Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.05.2002
Aktenzeichen: 5 U 181/00
Rechtsgebiete: WA 1955


Vorschriften:

WA 1955 Art. 25
Zur Darlegungslast der Voraussetzungen einer unbeschränkten Haftung nach Art. 25 WA (Warschauer Abkommen) 1955.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES Urteil

5 U 181/00

Verkündet am 28.5.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. September 2000 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 4.500,--€ abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können durch unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt als Transportversicherer aus unbestritten abgeleitetem Recht der... GmbH Schadensersatz wegen des Verlusts eines Kartons einer aus 29 Kartons bestehenden Lieferung mit Elektronikschaltern an die S. M. in Schottland/Großbritannien, mit deren Beförderung die Beklagte beauftragt war. Von der durch die Beklagte geteilten, per Luftfracht gelieferten Sendung konnte der Empfangsspediteur in Glasgow/Schottland bei der S., der Betreiberin des Flughafenumschlaglagers, nur 28 Kartons in Empfang nehmen. Die Beklagte zahlte auf den Verlust 719,48 DM, nämlich - wie vor dem Senat klargestellt worden ist - den Sockelbetrag des Art. 22 WA 1955.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte unbeschränkt auf Schadensersatz, weil sie die Organisation und die Sicherung des Transports nicht ausreichend vorgetragen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 41.076,52 DM nebst 5 % Zinsen seit 15. April 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der fehlende Karton sei im Lager der S.. auf den Lagerplatz 633 genommen worden, aber wenige Tage danach bei der Abholung durch den Empfangsspediteur nicht mehr aufzufinden gewesen. Sie hat umfangreich zu Diebstahlsicherungen vorgetragen (Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 28. Mai 1999, S. 4-6, Bl. 78-80 d. A.).

Das Landgericht hat zur Einlagerung und zu Verlustsicherungen im Lager der S.. die Zeugen I. und N. gehört und die Klage abgewiesen. Die Einlagerung sei bewiesen und die behauptete Organisation und Sicherung ausreichend und ebenfalls durch die Zeugen bestätigt.

Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 4. November 1999 (Bl. 123-129 d. A.) und das Protokoll der Sitzung vom 7. September 2000 (Bl. 208-211 d. A.) und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Urteilsbegründung auf das am 29. September 2000 verkündete Urteil verwiesen (Bl 215-225 d.A.).

Gegen das am 12. Oktober 2000 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 13. November2000, einem Montag, bei Gericht eingegangen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Januar 2001 mit am 15. Januar 2001 zu Gericht gelangtem Schriftsatz gerechtfertigt worden ist. Die Klägerin bestreitet im Berufungsverfahren erneut die Einlagerung des später vermissten Kartons. Die Warenausgangskontrollen seien nicht ausreichend dargelegt, weshalb nicht auszuschließen sei, dass der Karton versehentlich an einen falschen Empfänger ausgeliefert worden sei. Die Beklagte habe das Verlustrisiko unnötig durch eine Teilung der Sendung erhöht.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 21.002,09 € nebst 5 % Zinsen seit 15. April 1998 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Januar 2001 (Bl. 243-251 d. A.) und den Schriftsatz der Beklagten vom 19. Juni 2001 (Bl. 255-260 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden.

Die Klägerin kann gemäß Art. 22 Abs. 2 WA 1955 über den bereits durch Zahlung geleisteten und unstreitig zutreffend berechneten Sockelbetrag von 719,48 DM hinaus keinen weiteren Ersatz für den Teilverlust der Sendung verlangen. Das Warschauer Abkommen in der Fassung von 1955 ist anwendbar, weil die Parteien eine internationale Luftbeförderung vereinbarten und Großbritannien und Deutschland Vertragsstaaten des Abkommens sind. Der Verlust trat bei der Beförderung ein, weil das Umschlaglager der S., was die Berufung nicht angreift, von Leuten der Beklagten im Sinne des Art. 25 WA 1955 auf dem Flughafen Glasgow geführt wird. Die Klägerin hat die Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung der Beklagten nach Art. 25 WA 1955 nicht vorgetragen, nämlich nicht, dass der Schaden leichtfertig und in dem Bewusstsein seines wahrscheinlichen Eintritts herbeigeführt wurde. Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast trotz ihr zuzugestehender Erleichterungen nicht genügt. Der Anspruchsteller "erfüllt allerdings die ihm obliegende Darlegungslast für ein grob fahrlässiges Verschulden des Spediteurs oder Frachtführers bereits dann, wenn der Klägervortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der Spediteur bzw. der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens zumutbarerweise beitragen kann", oder wenn sich "die Anhaltspunkte für das Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben" (BGH vom 21. September 2000, I ZR 135/98, S. 18 = transpR 2001,29).

Durch die Zeugen I. und N. ist bewiesen, dass das fehlende Packstück am 21. März 1998 um 19.30 Uhr im Umschlaglager der S. auf Platz 633 eingelagert wurde, wovon auch das Landgericht nach der Beweiserhebung ausgeht. Die Aussagen der Zeugen sind nämlich glaubhaft. Die Aussage des Lagerarbeiters N. steht in Einklang mit dem Cargo-Manifest, das die Beklagte in unbestrittener Kopie vorgelegt hat (Anlage B 2 c zum Schriftsatz vom 28. Mai 1999, Bl. 84 d. A.). Der Zeuge I. hat als Vorgesetzter dem Lagerarbeiter N. grundsätzliche Zuverlässigkeit bestätigt. Anhaltspunkte für ein grob fahrlässiges Abhandenkommen des Packstücks von diesem Platz hat die Klägerin, wie von ihr trotz aller Vortragserleichterung zu verlangen ist, nicht vorgebracht. Für einen Diebstahl oder eine Unterschlagung ergeben sich keine Anzeichen. Weder waren die Schalter besonders gut absetzbar noch als wertvoll erkennbar. Betriebsfremde wurden nicht gesehen, Auffälligkeiten nicht offenbar. Dessen ungeachtet hat die Beklagte hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen ohnehin ihrer sekundären Darlegungslast genügt, denn sie hat jedenfalls grobes Sicherungsverschulden ausschließende Maßnahmen behauptet, deren Richtigkeit der Zeuge I. bestätigt hat. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt für eine Falschauslieferung oder eine unzureichende Organisation der Auslieferung. Denn eine Schnittstellenerfassung hinsichtlich der Auslieferung fand im Lagerbüro statt. Die Richtigkeit der tatsächlichen Auslieferung kontrollierte der herausgebende Lagerarbeiter anhand der vom Lagerbüro dem Abholer ausgestellten Freigabeermächtigung. Er bedurfte keiner Gegenkontrolle durch einen weiteren Mitarbeiter oder durch eine technische Erfassung, weil auch der Empfänger regelmäßig die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auslieferung im eigenen Interesse prüft. Für eine Verstapelung hat die Klägerin schon im Ansatz nichts vorgetragen. Ob sich Anhaltspunkte für ein grobes Organisationsverschulden hinsichtlich des Zusammenführens getrennt angelieferter Sendungsteile ergeben, kann dahinstehen. Läge ein solcher Organisationsmangel vor, wäre er nicht für den Verlust des Kartons ursächlich geworden. Denn dessen ursprünglicher Lagerort, der Platz 633, konnte von der S.r. ohne weiteres festgestellt werden. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 und 108 Abs. 1 ZPO, jeweils a. F..

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. auch in Ansehung der gerade erst zu den grundlegenden Rechtsfragen ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung vom 21. September 2000 nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück