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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 240/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 310 Abs. 1
1. Die Änderung der Prozessordnung erfasst das Verfahren in der Lage, in der es sich bei Inkrafttreten befindet, greift aber in eine abgeschlossene Prozesslage nicht ein.

2. Die seit dem 1.1.2007 eröffnete weitere Beschwerde gegen Entscheidungen über die Anordnung eines dinglichen Arrestes über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro ist erst gegen Entscheidungen der Landgerichte gegeben, die seit dem Inkrafttreten dieser Verfahrensänderung ergangen sind.

3. Auch wenn vor der Verfahrensänderung ergangene Beschwerdeentscheidungen der Landgerichte über Anordnung dinglicher Arreste nicht in formeller Rechtskraft erwachsen, begründen sie eine abgeschlossene Prozesslage. Mit Ausschöpfung des Rechtsmittelzuges ist die Entscheidungszuständigkeit wieder auf das Amtsgericht übergegangen.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Darmstadt hat mit Beschluss vom 21.07.2004 gemäß §§ 111 b, 111 d StPO den dinglichen Arrest in Höhe von 1.098.985,26 € in das Vermögen des Beschuldigten sowie in das Vermögen der Firma X GmbH zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche und des staatlichen Anspruchs auf Verfall von Wertersatz angeordnet.

Des Weiteren ist mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 29.07.2004 der dingliche Arrest in Höhe von 237.721,62 € in das Vermögen des Beschuldigten sowie in das Vermögen der Firma Y GmbH zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche und des staatlichen Anspruchs auf Verfall von Wertersatz angeordnet worden.

Die Aufhebung dieser Arrestbeschlüsse hat der Beschuldigte mit seinem Antrag vom 02.11.2006 begehrt. Das Amtsgericht Darmstadt hat den Antrag mit Beschluss vom 22.11.2006 zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Zurückweisung seiner Anträge hat das Landgericht Darmstadt durch Beschluss vom 29.12.2006 verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beschuldigten.

II.

Die weitere Beschwerde ist unzulässig. Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts können grundsätzlich nicht mit der weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 310 Abs. 2 StPO), es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall nach § 310 Abs. 1 StPO vor.

Ein solcher Ausnahmefall lag im maßgeblichen Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung nicht vor, da weder über eine Verhaftung noch über eine einstweilige Unterbringung entschieden worden ist. § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO, in der seit dem 1.1.2007 geltenden Fassung, wonach eine Anordnung des dinglichen Arrestes nach § 111 b Abs. 2 in Verbindung mit § 111 d StPO über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro durch eine weitere Beschwerde angefochten werden kann, ist nicht rückwirkend anzuwenden.

Durch Artikel 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24.10.2006 (BGBl. I Jahrgang 2006 S. 2350) wurde § 310 StPO dahingehend geändert, dass auch Beschlüsse des Landgerichts, die auf eine Beschwerde hin erlassen worden sind und die die Anordnung des dinglichen Arrestes nach § 111b Abs. 2 in Verbindung mit § 111d StPO über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro zum Gegenstand haben, mit der weiteren Beschwerde angefochten werden können. Das Gesetz ist mit Wirkung zum 01.01.2007 in Kraft getreten. Regelungen über eine Rückwirkung enthält es nicht.

Nach dem Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts, soweit - wie hier - nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch bereits anhängige Verfahren (BVerfGE 87, 48; BGHSt 22, 321; BGHSt 26, 288; OLG Hamburg NStZ-RR 2003, 46; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 354 a, Rdnr. 4; Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 354 a Rdnr. 5). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Rechtsvorschriften, sondern auch für Bestimmungen, welche die Stellung von Verfahrensbeteiligten, ihre Befugnisse und Pflichten betreffen, sowie für Vorschriften über die Vornahme und Wirkungen von Prozesshandlungen (BGHSt 22, 321, 325). Die Änderung erfasst das Verfahren aber in der Lage, in der es sich bei Inkrafttreten der neuen Vorschrift befindet (BGHSt 22, 325). Für ein bereits beendetes prozessuales Geschehen gilt eine Verfahrensänderung nicht (OLG Hamm NJW 1975, 701, Löwe-Rosenberg/Hanack, StPO, 25. Aufl., § 354 a Rdnr. 6). So liegt der Fall hier.

Der Instanzenzug gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 22.11.2006 war mit der Entscheidung des Landgerichts vom 29.12.2006 ausgeschöpft. Zwar erwächst die angefochtene Entscheidung nicht in formelle Rechtskraft. Eine formelle Sperrwirkung für eine neue Entscheidung in derselben Frage ist nicht eingetreten. Gleichwohl begründet die Entscheidung bezogen auf die Anordnung des dinglichen Arrests eine abgeschlossene Prozesslage, in die nach den Regeln des intertemporalen Prozessrechts nicht eingegriffen wird. Nach Erlass der landgerichtlichen Entscheidung oblag es aufgrund des zu diesem Zeitpunkt geltenden Prozessrechts wieder dem Amtsgericht, über die Fortdauer des angeordneten Arrests - etwa aufgrund eines erneuten Antrags des Beschuldigten - zu entschieden. Das Amtsgericht war mithin ab dem 29.12.2006 wieder dazu berufen, etwa aufgrund neuer Ermittlungserkenntnisse über den Tatverdacht zu befinden oder bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Anordnung den weiteren Zeitablauf sowie den Fortgang des Verfahrens zu bewerten. Die Verfahrensänderung erfasst das Ermittlungsverfahren in dieser Lage. In die bestehende Entscheidungszuständigkeit des Amtsgerichts greift die Änderung des Prozessrechts, welche ein weiteres Rechtsmittel eröffnet, nicht ein. Vielmehr ist die neu eröffnete weitere Beschwerde erst gegen Entscheidungen der Landgerichte gegeben, die seit dem Inkrafttreten ergangen sind. Dass vorliegend die angefochtene Entscheidung nur wenige Tage vor Inkrafttreten ergangen ist, ändert hieran nichts.

Auch verfassungsrechtliche Grundsätze erfordern keine rückwirkende Anwendung der neuen Regelung. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die Rechtssicherheit des Prozessrechts kann zwar durch eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln berührt werden (vergl. BVerfGE 87, 48). Dies gilt jedoch nicht, wenn - wie hier - ein neues Rechtsmittel eröffnet wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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