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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: 4 U 208/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2314
BGB § 2333
BGB § 2336 II
1. Die Formulierung in einem Testament, "da sie mich mehrmals geschlagen hat und mit Totschlag bedroht hat", lässt einen der § 2336 III BGB genügenden unverwechselbaren Kernsachverhalt nicht erkennen.

2. Durch die Bezugnahme auf ein ärztliches Attest wird der Entziehungsgrund ebenfalls nicht formwirksam im Testament festgehalten.


Gründe:

I.

Die Klägerin verfolgt im Wege der Stufenklage die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen nach der am 12.10.2001 verstorbenen Mutter gegen die testamentarisch zu Alleinerben bestimmten Beklagten zu 1) und 2) und die Beklagte zu 3) als Testamentsvollstreckerin für den Beklagten zu 2).

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 30.08.2004 die Beklagten zu 1) und 2) verurteilt, über den Bestand des Nachlasses der am ... verstorbenen Erblasserin A durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses Auskunft zu erteilen. Der allein formwirksam festgehaltene Pflichtteilsentziehungsgrund, die körperliche Misshandlung der Erblasserin 1991, habe sich - so das Landgericht zur Begründung - nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht hinreichend sicher feststellen lassen. Die weiteren von den Beklagten behaupteten Tätlichkeiten (insbesondere 1983 und 1995) der Klägerin gegenüber der Erblasserin könnten zur Begründung der Pflichtteilsentziehung nicht herangezogen werden, weil diese Vorgänge nicht in einer dem § 2336 Abs. 2 BGB entsprechenden Form in den von der Erblasserin errichteten Testamenten benannt worden seien. - Das von ihrem damaligen Rechtsanwalt, dem Zeugen Z1, erstellte und der Klägerin am 05.02.2002 übersandte Nachlassverzeichnis genüge nicht den Erfordernissen der §§ 2314, 260 Abs. 1 BGB und habe daher den Auskunftsanspruch nicht erfüllt.

Gegen das ihr am 02.09.2004 zugestellte Teilurteil wendet sich die Klägerin mit der am 04.09.2004 eingelegten und innerhalb verlängerter Frist am 02.12.2004 begründeten Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage anstrebt.

Die Beklagten rügen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Aufgrund der Aussagen der Zeugen Z2, Z3 und Z1, sowie der weiteren Indizien sei die der Klägerin vorgeworfene Tätlichkeit im November 1991 gegen die Erblasserin erwiesen. Es könne nicht unterstellt werden, die Erblasserin habe mit ihren entsprechenden Beschuldigungen der Klägerin gegenüber den gehörten Zeugen gelogen. Wenn die Erblasserin 1991 der Klägerin hätte schaden wollen, dann hätte sie bereits zu diesem Zeitpunkt der Klägerin den Pflichtteil entzogen oder Rechtsanwalt Z1 beauftragt, eine Strafanzeige zu erstatten.

Nicht gewürdigt habe das Landgericht zudem die Persönlichkeiten der Klägerin und der Erblasserin. Der Erblasserin sei es als bodenständiger Landfrau peinlich gewesen, von der eigenen Tochter verprügelt zu werden. Die Klägerin wiederum sei demgegenüber gewalttätig, brutal und rücksichtslos.

Verfahrensfehlerhaft habe es das Landgericht unterlassen, die bereits im Schriftsatz vom 20.07.2004 angebotene Zeugin Z4 auch zu dem Vorfall im Jahr 1991 zu vernehmen.

Fehlerhaft sei des weiteren die Würdigung des Zeugen Z2. Entgegen der Annahme des Landgerichts habe der Zeuge bereits seit 1986 mit Erblasserin zusammengelebt, weil diese sich vor der Klägerin gefürchtet habe. Dies sei unstreitiger Vortrag gewesen. Die entgegenstehende Aussage des Zeugen Z2, die Erblasserin erst im Juli 1993 kennen gelernt zu haben, habe sich keine Partei zu eigen gemacht.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.08.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts, insbesondere dessen Rechtsauffassung, die Prüfung der Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung allein auf den Vorfall im Jahr 1991 zu beschränken sowie die landgerichtliche Beweiswürdigung. Letztere sei nicht zu beanstanden. Das Landgericht unterstelle keineswegs, dass die Erblasserin gelogen habe. Vielmehr hätten die von den Beklagten angebotenen Beweise nicht genügt, um den von ihnen behaupteten Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts feststellen zu können. Die Erwägung des Landgerichts, dass die Verletzungen auch Folge von Stürzen oder Unfällen sein könnten, sei nicht lebensfremd. So habe sich die Erblasserin - unstreitig - Mitte Februar 1994 durch einen Sturz zwei Rippen gebrochen.

Die Zeugin Z4 sei zu Recht vom Landgericht zu dem Vorfall im November 1991 nicht gehört worden, weil das Beweisangebot unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Zeugen Z1 bestünden. Diese Zweifel habe das Landgericht aber nicht gehabt. Außerdem könne die in das Wissen der Zeugin gestellte Behauptung, dass die Erblasserin ihre Verletzungen dem Zeugen Z1 im November 1991 gezeigt habe, ohne weiteres als wahr unterstellt werden.

An der Würdigung der Aussage des Zeugen Z2 ändere sich auch bei Zugrundelegung des Einzugs bei der Erblasserin bereits 1986 nichts, weil er nur Zeuge vom "Hörensagen" sei.

Die erstmals in der Berufungsbegründung angebotene Vernehmung der Zeugen X und Y B zu Attacken und Drohungen der Klägerin im Sommer 1980 sowie in den Folgejahren gegenüber der Erblasserin sei unabhängig von der Frage der Entscheidungserheblichkeit verspätet.

II.

Die von den Beklagten zu 1) und 2) gegen das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt vom 30.08.2004 geführte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass die Beklagte zu 1) und 2) der Klägerin gem. § 2314 BGB über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen haben, weil der Klägerin der ihr nach dem Tod der Mutter zustehende Pflichtteil nicht wirksam entzogen worden ist. Die im eigenhändigen Testament der Erblasserin vom 02.03.1998 benannte körperliche Misshandlung durch die Klägerin im November 1991 genügt allein den gesetzlichen Formerfordernissen des § 2336 Abs. 2 BGB an die Angabe des Entziehungsgrundes, ist aber von den Beklagten nicht hinreichend bewiesen worden.

Entgegen den Angriffen der Berufung ist die vermeintliche Körperverletzung der Erblasserin durch die Klägerin im Mai 1983 als Entziehungsgrund gem. § 2333 Nr. 2 BGB nicht zu beachten, weil die Erblasserin diesen nicht formgerecht erklärt hat. Zwar hat die Erblasserin im eigenhändigen Testament vom 02.03.1998 durch die Bezugnahme auf das bei Rechtsanwalt RA1 hinterlegte ärztliche Attest von Dr. C erkennen lassen, die verfügte Pflichtteilsentziehung auch mit den körperlichen Übergriffen der Klägerin im Mai 1993 ihr gegenüber begründen zu wollen. Diesen Willen hatte die Erblasserin auch noch im Zeitpunkt des notariellen Testaments vom 22.02.1999, in dem sie sich wegen der Einzelheiten der zur Begründung der Pflichtteilsentziehung angeführten mehrfachen Schläge und der Bedrohung mit dem Tode durch die Klägerin auf ihr handschriftliches Testament vom 02.03.1999 bezogen hat.

Mit beiden testamentarischen Verfügungen wird indes betreffend des Geschehnisses im Mai 1983 als Pflichtteilsentziehungsgrund nicht den Formerfordernissen des § 2336 Abs. 2 BGB genügt. Voraussetzung ist danach, dass im Testament ein dem Entziehungsgrund zugrunde liegender unverwechselbarer Kernsachverhalt festgelegt wird. Einen derart hinreichenden Kernsachverhalt lässt die in beiden Testamenten nahezu inhaltsgleiche Formulierung, "da sie mich mehrmals geschlagen hat und mit Totschlag bedroht hat", nicht erkennen. Zwar kann die Angabe des abstrakten Straftatbestandes ausnahmsweise bei solchen Delikten ausreichen, wenn der konkrete Vorgang auch ohne Konkretisierung des Vorwurfs durch das Mittel näherer sprachlicher Umschreibung sowohl für die Beteiligten als auch für neutrale Dritte auf der Hand liegt (BGHZ 1994, 36, 42 benennt als Beispiele Mordversuch und Brandstiftung). Dies ist im vorliegenden Fall indes nicht gegeben. Angesichts der Vielzahl der von den Beklagten vorgetragenen körperlichen Tätlichkeiten der Klägerin gegenüber der Erblasserin (außer 1991 und 1983 auch noch 1980 und 1995) kommt es maßgelblich auf eine Präzisierung der Vorfälle an, die die Erblasserin zur Pflichtteilsentziehung motiviert haben. Körperliche Übergriffe im Rahmen des § 223 StGB sind, wenn sie weder räumlich noch dem Zeitpunkt oder den Umständen nach beschrieben und damit identifizierbar festgelegt werden, nicht leicht zu "greifen" und erst Recht nicht unverwechselbar auszumachen. Entgegen der Auffassung der Berufung ist wegen der Vielzahl der behaupteten Vorfälle die Situation des vorliegenden Falles mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 1994, 36ff, in dem die Pflichtteilsentziehung auf Beleidigungen, üble Nachreden und Verleumdungen gestützt worden war, durchaus vergleichbar. Es entspricht dem außerordentlichen Gewicht und dem demütigenden Charakter der Pflichtteilsentziehung, die Erblasserin in besonderem Maße durch die strengen Voraussetzungen der Pflichtteilsentziehung auch in förmlicher Hinsicht zu verantwortlichem Testieren anzuhalten. Es genügt gemäss § 2336 Abs. 2 BGB gerade nicht, den wirklichen Grund der Pflichtteilsentziehung durch den Erblasser - mehr oder weniger sicher - mit Hilfe der Auslegung aufzudecken.

Durch die Bezugnahme auf das ärztliche Attest von Dr. C, welches bei dem Rechtsanwalt RA1 in O1 hinterlegt war, ist der Vorfall vom Mai 1983 als Entziehungsgrund ebenfalls nicht formwirksam im Testament festgehalten worden. Der Formvorschrift des § 2336 Abs. 2 BGB wird nicht schon dadurch genüge getan, dass der Erblasser wegen des Entziehungsgrundes lediglich auf andere, der Testamentsform nicht entsprechende Erklärungen verweist (BGHZ a. a. O. S. 41; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1469). Der von den Beklagten darin erkannte und gerügte Wertungswiderspruch, dass danach der Verweis auf beweiskräftige Urkunden unmöglich wäre, indes jede handschriftliche Notiz des Erblassers ausreichen würde, ist unzutreffend. Durch die Bezugnahme auf eine handschriftliche Notiz des Erblassers wird den Formerfordernissen des § 2336 Abs. 2 BGB nämlich nur genügt, wenn diese "Notiz" eine der Testamentsform entsprechende Erklärung ist.

Wenn auch das Reichsgericht in RGZ 168, 34, 36 angenommen hat, dem Formerfordernis könne entsprochen sein, wenn der Erblasser in seinem Testament wegen der Gründe für die von ihm verfügte Pflichtteilsentziehung auf bestimmte Scheidungsakten verwiesen habe, so hat es eine derartige Lage aber deutlich als Grenzfall gekennzeichnet und ausgeführt, das Merkmal könne "noch" als erfüllt angesehen werden, weil die Scheidungsklage seinerzeit bereits anhängig und sonach ohne besondere Schwierigkeiten und ohne Unklarheit aus den Gerichtsakten festzustellen gewesen sei, welche Entziehungsgründe der Erblasser habe angeben wollen. Ähnliches lässt sich aber bei einem bloßen Verweis auf ein ärztliches Attest, welches erlittene Verletzungen ausweist, aber keine Angaben zu den Verletzungsursachen enthält, nicht sagen.

Es gibt zudem gute Gründe, an die Einhaltung der Testamentsform im Bereich von § 2336 Abs. 2 keine geringeren Anforderungen zu stellen als etwa bei der Erbeinsetzung oder bei der Vermächtnisbestimmung. Eine derartige Differenzierung der Formen danach, um welche Art von letztwilliger Verfügung es sich jeweils handelt, würde zu einer Aufsplitterung der insoweit bisher einheitlichen Anforderungen an die Einhaltung der Testamentsformen führen, sogar deren Auflösung einleiten und damit die Rechtssicherheit ohne Not gefährden. Schließlich bietet eine Bezugnahme, vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit, dass die in Bezug genommenen Urkunden nach der Testamentserrichtung ausgetauscht oder auch nachträglich geändert oder ergänzt werden können, beträchtlich weniger Sicherheit für eine zutreffende Feststellung des Erblasserwillens (BGH, a. a. O, S. 42).

Die Überzeugung des Landgerichts, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, die als Entziehungsgrund allein in Betracht kommende körperliche Misshandlung der Erblasserin durch die Klägerin im November 1991 nicht festgestellt werden kann, ist nicht zu beanstanden. Die entsprechende Tatsachenfeststellung der ersten Instanz ist frei von Rechtsfehlern.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtssprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2004, 1876, 1877).

Diesen Grundsätzen folgend ist insbesondere die mit der Berufung gerügte Feststellung des Landgerichts, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Erblasserin gegenüber dem Zeugen Z1 hinsichtlich der Ursache der Verletzungen im Jahr 1991 unzutreffende Angaben gemacht hat, nicht zu beanstanden. Nachvollziehbar und in sich stimmig hat das Landgericht zunächst dargelegt, dass die vom Zeugen Z1 bekundeten Verletzungen der Erblasserin im November 1991 nicht allein und ausschließlich auf tätliche Übergriffe einer anderen Person zurückgeführt werden, sondern auch durch Stürze, Unfälle oder sonstige Zufälligkeiten verursacht worden sein können. Der Zeuge Dr. C, der die Erblasserin seit 1994, mit Ausnahme vom 26.01.1990 bis 23.06.1993 hausärztlich betreut hat, hat ausgeführt, in dieser Zeit mehrfach Verletzungen der Erblasserin festgestellt zu haben, die ohne weiteres auch durch Stürze oder andere Zufälligkeiten verursacht worden sein konnten. Demgegenüber hat die Zeugin Z4 zwar bekundet, ihre Schwester habe nach ihrer Erinnerung keine Unfälle gehabt. Dieser Aussage kann aber keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, weil unstreitig die Erblasserin zum Beispiel im Februar 1994 nach einem Sturz zwei Rippen gebrochen hatte.

Entgegen der Angriffe der Beklagten in der Berufung ist es nicht auszuschließen, dass die Erblasserin sich im Hinblick auf das seinerzeit anhängige zivilrechtliche Streitverfahren mit der Klägerin betreffend der Kündigung des Hofpachtvertrages zu einer wahrheitswidrigen Belastung der Klägerin veranlasst gesehen haben könnte. Die Erblasserin könnte sich durch eine wahrheitswidrige Belastung der Klägerin Vorteile für das anhängige Zivilverfahren versprochen haben. Dies würde zwanglos erklären, warum die Klägerin entgegen des Rates ihrer Schwester, der Zeugin Z4, sich nur an ihren damaligen Rechtsanwalt, dem Zeugen Z1, nicht aber an einen Arzt gewendet hatte. Konsequenter Weise hatte sich die Erblasserin den ihr vom Zeugen Z1 ebenfalls erteilten Rat, sich einem Arzt vorzustellen und die Verletzungen ärztlich dokumentieren zu lassen, verweigert. Möglicherweise befürchtete die Erblasserin, der Arzt könnte bei einer gründlicheren Untersuchung feststellen, dass die Verletzungen nicht von Tätlichkeiten der Klägerin, sondern von einem Sturz oder Unfall herrührten. Irritierend ist in diesem Zusammenhang, dass die Erblasserin nach Angaben ihrer Schwester, der Zeugin Z4, sich zwar geschämt hatte, dem Arzt mitzuteilen, von der Tochter geschlagen worden zu sein, dem Zeugen Z1 gegenüber aber nicht nur diese Hemmschwelle überwunden, sondern sich darüber hinaus vor diesem auch noch teilweise entblößt hatte, um die Verletzungen im Brustbereich zu zeigen.

Sollte sich die Erblasserin durch die wahrheitswidrige Belastung der Klägerin in dem gegen diese geführten anhängigen Zivilprozess 1991 Vorteile versprochen haben, so würde sich damit auch die von dem Beklagten aufgeworfene Fragen, aus welchen Gründen sich die Erblasserin der Demütigung habe unterziehen sollen, sich teilweise vor dem Rechtsanwalt zu entblößen, zwanglos beantworten.

Hatte die Erblasserin die hier näher bezeichnete Vorstellung und Hoffnung auf eine positive Ausstrahlung des Vorfalls auf das Zivilverfahren, so wäre es zudem konsequent gewesen, die Klägerin nicht nur gegenüber dem Rechtsanwalt Z1, sondern auch gegenüber den weiteren Zeugen, der Schulfreundin Z3, der Schwester Z4 und dem Lebensgefährden Z2, wahrheitswidrig zu belasten.

Die von den Beklagten gezogene Schlussfolgerung, wenn die Erblasserin 1991 der Klägerin hätte schaden wollen, dann hätte sie bereits zu diesem Zeitpunkt der Klägerin den Pflichtteil entzogen oder Rechtsanwalt Z1 beauftragt, eine Strafanzeige zu erstatten, ist nicht zwingend. Zum einen ist nicht erkennbar, dass die Erblasserin sich bereits zu diesem Zeitpunkt überhaupt mit der Thematik der letztwilligen Verfügung beschäftigt hatte. Zum anderen hätte ein Auftrag zur Erstattung einer Strafanzeige voraus gesetzt, dass die Verletzungen ärztlich dokumentiert sind. Gerade dies hat die Erblasserin aber möglicherweise aus den oben dargestellten Gründen vermeiden wollen.

Keineswegs hat es das Landgericht fehlerhaft unterlassen, die Persönlichkeiten der Klägerin und der Erblasserin zu würdigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es aber nicht bewiesen, dass es der Klägerin peinlich gewesen war, von der eigenen Tochter verprügelt zu werden. Auch die bestrittene Behauptung der Beklagten, die Klägerin sei gewalttätig, brutal und rücksichtslos, ist nicht bewiesen. Die Zeugin Z4 hat zwar dargestellt, dass es nach dem Tod des Ehemanns ihrer Schwester zu erheblichen Streitigkeiten zwischen der Erblasserin und der Klägerin gekommen sei, in deren Verlauf die Klägerin gegenüber der Erblasserin auch handgreiflich geworden sei, wobei sie, die Zeugin, konkret einen Vorfall im Frühjahr 1980 in der Waschküche beobachtet habe. Dem stehen aber die Bekundungen des Zeugen Z2 gegenüber, der obwohl seit 1986 mit der Erblasserin auf dem Hof zusammenlebend, von den Streitigkeiten mit der Klägerin "immer nur am Rand gehört und von Frau A erzählt" bekommen hatte. Dies erstaunt um so mehr, als nach dem vom Zeugen Z2 nicht bestätigten Vortrag der Beklagten, die Erblasserin den Zeugen Z2 gerade auch deshalb bei sich aufgenommen hatte, weil sie, die Erblasserin, Angst vor Übergriffen ihrer Tochter gehabt habe.

Die erstmals in der Berufungsbegründung benannten Zeugen X und Y B zu der Behauptung, die Erblasserin habe erstmals im Sommer 1980 und sodann in den Folgejahren ihnen von den Gewaltattacken und Drohungen der Klägerin berichtet, sind nicht mehr gem. § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Im Rahmen der den Beklagten obliegenden allgemeinen Prozessförderungspflicht hätten die Zeugen ohne weiteres bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens benannt werden müssen, ohne das es eines vorherigen Hinweises des Landgerichts auf die "Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Erblasserin" bedurft hätte.

Keineswegs hat das Landgericht, wie die Berufung vorträgt, es unterlassen, die Zeugin Z4 zu dem Vorfall aus dem Jahr 1991 zu befragen. Zwar war ausweislich des Beweisergänzungsbeschlusses vom 13.08.2003 der Vorfall aus dem Jahr 1991 nicht ausdrücklich Gegenstand der Vernehmung der Zeugin Z4. Gleichwohl hat die Zeugin sich in ihrer Einvernahme am 13.08.2003 zu dem Vorfall geäußert. Damit war das Beweisthema erschöpft, sodass auf den erst im Schriftsatz vom 20.07.2004 formulierten ausdrücklichen Beweisantrag hin, die Zeugeneinvernahme nicht wiederholt werden musste. Dass die Befragung der Zeugin im Termin vom 13.08.2003 insoweit unzureichend gewesen ist, haben die Beklagten nicht dargelegt.

Die landgerichtliche Würdigung des Zeugen Z2 leidet ebenfalls an keinem entscheidungserheblichen Mangel. Es kann dem Beklagtenvortrag folgend ohne weiteres als wahr unterstellt werden, dass der Zeuge entgegen der Annahme des Landgerichts nicht erst 1993 sondern bereits 1986 in die von der Erblasserin genutzte Wohnung eingezogen war (§ 244 Abs. 2 StPO analog). Der Beweiswert des Zeugen Z2 kann dann zwar nicht mit der Erwägung geschmälert werden, der Zeuge habe allenfalls seit Juli 1993 auftretende Verletzungen der Erblasserin wahr nehmen können. Es bleibt aber die vom Landgericht ergänzend angestellte Überlegung, dass es aus den vorstehend betreffend der Würdigung des Zeugen Z1 benannten Gründen unklar bleibt, ob die Erblasserin dem Zeugen Z2 gegenüber immer zutreffend die Ursachen für erlittene körperliche Beeinträchtigungen dargestellt hatte. Diese Unsicherheit hat in den Bekundungen des Zeugen Z2 selbst ihren Niederschlag gefunden, hat der Zeuge doch ausgeführt, dass er die Erklärungen der Erblasserin, die Blutergüsse am ganzen Körper stammten von ihrer Tochter, gar nicht hat glauben wollen. In der gleichen Weise hat sich im übrigen die Zeugin Z3 geäußert, was wiederum belegt, dass die Klägerin jedenfalls von Dritten keineswegs als gewalttätig, brutal und rücksichtslos wahrgenommen worden ist. - Auch hat der Zeuge Z2 tätliche Übergriffe der Klägerin gegenüber der Erblasserin nicht unmittelbar selbst beobachtet. Sein Wissen hiervon basiert allein auf Berichten und Erzählungen der Erblasserin. Dies ist indes - wie weiter oben bereits angemerkt - aber umso bemerkenswerter, als der Zeuge doch nach dem Vortrag der Beklagten gerade mit der Erblasserin zusammengezogen war, um diese vor tätlichen Übergriffen ihrer Tochter zu schützen und deren Ängste vor ihrer Tochter abzubauen.

Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die vom Landgericht vorgenommene Gesamtschau aller Zeugenangaben. Die von dem Zeugen Dr. C bekundeten weiteren Verletzungen vom 17.05.1983 und 08.05.1995, die als multiple Verletzungen, Prellungen und Schürfwunden am Rücken beschrieben worden sind, stellen kein ausreichendes Indiz dafür dar, dass die Erblasserin 1991 von der Klägerin geschlagen wurde. Wie bereits ausgeführt, können die Verletzungen auch durch einen Sturz oder sonstige Zufälligkeiten entstanden sein. Selbst wenn aber die Klägerin die Erblasserin 1983 und 1995 geschlagen haben sollte, lässt sich hieraus nicht mit hinreichender Sicherheit schlussfolgern, dass die Klägerin auch 1991 die Erblasserin körperlich misshandelt hatte. Der für diesen Rückschluss erforderliche zeitliche Zusammenhang ist bei den hier in Betracht kommenden Zeitpunkten 1983, 1991 und 1995 nicht gegeben und auch von den Beklagten nicht weiter substantiiert vorgetragen worden. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die von den Beklagten vorgetragenen Tätlichkeiten der Klägerin gegenüber der Erblasserin durch einen bestimmten besonderen Anlass miteinander verbunden gewesen sind.

Die danach bestehende Auskunftspflicht über den Bestand des Nachlasses haben die Beklagten mit dem der Klägerin mit anwaltlichen Begleitschreiben vom 05.02.2002 übersandten Nachlassverzeichnis nicht erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Auskunftsbegehren der Klägerin ist auch nicht gem. § 242 BGB treuwidrig. Die Mutmassung der Beklagten, die Klägerin wisse wegen des über Jahre und Jahrzehnte hinweg engen räumlichen Zusammenlebens mit der Erblasserin aus eigener Wahrnehmung mehr über die vermögensrechtlichen Aktivitäten der Erblasserin, genügt zur Begründung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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