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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 3 WF 78/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1612 a
BGB § 1612 b
ZPO § 114
ZPO § 323 IV
Prozesskostenhilfe ist auch für eine Klage auf Abänderung einer Jugendamtsurkunde zu bewilligen, wenn nur die Erhöhung des Regelbetrages von 100 % auf 135 % angestrebt wird und wenn sich die Änderung des Prozentsatzes zum Entscheidungszeitpunkt nicht auf den Zahlbetrag auswirkt.
Gründe:

Der Beklagte ist der Vater der am ....2001 geborenen Klägerin. Gemäß Urkunde des Jugendamts Wiesbaden vom 05.12.2001 hat er sich ihr gegenüber zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersgruppe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes verpflichtet. Die Klägerin hat Stufenklage auf Auskunft und Abänderung der Jugendamtsurkunde erhoben und beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11.07.2005 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die bezifferte Zahlungsklage vorbehalten bleibt.

Nach Auskunftserteilung und nach Bezifferung des Antrages mit Schriftsatz vom 26.01.2006 hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die zweite Klagestufe abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.03.2006 nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 127 Abs.2 S.2 ZPO) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs.3 S.2, 569 ZPO).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Abänderungsklage ist zulässig, auch soweit sie sich auf die Leistungsstufe bezieht (§§ 323 Abs. 4, 794 Abs.1 Nr.5 ZPO). In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, ob eine wesentliche Änderung vorliegt, weil die Regelung des § 323 Abs.1 BGB keine Anwendung bei Klagen findet, die auf die Abänderung einer Jugendamtsurkunde gerichtet sind (vgl. Zöller, ZPO, 25.Aufl, § 323 Rn. 43; BGHZ 128,323).

Es ist auch von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage auf Abänderung des Jugendamtstitels auszugehen. Die Klägerin hat substantiiert genug dargelegt, dass der Beklagte in die 6. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle einzustufen und deswegen zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe verpflichtet ist.

Der Bejahung der Erfolgsaussicht steht nicht entgegen, dass der Leistungsantrag zum augenblicklichen Zeitpunkt zu keinem anderen Zahlungsanspruch der noch nicht sechsjährigen Klägerin führt. Anders als bei vollstreckbaren Vereinbarungen, deren Abänderung erst bei Wegfall der Geschäftsgrundlage verlangt werden kann (§ 313 Abs.1 BGB), ist eine vergleichbare materiellrechtliche Voraussetzung bei einseitig errichteten Jugendamtsurkunden nicht ersichtlich. Der Unterhaltsberechtigte kann bei diesen grundsätzlich eine Neufestsetzung des Unterhalts nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen, wenn der Titel diesen nicht entspricht (BGH FamRZ 1989, 172, 174; 2004, 24). Das erscheint angemessen, weil die Grundlagen der Urkunde nicht auf einer Absprache der Parteien beruhen.

Die Zahlungsklage ist nicht als mutwillig anzusehen. In der dritten Altersstufe würde sich bereits heute nach den Kindergeldanrechnungsvorschriften gemäß § 1612 b BGB ein Mehrbetrag von 8,59 % errechnen, wenn der Beklagte 135 % des Regelbetrages abzüglich anrechenbaren Kindergeldes zu bezahlen hätte. Ein solcher Mehrbetrag würde bei vollstreckbaren Vergleichen über bezifferte Unterhaltsverpflichtungen zu einem Recht auf gerichtliche Abänderung führen. Gerade im unteren Bereich der Düsseldorfer Tabelle liegt die Änderungsschwelle des § 313 Abs.1 BGB unterhalb des Grenzwertes von 10 % (vgl. OLG Hamm FamRZ 2004,1051 u.1885). Es ist weiter denkbar, dass sich bei Neufassung der Kindergeldanrechnungsvorschriften der Zahlbetrag noch in erheblicherer Weise erhöhen würde. Zudem könnte sich die Darlegungs- und Beweislast zu Gunsten der Klägerin in einem späteren Prozess verändern, wenn jetzt eine Festsetzung der Unterhaltspflicht des Beklagten auf 135 % des Regelbetrages erfolgt.

Es ist gleichfalls nicht als mutwillig zu bewerten, dass die Klägerin bereits jetzt die Abänderung des Prozentsatzes begehrt und nicht damit wartet, bis sich dies auf den Zahlbetrag tatsächlich auswirkt. Ihr Vorgehen ist gerade als besonders kostengünstig anzusehen. Der Streitwert erhöht sich dadurch nicht. Für die hier vorliegende Stufenklage gemäß § 44 GKG ist nur die Auskunftsstufe maßgeblich. Die Leistungsstufe hat keinen eigenen Wert, weil auf die tatsächliche Abänderung der Zahlungspflicht zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 42 Abs.1 GKG; vgl. Hartmann, KostG, 34.Aufl., § 42 Rn.46) abzustellen ist. Insoweit ergibt sich aber im Zeitpunkt der Anhängigkeit, wie oben bereits festgestellt, gerade keine Änderung.

Ende der Entscheidung

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