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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.07.2002
Aktenzeichen: 3 Ws 695/02
Rechtsgebiete: StGB, BtMG, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 II Nr. 2
StGB § 57 Abs. 2 Ziffer 2
BtMG § 31
StPO § 456 a
StPO § 454 a II
StPO § 454 b III
Zu den Voraussetzungen einer bedingten Entlassung nach Haftstrafenverbüßung. Der Aussetzung des Strafrestes kommt Ausnahmecharakter zu. Im Rahmen der Gesamtwürdigung müssen auch die so genannten negativen Tatfaktoren angemessen gewichtet werden (StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2)
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

3 Ws 695/02 3 Ws 703/02

Verkündet am 9. Juli 2002

In der Strafvollstreckungssache

wegen Verstoßes gegen das BtMG pp, hier: Reststrafenaussetzung

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel vom 4. Juni 2002

am 9. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird aus den im wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auf Kosten des Verurteilten (§ 473 I StPO) verworfen.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Eine Aussetzung des Strafrestes der wegen des Betäubungsmitteldelikts im Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Januar 1999 verhängten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten kommt nur gem. § 57 II Nr. 2 StGB in Betracht, da der Verurteilte zwar bereits die Hälfte dieser Strafe, nicht aber Zweidrittel verbüßt hat. Eine Strafaussetzung nach dieser Vorschrift scheitert am Fehlen der dafür erforderlichen "besonderen Umstände".

Der Aussetzung des Strafrestes nach der genannten Vorschrift kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats Ausnahmecharakter zu (vgl. z.B. Beschluss vom 12.3.1998 - 3 Ws 293/98 m.w.N.). Danach ist die Aussetzung der zweiten Strafhälfte zwar nicht auf extreme Ausnahmefälle beschränkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24.1.1997 - 3 Ws 135/97 und vom 9.4.1998 - 3 Ws 293/98 jeweils m.w.N., OLG Koblenz, StV 1991, 428). Vielmehr genügen als "besondere Umstände" solche, die im Vergleich mit den gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind. Auch durchschnittliche Milderungsgründe können durch ihr Zusammentreffen ein solches Gewicht erlangen, dass ihnen in ihrer Gesamtheit die Bedeutung "besonderer Umstände" zuerkannt werden muss (vgl. BGH NStZ 1984, 360; BGH NStZ 1986, 27). Ferner ist keiner der für die Gesamtwürdigung wesentlichen Umstände von der Einbeziehung in die Prüfung der "besonderen Umstände" deshalb ausgeschlossen, weil er bei der Festlegung der Strafe bereits berücksichtigt worden ist (vgl. BGH NStZ 1985, 261). Von daher können die im Urteil hervorgehobenen Milderungsgründe erneut in die Gesamtabwägung, die zusätzlich das Nachtatverhalten und die prognoserelevanten Umstände, insbesondere die Entwicklung des Verurteilten im Vollzug mit einschließen muss, eingestellt werden. Dabei begründet allerdings die Tatsache, dass vorliegend das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom erkennenden Gericht als minderschwerer Fall gewertet wurde und zusätzlich von der Milderungsmöglichkeit nach § 31 BtMG Gebrauch gemacht wurde, noch keinen besonderen Umstand i.S. des § 57 II Nr. 2 StGB (st. Rspr. des Senats vgl. z. Beschl. v. 4.1.2000-3 Ws 13/00; v. 18.5.2000-3 Ws 496/00; Senat, NStZ-RR 1999, 340 mwN). Andererseits müssen im Rahmen dieser Gesamtwürdigung auch die sogenannten negativen Tatfaktoren angemessen gewichtet werden. Sie können die Gesamtheit der günstigen Umstände so aufwiegen, dass - auch unter dem bei § 57 Abs. 2 Ziffer 2 StGB zu berücksichtigenden Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung (vgl. Senatsbeschluss vom 3.2.1997 - 3 Ws 78-80/97) - eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt als nicht gerechtfertigt erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom 9.7.1999 - 3 Ws 523/99). Der Senat hält an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung, die den Ausnahmecharakter des § 57 Abs. 2 Ziffer 2 StGB unterstreicht, fest. Einer Auslegung dieser Norm, die in ihrer Konsequenz dazu führen würde, dass sozial integrierte Ersttäter in der Regel nur die Hälfte der Strafe verbüßen müssten, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (vgl. hierzu im Einzelnen Senat, Beschluss vom 20.4.2000 - 3 Ws 409/00).

Die im vorliegenden Fall in der Hauptverhandlung bekannten und von der erkennenden Strafkammer berücksichtigten Milderungsgründe geben auch nach Auffassung des Senats selbst in ihrer Gesamtheit den Taten nicht das besondere Gepräge, welches zur Ausnahme vom Gebot weiterer Strafvollstreckung berechtigt, was sich auch daraus erhellt, dass das erkennende Gericht - in zutreffender Abwägung der für und gegen den Verurteilten sprechenden Gesichtspunkte- bei der Verhängung der Einzelstrafen nicht ein Strafmaß im unteren, sondern im mittleren bis oberen Bereich des von 1 Monaten bis zu 5 Jahren reichenden Strafrahmens festgesetzt hat. Negativ fällt ferner ins Gewicht, dass der Verurteilte die Tat einen Tag vor der wegen des Diebstahls mit Waffen anberaumten Hauptverhandlung begangen hat und unmittelbar nach seiner Einreise und trotz schon damals bestehender familiärer Integration straffällig wurde. Von daher ist nicht davon auszugehen, dass bzgl. des Betäubungsmitteldelikts Tatsachen vorliegen, welche Tat- und Täterpersönlichkeit gegenüber anderen nach dem gleichen Strafrahmen Abgeurteilten in einem besonders günstigen Licht erscheinen lassen (vgl. Senat, NStZ-RR 1999, 340). Auch die geltende gemacht soziale Einbindung in seiner Heimat sowie in seine Herkunfts- wie eigene Familie und die behauptete Drogenabstinenz nebst straffreier Führung seit dem Absehen von der Vollstreckung gehen jedenfalls nicht - wie es indes erforderlich wäre (vgl. Senat, Beschl. v. 2.7.2001 - 3 Ws 627/01 mwN) - wesentlich über diejenigen Umstände hinaus, die zur Bejahung einer günstigen Sozialprognose erforderlich wären. Dies gilt um so mehr, weil sein Vollzugsverhalten nicht beanstandungsfrei war und überdies seine noch beim Absehen von der Strafvollstreckung bestehende (psychische) Abhängigkeit von Drogen nach eigenem Vorbringung therapeutisch nicht aufgearbeitet ist, mithin - wenn auch nicht virulent - weiter persistiert und die in der Vergangenheit bereits vorhanden, recht günstigen soziale Verhältnisse in Deutschland (Heirat, Kind pp.) ihn nicht vom Drogenkonsum und damit zusammenhängend von Straftaten hatten abhalten können. Ferner ist bei den gemeinschädlichen Rauschgiftdelikten dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung besondere Beachtung zu schenken (vgl. Senat, Beschl. v. 26.4.2001 -3 Ws 391/01 mwN).

Kommt nach alledem eine Aussetzung der vorerwähnten Strafe frühestens zum 2/3 Zeitpunkt - der hier indes aufgrund des erfolgten Absehens der Vollstreckung gem. § 456 a StPO und der Abschiebung in absehbarer Zukunft nicht erreicht werden kann, so daß auch eine Entscheidung nach § 454 a II StPO ausscheidet (vgl. Senat, Beschl. v. 26.4.2001 -3 Ws 391/01) - in Betracht, so schied schon aus aus diesem Grunde eine die Aussetzung der im gleichen Erkenntnis verhängten 9 monatigen Gesamtfreiheitsstrafe aus, weil gem. § 454b III StPO über die Aussetzung der beiden im Auschluss vollstreckten Strafen nur einheitlich entschieden werden kann (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v.26.4.2001 -3 Ws 339/01 und v. 5.11.2001 -3 Ws 1038-1039/01 jew. mwN).

Ende der Entscheidung

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