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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 5 U 253/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 151
BGB § 397
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Rückzahlung eines Teils des mit Vertrag vom 9.5./25.5.2001 gewährten Darlehens, zu dem sie am 8.12.2003 zum 29.12.2003 die außerordentliche Kündigung erklärte.

Nach Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung und nach einer Zwischenfinanzierungszusage der Klägerin erwarb die Beklagte die Anteile an der A GmbH. Am 19.2.2003 kam es wegen des Wunsches der Klägerin nach einer Sicherheitenverstärkung zu einer Besprechung der Parteien, bei der nach Beklagtenbehauptung die Klägerin bereits bei der Finanzierungszusage vorliegende besondere Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage der A GmbH eingeräumt haben soll. Mit Schreiben vom 27.2.2002 (Bezugnahme Bl. 356 d.A.) erhob die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung und bot die Fortführung der Gespräche an. Am 1.3.2002 fand eine weitere Besprechung über die Fortführung des Engagements der Klägerin bei der Beklagten statt, bei dem die Klägerin besonderen Wert auf die Rücknahme der erhobenen Vorwürfe wegen Schlechtberatung legte und darauf, dass hieraus keine Forderungen mehr abgeleitet werden würden. Diesbezüglich wurden am 4.3. und 5.3.2002 Entwürfe einer Verständigung zwischen den Parteien gewechselt, auf die zu den Einzelheiten verwiesen wird (Anlage K 6 und K 7, Bl. 84, 85 d.A.). Unter dem 13.3.2002 richtete der damalige anwaltliche Bevollmächtigte der Beklagten ein Schreiben an die Beklagte, das sich in seinem letzten Absatz zu möglichen Ansprüchen der Beklagten aus der Verletzung von Beratungspflichten verhält (Bezugnahme Bl. 363-364 d.A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, das Schreiben vom 13.3.2002 stelle einen Anspruchsverzicht der Beklagten dar.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat behauptet, die A GmbH habe ihre Umsätze im Wesentlichen durch Schmiergeldzahlungen an Kunden generiert, was dem Kundenbetreuer der A GmbH bei der Klägerin, B, bekannt wesen sei. Dies habe B in dem Gespräch am 19.2.2002 eingeräumt, weshalb die Beklagte ihm vorgeworfen habe, dies zurückgehalten zu haben. Die in den Darlehensvertrag aufgenommenen, als Covenants bezeichneten besonderen Bedingungen hätte die Beklagte wegen der schlechten Finanzlage der A GmbH nicht erfüllen können, worauf die Klägerin sie bei Zusage der Zwischenfinanzierung, jedenfalls aber bei Darlehensvergabe hätte hinweisen müssen. Aus der Aufklärungspflichtverletzung sei ihr ein Schaden von netto 1.287.743,05 € entstanden, mit dem sie gegen die Klageforderung aufrechne und mit einem weiteren Teilbetrag widerklage.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, weil die Beklagte auf Schadensersatzansprüche in dem Schreiben vom 13.3.2002 verzichtet habe. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 371- 383 d.A., Berichtigungsbeschluss Bl. 383a d.A.).

Die Berufung der Beklagten macht geltend, die Kündigung des Darlehens sei unberechtigt gewesen. Der Auslegung des Schreibens vom 13.3.2002 als Erlass sei nicht zu folgen, weil ein Wille zur Aufgabe von Ansprüchen nicht festzustellen sei. Bei der Auslegung sei entscheidend, dass das Anspruchsschreiben vom 27.2.2002 den Schmiergeldvorfall unerwähnt lasse. Die Rücknahme der Vorwürfe sei bei den Verhandlungen kein entscheidender Punkt gewesen. Zu den sogenannten Covenants hätte die Klägerin bei der Zwischenfinanzierung darauf hinweisen müssen, dass sie damals schon vorgehabt habe, diese später als Vertragsbedingung zu fordern.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 100.000,00 e nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 13.1.2004 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einem Rechtfehler beruht noch nach § 529 Abs.1 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Die Klageforderung ist als Teilbetrag aus dem Darlehen ausreichend bestimmt. Die missverständliche Ausführung in dem angefochtenen Urteil (LGU S.8, Bl. 378 d.A.), die Hauptsumme der Klage sei primär auf Zinsen anzurechnen, entspricht nicht dem Klagebegehren, wie es in der Klageschrift und dem Einleitungssatz des Tatbestands zum Ausdruck kommt und wie es die Klägerin in der Berufungserwiderung bekräftigt hat (S.2, Bl. 462 d.A.). Danach fordert die Klägerin Rückzahlung der Darlehensvaluta. Ein Anspruch auf Zahlung vereinbarter Darlehenszinsen ist nicht Gegenstand der Klage.

Die Klageforderung ist aus § 488 Abs.1 Satz 2 BGB iVm. Art.229 § 5 Satz 2 EGBGB begründet. Der Rückzahlungsanspruch ist nach § 488 Abs.3 Satz 1 BGB fällig, denn das Darlehen wurde von der Klägerin wirksam am 8.12.2003 außerordentlich gekündigt. Ein Grund zur außerordentlichen Kündigung stand der Klägerin aus Nr.26 Abs.2 AGB-Sparkassen Fassung 1993 zur Seite, weil ihr ein wichtiger Grund entstanden war, der eine Fortführung des Darlehens unzumutbar machte. Die Beklagte war nämlich mit der Rückzahlung weiterer ihr von der Klägerin gewährter Darlehen in Verzug gekommen, nämlich mit den Darlehen ... und ... . Damit war die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen auch zu dem klagegegenständlichen Darlehen, das bis dahin bedient worden war, gefährdet.

Die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist wie die Widerklage unbegründet, weil durch das negative Schuldanerkenntnisses der Beklagten vom 13.3.2002 mögliche Schadensersatzansprüche erloschen. Die Aufrechnung der Beklagten ist allerdings trotz des sich aus Nr.11 Abs.1 AGB-Sparkassen ergebenden Verbots zulässig, weil die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung entscheidungsreif und damit einer unbestrittenen Gegenforderung gleichzustellen ist. Die Klägerin hat sich auch auf das Aufrechnungsverbot nicht berufen.

Mögliche Gegenansprüche der Beklagten aus einer Falschberatung durch die Klägerin, die die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsschluss oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung herleitet, sind nach § 397 Abs.2 BGB erloschen.

Durch das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt C, vom 13.3.2002 kam eine Einigung der Parteien zustande, mit der über mögliche Gegenansprüche der Beklagten verfügt werden sollte. Es handelte sich insoweit um eine Willenerklärung der Beklagten, weil die Mitteilung auf eine Herbeiführung materiellrechtlicher Wirkungen gerichtet war. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Versprechen, Ansprüche nicht mehr geltend zu machen bzw. nicht mehr zu verfolgen. Die Klägerin durfte die Erklärung wegen des gleichzeitigen Hinweises auf einen Mangel der Rechtsgrundlage nicht nur als Wissensmitteilung der Beklagten zu einer rechtlichen Bewertung verstehen. Denn die Beklagte war zuvor ausreichend deutlich von einem ihr zustehenden Schadensersatzanspruch ausgegangen und es hatte sich zu dieser Lage bis zum 13.3.2002 keine Veränderung ergeben. Mit dem Schreiben vom 27.2.2002 hatte die Beklagte nämlich der Klägerin Schadensersatzansprüche angedroht (S.2 unten, Bl. 357 d.A.), deren Durchsetzung gegenüber der Klägerin Gegenstand der anschließenden Verhandlungen war (LGU S.4, Bl. 374 d.A.). Dem entsprechend wurde der Inhalt der Ausgleichserklärung wiederholt durch die Parteien überarbeitet, wie die diesbezüglichen Faxschreiben nebst Änderungsvermerken zeigen (Anlagen K 6 und K 7, Bl. 365, 366 d.A.).

Das Angebot wurde durch die Klägerin jedenfalls nach § 151 S.1 BGB angenommen, weil die Beklagte mit der Erwähnung einer bereits erfolgten Abstimmung (Seite 1, letzter Absatz, Bl. 363 d.A.) auf eine Annahmeerklärung verzichtet hatte. Bei der für die Klägerin lediglich vorteilhaften Erklärung genügte es dann, dass sie nicht zurückgewiesen wurde.

Die Erklärung vom 13.3.2002 erfasste sowohl mögliche Ansprüche aus einer Falschberatung zu später zu stellenden Vertragsbedingungen ("Covenants") als auch eventuelle Ansprüche wegen eines verschwiegenen Wissensvorsprungs der Klägerin zu unredlichen Geschäftspraktiken bei dem zu erwerbenden Unternehmen. Im Einzelnen:

Da die Schadensersatzforderung zwischen den Parteien - wie auch jetzt noch - nicht feststand, kommt als Regelungsinhalt ein unbedingter Erlass, also eine Erklärung zur Ausgabe eines Rechts, nicht in Betracht. Vielmehr ist von einem bedingten Erlass auszugehen, wie er Gegenstand des negativen Schuldanerkenntnisses ist (Staudinger/Rieble, BGB, Neub. 2005, § 397 Rz.213 mwN.). Auch bei der Feststellung eines bedingten Willens zur Forderungsvernichtung bedarf es allerdings auf der Grundlage einer engen Auslegung eindeutiger Feststellungen, weil regelmäßig nicht anzunehmen ist, dass ein Gläubiger ein entstandenes Recht einfach wieder aufgibt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Inhalt des Verfügungsgeschäfts auch durch Betrachtung des obligatorischen Verzichtszwecks zu bestimmen (vgl. Staudinger/Rieble, wie oben, Rz. 102).

Der - bedingte - Verzichtswille ist jedoch in Ansehung der später gestellten Covenants und des Wissensvorsprungs eindeutig. Hierfür kommt es auf den Verständnishorizont der Klägerin als Erklärungsempfängerin an. Das Schreiben vom 13.3.2002 nahm Bezug auf das Schreiben der Beklagten vom 27.2.2002. Die Anspruchsanmeldung vom 27.2.2002 war aber aus der Sicht der Klägerin auf eine Schlechtberatung infolge Wissensvorsprungs bezogen. Dies ergaben der Wortlaut des Schreibens ("Sie wussten also, was Sie finanzierten, und welche Auswirkungen dies auf P 3 haben wird", Bl. 356 d.A.) und seine Vorgeschichte. In der Besprechung mit der Klägerin vom 19.2.2002 hatte nämlich die Beklagte - auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags - erfahren, dass der Angestellte der Klägerin B von Schmiergeldzahlungen und damit generierten Umsätzen der A GmbH lange Zeit wusste und hatte dies unmittelbar der Klägerin zum Vorwurf gemacht (Anlage B 5, Bl. 55 d.A.). Wenn dann mit dem Schreiben vom 27.2.2002 zusätzlich beklagt wird, dass sich die Kreditbewertung der Beklagten infolge der Zusammenschau mit der A GmbH änderte, so betraf dies, auf der Hand liegend, die schlechte Lage der A GmbH, deren Ursache - nach Beklagtenbehauptung - der Klägerin und der Beklagten aus dem Gespräch vom 19.2.2002 vor Augen stand. Dem entsprechend wird in dem Schreiben vom 27.2.2002 (Seite 3, 2. Absatz, Bl. 358 d.A.) auf das Gespräch mit B, dem Kundenbetreuer der A GmbH, und dessen Erklärungsversuch verwiesen, er gehöre doch einer anderen Abteilung an. Der gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf konnte sinnvollerweise auch nur auf Sonderkenntnisse der Klägerin bezogen gewesen sein, weil sich Beklagte über die wirtschaftliche Situation der A1 GmbH durch eine Due-Diligence-Prüfung ansonsten selbst Kenntnisse verschafft hatte.

Dass die behaupteten Schmiergeldzahlungen der A GmbH und das Wissen Bs von der Klägerin hierzu in dem Anspruchsschreiben vom 27.2.2002 nicht ausdrücklich erwähnt wurden, ist nicht nur plausibel, sondern drängte sich bei verständiger Wahrung der Interessen der Beklagten geradezu auf. Die Beklagte sah nämlich das Schreiben vom 27.2.2002 als Druckmittel für fortzuführende Verhandlungen mit der Klägerin, die durch eine schriftliche Dokumentation einer Mitwisserschaft bei Schmiergeldzahlungen eher gestört worden wären, weil die Klägerin solche in schriftlicher Form erhobenen massiven Vorwürfe nicht anderweitig hätte regulieren können. Das Interesse der Klägerin gebot es dann auch geradezu, dass der mündlich erhobene Vorwurf nicht durch eine ausdrückliche Erwähnung in der Verzichtserklärung vom 13.3.2002 noch nachträglich aktenkundig wurde.

Die Klägerin musste deshalb die Erklärung vom 13.3.2002 auf sämtliche mit der unerkannt schlechten Ertragslage der A1 GmbH zusammenhängenden Umstände beziehen, zu denen auch die Abverlangung von Darlehensbedingungen gehörte, zu deren Erfüllung es nach dem Zusammenschluss mit der A1 GmbH nicht mehr kommen konnte. Anhaltspunkte, weshalb die Beklagte auf einzelne Ansprüche aus Falschberatung hätte verzichten sollen, auf solche aus der Kenntnis um die Schmiergeldzahlungen und die Verwendung der Covenants aber nicht, sind von der Beklagten nicht geltend gemacht und auch sonst nicht erkennbar.

Die Beklagte begab sich im Übrigen auch nicht grundlos ihrer möglichen Schadensersatzansprüche. Denn das negative Schuldanerkenntnis der Beklagten war Gegenstand eines Vergleichs mit der Klägerin, anlässlich dessen die Klägerin ihr Engagement bei der Beklagten aufrechterhielt. Einen Wegfall des Rechtsgrunds, der zu einer Kondiktion des negativen Schuldanerkenntnisses nach § 812 Abs.2 BGB hätte führen können, hat die Beklagte nicht eingewandt.

Dass die Organe der Beklagten sich eines möglichen Schadensersatzanspruchs aus dem Verschweigen der Schmiergeldpraxis nach ihrer im Berufungsverfahren neuen Behauptung nicht bewusst waren und einen Verzicht nicht erklären wollten, ist unerheblich. Eine Irrtumsanfechtung ist nicht erfolgt und wäre auch inzwischen verfristet (§ 121 Abs.1 BGB).

Der Zinsanspruch ist, abgesehen von dem Angriff gegen die Hauptforderung, mit der Berufung nicht in Frage gestellt worden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10 und 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO fehlen.

Ende der Entscheidung

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