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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 5 WF 233/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 207 I
BGB § 242
BGB § 1613 III
ZPO § 654
Der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist, steht der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen die Vorraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments erfüllt sind.
Gründe:

Die hinreiche Erfolgsaussicht der Klage kann nicht verneint werden. Im Verfahren nach § 654 ZPO ist - was das Amtsgericht auch nicht verkennt - der Einwand der Verwirkung zu prüfen, vergleiche dazu BGH MDR 2003, 994; OLG Jena NJW-RR 2002, 1154; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1262). Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass auch Unterhaltsansprüche Minderjähriger der Verwirkung unterliegen können. Der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist, steht der Annahme einer Verwirkung nicht entgegen, wenn aus besonderen Gründen die Vorraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments erfüllt sind (BGH FamRZ 1999, 1422 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1988, 370 ff.). In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.1.1988 ( FamRZ 1988, 370 ff.; siehe auch BGH FamRZ 2002, 1698; FamRZ 2004, 531) ist ausgeführt, nach § 1613 BGB könne Unterhalt für die Vergangenheit nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen sei, könne eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemühe. Tue er dies nicht, erwecke er in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig, zumal seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner meist nicht genau bekannt seien, und Unterhaltsrückstände könnten zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, die auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen könne. Schließlich seien im Unterhaltsprozess die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Die angeführten Gründe seien so gewichtig, dass das Zeitmoment bereits dann erfüllt sein könne, wenn die Rückstände Zeitabschnitte beträfen, die etwas mehr als ein Jahr zurücklägen. Sei der Unterhaltsberechtigte durch besondere Umstände, insbesondere durch solche im Verantwortungsbereich des Schuldners, an einer zeitnahen Geltendmachung seines Rechts gehindert, sei das Zeitmoment diesen anzupassen. Zum Umstandsmoment, das heißt dem Hinzutreten besonderer Umstände auf Grund deren der Unterhaltsverpflichtete sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde, hat der Bundesgerichtshof unter anderem ausgeführt, ein Unterhaltsverpflichteter pflege seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen könne und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerate. Besonderer Feststellungen, dass er sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderung eingerichtet habe, bedürfe es daher nicht. Danach kommt auf Grund der neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs eine Verwirkung für zurückliegende Unterhaltsansprüche jedenfalls in Betracht (vergleiche aber auch BGH FamRZ 1981, 763, wonach der Rechtsbehelf der Verwirkung im Bereich der Anwendung von § 1615 i BGB alte Fassung - jetzt § 1613 Abs. 3 BGB - besonderer Zurückhaltung unterliegt und im wesentlichen nur insoweit zur Anwendung gelangen soll, als die in Frage kommenden Belastungen und Beeinträchtigungen des Unterhaltsschuldners außerhalb dessen Regelungsbereich liegen; vergleiche ferner OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1044; OLG Jena NJW-RR 2002, 1154; OLG Köln FamRZ 2000, 1434; OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 776).

Der Antragsteller hatte zwar Kenntnis von der möglichen Vaterschaft. Dabei ist allerdings unklar, ob er 1998 Zweifel an seiner Vaterschaft äußerte. Von Seiten der Antragsgegnerin ist seit 1998 nicht mehr an ihn herangetreten worden. Sie war nicht gehindert, die Vaterschaftsfeststellung und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu betreiben. Eine Angstvorstellung, der Antragsteller könne das Kind nach einer Vaterschaftsfeststellung verschleppen, ist - wenn dafür konkrete Anhaltspunkte gegeben wären - bestritten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich die minderjährige Antragsgegnerin auch das Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen, und zwar sogar trotz der Hemmung der Verjährung eines Anspruchs des Kindes gegenüber seinen Eltern nach § 207 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGH, FamRZ 1999, 1422, im Ergebnis ebenso die Vorinstanz OLG Frankfurt am Main, 2 UF 88/98, FamRZ 1999, 1163 ff. unter Abänderung von AG Kirchhain, Urt. v. 03.03.1998, 7 F 519/97, jetzt auch Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Auflage, 2003, § 1613 Rn. 10, anderer Ansicht noch die Vorauflage, kritisch hierzu aber weiterhin Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 2004, Rn. 3123 und Fußnote 311 m. w. N.).

Hier wären außerdem erhebliche Unterhaltsrückstände aufgelaufen. Der Antragsteller macht geltend, noch nicht einmal zur Zahlung des laufenden Unterhalts leistungsfähig zu sein. Er bemühe sich um eine zusätzliche Tätigkeit, um wenigstens den laufenden Unterhalt zahlen zu können. Auch wenn der Antragsteller unter Umständen nicht damit rechnen konnte, dass der Bedarf der Antragsgegnerin gedeckt sein konnte, so sind danach doch die weiteren Argumente des Bundesgerichtshofs für die in Betracht kommende Annahme einer Verwirkung von Bedeutung.

Soweit nach der im Hauptverfahren erforderlichen Abwägung aller Umstände nicht alle Unterhaltsansprüche in der Vergangenheit der Verwirkung unterliegen, ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorbringen des Antragstellers Unterhalt von der Unterhaltsvorschusskasse wohl bis Anfang 2004 gezahlt wurde, so dass ein Anspruchsübergang in Betracht kommt. Dieser Einwand wäre im Verfahren nach § 654 ZPO ebenfalls zu berücksichtigen (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 653 Rn. 4), so dass auch deswegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu erfolgen hat. Die Einzelheiten sind im Hauptverfahren zu klären.

Für das weitere Verfahren wird noch darauf hingewiesen, dass die beglaubigte Abschrift der Klage, obwohl unter dem 18.10.2005 das schriftliche Vorverfahren bereits angeordnet ist, bisher noch nicht zugestellt worden ist.

Ende der Entscheidung

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