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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 4 U 19/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253
BGB § 823
Zu einem Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen eine Optikerin, der darauf gestützt wird, dass die zur Verfügung gestellten Prismengläser bei einem Kind ein kausales Schielen zur Folge gehabt hätten.
Gründe:

I.

Die heute etwa zwölfjährige Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Beklagten, weil ihr die Beklagte entsprechend dem Wunsch der Eltern der Klägerin Prismengläser zur Verfügung gestellt hat, die nach Behauptung der Klägerin bei ihr ein kausales Schielen zur Folge hatten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen, weil nicht feststellbar sei, dass die Prismengläser zum Schielen und zur anschließenden Operation geführt hätten (im Einzelnen vgl. Bd. II Bl. 252, 253 d. A.). Gegen das am 13.01.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.02.2006 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich abgewiesenen Ansprüche weiter verfolgt. Die Berufung rügt im Wesentlichen eine nicht vollständige Beweisaufnahme durch das erstinstanzliche Gericht, weil es die Voraussetzungen für die Einholung des beantragten weiteren Sachverständigengutachtens als nicht gegeben angesehen hat.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Soweit die Berufung die Annahme im erstinstanzlichen Urteil angreift, eine fehlende oder fehlerhafte Aufklärung könne einen Schadensersatzanspruch deshalb nicht begründen, weil eine Aufklärung stattgefunden habe, kann das Rechtsmittel schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Berufung keine konkreten Anhaltspunkte zu Zweifeln an der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung aufzuzeigen im Stande ist (§ 529 ZPO). Die Beklagte hat der Mutter der Klägerin unstreitig einen Aufsatz von Dr. A über "Gestörtes beidäugiges Sehen und Schulversagen" sowie ein Informationsblatt für Eltern der Internationalen Vereinigung für bimokulare Vollkorrektion ausgehändigt. Weitere Aufklärung schuldete sie als Optikerin nicht. Sie schuldete insbesondere keine ärztliche Aufklärung. Sie durfte vielmehr aufgrund der von der Mutter der Klägerin mitgeteilten augenärztlichen Untersuchung davon ausgehen, dass eine krankhafte Sehstörung bei der Klägerin nicht festgestellt worden war. Auf diesen Hintergrund begründet der Verkauf von Prismengläser an die Mutter der Klägerin zum Gebrauch durch die Klägerin keine Pflichtverletzung im Rahmen eines eventuell abgeschlossenen augenoptischen Beratungsvertrages.

2. Auch eine Haftung aus Delikt scheidet aus.

Nach weiterer Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Tragen von Prismengläsern und dem bei der Klägerin eingetretenen Schielen besteht.

Der Sachverständige hat auch im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens unter Würdigung der gegen sein erstes Gutachten gerichteten Angriffe der Klägerin an seiner Beurteilung, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Tragen von Prismengläsern und dem bei der Klägerin eingetretenen Schielen nicht besteht, festgehalten.

Gründe dafür, ein weiteres Gutachten einzuholen, nachdem der von der Klägerin zunächst selbst gewünschte Sachverständige nicht die erhofften Feststellungen getroffen hat, bestehen nicht. Es kann keine Rede davon sein, dass das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen erkennbar mangelhaft ist oder von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Diese Bewertung gilt auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin nunmehr vorgelegten Privatgutachtens des Prof. Dr. med. B vom 28.07.2006. Diesem Gutachter hatte die Klägerin erstmals die Ergebnisse einer augenärztlichen Untersuchung vom 02.04.2002 vorgelegt. Soweit der Parteigutachter daran anknüpfend in Frage stellt, ob überhaupt jemals ein kleiner latenter Innenschielwinkel bestanden habe, der - wie der gerichtlich bestellte Sachverständige angenommen hat - dekompensiert sein könnte, ergibt sich daraus kein neuer rechtlich erheblicher Aspekt. Denn auch der Parteigutachter der Klägerin räumt ein, dass der augenärztliche Befund vom 02.04.02 ein bereits seinerzeit vorhandenes latentes Schielen nicht sicher ausschließen kann. Auf diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung des Parteigutachters, bei Betrachtung des individuellen Einzelfalls der Klägerin sei festzustellen, dass zunächst kein Schielwinkel bestanden habe, ein solcher vielmehr erst nach Anpassung von Prismenbrillen entstanden und schließlich ohne Operation nicht mehr zurückführbar gewesen sei, nicht nachvollziehbar und nicht plausibel begründet.

Gegen diese gutachtliche Festlegung spricht auch der Bericht von Prof. Dr. med. C über die Behandlung der Klägerin in der Universitätsaugenklinik in O1, in der Zeit zwischen dem 16. und 21.07.2004. Dort wurde nämlich zunächst eine Brille ohne Prismen verordnet. Dies entspricht den Empfehlungen des gerichtlichen Sachverständigen, der darauf hingewiesen hat, dass die Entwöhnungsphase grundsätzlich länger andauern kann, dass jedoch das Gehirn die Augenstellung allmählich wieder dem ursprünglichen Zustand anpasst und die Doppelbilder verschwinden, sodass von einem permanenten Schaden nicht ausgegangen werden kann. Auf diesen längeren Anpassungsprozess hat sich die Klägerin nicht eingelassen, sondern sich zur Operation entschlossen.

Dass diese Operation durch das Tragen der Prismengläser notwendig wurde, steht daher unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats fest.

Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als notwendig. Der gerichtlich bestellte Sachverständige verfügt über die notwendige Sachkunde und es ist nicht ersichtlich, dass ein anderer Sachverständiger - wie die Klägerin meint - über überlegenere Forschungsmittel oder Erfahrung verfügen könnte.

3. Eine Haftung kommt schließlich auch nicht deswegen in Betracht, weil die Beklagte vor der Verordnung der zweiten Brille mit Prismengläser im Dezember 2003 und der dritten Verordnung im April 2004 keine erneute fachärztliche Untersuchung der Klägerin veranlasst hat. Eine solche Untersuchung hätte nämlich nur Relevanz, um ein manifestes Schielen auszuschließen. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag seinerzeit jedoch nicht über Doppelbilder geklagt hat, kann sich eine fehlende augenfachärztliche Untersuchung auch nicht kausal ausgewirkt haben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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