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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.12.2002
Aktenzeichen: 3 Ws 1368/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 200
StPO § 201
Entspricht eine Anklageschrift und Auffassung des Gerichts oder des Vorsitzenden, der insoweit eine Vorprüfung vornehmen kann, nicht der Erfordernis des § 200 StPO, so kann der Vorsitzende sie - vor Zustellung an den Angeschuldigten - an die StA mit der Anregung zurückzugeben, sie zu ergänzen oder zu verbessern. Lehnt die StA eine Korrektur ab, muss nunmehr das Gericht - nicht der Vorsitzende - darüber entscheiden, ob die Anklage mit solchen Mängeln behaftet ist, die eine Eröffnung des Hauptverfahrens hindern und im letzteren Fall die Eröffnung des Hauptverfahrens ganz oder teilweise ablehnen. Wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt werden, braucht der Vorsitzende die Anklageschrift dem Angeschuldigten nicht zuvor nach § 201 StPO mitzuteilen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1368/02

Verkündet am 20. Dezember 2002

In der Strafsache

gegen

wegen Betruges u. a.

hier: Ablehnung der Zustellung der Anklageschrift,

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 12. September 2001

am 20. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die den Angeschuldigten etwa erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat, verworfen.

Gründe:

Mit der angefochtenen Verfügung hat es der Vorsitzende der Strafkammer abgelehnt, die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 09. Juli 2002 den beiden Angeschuldigten nach § 201 StPO mitzuteilen, weil auch die nunmehr zweimalig nachgebesserte Anklage sich hinsichtlich der Anklagepunkte 1 bis 216 in Andeutungen erschöpfe und aus sich heraus nicht ausreichend verständlich sei. Die Anklage werde insgesamt ihrer Informationsfunktion in einem derart schwerwiegenden Maß nicht gerecht, dass bereits eine Mitteilung an die Angeschuldigten abzulehnen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden, der die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main beigetreten ist.

Die Beschwerde, der der Vorsitzende nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§ 304 Abs. 1 StPO). § 305 Satz 1 StPO steht nicht entgegen, da Entscheidungen vor der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht unter diese Vorschrift fallen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 305 Rdnr. 2). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Entspricht eine Anklageschrift nach Auffassung des Gerichts oder des Vorsitzenden, der insoweit eine Vorprüfung vornehmen kann, nicht den Erfordernissen des § 200 StPO, so kann der Vorsitzende sie an die Staatsanwaltschaft mit der Anregung zurückgeben, sie zu ergänzen oder zu verbessern. Dies kann auch schon vor Zustellung der Anklage an den Angeschuldigten geschehen (vgl. Pfeiffer in Festschrift für Günter Bemmann, S. 594). Die Staatsanwaltschaft ist allerdings nach allgemeiner Meinung zu einer Korrektur nicht verpflichtet (vgl. Rieß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 200 Rdnr. 54 a m.w.N.) Lehnt die Staatsanwaltschaft eine Korrektur ab, muss nunmehr das Gericht - nicht der Vorsitzende - darüber entscheiden, ob die Anklage mit solchen Mängeln behaftet ist, die eine Eröffnung des Hauptverfahrens hindern und im letzteren Fall die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen (vgl. Pfeiffer, a.a.O., sowie StPO, 4. Auflage, § 200 Rdnr. 10). So verhält es sich vorliegend.

Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Verfügung vom 10. Juli 2002, mit der sie ihre erstmals "nachgebesserte" Anklage vom 20. März 2002 zurückgenommen und der Strafkammer ihre ergänzte Anklage vom 09. Juli 2002 zugeleitet hat und auch mit ihrem Rechtsmittel eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie zu einer weiteren Nachbesserung bzw. Ergänzung ihrer Anklage nicht bereit ist. Demgemäß hat die Strafkammer nunmehr die Frage zu prüfen, ob die von dem Vorsitzenden bei seiner letzten Vorprüfung beanstandeten Mängel der Anklage von so wesentlicher, bzw. essentieller Art sind (vgl. KK-Tolksdorf, StPO, 4. Auflage, § 200 Rdnr. 23; Rieß, a.a.O., § 200 Rdnr. 52 b ff.), dass sie durch das Gericht nicht heilbar sind (vgl. KMR-Seidel, StPO, § 200 Rdnr. 64) und die Eröffnung des Hauptverfahrens ganz oder teilweise abzulehnen ist. Da dies aufgrund der erhobenen Beanstandungen in Betracht kommt, braucht der Vorsitzende die Anklageschrift den Angeschuldigten nicht nach § 201 Abs. 1 StPO mitzuteilen (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1996, 95; KK-Tolksdorf, a.a.O., § 201 Rdnr. 3; Rieß, a.a.O., § 201 Rdnr. 7). Der gegenteiligen Auffassung, die auch dann, wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens voraussichtlich abgelehnt wird, zunächst die Mitteilung der Anklageschrift vorschreibt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 201 Rdnr. 1; HK-Julius, StPO, 3. Auflage, § 201 Rdnr. 4) folgt der Senat nicht, da ein solches Verfahren zeitliche Verzögerungen mit sich bringen würde, ohne dass die Sache gefördert werden würde. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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