Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 3 Ws 271/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 140 Abs. 2
StPO § 247
Nicht jede Aussage - gegen - Aussage Konstellation gebietet die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Kann jedoch aus weiteren Indizien allein nicht hinreichend sicher auf die Richtigkeit der Angaben der einzigen Belastungszeugen geschlossen werden, ist deshalb eine besondere Glaubwürdigkeitsprüfung erforderlich und kommen weitere, die Beweiswürdigung zusätzlich erschwerende Umstände (hier: widersprüchliche Angaben des Belastungszeugen), zeitweiser Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung während der Zeugenvernehmung hinzu, so kann die Bestellung unumgänglich sein.
Gründe:

Das Amtsgericht Darmstadt verurteilte den Angeklagten am 23. 12. 2008 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Haftpflichtversicherungsschutz sowie wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe (Schreckschusswaffe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 4 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Außerdem ordnete es eine Sperrfrist von 12 Monaten für die Erteilung einer Fahrerlaubnis an und zog die sichergestellte Schreckschusswaffe sowie den sichergestellten PKW X ein. Hiergegen hat der Angeklagte - beschränkt auf die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsschutz - Berufung eingelegt, mit dem er sein Ziel des Teilfreispruch bezüglich dieser Delikte unter Aufhebung der Fahrerlaubnissperre sowie der Einziehung des PKWs weiterverfolgt.

Mit seiner durch seinen bisherigen Wahlverteidiger eingelegten Berufung hat der Angeklagte zugleich dessen Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt, im Wesentlichen mit der Begründung, die Beweislage sei schwierig. Der Vorsitzende der kleinen Strafkammer hat dies mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, weil die Voraussetzungen nach § 140 II StPO nicht vorlägen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Notwendigkeit der Verteidigung folgt aus der Schwierigkeit der Sachlage.

Der Angeklagte bestreitet die ihm zu Last gelegten Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateineinheit mit Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Versicherungsschutz am 10.09.2007 und 25.02.2008. Das Ergebnis der Berufungsverhandlung hängt davon ab, ob die Kammer den Aussagen der Zeugin Z1 (bzgl. der Tat vom ....2007) und der Zeugin Z2 (bzgl. der Tat vom ....2008) folgt.

Zwar erfordert nicht jede Aussage-gegen Aussage-Konstellation die Beiordnung eines Pflichtverteidigers (so zutreffend OLG Celle, NStZ 2009, 175, weitergehend OLG Koblenz, NStZ-RR 200, 176 mwN; wohl auch OLG Hamm, NStZ-RR 2001, 107). Kann jedoch aus weiteren Indizien allein nicht hinreichend sicher auf die Richtigkeit der Angaben der einzigen Belastungszeugen geschlossen werden, ist deshalb eine besondere Glaubwürdigkeitsprüfung erforderlich und kommen weitere, die Beweiswürdigung zusätzlich erschwerende Umstände hinzu, so kann eine sachgerechte Verteidigung, insbesondere das Aufzeigen von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der jeweiligen Belastungszeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhaltes gewährleistet werden. Dieser ist aber - auch nach der Neufassung des § 147 StPO - nur dem Verteidiger zugänglich, so dass in diesem Falle die Bestellung des Pflichtverteidigers unumgänglich ist (OLG Celle aaO). So liegt die Sache hier.

Die neben den Angaben der jeweiligen Belastungszeugin vom Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogen sonstigen Umstände besagen über das eigentliche Tatgeschehen vom 10.09.2007 und 25.02.2008 wenig und lassen hierauf allenfalls indirekte Schlüsse zu. Es bleiben also im Wesentlichen die belastenden Aussagen der beiden Zeuginnen, deren Verhältnis zum Angeklagten seit längerer Zeit von Spannungen geprägt ist.

Hinzukommt, dass die Zeuginnen nach den Feststellungen des Amtsgerichts bezüglich des gem. § 154 StPO eingestellten Vorfalls vom 08.09.2007, den sie gemeinsam beobachtet haben wollen, zumindest teilweise widersprechende Angaben gemacht haben, was die Anforderungen an die Glaubwürdigkeitsprüfung noch erhöht (vgl. etwa BGH, StV 1998, 581 und OLG Koblenz aaO). Ferner war vom Amtsgericht angeordnet worden, dass sich der Angeklagte während der Vernehmung der Zeugin Z2 entfernt (§ 247 StPO). Auch hierdurch wird er in seinen Möglichkeiten, sich selbst zu verteidigen, beeinträchtigt, weil auch die umfangreichste Unterrichtung durch den Vorsitzenden den persönlichen Eindruck des Angeklagten und dessen ständige Anwesenheit nicht zu ersetzen vermag (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 1987, 89). Jedenfalls auf Grund dieser aufgezeigten zusätzlichen Umstände ist nach Auffassung des Senats die Pflichtverteidigerbestellung geboten.

Der Senat bestellt den bisherigen Wahlverteidiger, weil Gründe, die dessen Bestellung gem. § 142 I 3 StPO entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind und eine andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Sein Antrag, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen, enthält die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Beiordnung enden (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 142 Rn 7 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467 I, 473 III StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück