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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 4 U 190/06
Rechtsgebiete: BNotO, MaBV


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
MaBV § 3 Abs. 2
Beurkundet ein Notar einen Bauträgervertrag, in dem der Veräußerer die Erschließungs- und Anschlusskosten für das Hausgrundstück übernimmt, der Erwerbspreis gleichwohl aber allein nach den Baufortschrittstufen zu zahlen ist, so muss der Notar den Erwerber auf diese ungesicherte Vorleistung hinweisen und den Parteien eine Vertragsgestaltung empfehlen, mit der das Risiko, dass der Veräußerer die Erschließungs- und Anschlusskosten nicht zahlt und der Erwerber sie deshalb zu tragen hat, für den Erwerber vermieden wird.
Gründe:

I.

Die Kläger erstreben die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Pflichten im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Bauträgervertrages.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt:

Der Anspruch sei nicht verjährt. Zwar hätten die Kläger im Jahr 2002 bereits Kenntnis vom eingetretenen Schaden gehabt, weil dafür die Möglichkeit der Feststellungsklage ausreiche. Sie hätten aber bis zum Jahr 2003 noch keine Kenntnis von der Pflichtverletzung des Beklagten gehabt.

Die in dem fehlenden Hinweis auf die ungesicherte Vorleistung liegende Pflichtverletzung sei kausal für den Schaden der Kläger. Ein Zurückbehaltungsrecht habe für sie schon deshalb nicht bestanden, weil wegen der bereits erfolgten Fertigstellung 86 % des Kaufpreises schon bei Vertragsschluss zu zahlen gewesen seien. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe nicht. Soweit der Kläger einen Arbeitskollegen um Rat gefragt habe, habe es sich dabei um eine Gefälligkeit gehandelt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt.

Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, ihn habe keine Pflicht zum Hinweis auf eine ungesicherte Vorleistung wegen der Erschließungskosten getroffen. Es sei ausreichend gewesen, dass er Kaufpreisraten entsprechend der MaBV empfohlen habe. Er habe von dieser Regelung als Notar auch nicht abweichen dürfen. Er habe außerdem wegen des Schreibens der Kläger vom 23.11.2000 (Anlage B 1) annehmen dürfen, dass diese bereits ausreichend beraten seien. Es liege schließlich auch keine ungesicherte Vorleistung vor, weil die Kläger ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der ersten Rate hätten geltend machen können. Die bei ungesicherten Vorleistungen bestehende zweite Amtspflicht zur Empfehlung einer anderen Vertragsgestaltung sei hier schon deshalb nicht ausführbar gewesen, weil die Höhe der zu erwartenden Erschließungsbeiträge unsicher und damit etwa für einen Bürgen offen gewesen sei, welches Risiko er übernehme.

Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zum Schaden der Kläger könnten diese sich jedenfalls hinsichtlich des Einverständnisses der A GmbH mit einer anderen Vertragsgestaltung nicht auf eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens berufen. Dass diese zugestimmt hätte, werde bestritten und die Kläger hätten dazu nichts vorgetragen.

Der Beklagte hält den Anspruch weiterhin für verjährt. Das Landgericht verkenne, dass es für die Kenntnis von der Pflichtverletzung des Notars nicht erforderlich sei, dass der Betroffene die rechtlich zutreffenden Schlüsse aus dem ihm bekannten Sachverhalt ziehe. Nur bei einer unübersichtlichen Sach- und Rechtslage sei der Verjährungsbeginn hinausgeschoben. Dies sei hier nicht der Fall, weil für die Beurteilung einer Pflichtverletzung es ausreichend gewesen sei zu erkennen, dass der Notar nicht über das Insolvenzrisiko aufgeklärt hatte. Dies gelte trotz Fehlens einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil unter Hinweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Hinsichtlich der Höhe der bei Vertragsabschluss zu prognostizierenden Erschließungskosten verweisen sie auf ihren Vortrag, wonach dies der A GmbH bekannt gewesen sei. Dass ergebe sich daraus, dass sie wegen eines Teils der Kosten mit der Stadt O1 einen Erschließungskostenvertrag geschlossen hatte und ihr die Kosten auch für die eigene Kalkulation des Preises bekannt sein mussten.

Hinsichtlich der Frage des Verjährungsfristbeginns vertiefen sie ihren Standpunkt wonach ein "konkreter Schadenseintritt" erforderlich sei und ein solcher auch dann nicht gegeben sei, wenn mit dem Eintritt eines (künftigen) Schadens sicher gerechnet werden könne. Auch eine Feststellungsklage sei nur zulässig, wenn mindestens schon ein Teilschaden eingetreten sei.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagte aus § 19 Abs. 1 BNotO verpflichtet ist, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entsteht, dass in dem notariellen Kaufvertrag eine Sicherung der Kläger für die Verpflichtung der A GmbH zur Tragung der Erschließungs- und Anschlusskosten nicht vereinbart worden ist. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht diesen Anspruch auch als nicht verjährt angesehen.

1. Der Beklagte hat gegen eine ihm aus den §§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO und § 17 Abs. 1 BeurkG ergebende Amtspflicht verstoßen, weil er es bei der Beurkundung des Vertrages unterlassen hat, die Kläger auf die Gefahren der mit der vollen Bezahlung der vereinbarten Raten vor tatsächlicher Entrichtung der Erschließungs- und Anschlusskosten durch die A GmbH verbundenen ungesicherten Vorleistung hinzuweisen und den Parteien Wege aufzuzeigen, wie dieses Risiko durch eine andere Vertragsgestaltung vermieden werden kann. Der Senat hält an seiner im Parallelprozess 4 U 93/05 im Urteil vom 9.11.2005 sowie im Urteil vom 25.1.2006 in dem Verfahren 4 U 70/05 vertretenen Rechtsauffassung fest, dass beim Kauf eines noch nicht erschlossenen Baugrundstückes mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Tragung der Erschließungskosten die volle Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer eine ungesicherte Vorleistung darstellt, über deren Bedeutung der Notar die Parteien belehren muss.

Verpflichtet sich eine Partei in einem Grundstückskaufvertrag zu einer ungesicherten Vorleistung, so trifft den Notar bei der Beurkundung die Pflicht, die Parteien über die Folgen zu belehren, die im Fall einer Leistungsunfähigkeit des durch die Vorleistung Begünstigten eintreten, und den Parteien Wege aufzuzeigen, wie sie dieses Risiko vermeiden können (vgl. Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rz. 1021 - 1034 m.w.N.). Die Kläger haben in dem vom Beklagten beurkundeten Vertrag eine ungesicherte Vorleistung in diesem Sinne im Hinblick auf die Erschließungs- und Anschlusskosten übernommen. Nach § 3 Abs. 2 des Vertrages umfasste der von ihnen zu zahlende Kaufpreis auch die Erschließungskosten und die Anschlusskosten für Versorgungs- und Entsorgungsleitungen. Zugleich haben die Parteien in § 3 Abs. 5 die Fälligkeit des Kaufpreises in Ratenstufen entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV vereinbart. Die Ratenstufen der Makler- und Bauträgerverordnung berücksichtigen nicht eventuell vom Verkäufer zu tragende Erschießungskosten. Haben die Parteien deshalb vereinbart, dass Erschließungs- und Anschlusskosten vom Bauträger übernommen werden, so sind die übernommenen Erschließungskosten Teil der ersten Rate des § 3 Abs. 2 MaBV (Marcks, MaBV, 7. Aufl., § 3 Rz. 31). Sind zum Zeitpunkt der Zahlung der ersten Kaufpreisrate die Erschließungskosten von dem Bauträger noch nicht vollständig bezahlt worden, so hat der Erwerber eine Vorleistung erbracht, denn der Zahlung steht kein entsprechender Wertzuwachs an seinem Grundstück durch Einbauten nach § 946 BGB gegenüber. Öffentlich-rechtlich bleibt er als Grundstückseigentümer dem Träger der Erschließungslast gegenüber zur Zahlung auch dann verpflichtet, wenn der Betrag beim Unternehmer nicht mehr erlangt werden kann (§ 134 BauGB). Im Falle der Insolvenz des Bauträgers läuft der Erwerber darum Gefahr, wie auch hier tatsächlich geschehen, dass er die Erschließungskosten an den Erschließungsträger zahlen muss, obwohl er den entsprechenden wirtschaftlichen Wert mit dem Kaufpreis bereits an den Bauträger geleistet hat.

Eine ungesicherte Vorleistung der Kläger ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Kläger, solange die Erschließungskosten durch die A GmbH nicht gezahlt worden sind, von einem Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch auf Zahlung der Kaufpreisraten hätten Gebrauch machen können. Ein solches Recht hätte ihnen bis zum Eintritt der Insolvenz der A GmbH nicht zugestanden. Zum einen haben die Kläger mit der Vereinbarung der unter bestimmten Bedingungen jeweils fällig werdenden Kaufpreisraten eine Vorleistungspflicht übernommen. Mit der Vereinbarung bestimmter Umstände als Bedingung für den Eintritt der Fälligkeit jeder einzelnen Rate haben die Parteien zugleich vereinbart, dass die Kläger wegen weiterer Leistungen, die die Verkäuferin schuldet, die Ratenzahlungen nicht zurückbehalten dürfen. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht bei einem Ratenzahlungsplan nach § 3 Abs. 2 MaBV lediglich wegen bereits aufgetretener Mängel (vgl. Marcks, a.a.O., § 3 Randziffer 3). Darüber hinaus stand den Klägern bis zum Eintritt der Insolvenz der A GmbH am 01.06.2002 auch kein fälliger Anspruch auf Bezahlung der Erschließungskosten an die Stadt O1 zu, welchen sie nach § 320 BGB dem Ratenzahlungsanspruch der A GmbH hätten entgegen halten können, denn mangels Anforderung durch Bescheid waren Erschließungs- und Anschlussbeiträge nicht fällig. Diese werden auch typischerweise erst erhebliche Zeit nach Fertigstellung der Maßnahmen angefordert, so dass ein Zurückbehaltungsrecht der Erwerber aus § 320 BGB in aller Regel leer läuft.

Der Verpflichtung des Beklagten, den Parteien wegen der für die Kläger ungesicherten Vorleistung eine andere Vertragsgestaltung vorzuschlagen, kann der Beklagte nicht entgegen halten, dass er als Notar keinen von den Fälligkeitsstufen nach § 3 Nr. 2 MaBV abweichenden Vertragsinhalt habe vorschlagen dürfen. Die Makler- und Bauträgerverordnung trifft, wie dargelegt, keine Regelung darüber, ob der Bauträger die Erschließungs- und Anschlusskosten übernimmt, sondern verteilt nur den vereinbarten Kaufpreis in Fälligkeitsstufen im Hinblick darauf, dass der Erwerber erst mit dem Baufortschritt schrittweise Eigentümer des geschuldeten Hauses wird. Die MaBV entbindet deshalb die Notare nicht von der Prüfung, ob aus besonderen Gründen dieser Schutz nicht ausreicht und eine ergänzende Vertragsgestaltung geboten ist. Die MaBV zielt nur auf einen Mindestschutz der Erwerber (Marcks, MaBV, § 3 Rz. 43) und steht deshalb einer Abweichung vom Ratenplan zu Gunsten der Erwerber nicht entgegen.

Entgegen der Meinung des Beklagten entfiel eine Hinweis- und Beratungspflicht nicht ausnahmsweise deshalb, weil er aufgrund des Schreibens der Kläger vom 23.11.2000 (Anlage B 1) annehmen durfte, die Kläger seien bereits rechtlich umfassend beraten. Der bloße Hinweis in diesem Schreiben, dass der Kläger zu 1) mit einem Kollegen aus dem ...-Justiziariat über den Vertrag gesprochen habe, durfte den Beklagten nicht zu der Annahme veranlassen, eine notarielle Belehrung von seiner Seite sei nicht mehr erforderlich. Aus den in dem Schreiben gestellten Fragen der Kläger zum Vertrag ergibt sich nämlich, dass die Kläger das Problem einer ungesicherten Vorleistung im Bezug auf die Erschließungsbeiträge und das Insolvenzrisiko der Bauträgerin gerade nicht erkannt hatten.

Der Beklagte hätte mithin bei der Beurkundung des zwischen den Klägern und der A GmbH geschlossenen Vertrages die Kläger auf das Risiko hinweisen müssen, dass sie im Fall einer Insolvenz der A GmbH trotz Zahlung der vereinbarten Kaufpreisraten möglicherweise die Erschließungskosten an den Träger der Erschließungslast zahlen müssen, und hätte den Parteien beratend eine Vertragsgestaltung empfehlen müssen, die den Klägern dieses Risiko abnimmt. Als mögliche Vertragsgestaltung hätte der Beklagte entweder die Einzahlung eines entsprechenden Kaufpreisteiles auf ein besonderes, vor dem alleinigen Zugriff der A GmbH geschütztes Konto oder, und dies erscheint näher liegend, die Stellung einer Bürgschaft durch die A GmbH für ihre Verpflichtung zur Übernahme sämtlicher Erschließungs- und Anschlusskosten vorschlagen können.

Eine Pflicht des Beklagten zur Empfehlung einer dieser Vertragsgestaltungen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Umfang der Sicherheiten nicht hätte bestimmt werden können. Die Höhe der zu erwartenden Erschließungs- und Anschlussbeiträge war nicht derart unbestimmt, dass damit etwa für einen Bürgen offen gewesen wäre, welches Risiko er übernehme. Es ist nach den Gesamtumständen vielmehr als sicher anzunehmen, dass die Parteien diese Kosten hinreichend bestimmt im Voraus hätten schätzen können. Sie hätten zunächst eine Auskunft bei der Stadt O1 über die ungefähren Kosten einholen können. Für Erschließungsbeitrags- und Anschlusskosten gibt es Erfahrungswerte, die in einem Preis je Grundstücksquadratmeter angegeben werden können. Hinzu kommt, dass die A GmbH bereits zuvor mit der Stadt O1 einen Erschließungskostenvertrag über die Grundstückserschließung, eine Grünanlage und die Lärmschutzanlage zur Autobahn A 661 hin geschlossen hatte. Aufgrund dessen hätte sie zumindest einen Teil der zu erwartenden Kosten exakt berechnen können. Schließlich hat auch die Insolvenzverwalterin im Schreiben vom 9.9.2003 (Anlage A 6) anhand der vorhandenen Unterlagen die zu erwartenden Erschließungs- und Anschlusskosten auf 18.578,17 Euro für die Kläger berechnet. In dieser Höhe hätte deshalb schon bei Vertragsschluss die A GmbH die zu erwartenden Kosten angeben können.

2. Die für die Feststellungsklage erforderliche nahe Wahrscheinlichkeit eines Schadens der Kläger ist gegeben. Nach der unbestritten gebliebenen Berechnung der Insolvenzverwalterin der A GmbH werden von den Kosten der ausgeführten Erschließungsmaßnahmen voraussichtlich insgesamt 18.578,17 Euro auf die Kläger entfallen. Von dem vom Kaufpreis zurückbehaltenen Betrag von 13.014,94 Euro verbleiben den Klägern nach Abzug von 2.195 Euro wegen zwischen ihnen und der A GmbH unstreitiger Mängel noch 10.819,94 Euro als freie Mittel zur Schadensminderung im Aufrechnungswege. Es droht ihnen deshalb ein Vermögensschaden von mindestens 7.758,23 Euro. Ob, was der Beklagte bestreitet, den Klägern gegen die A GmbH Minderungsansprüche in Höhe von 2.195,- € tatsächlich zustehen, kann dahin gestellt bleiben. Bestünde ein solcher Minderungsanspruch der Kläger nicht, so würde sich dadurch der drohende Schaden der Kläger nur um diesen Betrag vermindern, weil der zurückbehaltene Kaufpreis dann voll zur Aufrechnung eingesetzt werden könnte. Es würde damit immer noch ein drohender Schaden von 5.500,- Euro verbleiben, was für die hier erhobene Feststellungsklage ausreichend wäre. Da von den Klägern jedenfalls ein Teil des einheitlichen Schadens noch nicht beziffert werden kann, kann auch offen bleiben, ob den Klägern durch die Bezahlung eines inzwischen am 31.10.2005 ergangenen Heranziehungsbescheid ein Schaden bereits teilweise entstanden ist. Die Kläger haben den Betrag von 8.636,71 Euro darauf im Übrigen unter Vorbehalt gezahlt und den Bescheid angefochten.

3. Der dargestellte den Klägern drohende Vermögensschaden beruht ursächlich auf der dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtverletzung durch Unterlassen.

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten, künftig entstehenden Schadens kommt es darauf an, welchen Verlauf die Dinge im Fall einer pflichtgemäßen Befragung, Belehrung und Beratung der Vertragsparteien durch den Beklagten genommen hätten. Dazu gehört die Betrachtung, wie die Beteiligten sich bei zutreffendem Verhalten des Notars entschieden hätten, insbesondere wie der Geschädigte reagiert hätte (vgl. Ganter, in: Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch Notarhaftung, Rz. 2204; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 19 Rz. 125 f.). Es ist zu prüfen, wie sich die Vermögenslage des Betroffenen darstellen würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (BGH DNotZ 1989,48,49 = NJW-RR 1988, 1367; DNotZ 1990, 661, 663 = NJW-RR 1990, 629; BGHZ 123, 178, 180). Für die in die Betrachtung einzubeziehenden hypothetische Willensentscheidungen der Beteiligten ist es, weil es sich um Fragen der unter § 287 Abs. 1 ZPO fallenden haftungsausfüllenden Kausalität handelt, ausreichend, wenn aufgrund der unterbreiteten Tatsachen für den einen oder den anderen Verlauf eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht (BGH NJW-RR 1996, 781).

Der Schaden der Kläger beruht hier jedenfalls auf der vom Beklagten verletzten zweiten Pflicht, den Beteiligten Wege aufzuzeigen, wie das sich aus der ungesicherten Vorleistung für die Kläger ergebende Risiko vermieden werden kann.

Hätten die Parteien entweder die Einzahlung eines entsprechenden Kaufpreisteiles auf ein besonderes, vor dem alleinigen Zugriff der A GmbH geschütztes Konto oder die Stellung einer entsprechenden Bürgschaft durch die A GmbH vereinbart, so wäre der den Klägern drohende Schaden verhindert worden, weil sie nach Insolvenz der A GmbH sich wegen ihres Rückgriffsanspruchs an den Sicherheiten hätten befriedigen können.

Es kann weiter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Vertragsparteien sich auf die vom Beklagten vorzuschlagende Vereinbarung von Sicherheiten auch eingelassen hätten. Für die Zustimmung der Kläger hierzu gilt dies schon aufgrund der bei der Verletzung einer Beratungspflicht eingreifenden tatsächlichen Vermutung, dass sich der Geschädigte beratungsgerecht verhalten hätte. Umstände für eine Widerlegung dieser Vermutung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass sich auch die A GmbH mit der Stellung einer Sicherheit für ihre Verpflichtung, die Erschließungs- und Anschlusskosten zu tragen, einverstanden erklärt hätte, ist nach den Gesamtumständen sehr wahrscheinlich. Denn zum einen handelte es sich bei der A GmbH, wie dem Senat aus dem Parallelprozesses 4 U 93/05 bekannt und auch von den Parteien des hiesigen Rechtsstreits im Verhandlungstermin nicht bezweifelt worden ist, um eine seriöse und alteingesessene Bauträgerin, an deren Bonität damals kein Zweifel bestand. Umstände dafür, dass sie aus Liquiditätsgründen eine Vorauszahlung der Erwerber auf die Erschließungskosten anstrebte, sind nicht vorgetragen. Eher spricht die Tatsache, dass die A GmbH als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen war und dort keine Vorbelastungen bestanden, für eine ausreichende Liquidität. Dass die Parteien eine vertragliche Lösung noch nicht im gleichen Beurkundungstermin hätten finden können, sondern der Vertrag erst nach Erkundigung über die zu erwartenden Kosten mit entsprechenden Klauseln in einem weiteren Termin hätte geschlossen werden können, spricht nicht gegen ein Einverständnis der A GmbH. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie mehrere Grundstücke in diesem Gebiet im Wege eines Bauträgervertrages veräußerte und deshalb ein Interesse an einer einheitlichen Gestaltung aller Verträge hatte.

Die Verzögerung bei einem Kunden, bei dem erstmals diese Frage auftauchte, wäre von ihr deshalb hingenommen worden.

4. Den Klägern steht auch keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO zu. Ein möglicher Anspruch der Kläger auf Ersatz desselben Schadens ergibt sich nicht aus einem Beratungsvertrag gegenüber dem namentlich nicht genannten Arbeitskollegen, der Justiziar beim ... sei. Der Kläger zu 1) hat diesen zwar wegen der Gestaltung des Vertrages um Rat gefragt. Dieser hat ihn jedoch darauf hingewiesen, dass er in erster Linie Arbeitsrechtler sei, und den Kläger wegen einzelner Fragen an den Beklagten verwiesen. Die Kläger haben darauf hin das Schreiben vom 23.11.2000 mit zahlreichen Fragen an den Beklagten gerichtet. Aus diesem Vorgehen ergibt sich, dass der Arbeitskollege das Ansinnen einer sachgerechten Beratung der Kläger gerade nicht aufgenommen hat und deshalb ein Beratungsvertrag zwischen ihnen nicht zustande gekommen ist. Hinsichtlich des Mitarbeiters der ... bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen Beratungsauftrag über die Angemessenheit der Vertragsgestaltung.

5. Dem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen.

Nach § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO in Verbindung mit § 852 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung verjährt der Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Frist war bei Eingang der Klage am 24.4.2006 noch nicht abgelaufen.

Ob den Klägern bereits durch das Schreiben der Insolvenzverwalterin vom 26.7.2002, durch welches sie erfuhren, dass die Stadt O1 die von der A GmbH noch nicht gezahlten Erschließungskosten von ihnen anfordern werde, Tatsachen bekannt geworden sind, die eine Pflichtverletzung des Beklagten als naheliegend erscheinen ließen (vgl. BGH NJW 1994, 3162), kann dahingestellt bleiben. Denn die Beklagten hatten zu diesem Zeitpunkt jedenfalls objektiv noch keinen Schaden erlitten. Ein solcher ist ihnen erst nach dem Zugang des Vorauszahlungsbescheides der Stadt O1 vom 31.10.2005 über 8.636,71 Euro entstanden.

Eine Kenntnis vom Schaden im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein Schadensersatzanspruch entstanden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einer Amtspflichtverletzung, die sich allgemein gegen das Vermögen richtet, ein Schaden entstanden, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge der pflichtwidrigen Handlung im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand verschlechtert hat. Hierzu genügt es, dass die Verschlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werden können; in diesem Falle ist gegebenenfalls eine Feststellungsklage zu erheben. Andererseits bestimmt aber allein die rechtliche Möglichkeit, auf Feststellung einer Pflicht zur Leistung eines zukünftigen Schadensersatzes zu klagen, nicht schon den Zeitpunkt der Schadensentstehung (BGH NJW 1993, 648, 650). Es muss ferner nicht feststehen, ob der Nachteil auf Dauer bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist dagegen noch offen, ob pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Es handelt sich dann erst um die bloße Gefährdung einer Rechtsposition, die jedenfalls für das Entstehen eines vermögensrechtlichen Regressanspruchs noch nicht einem Schaden gleichsteht. Dabei schlägt sich die risikobehaftete Lage regelmäßig noch nicht in der Bewertung des Gesamtvermögens negativ nieder, solange jene sich nicht rechtlich verfestigt hat. Gerade der Schadenseintritt ist das Ereignis, von dem an der Geschädigte mit Ersatzansprüchen und hierfür laufenden Fristen rechnen muss (zusammenfassend BGH NJW 1993, 648 unter III. 2. a) m.w.N. ).

Eine Verschlechterung der Lage des Vermögens der Kläger ist nicht schon mit Eintritt der Insolvenz der A GmbH und der Ablehnung der Erfüllung durch die Insolvenzverwalterin eingetreten. Denn eine durchsetzbare Pflicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen gegenüber dem Träger der Erschließungslast entsteht erst nach Zugang eines Beitragsbescheides. Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht zwar schon mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, wenn die übrigen nach dem BauGB erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere eine Beitragssatzung der Gemeinde, gegeben sind. Eine durchsetzbare Zahlungspflicht der Eigentümer des betreffenden Baugebietes wird aber erst durch den konkretisierenden Verwaltungsakt, mit dem der Beitrag berechnet und angefordert wird, begründet. Denn nach § 135 Abs. 1 BauGB wird die Erschließungsbeitragsschuld erst einen Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig. Erst mit diesem Eintritt der Durchsetzbarkeit des Anspruchs wird das Vermögen des Pflichtigen tatsächlich wirksam betroffen. Zudem bestimmt erst der Zugang des Beitragsbescheides die Person des Anspruchsschuldners. Nach § 134 Abs. 1 S. 1 BauGB ist nämlich beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Zugangs des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist. Mit der Entstehung des Anspruches auf die Beitragsschuld wird also noch nicht das Vermögen einer bestimmten Person unmittelbar belastet, sondern nur eine "virtuelle" Last des Grundstücks begründet.

Die Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB ist damit frühestens einen Monat nach dem möglichen Zugang des genannten Vorauszahlungsbescheides am 30.11.2005 in Lauf gesetzt worden und war bei Klageeinreichung am 24.4.2006 noch nicht abgelaufen. Ob dieser Bescheid den Klägern tatsächlich zugegangen ist, was der Beklagte in erster Instanz mit Nichtwissen bestritten hat, kann mithin dahin gestellt bleiben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gerechtfertigt, weil die Frage, ob ein Notar auch über eine ungesicherte Vorleistung belehren und beraten muss, die sich bei einer Ratenzahlungsvereinbarung entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV aus der Übernahme von Erschließungskosten durch den Bauträger ergibt, höchstrichterlich nicht geklärt ist und für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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