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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 4 U 94/02
Rechtsgebiete: BGB, TierKBG


Vorschriften:

BGB § 315 III
TierKBG § 4
Zur Abgrenzung einer behördlichen Preisfestsetzung von behördlicher Kontrolle privatautonomer Preisgestaltung (hier: Entgelte für die Tierkörperbeseitigung).
Gründe:

I.

Die Klägerin ist eine privatrechtlich verfasste Gesellschaft, die eine Tierkörperverwertungsanstalt betreibt nachdem ihr gemäß § 4 Abs. 2 TierKBG die Pflicht zur Tierkörperbeseitigung übertragen wurde. Der Beklagte ist Inhaber einer Metzgerei. Die Klägerin verlangt mit der Klage das Entgelt für die Entsorgung von beseitigungspflichtigen Tierkörperresten im Zeitraum von 1999 bis 2001, welches sie zuletzt auf insgesamt 107.124,11 Euro berechnet hat.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 104.042,23 Euro stattgegeben und sie in Höhe von 3.081,88 Euro abgewiesen. Es hat ausgeführt, Grundlage des Anspruches der Klägerin sei, vergleichbar wie bei einem Bezirksschornsteinfeger, ein privatrechtlicher Werkvertrag zwischen den Parteien. Die Klägerin sei wirksam mit öffentlichen Aufgaben beliehen, weil die Übertragungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 01.07.1998 nicht offensichtlich nichtig sei. Soweit der Beklagte einwende, die Entgeltlisten der Klägerin seien fehlerhaft, weil sie die Kostenstruktur nicht ausreichend berücksichtigten, handele es sich dabei um verwaltungsrechtliche Vorfragen, die durch das Zivilgericht nicht überprüft werden könnten, weil die Genehmigungen der Entgeltlisten, selbst wenn diese fehlerhaft sein sollten, nicht nichtig seien.

Hinsichtlich der Ausführungen zur korrekten Berechnung der Forderung der Klägerin in den Rechnungen entsprechend den Entgeltlisten wird auf Seite 8 und 9 des angefochtenen Urteils verwiesen.

In Höhe von 3.081.88 Euro hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil unter Zusammenrechnung der vorgelegten Rechnungen der Klägerin sich lediglich eine Forderung in Höhe des ausgeurteilten Betrages ergebe.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung des Landgerichts und beantragt, die Klage auch insoweit abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, das Landgericht habe aus den von ihm vorgetragenen Gründen selbst die Entgeltlisten überprüfen und dazu notfalls das Verfahren aussetzen müssen. Die Genehmigung der Entgeltliste entbinde das Zivilgericht nicht von deren Prüfung. Bei der Entgeltliste handele es sich nicht um eine Taxe im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB. Sie sei deshalb - wie auch für die Preisgestaltung von Monopolisten der Daseinvorsorge anerkannt - nach § 315 Abs. 3 BGB zu überprüfen. Er vertritt auch weiter die Auffassung, dass der Klägerin die Beseitigungspflicht nicht wirksam übertragen worden sei.

Der Beklagte rügt ferner, dass das Landgericht die Einstufung des Betriebes in die Preisstaffelung der Entgeltliste für zutreffend erachte, sei nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der in der Entgeltliste vorgesehenen Berechnung der Vergütung für entsorgtes Blut nach Stückzahlen statt der Literzahl pro Tier habe das Landgericht aufgrund der mitgeteilten Literzahlen im Rahmen des § 315 BGB die Vergütung hochrechnen können.

Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Sie führt näher ihre Auffassung aus, dass es sich bei den Entgeltlisten um öffentlichrechtliche Taxen handele. Im Übrigen seien ihre Entgeltlisten auch angemessen. Die zahlreichen Rückvergütungen seien aufgrund der Besonderheiten der BSE-Gesetzgebung notwendig gewesen.

Wegen des weiteren Parteivortrags zur Berufung des Beklagten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin hat zunächst Anschlussberufung mit dem Antrag eingelegt, den Beklagten zur Zahlung weiterer 3.081,88 Euro zu verurteilen, weil zwei weitere Rechnungen dem Landgericht vorgelegen hätten. Die Anschlussberufung hat sie im Termin vor dem Berufungsgericht am 05.02.2003 zurückgenommen.

Das Berufungsgericht hat das Verfahren über die Berufung gegen das vorgenannte Urteil in der Verhandlung am 5.2.2003 mit der Berufung gegen das den Beklagten in Höhe von 19.705,09 Euro verurteilende Urteil des Landgerichts Limburg vom 8.5.2002 im Verfahren 2 O 318/01 (OLG Frankfurt 4 U 93/02) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Jene Berufung ist vom Kläger anschließend im selben Termin zurückgenommen worden.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist in der Sache nicht begründet.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 104.042,23 Euro verurteilt, weil die Klägerin entsprechend den Entgeltlisten für die Jahre 1999 bis 2001 vom Beklagten ein Entgelt für die Beseitigung von Schlachtabfällen in dieser Höhe beanspruchen kann.

1. Der Entgeltanspruch der Klägerin ergibt sich dem Grunde nach aus dem zwischen den Parteien schon mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin zustande gekommenen privatrechtlichen Benutzungsverhältnis. Trotz der für Besitzer von beseitigungspflichten Schlachtabfällen aus §§ 9, 10 TierKBG bestehenden hoheitlichen Pflicht zur Ablieferung von Schlachtabfällen an die Klägerin (Benutzungszwang), können die sich bei der Durchführung der Beseitigung ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten privatrechtlich ausgestaltet sein (vgl. BGH NJW-RR 1990, 140; BGHZ 115, 311, 314; BGH NJW 2005, 2919 unter I.). Davon hat das Land Hessen in § 6 Abs. 1 HessAusfGTierKBG in Verbindung mit Nr. 4 und 5 der Übertragungsverfügung an die Klägerin vom 29.7.1998 Gebrauch gemacht. Die Klägerin kann aus § 6 Abs. 4 HessAusfGTierKBG mit Ablieferung der dem TierKBG unterliegenden Schlachtabfälle die in der jeweiligen genehmigten Entgeltliste vorgesehenen privatrechtlichen Vergütung beanspruchen.

Die Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten durch Verfügung des Regierungspräsidiums vom 29.7.1998 wirksam mit der Durchführung der Tierkörperbeseitigung beliehen worden. Zur Übertragung der Beseitigungspflicht nach § 4 Abs. 2 TierKBG bedarf es nicht des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Ein solcher ist nach § 1 Abs. 2 S. 1 HessAusfGTierKBG nur für die Übertragung der Durchführung der Tierkörperbeseitigung durch die beseitigungspflichtige Körperschaft auf einen privaten Unternehmer erforderlich. Für die Übertragung der Beseitigungspflicht als solcher von der beseitigungspflichtigen Körperschaft auf einen Dritten ist nach dem TierKBG ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht vorgesehen. Denn § 4 Abs. 2 TierKBG bestimmt, dass die Übertragung durch die zuständige (höhere) Behörde nach vorheriger Anhörung der beseitigungspflichtigen Körperschaft erfolgt. Das Gesetz geht deshalb von einer Übertragung in der hoheitlichen Form eines Verwaltungsakts aus.

2. Die Klägerin kann ihre Vergütung nach den vom Regierungspräsidium genehmigten und veröffentlichten Entgeltlisten berechnen. Eine Überprüfung der Angemessenheit der darin enthaltenen Preise nach § 315 Abs. 3 BGB ist den Zivilgerichten verwehrt.

Grundsätzlich ist allerdings in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Tarife von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. etwa BGHZ 115, 311 , 316 m.w.N.). Dies gilt auch für Unternehmen die im Rahmen eines Anschluss- und Benutzungszwanges privatrechtlich tätig werden (BGHZ 163, 321 = BGH NJW 2005, 2919). Eine solche Billigkeitskontrolle einseitig vorgenommener Entgeltbestimmungen ist auch grundsätzlich nicht schon dann ausgeschlossen, wenn bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte öffentlich-rechtliche Vorgaben, zu denen auch behördliche Genehmigungsvorbehalte gehören, zu beachten sind ( BGHZ 115, 311 , 317 f; BGH NJW-RR 1997, 1019 m.w.N.; BGH NJW-RR 1992, 183, 185 m.w.N.). Der Grund dafür liegt darin, dass sich die öffentlich-rechtliche Wirkung der erforderlichen Genehmigung in der Regel auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger beschränkt und im übrigen der privatautonomen erwerbswirtschaftlichen Entscheidungsbefugnis der Vertragspartner freien Raum lässt (BGH NJW 1998, 3188, 3192; BGH DVBl. 1974, 558, 561 zu § 43 LuftVZO). Eine solche Lage ist nicht gegeben, wenn der Dienstleister keine anderen Entgelte erheben darf als genehmigt, eine Änderung der Tarife nicht vor Genehmigungserteilung wirksam wird und eine abweichende Preisvereinbarungen nichtig ist. Denn dadurch verbleibt dem Anbieter kein privatautonomer Spielraum hinsichtlich der von den Kunden zu erhebenden Tarife und Entgelte mehr (BGH NJW 1998, 3188, 3192: Tarifreform Telekom 1996). In einem solchen Fall ist die Rechtslage nicht anders als bei einer Festsetzung des zu entrichtenden Entgeltes durch Verwaltungsakt, der, sofern er nicht nichtig oder auf Anfechtung hin aufgehoben ist, von den Zivilgerichten zu beachten ist (BGHZ 73, 114).

Die in Nr. 4 und 5 der Übertragungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 29.7.1998 der Behörde vorbehaltene Genehmigung der von der Klägerin zu verwendenden Entgeltlisten stellt nach diesen Maßstäben nach Auffassung des Senats eine behördliche Preisfestsetzung und nicht lediglich eine behördliche Kontrolle privatautonomer Preisgestaltung dar.

a) Während in § 6 Abs. 4 HessAusfGTierKBG bestimmt ist, dass vom Inhaber einer Tierkörperbeseitigungsanstalt eine privatrechtliche Vergütung verlangt werden "kann", ist in Nr. 4 (1) der Übertragungsverfügung geregelt, dass die Beseitigungspflichtigen, gemeint ist hier auch die Klägerin, für die ihnen obliegende Tätigkeit "Entgelte nach einer Entgeltliste" "erheben". Im dem Modus des Indikativs kommt zum Ausdruck, dass die Klägerin allein die in der Entgeltliste aufgeführten Entgelte erheben und keine andere Vergütung vereinbaren darf. Die Formulierung ist erkennbar an die für die Tierkörperbeseitigung durch eine Behörde geltende Bestimmung des § 6 Abs. 2 HessAusfGTierKBG angelehnt, auf deren sinngemäße Anwendung für privatrechtliche Entgelte § 6 Abs. 4 HessAusfGTierKBG verweist. Die Bestimmung in Nr. 4 überträgt so den für den Bereich des Verwaltungsprivatrechts geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. BayOBLG NVWZ-RR 2002, 276 unter 2.) auch auf die Klägerin als Beliehene. Dies trägt deren besonderer Stellung Rechnung. Sie erbringt nicht lediglich als Privatunternehmen Leistungen der Daseinsvorsorge in einem Bereich, in dem grundsätzlich frei Verträge abgeschlossen werden können, sondern erfüllt einen gesetzlichen Beseitigungsauftrag, dem eine Ablieferungspflicht auf Seiten der Tierkörperbesitzer korrespondiert.

Auch aus den folgenden Bestimmungen der Verfügung ergibt sich, dass die Klägerin Entgelte allein nach der genehmigten Liste erheben dar. Nach Nr. 4 (2) und (4) der Übertragungsverfügung bedarf die Entgeltliste zu ihrer "Wirksamkeit" der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Dasselbe gilt für eine Änderung der Liste, denn die genehmigte Liste bleibt bis zur Ablösung durch eine neue genehmigte Liste in Kraft.

Bei dem sich aus der Übertragungsverfügung ergebenden Gebot an die Klägerin, keine anderen Entgelte als in den genehmigten Listen zu erheben, handelt es sich allerdings lediglich um ein behördliches und nicht um ein gesetzliches Verbot, so dass eine abweichende vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit den Ablieferern der Erzeugnisse nicht zivilrechtlich unwirksam wäre (vgl. §§ 134, 137 BGB). Dies ist jedoch kein notwendiges Merkmal einer behördlichen Preisfestsetzung. Ausreichend ist, dass die Klägerin die festgesetzten Preise nicht über- oder unterschreiten darf (vgl. BGHZ 73, 114, 116). Denn bei der Beurteilung der Wirkung der behördlichen Anordnung ist von ihrer Befolgung auszugehen. Bei dem deshalb zu unterstellenden rechtmäßigen Verhalten der Klägerin verbleibt für diese kein Bereich für eine von der Entgeltliste abweichende privatautonome Preisgestaltung. Dies gilt umso mehr, als der Entgeltanspruch der Klägerin trotz seines privatrechtlichen Charakters nicht auf einem ausgehandelten Vertrag sondern einem auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 HessAusfGTierKBG kraft Gesetzes mit der Ablieferung der Tierkörperreste zu Stande kommenden Benutzungsverhältnis beruht (oben 1.).

b) Ein Bereich eigener erwerbswirtschaftlicher Preisbestimmung verbliebe der Klägerin bei dieser Lage nur dann, wenn sie auf den Inhalt der Entgeltliste wesentlichen Einfluss hätte, weil die Prüfungsbefugnis der Behörde im Genehmigungsverfahren nur eine geringe Kontrolldichte aufweisen würde. Dafür könnte zwar sprechen, dass die jeweilige Entgeltliste von der Klägerin selbst eingereicht und nicht, wie etwa bei Pflegesätzen für Krankenhäuser (vgl. BGHZ 73, 114, 116), durch die Behörde "von sich aus festgesetzt" wird. Ob der Entwurf für eine solche Preisliste von der Behörde ausgeht oder vom Unternehmer eingereicht wird, ist indes lediglich eine Frage des praktischen Vorgehens. Entscheidend ist nach Auffassung des Sentas allein, welche Einflussmöglichkeiten dem Unternehmen im Hinblick auf die Höhe des Preises verbleiben. Einem solchen Einfluss steht hier jedoch die eingehende Regelung in Nr. 5 der Übertragungsverfügung entgegen, aus der sich ergibt, welche Kalkulation den genehmigten Entgelten zugrunde liegt und nach welchen Maßstäben künftig Anpassungen der Preise an veränderte Grundlagen erfolgen sollen. In Absatz (1) ist zunächst geregelt, dass Veränderungen der allgemeinen Kosten für einzusetzende Maschinen und Löhne sich (automatisch) nach der Veränderung bestimmter Indizes des Statistischen Bundesamtes richten. Aus den Absätzen (2) bis (8) ergibt sich, welcher Durchschnittserlös aus dem Verkauf von Verwertungsprodukten der Entgeltkalkulation zugrunde liegt und wie künftige Veränderungen dieser Erlöse oder ein Wegfall der Verwertbarkeit von Endprodukten der Tierkörperbeseitigung den Preis verändern dürfen. Es ist angesichts dieser detaillierten Regelung nicht ersichtlich, dass der Klägerin eigene kaufmännische Möglichkeiten zur Festlegung der Preishöhe verbleiben. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Termin handelte es sich bei der ersten mit der Übertragungsverfügung "genehmigten" Entgeltliste um die von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft vor der Übertragung verwendete Liste. Die Klägerin muss bei Änderungen die Preise ihrer Entgeltliste, um sie mit Aussicht auf Genehmigung einreichen zu können, von vornherein nach den engen Maßstäben von Nr. 5 der Verfügung bemessen. Ihre Rolle beschränkt sich darauf, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Preisbemessung, insbesondere die Verkaufserlöse, zu ermitteln und der Behörde darzulegen.

Diese unter Nr. 4 und 5 der Übertragungsverfügung getroffenen und jeglichen Spielraum der Klägerin einschränkendenden Regelungen stellen belastende Nebenbestimmungen zu dem begünstigenden Verwaltungsakt einer Übertragung des Rechts zur Beseitigung dar. Das Land ist befugt, solche neuen selbständigen Regelungen zu treffen, weil auf die Übertragung der Beseitigungspflicht kein Rechtsanspruch besteht (HessVGH ESVGH 53,186). Wegen der Bindung der Klägerin an die Preisvorgabe der zuständigen Behörde bleibt für die Zivilgerichte kein Raum, die Preise der Entgeltliste auf Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls durch gestaltendes Urteils anderweitig festzusetzen. Die Nebenbestimmungen haben damit zur Folge, dass es sich bei der jeweiligen Entgeltliste der Klägerin um eine behördliche Preisfestsetzung handelt, deren Genehmigung zumindest in ihren Auswirkungen einer privatrechtsgestaltenden Allgemeinverfügung gleichkommt. Damit steht in Einklang, dass die Entgeltliste auf Anordnung des Regierungspräsidiums jeweils im Staatsanzeiger des Landes Hessen veröffentlicht wird (Genehmigungsverfügung vom 20.12.2002, Bl. 24 d.A.).

3. Die genehmigten Entgeltlisten, aus denen die Klägerin ihre Vergütung berechnet, leiden nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der unter Würdigung aller Umstände offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 und 2 HessVwVfG). Soweit der Beklagte geltend macht, dass für die ab dem 1.7.2001 geltende Entgeltliste entgegen der Übertragungsverfügung der Hessische Fleischerverband bei der Genehmigungserteilung noch nicht angehört worden war, betrifft dies allein einen Verfahrensfehler, der nach außen nicht erkennbar ist. Auch aus den vom Beklagten vorgetragenen Umstände, aus denen sich eine Überhöhung der Entgelte oder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Kostenäquivalenz ergeben soll, vermag, ihre Richtigkeit unterstellt, eine Nichtigkeit der Entgeltliste nicht abgeleitet zu werden. Dazu müsste der jeweilige Preis ersichtlich möglicherweise sittenwidrig sein (vgl. § 44 Abs. 2 Nr. 6 HessVwVfg). Ob aber die Berechnung höherer Kosten für Risikomaterial wegen tatsächlich nicht erfolgter getrennter Entsorgung gerechtfertigt war, betrifft allein die tatsächlichen Voraussetzungen für eine zunächst einmal plausibel dargelegte höhere Vergütung. Dass die Listen bis zum 12.3.2001 das Entgelt für eingeliefertes Blut nicht an der tatsächlichen Litermenge, sondern mit einer Pauschale von 3 Liter je Schlachttier bemaßen, erscheint jedenfalls nicht als offensichtlich sachwidriger Maßstab.

4. Dass die von der Klägerin in ihren Rechnungen berechnete und auf Seite 8 bis 10 des landgerichtlichen Urteils im einzelnen nachvollzogenen Vergütungsansprüche von zusammen 104.042,23 Euro hinsichtlich der eingelieferten Mengen auf zutreffender tatsächlicher Grundlage beruhen und der jeweiligen Entgeltliste entsprechen, war in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien, mit Ausnahme der Preisstaffelung, nicht mehr streitig. Hinsichtlich der Einstufung des Beklagten in die Preisstaffelung nach Schlachtzahlen hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Klägerin in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Liste unter A. 2. die Staffelung beginnend mit den ersten 1000 Tieren in der ersten Stufe vornehmen durfte und nicht die Preisstufe allein nach der gesamten Jahresschlachtzahl bestimmen musste. An eine frühere abweichende Praxis ist die Klägerin mangels eines besonderen Vertrauenstatbestandes nichtgebunden.

5. Da der Beklagte somit zu Recht zur Zahlung von 104.042,23 Euro verurteilt wurde, war auch dem Antrag auf Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrages von 105.000,- Euro nicht stattzugeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich zu Lasten des Beklagten im Verfahren 4 U 94/02 aus § 97 Abs. 1 und hinsichtlich der Klagerücknahme im Verfahren aus § 516 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin hat nach § 516 Abs. 3 ZPO die anteiligen Kosten für die Rücknahme ihrer Anschlussberufung im Verfahren 4 U 94/02 zu tragen.

Eine Zulassung der Revision war geboten, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Kriterien, nach denen zwischen einer bloßen behördlichen Kontrolle privater Preisgestaltung und einer behördlichen Preisfestsetzung abzugrenzen ist, erscheinen insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob notwendige Bedingung für Letzteres die zivilrechtliche Nichtigkeit einer abweichenden Vereinbarung ist, weiter klärungsbedürftig. Eine grundsätzliche Bedeutung besteht auch im Hinblick auf abweichende Entscheidungen von Verwaltungsgerichten, die allerdings andere Tierkörperbeseitigungsanstalten betreffen, denen die Beseitigungspflicht möglicherweise unter anderen Bedingungen übertragen wurde (vgl. HessVGH ESVGH 53, 186; OVG NRW, Urteil 1.3.1994 - 13 A 3233/92).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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