Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 3 U 162/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 648 a
§ 648 a BGB findet nur auf nachträglich verlangte Sicherheiten Anwendung, während vereinbarte Sicherheiten unberührt bleiben.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 162/02

Verkündet am 04.03.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter - vom 16. August 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die vorläufige Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Beschwer der Beklagten: 21.985,55 €.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage einer Zahlungsbürgschaft in Höhe von 21.985,55 € (43.000,-- DM) wegen für die Hauptschuldnerin geleisteter Rodungsarbeiten in Anspruch. Ihre Werklohnforderung hat die Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin am 21. Mai 2001 (Bl. 52 d.A.) unter Bezugnahme auf die geschlossenen Pauschalvereinbarungen und unter Abzug von ersparten Aufwendungen abgerechnet, nachdem der Vertrag durch die Hauptschuldnerin gekündigt worden war.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass die Beklagte auf alle Einreden gem. §§ 768, 770 und 771 BGB verzichtet habe und hiervon auch der Einwand gem. § 648a Abs. 2 BGB erfasst werde.

Gegen das am 19. August 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. September 2002 Berufung eingelegt und diese innerhalb der gewährten Verlängerungsfrist begründet. Die Beklagte begehrt die Aufhebung des Urteils und Klageabweisung, weil die Bürgschaft durch Rückgabe der Urkunde erloschen sei, die Beklagte gem. § 648a Abs. 2 BGB nicht zur Leistung verpflichtet sei und auch ihr Einwand aus § 767 BGB nicht ausgeschlossen sei, auf Grund dessen berücksichtigt werden müsse, dass der Werkvertrag zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin beendet wurde; außerdem sei eine Abschlagszahlung der Hauptschuldnerin von 6.960,-- DM unberücksichtigt geblieben.

Die Klägerin begehrt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Aus den in zweiter Instanz vorgelegten schriftlichen Unterlagen geht hervor, dass die Klägerin wegen einer Verzögerung des zunächst am 12. März 2000 erteilten Auftrages über Leistungen für eine pauschale Vergütung in Höhe von 40.600,-- DM mit Schreiben vom 23. Februar 2001 die Übernahme eines Nachtragsauftrages von 9.686,-- DM von der Stellung einer Bankbürgschaft über die gesamte Auftragssumme abhängig gemacht hat (Bl. 118 f. d.A.). Die Klägerin behauptet, über die Art der Sicherung sei sehr ausführlich telefonisch gesprochen worden. In der Auftragserteilung der Hauptschuldnerin vom 27.02.2001 (Bl. 115 d.A.) wird die Zusendung der "vereinbarten Zahlungsbürgschaft" schnellstmöglich zugesagt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe gegen die Beklagte aus Bürgschaft (§ 765 BGB) gemäß der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 6. März 2001 (Bl. 3 ff d. A.) zu, weil die Beklagte auf die Einreden gem. §§ 768, 770 und 771 BGB verzichtet hat und die Zahlungsbeschränkung des § 648a Abs. 2 BGB nicht eingreift.

1.

Die Bürgschaft ist nicht durch Rückgabe der Bürgschaftsurkunde erloschen. Die Übersendung der Bürgschaftsurkunde geschah weder im Hinblick auf eine von der Beklagten vorgenommene Zahlung noch als Angebot auf einen Erlassvertrag. Die Zustellung der Bürgschaftsurkunde erfolgte vielmehr in Verbindung mit der gleichzeitig übersandten Zahlungsaufforderung und deshalb erkennbar in der Absicht, die von der Beklagten übernommene Zahlungsbürgschaft einzufordern.

2.

Der auf § 767 BGB gestützte Einwand der Beklagten, die Forderung der Klägerin bestehe wegen der von der Hauptschuldnerin erklärten Kündigung des Vertrages nicht mehr in der geltend gemachten Höhe, ist nicht hinreichend dargetan, ebenso wie die Behauptung einer nicht berücksichtigten Abschlagszahlung. Die Klägerin hat den ihr gem. §§ 649 BGB, 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB nach Kündigung der Hauptschuldnerin zustehenden Anspruch durch Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen zutreffend abgerechnet. Ein hiergegen gerichteter substantiierter Vortrag der Beklagten liegt nicht vor. Sie hat insbesondere die hierzu im Termin vom 21. Mai 2001 durch das Landgericht gewährte Schriftsatzfrist ungenutzt verstreichen lassen. In zweiter Instanz ist deshalb neues Vorbringen gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Dies gilt auch, soweit die Beklagte auf den zwischen der Hauptschuldnerin und der Klägerin anhängigen Rechtsstreit über die streitige Werklohnforderung verweist. Die Abschlagszahlung der Hauptschuldnerin (6000,-- DM ohne MwSt.) ist im Übrigen in der Abrechnung vom 21. Mai 2001 berücksichtigt; auch nach dessen Abzug übersteigt der Endbetrag von 45.031,20 DM die Bürgschaftssumme von 43.000,-- DM.

3.

Ein Zahlungsverweigerungsrecht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 648a Abs. 2 S. 2 BGB. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung an, dass diese Vorschrift lediglich auf eine gem. § 648a BGB nachträglich verlangte Sicherheitsleistung Anwendung findet, die mit Fristsetzung und Leistungsverweigerung verbunden ist, dagegen weitergehende Sicherheiten frei vereinbart werden können (Palandt/Sprau § 648a RN 4; Hofmann/Koppmann, Die neue Bauhandwerkersicherung, 3. Aufl., S. 122; Leinemann/Sterner, BauR 2000, 1414, 1415 ff; OLG Oldenburg, MDR 99, 89; OLG München, IBR 1999, 164). Andere verstehen die Vorschrift demgegenüber in einem auch vertragliche Vereinbarungen erfassenden Sinne (Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 14. Aufl., Anhang 2 BGB Rdnr. 211; Staudinger-Peters, BGB, Neubearbeitung 2000, § 648a Rdnr. 27; wohl auch Soergel in MünchKomm. BGB, 3. Aufl., § 648a Rdnr. 45; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf BauR 2000, 919; OLG Celle IBR 2000, 377). Der BGH musste diese Frage in seinem Urteil vom 24.01.2002 (ZIP 2002, 428 = NJW 2002, 1198) nicht entscheiden. Es lag eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vor, deren Geltendmachung er nicht als rechtsmissbräuchlich ansah, obwohl die in § 648a Abs. 2 S. 2 BGB normierten Voraussetzungen nicht gegeben waren, da sich eine gefestigte Auffassung zur Anwendung dieser Bestimmung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 648a Abs. 1 BGB bisher nicht gebildet habe.

Zwar lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 648a Abs. 2 S. 2 BGB nicht eindeutig und zweifelsfrei beantworten, ob die Bestimmung auch auf vertraglich vereinbarte Sicherheitsleistungen anzuwenden ist (vgl. BGH ZIP 2002, 428). Die Gesetzesbegründung spricht jedoch für eine einschränkende Auslegung. Hiernach strebt das Gesetz zur besseren Sicherung der Bauhandwerker eine möglichst einfache und flexible Lösung an, über die bereits vorhandenen Sicherungen durch Sicherungshypothek und Abschlagszahlungen hinaus, welche als unzureichend beschrieben werden (BT Drucksache12/1836, S. 5 ff). Eine umfassende Regelung der Sicherungen für am Bau beteiligte Unternehmer ist dagegen in der Begründung nicht enthalten. Unerwähnt bleibt auch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, die gerade jedwede Auszahlungsbeschränkung, wie sie in Abs. 2 S. 2 des § 648a BGB geregelt ist, vermeiden soll. Ein Ausschluss z. B. dieser Sicherungsform durch die gesetzliche Regelung hätte einer ausdrücklichen Erwähnung bedurft. Dazu findet sich jedoch weder in der Begründung zu Abs. 2 noch zu Abs. 7 (die gänzlich fehlt) ein Hinweis.

Auch in der Begründung des Rechtsausschusses (BT Drucksache 12/4526, S.11 f) wird lediglich auf den vorrangigen Zweck des neuen § 648a hingewiesen, den Bauunternehmer vor existenzgefährdenden Risiken großer Baupleiten zu schützen und ihm insoweit ein effektives Sicherungsinstrument zur Verfügung zu stellen. Eine umfassende oder gar abschließende Regelung der Bauhandwerkersicherung wird auch hier nicht intendiert. Aus diesen Umständen kann gefolgert werden, dass mit § 648a BGB lediglich eine zusätzliche Absicherung für Bauhandwerker mit besonderen Voraussetzungen geregelt worden ist, die zur Voraussetzung hat, dass der Bauhandwerker für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen eine Sicherheit verlangt und eine angemessene Frist setzt, nach deren Ablauf er weitere Vorleistung verweigere.

Für eine solche als Anspruch ausgestaltete zusätzliche Sicherung spricht auch die Bezugnahme auf die Sicherungshypothek in Abs. 4 der Vorschrift. Diese Sicherung soll ausgeschlossen sein, wenn eine Sicherung nach § 648a BGB verlangt wird. Der Ausschluss aller weiteren möglichen Sicherungen ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass mit Inkrafttreten von § 648a BGB alle Sicherheitsleistungen für Bauhandwerker, sich ausschließlich am Maßstab des § 648a BGB zu orientieren hätten.

Vielmehr bleibt es den Vertragschließenden unbenommen, sich schon im Vertrag oder auch nachträglich auf eine weitergehende Sicherung, z.B. eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, zu einigen. Die gesetzliche Regelung des § 648a BGB sieht demgegenüber für den Fall fehlender Einigung einen mit bestimmten Voraussetzungen ausgestatteten Anspruch des Unternehmers gegenüber dem Besteller vor. In diesem Fall ist nach § 648a BGB zu verfahren.

4.

Die gesetzliche Regelung des § 648a BGB betrifft deshalb den vorliegenden Fall nicht. Vielmehr haben die Parteien anlässlich der Verhandlungen über den Nachtragsauftrag eine Zahlungsbürgschaft einvernehmlich geregelt, und zwar im Hinblick auf eine von der Bestellerin zu vertretende Verzögerung des Bauvorhabens. Infolgedessen ergab sich für die Klägerin nicht die Notwendigkeit, zur Erlangung einer zusätzlichen Sicherheit nach § 648a BGB vorzugehen.

Die im Übrigen nicht streitige Zinsforderung ist gem. §§ 286, 288 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10 und 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO gegeben sind.

Ende der Entscheidung

Zurück