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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.01.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 1384/02
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70 Abs. 2
Durch den Besitz einer Spielkonsole der Marke "Sony Playstation 2" wird die Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt gefährdet. (StVollzG 70 II)
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 1384/02 (StVollz)

Entscheidung vom 2. Januar 2004

In der Strafvollzugssache

...

wegen Einbringung einer Spielekonsole der Marke

"...",

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel vom 13. November 2002 am 2.1.2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.

Gründe:

Eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Die Frage, ob der Besitz einer Spielekonsole der Marke X ... Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet (§ 70 Abs. 2 StVollzG), beurteilt sich in erster Linie nach den technischen Merkmalen und Möglichkeiten dieses Telespielegerätes und ist deshalb überwiegend tatsächlicher Natur (vgl. BVerfG NStZ-RR 2002, 128), so dass es nicht vorrangig um die Klärung und richtungsweisende Beurteilung einer bestimmten Rechtsfrage geht.

Die Rechtsbeschwerde ist aber auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Zwar ist eine abschließende Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der ... der Marke X in einer Justizvollzugsanstalt bisher nicht ergangen. Dies ist indes nicht länger erforderlich, da inzwischen das Brandenburgische Oberlandesgericht in seiner ­ offensichtlich noch nicht veröffentlichten ­ Entscheidung vom 25. August 2003 (1 Ws (Vollz) 14/03) die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt durch die Einbringung einer ... mit einer eingehenden Begründung, die sich auch mit der gegenteiligen Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe in dessen Beschluss vom 10. März 2003 (ZfStrVo 2003, 244) auseinandersetzt, durch die Einbringung einer ... bejaht hat und der Senat sich dieser Auffassung im wesentlichen anschließt.

Soweit in der genannten Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nur jeweils von einer ... die Rede ist, ohne dass die Marke X genannt wird, ist dies ohne Bedeutung. Angesichts des Verbreitungsgrades des Telespielegerätes ... und der von der Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss im einzelnen wiedergegebenen technischen Merkmalen der Spielekonsole ... besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei dem vom Brandenburgischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall um eine ... der Marke X handelt.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat aufgrund der technischen Beschaffenheit der X ... im einzelnen ausgeführt, dass die Möglichkeit bestehe, auf der Festplatte des Geräts missbräuchlich Daten zu speichern bzw. über das Internet einen Austausch mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu ermöglichen, ohne dass eine Kontrollmöglichkeit besteht, festzustellen, ob dieser Datenaustausch den Vollzugszielen entgegensteht.

Zwar ist die gewählte Formulierung, die Daten könnten auf einer ,,Festplatte" gespeichert werden, missverständlich. Das Gerät verfügt nämlich bisher noch nicht über eine Festplatte im üblichen Sinne, sondern lediglich über sog. Memory-Cards, die indes in der vom OLG Brandenburg beschriebenen Weise als "Speicherplatz" missbraucht werden können. Überdies kann mit bereits heute erhältlichen und ohne weiteres in die JVA einschmuggelbaren "Zusatzinstallationen", z.B. einem Y-..., die ... zu einer PC-ähnlichen Funktionalität erweitert werden.

Dem Risiko einer missbräuchlichen Benutzung zur unerlaubten Speicherung von Daten und der unerlaubten Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt kann nicht hinreichend dadurch begegnet werden, dass das Gerät verplombt und etwaige Schnittstellen versiegelt werden. Bei Spielekonsolen des besagten Typs handelt es sich um elektronische Geräte, die über eine Vielzahl miniaturisierter Schaltkreise und ­elemente (Mikrochips) verfügen, die für einen Laien nicht unterscheidbar sind. Das mit der Kontrolle entsprechender Geräte beauftragte Personal des Justizvollzugsdienstes verfügt nicht über die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Elektronik, um einen Missbrauch der im Gerät vorhandenen Schnittstellen und Anschlüsse zu verhindern. Es kann angesichts der Komplexität der technischen Gegebenheiten entsprechendes Wissen und die nötigen Fertigkeiten auch mit hohem Schulungsaufwand nicht erwerben.

In Übereinstimmung mit dem Brandenburgischen Oberlandesgericht geht auch der Senat davon aus, dass die in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. März 2003 angeführte ,,Verplombung" oder Versiegelung der Schnittstellen für den Modem-Anschluss (zum Betrieb eines externen Mobiltelefons) nicht ausreicht, um der Gefahr missbräuchlicher Datenspeicherung zu begegnen und diese dauerhaft zu unterbinden. Die einfache Verplombung der bezeichneten Schnittstellen kann nicht verhindern, dass durch Manipulationen an der Hardware der Spielekonsole oder die Veränderung geeigneter Software andere ­ für den regulären Spielbetrieb der Konsole unabdingbare - Schnittstellen des Gerätes für verbotene Zwecke umfunktioniert werden können.

Schließlich ist die Spielekonsole geeignet, unter Zuhilfenahme eines Mobiltelefons und eines Modems dem Antragsteller oder anderen Strafgefangenen Zugang zum Internet in der Haftanstalt zu schaffen, wodurch sicherheitsrelevante Informationen mit Außenstehenden ausgetauscht werden können. Dies gefährdet ebenfalls die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. die Schnittstelle für den TV-Bildschirm, die zum ordnungsgemäßen Betrieb der Spielekonsole nicht verplombt werden kann, durch Manipulationen, die bei Haftraumkontrollen nicht ohne weiteres entdeckt werden können, als Anschluss für ein Mobiltelefon und/oder das erforderliche Modem genutzt werden kann. Bei Mobiltelefonen und entsprechenden Modems handelt es sich erfahrungsgemäß um kleinere Gegenstände, die im Haftraum oder bei Gefangenen in der Kleidung oder Körperhöhlen verborgen werden können. Diese Gegenstände können durch einfache Maßnahmen an der Spielekonsole installiert und ­ zur Vermeidung einer Entdeckung bei Kontrollen ­ auch ebenso einfach abgebaut werden.

Die ... entspricht hiernach zumindest nach erfolgter Erweiterung und Manipulation in ihren Anwendungsmöglichkeiten durchaus einem Personalcomputer, hinsichtlich dessen bereits mehrfach obergerichtlich entschieden worden ist, dass dessen Aushändigung an einen Strafgefangenen grundsätzlich versagt werden kann (vgl. OLG Celle, StV 1994, 436; OLG Hamm, NStZ 1997, 566; OLG Düsseldorf, NStZ 1999, 271 sowie Senat in NStZ-RR 1999, 156 ff.).

Wie der Senat bereits anfangs ausgeführt hat, sind die für die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt maßgebenden Gesichtspunkte rein tatsächlicher Natur, so dass sich die Frage einer Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die abweichende Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht stellt.

Dem Antragsteller verbleibt im übrigen weiterhin die Möglichkeit, die bereits in seinem Besitz befindliche ... zu betreiben.

Allein die bloße Möglichkeit, dass für dieses immer noch sehr weit verbreitete Gerät in Zukunft eventuell keine Ersatzteile mehr erhältlich sein werden, rechtfertigt aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht die Zulassung der ... in der Haftanstalt.

Soweit der Beschwerdeführer auf einen Beschluss des Landgerichts Kassel vom 19. Februar 2002 hinweist (3 StVK 407/02), hatte das Gericht in dem zugrunde liegenden Fall die Vollzugsbehörde nur deshalb zur Aushändigung einer ... an den Mitgefangenen verpflichtet, weil diesem von der Vollzugsbehörde in damaliger Unkenntnis der Missbrauchsmöglichkeiten der Kauf des Gerätes bereits genehmigt worden war.

Der Gegenstandswert wird auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 500,- € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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