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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 26 U 43/06
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 3
InsO § 22
InsO § 103
1. Mit der Erklärung, die Kosten für die Lieferung von Transportbeton aus der Masse im vorläufigen Insolvenzverfahren zu begleichen, nimmt der vorläufige "schwache" Insolvenzverwalter besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch, das seine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss begründen kann.

2. Der so begründete Vertrauensbestand wirkt über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fort und verpflichtet den nunmehr zum Insolvenzverwalter bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter die Gläubiger darüber aufzuklären, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin im Wege einer Betriebsübergabe auf einen Dritten übergegangen ist.

3. Erfüllt die Gläubigerin im Vertrauen auf die Fortführung der Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin die eingegangenen Lieferverpflichtungen, haftet der Insolvenzverwalter für den entstehenden Vertrauensschaden.


Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Betonlieferungen bzw. Schadensersatz in Anspruch.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 09.02.2005 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der A GmbH angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Geschäftsbetrieb wurde im Einvernehmen mit der Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin fortgeführt. In diesem Zusammenhang sollte auch das Objekt "B" fertig gestellt werden. Die Klägerin unterbreitete der Insolvenzschuldnerin unter dem 14.03.2005 ein Angebot für die Lieferung von Fertigbeton für dieses Objekt. Auf entsprechendes Ersuchen des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin (Bl. 62 d.A.) bestätigte der Beklagte der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 15.03.2005, dass die Kosten für die Lieferung von Transportbeton auf der Grundlage des Angebotes vom 14.03.2005 für das Bauvorhaben "B" aus der Masse im vorläufigen Insolvenzverfahren beglichen würden. Dieses Schreiben ist unter dem Briefkopf der Anwaltskanzlei des Beklagten verfasst und in seinem Auftrag als vorläufiger Insolvenzverwalter unterzeichnet. In der Folgezeit lieferte die Klägerin bis in den Mai hinein Fertigbeton für diese Baustelle; indes wurden nur die bis zum 31.03.2005 erfolgten Lieferungen von der Insolvenzschuldnerin bezahlt. Offen geblieben sind die Rechnungen für Lieferungen ab dem 01.04. 2005 über insgesamt 16.814,67 €.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 01.04.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Hierüber informierte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2005 (Bl. 63 d.A.). Zu diesem Zeitpunkt waren aber auch die Verhandlungen mit einem Übernahmeinteressenten soweit gediehen, dass dieser mit Wirkung ab dem 01.04.2005 den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin übernahm und unter der Firma "A, Inhaber C", fortführte. Die Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin wurden im Wege des Betriebsüberganges übernommen und die laufenden Bauvorhaben von der neuen Firma fortgeführt.

Die Insolvenzschuldnerin hatte mit Wirkung zum 31.03.2005 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt und die laufenden Bauvorhaben, u.a. auch das Objekt B zu diesem Stichtag abgerechnet (vgl. Bl. 39 ff d.A.). Hierüber wurde die Klägerin indes nicht in Kenntnis gesetzt.

In der Folgezeit geriet auch die Firma des Herrn C in die Insolvenz.

Die Parteien haben in erster Instanz im Wesentlichen über Inhalt und Reichweite der Erklärung des Beklagten in dem Schreiben vom 15.03.2005 gestritten. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe mit besagtem Schreiben eine persönliche Garantiehaftung übernommen. Demgegenüber hat der Beklagte gemeint, weder dem Wortlaut noch den Gesamtumständen sei ein so weitreichender Inhalt der Erklärung zu entnehmen. Zudem seien die möglichen Rechtsfolgen zeitlich auf die Dauer des vorläufigen Insolvenzverfahrens beschränkt, so dass Lieferungen ab dem 01.04.2005 nur noch zu Lasten der neuen Firma gingen.

Hinsichtlich der weiteren in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des am 13.09.2006 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 212 ff d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat in dem Schreiben vom 15.03.2005 eine Garantieerklärung gesehen, aufgrund derer der Beklagte in vollem Umfang für die Betonlieferungen hafte. Zudem könne die Klägerin den Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo in Anspruch nehmen, da er sie nicht über die Firmenübernahme zum 01.04.2005 informiert und ihr somit die Möglichkeit genommen habe, die Fortführung des Vertrages mit dem neuen Inhaber der Firma von dessen Solvenz abhängig zu machen.

Gegen dieses dem Beklagten am 22.09.2006 zugestellte Urteil wendet er sich mit seiner am 26.09.2006 eingegangenen und innerhalb der bis zum 22.12.2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung, mit der er Klageabweisung begehrt.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen für seine persönliche Haftung bejaht. Dem Schreiben vom 15.03.2005 sei schon nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht zu entnehmen, dass der Beklagte neben der Haftung der Insolvenzmasse auch eine persönliche Haftung habe übernehmen wollen. Es habe sich lediglich um die Zustimmungserklärung zum Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin gehandelt. Die in Bezug genommene Entscheidung des OLG Celle sei hier nicht einschlägig, da schon der Sachverhalt nicht vergleichbar sei. In dem dortigen Verfahren habe der Insolvenzverwalter die Begriffe "Zusicherung" bzw. "sichergestellt" verwendet, während der Beklagte im vorliegenden Fall die Haftung ausdrücklich auf die Masse beschränkt habe, was zugleich bedeute, dass die Forderungen nur bei ausreichender Masse erfüllt werden würden. Im Übrigen sei mit der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung auch die Kostenübernahmeerklärung vom 15.03.2005 gegenstandslos geworden.

Eine Haftung des Beklagten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo komme ebenfalls nicht in Betracht, da es schon an einem Schuldverhältnis zwischen den Parteien fehle; der Liefervertrag sei allein zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin zustande gekommen. Zudem habe der Beklagte auch keine Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt, da er sie unmittelbar nach Insolvenzeröffnung mit Schreiben vom 05.04.2005 über diesem Umstand unterrichtet habe. Mit Schriftsatz vom 28.02.2007 hat der Beklagte noch vorgetragen, dass die Klägerin wegen der unterbliebenen Aufforderung gemäß § 103 Abs. 2 S. 2 InsO den ihr entstandenen Schaden selbst zu verantworten habe. Demgegenüber trete ein mögliches Verschulden des Beklagten in jedem Fall zurück.

Der Beklagte beantragt,

das am 13.09.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn - Az.: 2 O 279/05- abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Auffassung, der der Entscheidung des OLG Celle zugrunde liegende Fall sei dem vorliegenden ohne weiteres vergleichbar, da mit dem Begriff "Bestätigung" ebenso zum Ausdruck gebracht werde, dass eine Zahlung sichergestellt sei. Ohne eine solche Erklärung wäre kein Lieferant, auch die Klägerin nicht, bereit, einem in vorläufiger Insolvenz befindlichen Unternehmen Leistungen ohne entsprechende Absicherung zu erbringen. Entscheidend sei letztlich, dass der Beklagte eine Kostenübernahme ohne jedweden Vorbehalt erklärt habe. Für die Klägerin sei jedenfalls nicht erkennbar gewesen, dass ein Ausgleich ihrer Forderungen nur bei ausreichender Masse sichergestellt gewesen sei. Auch darauf hätte der Beklagte ausdrücklich hinweisen müssen.

Schließlich habe das Landgericht auch die Voraussetzungen einer Haftung aus cic mit zutreffender Begründung bejaht. Ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien sei schon durch das Schreiben des Beklagten vom 15.03.2005 zustande gekommen; zur rechtlichen Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des OLG Celle. Das Schreiben vom 05.04.2005 entlaste den Beklagten aus mehreren Gründen nicht. Zum einen habe die Klägerin nach diesem Schreiben davon ausgehen können, dass Ihre Forderungen als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO vorrangig befriedigt würden. Entscheidend sei aber, dass der Beklagte die Übernahme des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin durch den Herrn C nicht mitgeteilt habe. Der Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt die an ihn adressierten Rechnungen von April und Mai 2005 beanstandet oder unter Hinweis auf die Betriebsübernahme zurückgesandt. Letztlich habe er ihr damit die Möglichkeit genommen, die weiteren Lieferungen und insbesondere die Sicherung ihres Vergütungsanspruches mit dem neuen Firmeninhaber regeln zu können. In ihrer Unkenntnis sei die Klägerin davon ausgegangen, weiterhin an die Insolvenzschuldnerin zu liefern und über § 55 InsO abgesichert zu sein. Stütze man die Haftung des Beklagten auf cic, so habe er zumindest den Vertrauensschaden zu ersetzen, der abzüglich des entgangenen Gewinns (258,34 €) mit 16.556,33 € zu beziffern sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21.12.2006 (Bl. 236 ff d.A.) und 28.02.2007 (Bl. 262 ff d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 02.02.2007 (Bl. 249 ff d.A.) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.

Das Landgericht hat der Klägerin dem Grunde nach zu Recht einen Zahlungsanspruch zuerkannt. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist eine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage nur hinsichtlich der Höhe des Anspruches geboten. Im Übrigen beruht das Urteil weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsschluss verlangen. Die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss kann unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch einen Dritten treffen, der selbst nicht Vertragspartei werden soll, der an den Verhandlungen aber als Vertreter, Vermittler oder Sachwalter einer Partei beteiligt ist. Sachwalter in diesem Sinne ist, wer, ohne Vertragspartner oder dessen Vertreter zu sein, auf der Seite eines Vertragspartners an dem Zustandekommen des Vertrages beteiligt ist und dabei über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus der anderen Vertragspartei eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäftes bietet. Gleiches gilt, wenn der Dritte wegen des eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses dem Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht, gleichsam in eigener Sache verhandelt. Der Insolvenzverwalter handelt grundsätzlich mit Wirkung für ein fremdes Vermögen, nämlich die Masse. Als Verhandlungs- und Vertragspartner einer Partei, die mit der Insolvenzmasse Geschäfte abschließen will, haftet er nur dann persönlich, wenn er eigene Pflichten ausdrücklich übernommen oder einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, an dem er sich festhalten lassen muss. Die "normale" Auftragserteilung reicht in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht aus, um von einer Eigenhaftung des Insolvenzverwalters ausgehen zu können. Von einem besonderen Vertrauenstatbestand lässt sich vielmehr erst dann sprechen, wenn der Verwalter beim Verhandlungspartner ein zusätzliches, von ihm persönlich ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen und die Durchführbarkeit des vereinbarten Geschäftes hervorgerufen hat (vgl. BGHZ 100, 346 ff; BGH, ZIP 2005, 1327 ff m.w.N.; OLG Rostock, ZIP 2005, 220 ff; OLG Schleswig, NZI 2004, 92).

Diese engen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Insolvenzverwalters sind vorliegend zu bejahen, wobei es keine Rolle spielt, dass der Beklagte den insoweit maßgeblichen Vertrauenstatbestand als vorläufiger ("schwacher") Insolvenzverwalter begründet hat (vgl. auch OLG Schleswig, a.a.O.). Der Beklagte hat durch das Schreiben vom 15.03.2005 ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen. Er hat durch dieses Schreiben bewirkt, dass es zu einem Vertragsschluss über die Lieferung von Transportbeton für ein bestimmtes Bauvorhaben der Insolvenzschuldnerin gekommen ist und die Klägerin die ihr obliegenden Leistungen erbracht hat, ohne letztendlich eine vollständige Gegenleistung erhalten zu haben. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargetan, dass sie sich nur deshalb auf den Vertragsschluss mit einem in vorläufiger Insolvenz befindlichen Unternehmen eingelassen hat, weil sie aufgrund der Zusage des Beklagten, die nach ihrem Inhalt weit über das hinausging, was im Rahmen des durch das Insolvenzgerichts angeordneten Zustimmungsvorbehalt erforderlich gewesen wäre, darauf vertraut hat, dass die Vergütung ihrer Leistungen aus der Masse gesichert war. Diesen Inhalt hatte das Schreiben aus der Sicht eines objektiven Empfängers in der Lage der Klägerin in jedem Fall. Bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit einem insolventen Unternehmen liegt es auf der Hand, dass der Vertragspartner seine Leistungen nur erbringen will, wenn die Gegenleistung hinreichend gesichert ist. Wird also im Rahmen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens eine solche Erklärung abgegeben, hat sie für den Vertragspartner regelmäßig den Inhalt, dass eine ausreichende Masse vorhanden ist, um die Lieferungen, die zur Fortführung des Betriebs unumgänglich sind, auch bezahlen zu können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Erklärung ohne jedweden Vorbehalt erfolgt. Dies musste aber auch der Beklagte erkennen. Auch aus seiner Sicht konnte dieser Erklärung keine weniger weitreichende Bedeutung haben, da er von dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nicht nur dazu aufgefordert wurde, dem Vertragsschluss zuzustimmen, sondern eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klägerin abzugeben (vgl. Schreiben vom 15.03.2005 - Bl. 62 d.A.). Ohne diese Zusage, auf deren Einhaltung die Klägerin aus den dargelegten Gründen vertrauen durfte, wäre sie zur Belieferung der insolventen Schuldnerin nicht bereit gewesen.

Der Beklagte hat die aus diesem Schuldverhältnis für ihn erwachsenen Pflichten auch verletzt. Er war insbesondere verpflichtet, auf die Interessen der Klägerin Rücksicht zu nehmen und sie über alle maßgeblichen Umstände aufzuklären, die die Abwicklung des Vertrages betreffen konnten. Diese Verpflichtung bestand auch für die Lieferungen der Klägerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, denn auch diese erfolgten im fortbestehenden Vertrauen auf die nicht zurückgenommene Zahlungszusage vom 15.03.2005. Allein durch die bloße Mitteilung der Insolvenzeröffnung mit Schreiben vom 05.04.2005 hat der Beklagte seiner Aufklärungspflicht nicht genügt, da er die Klägerin über den eigentlich für sie allein wesentlichen Umstand, nämlich die Übertragung des Geschäftsbetriebes auf einen Dritten bei gleichzeitiger Einstellung des eigenen Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin, nicht informiert hat. Dieser Sachverhalt war für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in der Berufung maßgebend; dass neue Vorbringen der Klägerin zur Übernahme des Geschäftsbetriebes war gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Dass es sich insoweit um einen für die Klägerin wesentlichen Gesichtspunkt handelte, liegt auf der Hand. Die Insolvenzschuldnerin hat sich durch die Übertragung des Geschäftsbetriebs jeder Möglichkeit begeben, die zur Befriedigung der Gläubiger erforderliche Masse zu beschaffen. Gleichwohl blieb die Insolvenzschuldnerin aus dem geschlossenen Vertrag zur Bezahlung der Betonlieferungen verpflichtet, da die Rechte und Pflichten hieraus mangels Zustimmung der Klägerin nicht auf die den Geschäftsbetrieb fortführende Firma C übergehen konnten (§ 415 Abs. 1 BGB). Ging die Klägerin mithin davon aus, dass ihre Forderungen als Masseforderungen relativ gesichert waren, hätte der Beklagte sie über die geänderten tatsächlichen und rechtlichen Umstände informieren müssen.

Eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage ergibt sich auch nicht aus § 103 Abs. 1, 2 S. 2 InsO. Insbesondere relativiert es weder die Pflichten des Beklagten noch gereicht es der Klägerin zum Vorwurf, ihrerseits den Beklagten nicht zur Ausübung des Wahlrechts aufgefordert zu haben. Hierzu hatte sie schon keine Veranlassung, denn sie konnte vielmehr davon ausgehen, dass der Beklagte seinerseits bereits die vollständige Erfüllung des Liefervertrages gewählt hatte. Das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die §§ 130 ff BGB anwendbar sind. Sie kann also ausdrücklich oder konkludent abgegeben werden, ist wie jede andere einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung bedingungsfeindlich und wirkt unabhängig davon, ob dem Insolvenzverwalter bewusst ist, eine Erklärung nach § 103 InsO abzugeben. Insbesondere in der Anforderung der Leistung ist die Ausübung des Wahlrechts zu sehen (vgl. Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 103 Ru. 58 f; Münchner Kommentar zur InsO, § 103, 154 ff jeweils m.w.N.).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagte die Erfüllung des Betonliefervertrages gewählt hat und ihre diesbezüglichen Forderungen auch in der Insolvenz als Masseforderungen relativ sicher waren. Wenn nach Mitteilung über Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Betonlieferungen für eine Baustelle in gleicher Weise wie vor Insolvenzeröffnung jeweils abgerufen wurden, ohne dass für die Klägerin die Übernahme des Geschäftsbetriebes und Fortführung der noch nicht abgeschlossenen Baustelle durch eine Nachfolgefirma erkennbar war, muss der Beklagte das als Erfüllungswahl gegen sich gelten lassen. Die Klägerin konnte das jedenfalls nur so verstehen.

Die Klägerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sie in Kenntnis des wahren Sachverhaltes die weitere Lieferung von Beton von einer entsprechenden Absicherung durch das den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin übernehmende Unternehmen abhängig gemacht und im Zweifel keine Leistungen mehr erbracht hätte, wozu sie auch berechtigt gewesen wäre, denn eine vertragliche Verpflichtung gegenüber der übernehmenden Firma bestand nicht (§ 415 BGB) und die Insolvenzschuldnerin war wegen der Aufgabe des Geschäftsbetriebes nicht mehr in der Lage, die Leistungen der Klägerin abzunehmen.

Diese Pflichtverletzung hat der Beklagte auch zu vertreten; Umstände, die ihn entlasten könnten, hat er nicht vorgetragen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).

Der Schadensersatzanspruch nach §§ 311 Abs. 3, 280 Abs. 1 BGB geht grundsätzlich auf Ersatz des negativen Interesses (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., vor § 249 Rz. 17; § 311 Rz. 55) Vor diesem Hintergrund ist die Klägerin zumindest so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßer Aufklärung stünde, d.h. als wenn der Vertrag nach dem 01.04.2005 nicht mehr zur Durchführung gelangt wäre. Mithin kann die Klägerin einen Gewinnanteil nicht ersetzt verlangen (vgl. OLG Rostock; OLG Schleswig, a.a.O.). Dem hat die Klägerin hilfsweise auch Rechnung getragen, in dem sie den entgangenen Gewinn aus den Lieferungen vorsorglich mit 258,34 € beziffert hat, was einer Gewinnspanne von 1,5 % entspricht. Die Parteien, darauf hingewiesen, dass dieser geringe Gewinnanteil nicht schlüssig dargelegt ist, haben sich mit einer Schätzung gemäß § 287 ZPO in Höhe von 10 % (= 1.681,47 €) einverstanden erklärt, so dass der Klägerin ein Betrag von 15.133,20 € zuzusprechen war.

Ein anspruchsminderndes oder das Verschulden des Beklagten gänzlich überwiegendes Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB) wegen der unterbliebenen Aufforderung nach § 103 Abs. 2 S. 2 InsO kam nicht in Betracht. Eine Verletzung der in eigenen Angelegenheiten zu wahrenden Sorgfalt war nicht festzustellen, da die Klägerin gerade nicht gehalten war, den Beklagten zu einer Erklärung im Sinne des § 103 InsO aufzufordern. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 9 Abs. 2 der Gründe verwiesen.

Ein weitergehender Zahlungsanspruch der Klägerin, der nicht auf das negative Interesse beschränkt ist, besteht indes nicht. Insbesondere lässt sich eine persönliche Haftung des Beklagten nicht aus einer Garantieerklärung ableiten. Das Schreiben des Beklagten vom 15.03.2005 begründet einen solchen Anspruch nicht. Die gegenteilige Auslegung des Landgerichts bindet den Senat nicht, da das Berufungsgericht gehalten ist, sich bei der Auslegung von Willenserklärungen seine eigene Überzeugung zu bilden (BGH, NJW 2004, 2751). Das oben genannte Schreiben lässt auch für einen objektiven Empfänger in der Lage der Klägerin nicht erkennen, dass der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter eine persönliche Haftung für die entstehenden Forderungen übernehmen wollte. Schon der Wortlaut steht einem solchen Verständnis entgegen, denn in dem Schreiben wird ausdrücklich nur bestätigt, "dass die Kosten ... aus der Masse im vorläufigen Insolvenzverfahren beglichen werden". Erklärungen, die darüber hinaus auf eine persönliche Haftungsübernahme durch den Beklagten schließen lassen, sei es etwa in Form einer Bürgschaft oder eines selbständigen Garantieversprechens, sind dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände kann die Erklärung auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht als Garantieübernahme durch den Beklagten verstanden werden. Der vorläufige Insolvenzverwalter tritt als Sachwalter an oder neben die Stelle des bisherigen Geschäftsführers. Er handelt bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten letztlich allein für die Masse, die allein aus diesen Geschäften berechtigt und verpflichtet wird. Der Grundsatz, dass der Geschäftsführer einer solventen GmbH aus vertraglichen Vereinbarungen regelmäßig nicht persönlich in Anspruch genommen werden kann, gilt zunächst auch für den Insolvenzverwalter. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann daher eine primäre Leistungsverpflichtung des Insolvenzverwalters in Betracht kommen. Allein die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Begründung von Masseverbindlichkeiten bzw. Rechtsgeschäften mit der im vorläufigen Insolvenzverfahren befindlichen Schuldnerin reicht insoweit nicht aus. Auch die Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin nötigt nicht zu einer anderen Auslegung. Selbst wenn sie über keine vertieften Kenntnisse des Insolvenzrechts verfügt, musste ihr doch klar sein, dass weder der Geschäftsführer einer GmbH noch derer (vorläufiger) Insolvenzverwalter persönlich unmittelbar für vertragliche Verpflichtungen der GmbH haften. Sie wusste, welches Risiko sie eingeht, wenn sie mit einem Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufnimmt, das sich in vorläufiger Insolvenz befindet. Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter vor diesem Hintergrund erklärt, die Kosten würden aus der Masse beglichen, konnte die Klägerin das nur so verstehen, als das ausreichend Masse vorhanden war, um die entstehenden Forderungen bedienen zu können, keinesfalls jedoch als persönliche Haftungsübernahme des Beklagten. Das bedeutet indes nicht, dass die Erklärung des Beklagten ohne Rechtsfolgen bleibt. Er hat hierdurch, wie oben dargelegt, einen besonderen Vertrauenstatbestand hervorgerufen, der unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss entsprechende haftungsrechtliche Konsequenzen begründet.

Letztlich rechtfertigt auch die Entscheidung des OLG Celle vom 21.10.2003 (NZI 2004, 89) keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage, da schon der dort zugrunde liegende Sachverhalt dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Der Gläubiger hatte vor Abschluss des Vertrages ausdrücklich erklärt, nur gegen Stellung von Sicherheiten oder Vorauszahlungen Leistungen erbringen zu wollen. Daraufhin hatte der Insolvenzverwalter erklärt, dass die Zahlungen "sichergestellt" seien und auch im nachfolgenden Schriftverkehr die Begriffe "Zusicherung", "Absicherung" und "sichergestellt" verwendet, woraus das Oberlandesgericht ableitete, der Insolvenzverwalter habe den verbindlichen Charakter seiner Zusage ausdrücklich eingeräumt. Es mag dahingestellt bleiben, ob unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters auch im Fall des OLG Celle hätte verneint werden müssen; im vorliegenden Fall kam eine solche jedenfalls nicht in Betracht (vgl. auch OLG Rostock, a.a.O. - hier wurde eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters abgelehnt, der ein viel weitergehende Erklärung als im vorliegenden Fall abgegeben hatte : "Damit ist für sie die Gewähr gegeben, dass ich dieser Bestellung zugestimmt habe und für die Bezahlung garantiere.").

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Ziffer 1, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreites zu tragen, da die Zuvielforderung der Klägerin geringfügig war und nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO). Die Frage der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters aus Verschulden bei Vertragsschluss ist höchstrichterlich grundsätzlich entschieden.

Ende der Entscheidung

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