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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 44/07 (StVollz)
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf Aufhebung der Wegnahme von 13 DVDs mit pornografischem Inhalt aus dem Haftraum des Antragstellers und die Verpflichtung der JVA auf Wiederaushändigung dieser Gegenstände sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat ihre Entscheidung darauf gestützt, dass die JVA die Erlaubnis zum Besitz der 13 DVDs mit pornografischem Inhalt nach § 70 Abs. 3 in Verb. mit Abs. 2 Ziff. 2 StVollz ermessensfehlerfrei widerrufen konnte, da das Ziel des Vollzuges und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt durch den Besitz gefährdet würden.

Zusätzlich zu den für eine erstmalige Versagung gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG erforderlichen konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen einer realen Gefährdung der Sicherheit der Anstalt bedarf der Widerruf nach § 70 Abs. 3 StVollzG einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Abwägung des Interesses der Allgemeinheit gegenüber dem Interesse des Strafgefangenen am Fortbestand der ihn begünstigenden Rechtslage ( Arloth/Lückemann, StVollzG, Rdnr. 7 zu§ 70). Hinsichtlich des Versagungsgrundes des § 70 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. StVollzG reicht eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt aus, die dem begehrten Gegenstand generell und losgelöst von der Person des Gefangenen innewohnt. Der angefochtene Beschluss legt bereits nicht dar, dass von den in der JVA O1 genehmigten DVDs eine solche Gefahr ausgeht. Der Senat hat bereits grundsätzlich zu der Frage der Gefahr durch die Aushändigung von DVDs mit pornografischem Inhalt Stellung genommen. Zu dem Hinweis der JVA auf einen unzumutbaren Kontrollaufwand hat der Senat im Beschluss vom 16. 3. 2005, 3 Ws 1224-1225/04 (StVollz) ausgeführt:

"Auch der weitere Vortrag der JVA, der Inhalt der Datenträger könne vor der Aushändigung aus Zeitgründen nicht auf pornografischen oder gewaltverherrlichenden Inhalt sowie verfassungsfeindliche Bezüge überprüft werden, vermag eine Versagung nicht zu begründen. Nach Ansicht des Senats kann dieser Gefahr durch zumutbare mildere Maßnahmen begegnet werden wie den ausschließlichen Bezug von DVDs, die von der FSK ab 18 Jahre freigegeben worden sind, über ein ausgesuchtes Versandhandelsunternehmen, einer Mengenbegrenzung für ihren Besitz und durch ihre - z. B. in der JVA O2 mit Erfolg praktizierte - Siegelung ( vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. 1. 2005, 3 Ws 1322 - 1323/04 ( StVollz) ). Durch diese Maßnahmen kann zugleich die Gefahr, dass Gefangene unerlaubt gebrannte DVDs mit sicherheitsrelevantem Inhalt von außen erhalten, begrenzt werden. Das verbleibende Risiko ist nicht höher als bei dem Einschmuggeln sonstiger verbotener Gegenstände; dem wird durch Kontrollen - die indes durch eine Siegelung wesentlich erleichtert werden - begegnet werden müssen."

Hinsichtlich einer Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt durch die Verbreitung pornographischen Materials hat der Senat mit Beschluss vom 26. 1. 2005, 3 Ws 1322-1323/04 (StVollz) folgendes dargelegt:

"Zwar erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass trotz der ubiquitären Verbreitung (soft-) pornographischen Materials in den sämtlichen Gefangenen zugänglichen Medien (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 30.7.2004 - 3 Ws 491-493/04) durch das Anschauen derartiger Filme einzelne Mitgefangene, nämlich bestimmte Sexualstraftäter negativ beeinflusst und zu Straftaten gegenüber Mitgefangenen verleitet werden könnten (vgl. hierzu Arloth/Lückemann, § 70 Rn 4). Dass eine derartige (generelle) Gefahr besteht, hat die Anstalt indes nachvollziehbar darzulegen (vgl. OLG Hamm, ZfStrVo 2001, 185; KG, StV 1987, 542). Außerdem muss die Gefährdung nicht durch zumutbare mildere Maßnahmen als der Versagung des Bezugs und des Besitzes der verfahrengegenständlichen Filme gebannt werden können (BVerfG und Senat aaO; Arloth / Lückemann, § 70 Rn 5)."

Der angefochtene Beschluss verhält sich weder zu den oben dargelegten Kontrollmöglichkeiten durch die Anstalt und zu der Situation auf der Station des Antragstellers, noch werden in dessen Person liegende Gefahren mitgeteilt, die einen Widerruf des Besitzes der DVDs nach § 70 Abs. 3 StVollzG rechtfertigen könnten. Der Antragsteller ist nicht wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden. Es wird auch nicht dargetan, dass sich Mitgefangene auf der Station des Antragstellers befinden, die durch das Anschauen der DVDs mit pornografischem Inhalt gefährdet sein könnten. Die Begründung der Anstalt, der Besitz pornografischen Materials sei zum Vollzugsziel in einer sozialtherapeutischen Anstalt kontraproduktiv, trägt schon deshalb nicht, weil der Besitz von jeweils 5 Zeitschriften mit pornografischem Inhalt pro Gefangenen in der Anstalt gestattet ist. Auch fehlen jegliche Feststellungen dazu, ob gerade in der Person des Antragstellers ein Missbrauch der DVDs zu befürchten ist. Die von Verfassungs wegen geforderte Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Vertrauen des Gefangenen und dem Interesse des Allgemeinwohls liefe leer, wenn immer schon eine - nicht nur völlig abstrakte - Gefahr eines Missbrauchs den Ausschlag geben dürfte. Gerade wenn eine solche Gefahr bereits zur Zeit der Gewährung der Rechtsposition bestand, ist zu berücksichtigen, dass und gegebenenfalls wie lange der Gefangene sich in der Gefahrenlage bewährt hat ( vgl. BVerfG , Beschluss vom 28. 9. 1995, StV 1996, 48-49). Der Antragsteller hatte die streitgegenständlichen DVDs zunächst in der JVA O1, der JVA O3 und dann vom 19. 4. bis 29. 6. 2006 in der sozialtherapeutischen Anstalt offenbar ohne Beanstandungen im Besitz.

Der angefochtene Beschluss sowie die Widerrufsentscheidung der JVA waren daher aufzuheben. Die begehrte Verpflichtung der Vollzugsbehörde zur Wiederaushändigung der DVDs konnte mangels Spruchreife nicht erfolgen, da nicht auszuschließen ist, dass die JVA unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats eine tragfähige Begründung für den Widerruf des Besitzes der DVDs zu geben vermag.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 121 Abs. 1 und 4 StVollzG in Verbindung mit § 467 Abs. 1 StPO, die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 60 GKG.

Ende der Entscheidung

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