Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.08.2000
Aktenzeichen: 26 W 61/2000
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BSHG, KO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 850 c
ZPO § 850 f
ZPO § 793 Abs. 1
ZPO § 850 f Abs. 1
ZPO § 850 f Abs. 1 lit. a
InsO § 4
InsO § 7
InsO § 7 Abs. 1
InsO § 100
InsO § 313
InsO § 36
InsO § 58
InsO § 35
BSHG § 11
BSHG § 12
KO § 128
KO § 132
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 11 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

26 W 61/2000

4 T 106/2000 LG Wiesbaden

10 IK 85/99 AG Wiesbaden

Verkündet am 29.8.2000

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren ...

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ 26. Zivilsenat ­ durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bernard und die Richter am Oberlandesgericht Frank und Falk am 29. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des Landgerichts Wiesbaden - 4. Zivilkammer - vom 13. April 2000 wird zugelassen.

Auf die Beschwerde des Schuldners werden dieser Beschluß des Landgerichts sowie die ihm zugrundeliegende Vorlageverfügung der Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts aufgehoben.

Das Verfahren wird zur Bescheidung der Rechtsmittel des Schuldners sowie des Treuhänders gegen den Beschluß der Rechtspflegerin des Amtsgerichts vom 2. Februar 2000 an das Amtsgericht Insolvenzgerichtzurückverwiesen.

Die in den Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Entscheidung über die übrigen Kosten wird dem Amtsgericht übertragen.

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 6. Januar 2000 wurde über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und der Beschwerdegegner zum Treuhänder bestellt.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2000 teilte der Treuhänder dem Schuldner mit, unter Berücksichtigung seines Nettogehalts in Höhe von 2108,94 DM und der Tabelle zu § 850 c ZPO sei ein Betrag von 623,70 DM pfändbar. Nachdem ein Einspruch des Schuldners erfolglos geblieben war, beantragte er am 2. Februar 2000 beim Insolvenzgericht, ihm gemäß § 850 f ZPO i.V.m. § 4 lns0 einen zusätzlichen pfandfreien Betrag zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts zu belassen, weil der vom Treuhänder für den Monat Januar 2000 ausgezahlte Betrag für seinen Lebensunterhalt nicht ausreiche. Daraufhin setzte das Insolvenzgericht durch die Rechtspflegerin gemäß § 4 Ins0 i.V.m. § 850 f ZPO den unpfändbaren Betrag durch Beschluß vom 2. Februar 2000 auf monatlich 1.681,60 DM fest.

Gegen die - ohne Anhörung des Treuhänders - ergangene Entscheidung setzte sich dieser mit der Erinnerung zur Wehr. Der Schuldner seinerseits legte wegen einer nach seiner Auffassung zu geringen Heraufsetzung des Pfändungsfreibetrages Beschwerde ein. Beide Rechtsbehelfe legte die Rechtspflegerin unmittelbar dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor. Am 22. März 2000 beschloß die Gläubigerversammlung, dem Schuldner keinen Unterhalt aus der lnsolvenzmasse zu gewähren.

Mit Beschluß vom 13. April 2000 hat das Landgericht entsprechend dem Antrag des Treuhänders den Beschluß des Amtsgerichts vom 2. Februar 2000 aufgehoben; die Beschwerde des Schuldners hat es nicht förmlich beschieden. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde des Treuhänders sei nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 4 Ins0 zulässig und auch in der Sache begründet. Denn entgegen der Auffassung des Insolvenzgerichts finde § 850 f Abs. 1 ZPO im Verbraucherinsolvenzverfahren über § 4 lns0 keine Anwendung. Vielmehr richte sich das Verfahren hier nach § 100 Abs. 1 lns0, wobei § 850 f ZPO einen Rahmen vorgebe, der die Gläubigerversammlung bzw. den Treuhänder dazu verpflichten könne, die erforderlichen Unterhaltszahlungen an den Schuldner zu veranlassen. Erst bei Untätigkeit des Treuhänders bzw. der Gläubigerversammlung könne das lnsolvenzgericht nach § 58 lns0 die erforderlichen Maßnahmen veranlassen. Dazu habe für dieses aber noch keine Veranlassung bestanden, weil die Entscheidung der Gläubigerversammlung vom 22. März 2000 über die Ablehnung von Unterhaltszahlungen erst nach Erlaß des mit der sofortigen Beschwerde angefochtenen Beschlusses erfolgt sei.

Gegen diesen nicht zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners, mit welcher er geltend macht, das Landgericht habe verkannt, daß der unpfändbare Teil seines Einkommens nicht zur lnsolvenzmasse gehöre, so daß auch der nach § 850 f ZPO pfandfreie Betrag nicht vom Insolvenzbeschlag erfaßt werde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zuzulassen und hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluß aufzuheben und das Verfahren zur Entscheidung über die Rechtsbehelfe gegen den Beschluß der Rechtspflegerin an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 7 Ins0 zuzulassen, weil sie auf eine Verletzung der §§ 4 Ins0, 850 f ZPO durch das Beschwerdegericht gestutzt wird und die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Die Rechtsfragen zum Problem der Anwendung des § 850 f ZPO im Rahmen des eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens sowie zum Rechtszug bei entsprechenden Beschlüssen, zu denen bislang - soweit ersichtlich - nur eine obergerichtliche Entscheidung ergangen ist (Beschluß des OLG Köln vom 18. August 2000, 2 W 155/2000), haben für das Insolvenzverfahren grundsätzliche Bedeutung. Darüber hinaus kann mit einer Entscheidung des Senats verhindert werden, daß sich bei den lnstanzgerichten ­ auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur (vgl. dazu die instruktive Übersicht bei Stephan, Zins0 2000, 376) ­ eine unterschiedliche Rechtsprechung entwickelt. Dies reicht zur Annahme der Notwendigkeit einer Entscheidung zum Zwecke der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aus (vgl. Frankfurter Kommentar/Schmerbach, Ins0, § 7 Rn. 16).

2. Für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nach § 7 lns0 ist es ohne Bedeutung, ob das vom Schuldner eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft war. Denn Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts unterliegen der weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 lns0 unabhängig davon, ob auch die Erstbeschwerde statthaft war (Senat NZI 2000, 137).

3. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfange begründet.

Das Landgericht hat die Anforderungen überspannt, die vorliegen müssen, bevor das lnsolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsicht über eine Erhöhung des Unterhalts des Schuldners aus der lnsolvenzmasse befinden darf. Darüber hinaus hat es den Rechtszug bei Rechtsmitteln gegen entsprechende Entscheidungen des Insolvenzgerichts verkannt.

3.1. Im Grundsatz zu Recht geht das Landgericht allerdings davon aus, daß die Vorschrift des § 850 f ZPO auch über § 4 lns0 keine direkte Anwendung im Verbraucherinsolvenzverfahren findet (a. A. Mäusezahl, Zins0 2000, 193 f). Aufgrund der Verweisung in § 4 Ins0 gelten nämlich die ZPO-Vorschriften nur insoweit entsprechend, als die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt. Die Insolvenzordnung enthält jedoch für die Unterhaltsansprüche des Schuldners gegen die Insolvenzmasse nach Eröffnung des lnsolvenzverfahrens (§§ 27, 311 ff Ins0) in § 100 Ins0 eine spezielle Regelung. Diese sieht vor, daß die Gläubigerversammlung beschließt, ob und in welchem Umfang dem Schuldner aus der Insolvenzmasse Unterhalt gewährt werden soll. Bis zu dieser Entscheidung kann ihm der Treuhänder den notwendigen Unterhalt gewähren.

Beschränkt sich die Insolvenzmasse auf das vom Schuldner regelmäßig erzielte Arbeitseinkommen, so hat im Verbraucherinsolvenzverfahren der nach § 313 Ins0 zum Treuhänder bestellte Insolvenzverwalter zunächst den vom Insolvenzbeschlag erfaßten pfändbaren Teil des Einkommens zu ermitteln. Denn Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit gehören nur insoweit zur Insolvenzmasse im Sinne von §§ 35, 36 Ins0, als diese Ansprüche gemäß den §§ 850 ff ZPO pfändbar sind. Die entsprechend der Lohnpfändungstabelle zu § 850 c ZPO unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens bleiben auch im Insolvenzverfahren beschlagnahmefrei (Frankfurter Kommentar-Schulz, lns0, § 35 Rn. 5; Heidelberger Kommentar-Eickmann, lns0, § 36 Rn. 7).

Die Insolvenzordnung enthält demgegenüber keine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß die Tabellenwerte zu § 850 c ZPO unter dem konkreten sozialhilferechtlich geschätzten Existenzminimum des Schuldners liegen.

Zwar scheinen Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 100 lns0 für die Auffassung zu sprechen, der von der Gläubigerversammlung zugebilligte Unterhalt dürfe auch geringer sein als der notwendige (so ausdrücklich Heidelberger Kommentar- Eickmann, Ins0, § 100 Rn. 3). Denn während noch in § 114 des Entwurf seiner lnsolvenzordnung (BT-Drucks.12/2443, S.143) die Gewährung des notwendigen Unterhalts" im Sinne der §§ 11, 12 BSHG aus der lnsolvenzmasse ausdrücklich als Pflicht des lnsolvenzverwalters vorgesehen war, wurde diese Formulierung auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages an die frühere Regelung in §§ 128, 132 KO angepaßt und in die jetzt Gesetz gewordene Fassung geändert (vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 167). Nach dem Ausschußbericht sollte es aus Gründen der Gerichtsentlastung" allein im Ermessen der Gläubigerversammlung, bis zur ersten Gläubigerversammlung im Ermessen des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses liegen, ob dem Schuldner Unterhalt aus der Masse gewährt wird.

Gleichwohl darf die in § 100 lns0 Gesetz gewordene Regelung der Unterhaltsansprüche des Schuldners gegen die Insolvenzmasse nach Auffassung des Senats entgegen der Annahme des Treuhänders nicht dahin verstanden werden, daß der Insolvenzschuldner zur Befriedigung seines sozialhilferechtlich anzuerkennenden, den Tabellenwert des unpfändbaren Einkommens nach § 850 c ZPO übersteigenden Bedarfs auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe verwiesen sei. Dies stünde im Widerspruch zudem in § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO zum Ausdruck kommenden, über die Einzelzwangsvollstreckung hinausgehenden allgemeinen Grundsatz, daß Vollstrekkungsgläubiger ihre privaten Interessen nicht zu Lasten der Allgemeinheit befriedigen können sollen, indem der Schuldner zur Erlangung seines notwendigen Unterhalts auf Sozialhilfe verwiesen wird. Auf diesen Grundsatz war auch in der Begründung zu § 114 InsO-E ausdrücklich Bezug genommen worden. Aus dem späteren Bericht des Rechtsausschusses ergibt sich nicht, daß insoweit im Rahmen der lnsolvenzordnung anderes gelten sollte, zumal der Gesetzgeber den aus der Ermessensregelung in § 100 lns0 folgenden Regelungsbedarf hinsichtlich der Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Schuldners offenkundig kannte. Er ist jedoch wohl schon seinerzeit davon ausgegangen, daß sich die Problematik durch die beabsichtigte Erhöhung der Pfändungsfreibeträge kompensieren lasse. In diesem Sinne hat jetzt auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Insolvenzrecht" ausdrücklich Stellung genommen (vgl. Bericht, der Bund-Länder-Arbeitsgruppe lnsolvenzrecht" zur 71. Justizministerkonferenz vom Mai 2000 in Potsdam, abrufbar auf den Internet-Seiten des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen http://www.jm.nrw.de; vgl. dazu auch NZI-Mitteilungen 2000,303 f.). Nach dem inzwischen vorliegenden Referentenentwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen sollen die Pfändungsfreigrenzen angehoben und dann oberhalb des durch § 850 f Abs. 1 ZPO geschätzten Existenzminimums liegen.

Es kann dahinstehen, ob auf diesem Hintergrund von einer planwidrigen Lücke in § 100 Ins0 ausgegangen werden kann, die mittels einer analogen Anwendung der Regelung in § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO geschlossen werden könnte (in diesem Sinne wohl Grote, Einkommensverwertung und Existenzminimum des Schuldners in der Verbraucherinsolvenz, Neuwied, Kriftel, 2000, Rn. 129, und Steder, ZIP 1999,1874 ff, 1877). Jedenfalls ist es auch nach Auffassung des Senats erforderlich, daß die Insolvenzgerichte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen im Rahmen der ihnen nach § 58 Ins0 obliegenden Aufsicht sicherstellen, daß der Schuldner entsprechend dem gesetzgeberischen Willen den notwendigen Unterhalt aus der Insolvenzmasse erhält. Dies bedeutet, daß entsprechend dem materiellen Regelungsgehalt des § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO eine Erhöhung des pfändungsfreien, nicht vom Insolvenzbeschlag erfaßten Teils des Arbeitseinkommens erfolgen muß, wenn das unpfändbare Einkommen das rechtlich geschützte Existenzminimum des Schuldners nicht sichert (so auch Kohte, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, Unterhaltsansprüche der lnsolvenzordnung, Rn. 88, Fußnote 123; Smid in Smid (Hrsg.), lnsolvenzordnung, § 100 Rn. 3).

Zu Recht weist Kohte (Rn. 83 ff) darauf hin, daß in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1992, 3153 f.; NJW 1993, 643 f.; NJW 1994, 2817 f.; NJW 1999, 561, 564) zu berücksichtigen ist, nach der staatliche Hoheitsakte den einzelnen Bürgern das sozialhilferechtlich geschützte Existenzminimum nicht entziehen dürfen. Das Gericht hat wiederholt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung betont, die dafür Gewähr bietet, daß das Existenzminimum real unberührt bleibt. Die Regierungsbegründung zu der danach vorgelegten Neufassung des § 850 f ZPO verwies dementsprechend ausdrücklich darauf, daß die neue Regelung verfassungsrechtlich geboten sei, weil die Einhaltung der Pfändungsgrenzen allein keine sichere Gewähr dafür biete, daß auch das Existenzminimum pfändungsfrei bleibe.

Für das Insolvenzverfahren gilt diese Schutzpflicht nach Auffassung des Senats in gleichem Maße. Gerade weil das Verbraucherinsolvenzverfahren sich vorwiegend an Personen richtet, deren Einkommen typischerweise in der Nähe des Existenzminimums liegt, ist dem Schuldner aus der lnsolvenzmasse der notwendige Unterhalt zu gewähren, wenn das nach § 850 c ZPO unpfändbare Einkommen des Schuldners nicht das rechtlich geschützte Existenzminimum sichert und keine Gläubigerbelange entgegenstellen (Frankfurter Kommentar-Kohte, Ins0, § 313 Rn. 19 m.w.N.). Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, der es erlaubte, den Schuldner durch die Beschlagnahme des Schuldnervermögens nach § 80 Abs. 1 Ins0 i. V. m. §§ 35, 36 lns0 schlechter zu stellen als im Falle einer Forderungspfändung nach 829, 835 ZPO in der Zwangsvollstreckung. Ansonsten wurden die Gläubigerinteressen im Rahmen der Insolvenz gegenüber den Gläubigerinteressen in der Zwangsvollstreckung privilegiert, weil anders als in der Zwangsvollstreckung der Insolvenzschuldner zur Dekkung des für den individuellen Sozialhilfebedarf notwendigen Unterhalts auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe verwiesen werden könnte.

Es muß daher auch im lnsolvenzverfahren dem Schuldner ermöglicht werden sicherzustellen, daß sein nach einer Pfändung verbleibendes Resteinkommen nicht bei Anwendung der bundeseinheitlich pauschalierten Freigrenze hinter seinem notwendigen Unterhalt zurückbleibt.

Wenn das vom Insolvenzbeschlag nicht erfaßte nach § 850 c ZPO unpfändbare Einkommen des Schuldners den notwendigen Unterhalt des Schuldners nicht sichert und keine Gläubigerinteressen entgegenstellen, verdichtet sich daher das dem Treuhänder in § 100 Ins0 eingeräumte Ermessen zu einer Verpflichtung, den notwendigen Unterhalt aus der Insolvenzmasse zu gewähren (Frankfurter Kommentar- Kohte, Ins0, § 313 Rn. 19; a.A.: Mäusezahl a.a.O., S. 194, der den Treuhänder nur für berechtigt, nicht für verpflichtet hält, den pfändungsfreien Betrag zu erhöhen; ähnlich wohl Frankfurter Kommentar-App, a.a.O., § 100 Rn. 3). Nehmen weder Treuhänder noch Gläubigerversammlung eine nach dem Maßstab des § 850 f Abs. a ZPO (dazu vgl. Senat, Beschluß vom 17. August 2000, 26 W 16/2000, noch unveröffentlicht) notwendige Änderung des pfändbaren Betrages vor und gewähren dem Schuldner nicht den notwendigen Unterhalt, so ist worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsicht nach § 58 Ins0 verpflichtet, den Treuhänder anzuhalten, die erforderliche Zahlung an den Schuldner oder dessen Familienangehörige zu veranlassen (Kohte, Kölner Schriften zur Insolvenzordnung, a.a.O., Rn. 92; Frankfurter Kommentar-Kohte, § 312 Rn. 48).

Insoweit bedarf es allerdings schon im Hinblick auf das üblicherweise gegebene eilige Regelungsbedürfnis keines förmlich gestuften Verfahrens in der Weise, daß der Schuldner zunächst an Treuhänder bzw. Gläubigerversammlungen herantreten und eine entsprechende erhöhte Unterhaltszahlung geltend machen müßte. Es ist entgegen der Auffassung des Landgerichts ausreichend, wenn der Schuldner gegenüber dem lnsolvenzgericht geltend macht, daß bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend der Anlage zu § 850 c ZPO der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Abschnitts 11 des Bundessozialhilfegesetzes für sich und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist. Im Rahmen des dem Treuhänder zu gewährenden rechtlichen Gehörs kann dieser ­ bei einfachen Fallgestaltungen mit wenigen Gläubigern möglicherweise auch die Gläubigerversammlung selbst ­ dem Sachverhalt Rechnung tragen und den Unterhalt des Schuldners aus der Insolvenzmasse erhöhen. Einer Entscheidung des Insolvenzgerichts bedarf es in diesem Fall nicht mehr.

3.2 Der Beschluß des Beschwerdegerichts war auch deshalb aufzuheben, weil es den lnstanzenzug bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts über die Gewährung des notwendigen Unterhalts verkannt hat.

Der Beschluß der Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts vom 2. Februar 2000 konnte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach §§ 6 Abs. 1 Ins0, 1 1 Abs. 1 RPFIG nicht statthaft angegriffen werden. Unabhängig davon, ob man eine (weitere) Begrenzung des vom Insolvenzbeschlag erfaßten Schuldnervermögens im Hinblick auf § 850 f Abs. 1 lit. a ZPO überhaupt nicht oder auf der Grundlage einer entsprechenden analogen Anwendung oder - wie vorliegend im Beschluß der Rechtspflegerin - aufgrund der Verweisung in § 4 lns0 oder entsprechend vorstehend entwickelten Grundsätzen des Senats für möglich hält, so handelt es sich doch bei einer diesbezüglichen Entscheidung in jedem Fall um eine solche des Insolvenzgerichts (vgl. Mäusezahl, Zins0 2000, 193, 194; Steder, ZIP 1999, 1874 ff, 1880), gegen die die Insolvenzordnung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht vorsieht. Nach § 6 Abs. 1 lns0 unterliegen aber nur solche Entscheidungen des Insolvenzgerichts einem Rechtsmittel, für die die Insolvenzordnung selbst die sofortige Beschwerde vorsieht.

Der Beschluß der Rechtspflegerin vom 2. Februar 2000 konnte daher nur mit der befristeten Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG angegriffen werden. Im Falle der Nichtabhilfe hätte abschließend der Richter des lnsolvenzgerichts nach § 11 Abs. 2 S. 2 RPflG entscheiden müssen.

Auf die weitere Beschwerde hin ist der Beschluß des Landgerichts daher aufzuheben und die Sache an das Insolvenzgericht zur abschließenden Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens - zurückzugeben.

Die Niederschlagung der Kosten der Beschwerdeverfahren beruht auf 8 Abs. 1 GKG.



Ende der Entscheidung

Zurück