieren könne und eine weitere Stellungnahme eines externen Sachverständigen für ihn nicht von Interesse sei. Diese Aussage habe er nach Erhalt des Schreibens vom 25.07.2000 wiederholt, so dass eine weitere Anlehnungsandrohung entbehrlich gewesen sei.

Soweit der Kläger hinsichtlich der Verjährung des Wandlungsanspruches auf § 8 Ziffer 1 seiner AGB verweise, verkenne er, dass dort nur die Frage der Fälligkeit abweichend von der gesetzlichen Vorschrift geregelt sei, nicht aber der Beginn der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche. Die Beklagte könne sich auch auf §§ 639, 478 BGB a.F. berufen, da insoweit eine Mängelanzeige mit Fristsetzung zur Nachbesserung ausreichend sei. Im Übrigen beinhalte § 11 AGB eine abweichende Regelung betreffend die Wahrung der Gewährleistungsansprüche der Beklagten; die dort genannten Voraussetzungen lägen aber vor.

Das Entfallen des Vergütungsanspruchs setze auch nicht voraus, dass die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens zuvor gerichtlich festgestellt worden sei. Die §§ 318, 319 BGB beträfen nur das Innenverhältnis zwischen den Schiedsparteien; für den Vergütungsanspruch komme es allein darauf an, ob das Gutachten offenbar unrichtig sei.

Letzteres habe das Landgericht auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen D aber mit zutreffender Begründung angenommen. Selbst wenn man für die Schadensberechnung auf die weitere Vermögensentwicklung nach dem schädigenden Ereignis abstellen wollte, wäre dies nur zulässig, wenn die späteren Umstände mit denen im Zeitpunkt des Schadensereignisses vergleichbar seien. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Der vom Kläger der Berechnung zugrunde gelegte Umsatz in der zweiten Jahreshälfte sei 2,16-fach höher gewesen als der Umsatz der letzten sechs Monate vor dem Schadensfall. Hierfür sei der Einsatz einer neuen Maschine verantwortlich gewesen, die man erst in der zweiten Jahreshälfte 1996 angeschafft habe. Vor diesem Hintergrund hätten die in diesem Zeitraum erzielten Umsätze bei der Berechnung des Betriebsausfallschadens nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Kläger weist in seiner Replik darauf hin, dass dieser Gesichtspunkt in erster Instanz weder vorgetragen worden sei noch das landgerichtliche Urteil entsprechende Feststellungen enthalte. Deshalb sei dieser Sachvortrag im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 14.10.2005 (Bl. 563 ff d.A.) und 04.01.2006 (Bl. 608 ff d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21.12.2005 (Bl. 598 ff d.A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat die auf Zahlung restlichen Honorars gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Berufung ist eine abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage nicht geboten. Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im ersten Rechtszug getroffenen Feststellungen eine andere Entscheidung (§§ 513, 529 ZPO).

Der Beklagten steht gegenüber dem Vergütungsanspruch des Klägers aus dem Schiedsgutachtervertrag gemäß §§ 675, 631 BGB a.F. (Art 229 § 5 Abs. 1 EGBGB) jedenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß §§ 639, 478 BGB a.F. zu, weil das Gutachten des Klägers vom 01.03.2000 mangelhaft ist.

Allerdings gilt es für die Prüfung der Mangelhaftigkeit des Gutachtens die Besonderheiten des vorliegenden Schiedsgutachtervertrages zu berücksichtigen. Der Schiedsgutachter übernimmt es, als Dritter die einer Vertragspartei obliegende Leistung zu bestimmen (§ 317 BGB). Auf die von ihm getroffene Bestimmung der Leistung ist § 319 BGB anzuwenden, d.h., die durch ihn getroffene Festlegung ist für die Parteien bindend, es sein denn, das Gutachten ist offenbar unrichtig. Diesen Maßstäben hat auch die Haftung des Schiedsgutachters zu folgen, so dass Ansprüche gegen ihn, seien sie nun auf Schadensersatz oder Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet, nur erhoben werden können, wenn eine Pflichtverletzung des Gutachters dazu führt, dass sein Gutachten wegen offenbarer Unrichtigkeit nicht verbindlich und damit zweck- und wertlos ist (vgl. BGHZ 43, 374 ff; Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Aufl., § 36 Rz. 3).

Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es für die Klärung dieser Frage im vorliegenden Verfahren aber keiner vorherigen Klage gemäß § 319 BGB zwischen den Schiedsvertragsparteien. Für eine solche Voraussetzung gibt es keine Rechtsgrundlage, sie folgt weder aus dem Gesetz noch ist dem Senat eine dahingehende Rechtsprechung bekannt. Für die vom Kläger befürwortete Verfahrensweise besteht auch keine Veranlassung. Soweit er sich auf eine Fundstelle bei Bayerlein, a.a.O., stützt, verkennt er den Sinngehalt der dortigen Ausführungen. Unter der Überschrift "Die Vergütung des Sachverständigen für Schiedsgutachten" werden dort die Voraussetzungen dargestellt, unter denen der Schiedsgutachter mit dem Verlust seines Honoraranspruches rechnen muss. Der Verfasser stellt an dieser Stelle insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung lediglich klar, dass in den Fällen, in denen das Gutachten offenbar unrichtig und damit in der Sache nicht mehr verbindlich ist, auch der Vergütungsanspruch entfallen kann. Der gerichtlichen Entscheidung obliegt im Fall des § 319 BGB aber allein die Leistungsbestimmung, wobei das Gericht eine solche Ersetzungsbefugnis nur hat, wenn die Bestimmung durch den Dritten unbillig ist. Diese Prüfung hat es inzident vorzunehmen. Die Schiedsparteien sind indes keineswegs gehalten, in jedem Fall den Weg des § 319 BGB zu beschreiten, vielmehr bleibt es ihnen unbenommen, sich anderweitig zu einigen. Schon vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es sich um zwei ganz unterschiedliche Fragen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen handelt, bei denen lediglich jeweils die entscheidungserhebliche Vorfrage identisch ist. Eine Verknüpfung dergestalt, dass ihm Rahmen der Vergütungsklage die Unverbindlichkeit des Gutachtens vorab in dem Verfahren nach § 319 BGB festgestellt worden sein muss, ist vor diesem Hintergrund weder geboten noch erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn im Rahmen der Vergütungsklage die Mangelhaftigkeit des Gutachtens überprüft wird. Das lässt sich zwanglos auch anhand folgender Überlegung erkennen: Wenn die Schiedsparteien trotz eines offenbar unrichtigen Gutachtens zu einer Einigung ohne Einschaltung eines Gerichts kommen, besteht für eine Klage nach § 319 keine Veranlassung und einer separaten Feststellungsklage dürfte es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlen, zumal dann, wenn die Parteien des Schiedsverfahrens nicht mit denen der Vergütungsklage identisch sind. Folgte man der Auffassung des Klägers, wäre in dieser Konstellation der Vergütungsanspruch des Schiedsgutachters immer durchsetzbar, obwohl er materiell-rechtlich ausgeschlossen wäre. Für eine solche Präklusion gibt es jedoch keine Rechtfertigung.

Das Landgericht ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht von einem erheblichen Mangel im Sinn einer offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt eine offenbare Unbilligkeit oder offenbare Unrichtigkeit dann vor, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter - sei es auch nach eingehender Prüfung - offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Darüber hinaus kommt ein offensichtlicher Mangel auch in Betracht, wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, dass selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann, denn dann entzieht es sich jeglicher Bewertung. Deshalb kommt es auf die Sachgerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit der im Gutachten verwendeten Bewertungsmethoden und Vergleichsmaßstäbe an. Eine offenbare Unrichtigkeit ist auch dann gegeben, wenn das Schiedsgutachten gravierende Begründungsmängel aufweist. Solche Mängel führen schon als solche zur offensichtlichen Unrichtigkeit des Gutachtens, ohne dass es darauf ankommt, ob das Ergebnis auch ohne den schwerwiegenden Mangel das gleiche gewesen wäre (vgl. insgesamt: BGH, DB 1988, 752; NJW 1991, 2698; NZM 1998, 196; NJW-RR 1998, 596; WM 2001, 1863; OLG Köln, NJW-RR 1997, 1412; s.a. Bayerlein, a.a.O., § 26 Rz. 43, § 36 Rz. 3). Für die Beurteilung der Frage, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, kommt es auf den Sachverhalt an, den die Parteien dem Schiedsgutachter unterbreitet haben (vgl. BGH, NJW 1987, 21; OLG Koblenz, VersR 1997, 963, OLG Düsseldorf, BauR 2000, 1771). Das bedeutet allerdings keinen Freibrief für den Schiedsgutachter, vielmehr hat er eigenständig die notwendigen Informationen einzuholen und die für sein Gutachten erforderlichen Tatsachen zu ermitteln und im Gutachten darzustellen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist eine offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens schon darin zu sehen, dass der Kläger der Ermittlung des Umsatzausfalles im Bereich der Bandschneiderei die Umsatzzahlen des zweiten Halbjahres 1996 zugrunde gelegt hat, ohne dies im Gutachten auch nur annähernd nachvollziehbar erläutert zu haben. Im Rahmen eines nach §§ 249, 252 BGB zu erstattenden Verdienstausfalles ist es in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in dem Zeitraum vor dem Schadensereignis anzuknüpfen (vgl. BGH, NJW 2001, 1640 ff). Andererseits können für die nach § 252 BGB erforderliche Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis auch Umstände einzubeziehen sein, die sich erst nach dem Schadensereignis ergeben, sofern sich daraus verlässliche Rückschlüsse für den maßgeblichen Ausfallzeitraum ziehen lassen (BGH, NJW 1999, 136).

Dies berücksichtigend ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, Umsatzzahlen eines dem Schadensereignis nachfolgenden Zeitraumes in die Berechnung des Ausfallschadens einzubeziehen. Dies setzt jedoch zum einen voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse in dem späteren Zeitraum denen im Zeitpunkt des Schadensereignisses entsprechen. Zum anderen ist der Sachverständige in solchen Fallgestaltungen gehalten, die insoweit maßgeblichen Umstände im Gutachten darzulegen. Das gilt umso mehr, als die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Umsätze das 2,16-fache der bisherigen Umsätze in diesem Bereich ausmachten. Der Kläger hat insoweit zwar erstinstanzlich dargelegt, dass seine Annahme auf der Mitteilung der Fa. C beruhte, die ihm bestätigt habe, dass der ab Juni erzielte Umsatz bereits ab Februar hätte erzielt werden können, wenn es nicht zu dem Schadensfall gekommen wäre. Dieses Vorbringen ist jedoch schon nicht hinreichend substanziiert. Jedenfalls durfte sich der Sachverständige nicht einfach auf solch unkonkrete Angaben verlassen, sondern hätte die Tatsachen erfragen müssen, die eine entsprechende Annahme überhaupt hätten rechtfertigen können. Zudem sind die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Zahlen auch unter Berücksichtigung seiner Erläuterung in diesem Verfahren nicht nachvollziehbar. Da der Sachverständige für Februar insgesamt nur vier und für März drei volle Ausfalltage angesetzt hat, ist der tatsächliche Umsatzanstieg im April auf mehr als das doppelte der Umsätze der Vormonate nur dann erklärbar, wenn man unterstellt, dass die dritte Maschine im April 1996 in Betrieb genommen wurde. Wenn die wegen der Auftragslage angeschaffte dritte Maschine bereits im Februar vorhanden gewesen wäre, hätte der Umsatz wegen der verhältnismäßig geringen Ausfallzeit nicht so extrem hinter dem Umsatz für April zurückbleiben dürfen; jedenfalls ist diese Entwicklung so nicht nachvollziehbar. Das Gutachten des Klägers leidet schon insoweit an einem wesentlichen Begründungsmangel.

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass bereits im Februar 1996 die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben waren, die ab diesem Zeitpunkt eine Umsatzsteigerung des im Gutachten angenommenen Ausmaßes bedingt hätten, sprich also die im Jahre 1996 angeschaffte dritte Bandschneidemaschine bereits zu diesem Zeitpunkt vorhanden war, hätte dieser für die Berechnung des Umsatzausfalles wesentliche Umstand nachvollziehbar in dem Gutachten dargelegt werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Gutachten des Klägers enthält lediglich auf Seite 4 den Hinweis, dass aufgrund der vorliegenden Aufträge 1996 in der Bandfertigung eine dritte Maschine aufgestellt worden sei. Im Übrigen fehlt jegliche Erläuterung, warum die Fa. C schon im Februar 1996 in der Lage gewesen sein sollte, den monatlichen Umsatz von bisher ca. 285.000,- DM auf 618.118,- DM zu steigern. Dies gilt umso mehr, als der Schaden erst am 19.02.2000 aufgetreten ist, also über einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des Monats die bis dahin normale Produktionskapazität zur Verfügung stand. Aus dem Gutachten ergibt sich auch nicht, dass die zusätzliche Maschine allein wegen des Schadensereignisses verspätet aufgestellt werden konnte. Auch vor diesem Hintergrund ist ein wesentlicher Begründungsmangel anzunehmen, der die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit rechtfertigt.

Insoweit handelt es sich auch um keinen neuen Gesichtspunkt, der in der Berufung nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen wäre. Bereits im Schreiben vom 25.07.2000, auf das die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 24.03.2003 (Bl. 60 ff, 71 d.A.) ausdrücklich Bezug genommen hat, hat die Beklagte diesen Umstand gerügt.

Die weiteren Voraussetzungen der Mängeleinrede nach §§ 639, 478 BGB a.F. liegen ebenfalls vor. Der Kläger hat zwar insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Mängeleinrede grundsätzlich nur zulässig ist, wenn zu unverjährter Zeit ein Wandlungsanspruch dem Grund nach gegeben war, was nach § 634 BGB a.F. regelmäßig eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erfordert. Ungeachtet der Frage, ob sich dem Schreiben der Beklagten vom 25.07.2000 mit hinreichender Bestimmtheit eine solche Ablehnungsandrohung entnehmen lässt bzw. eine solche wegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Klägers entbehrlich war, bedurfte es einer entsprechenden Erklärung schon aus einem anderen Grunde nicht. Dem Schiedsgutachtervertrag der Parteien lagen nämlich unstreitig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers zugrunde, die in § 11 eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung der Gewährleistung beinhaltet. An der Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehen auch im Hinblick auf § 9 AGBG keine Bedenken; die einzelnen Regelungen stehen schon nicht in Widerspruch zu § 11 Nr. 10 a-f AGB, der wegen § 24 AGBG hier nicht anwendbar ist. Verstoßen aber AGB schon nicht gegen spezielle Klauselverbote, können sie regelmäßig auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG beinhalten. Nach § 11 Ziffer 1 und 2 ist die Geltendmachung eines Wandlungsanspruches ausdrücklich nicht an eine vorherige Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung geknüpft. Dem Gutachter ist zunächst lediglich eine angemessene Frist zur Nachbesserung einzuräumen, nach dessen Ablauf der Besteller unmittelbar Wandlung des Vertrages bzw. Minderung verlangen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dass der Wandlungs- bzw. Minderungsanspruch darüber hinaus noch von der im Gesetz vorgesehenen Ablehnungsandrohung abhängig sein soll, lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 11 Ziffer 2 entnehmen. Jedenfalls verbleiben insoweit Unklarheiten, die zu Lasten des Klägers als Verwender der AGB gehen (§ 5 AGBG).

Die erforderliche Mängelanzeige erfolgte am 25.08.2000 und damit in jedem Fall zu unverjährter Zeit. Diese Anzeige war auch noch unverzüglich im Sinne des § 11 Ziffer 3 der AGB des Klägers. Den diesbezüglichen Ausführungen im landgerichtlichen Urteil gilt es nichts hinzuzufügen, zumal der Kläger diesen Gesichtspunkt in der Berufung auch nicht gerügt hat.

Ohne dass es für die Entscheidung letztendlich im Ergebnis darauf ankommt, dürfte der Wandlungsanspruch der Beklagten aber auch nicht verjährt sein. Nach § 638 BGB a.F. beginnt die sechs-monatige Verjährungsfrist mit der Abnahme des Werkes, die hier unstreitig weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich diesbezüglich keine andere Bewertung aufgrund der Regelung in § 8 Ziffer 1 der dem Schiedsgutachtervertrag zugrunde gelegten AGB. Die zitierte Regelung betrifft allein die Fälligkeit des Werklohnes, die nach der gesetzlichen Regelung ebenfalls von der Abnahme abhängig ist. Die Vorschrift regelt indes nicht den Beginn der Verjährung der Gewährleistungsansprüche. Auch die vom Kläger zitierte Fundstelle belegt seine gegenteilige Auffassung nicht, denn dort ist lediglich von Auswirkungen auf die Verjährung des Werklohnanspruches die Rede. Die Regelung in § 12 Ziffer 3 der AGB bezieht sich ausdrücklich nur auf Schadensersatzansprüche. Ist somit hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche nicht mit ausreichender Klarheit eine abweichende Regelung getroffen worden, verbleibt es bei den gesetzlichen Vorschriften. Unklarheiten gehen gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Klägers als Verwender der AGB.

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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