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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 5 WF 36/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1600 d
BGB § 1605
ZPO § 93 d
ZPO § 269
ZPO § 653
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 16.5.07 gegenüber dem Beklagten Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelunterhalts geltend gemacht. Der Beklagte war bereits außergerichtlich am 26.2 07 und 22.3.07 vergeblich zur Vaterschaftsanerkennung und Auskunftserteilung aufgefordert worden. Nachdem im Rahmen des Prozesses ein Vaterschaftsgutachten die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin als praktisch erwiesen beurteilte, erkannte der Beklagte mit Urkunde vom 5.11.07 die Vaterschaft zur Klägerin an und legte seine Einkommensbelege vor. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit bezüglich der Vaterschaftsfeststellung für erledigt und nahm die Leistungsklage mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten zurück. Diese Erledigungserklärung wurde dem Beklagten am 15.11.07 mit dem Hinweis nach § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO zugestellt. Ein Widerspruch erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 3.12.07 hat das Amtsgericht Gießen der Klägerin 71% und dem Beklagten 29% der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Unter Berücksichtigung des Streitwerts von 6.932 € entspreche die Kostenquote dem Verhältnis des Wertes der Feststellungsklage (2.000,- €) zur zurückgenommenen Leistungsklage. Hinsichtlich der erledigten Feststellungsklage habe der Beklagte gemäß § 91a ZPO die Kosten zu tragen, im Übrigen treffe die Klägerin gemäß § 269 Abs.3 S.2 ZPO die Kostenlast.

Gegen diesen ihr am 17.12.07 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin unter Hinweis auf § 93d ZPO mit ihrer am 20.12.07 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 29.1.08 hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, § 93d ZPO könne nicht im Rahmen der Kostenentscheidung herangezogen werden, denn der Beklagte habe keine Auskunftspflicht verletzt. Zum Zeitpunkt der Auskunftsaufforderung durch die Klägerin sei er nicht zur Auskunft verpflichtet gewesen, da seine Vaterschaft erst im Rahmen des Prozesses festgestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Die gemäß §§ 91a Satz 1, 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.

Vorliegend ist eine sogenannte Kostenmischentscheidung gegeben, denn nach der erfolgten Teilklagerücknahme bezüglich der Leistungsklage ist die Kostenentscheidung insoweit nach § 269 Abs. 3 ZPO getroffen worden, hinsichtlich des erledigten Teils ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 91a ZPO. Insgesamt sind die Kosten entsprechend § 92 ZPO quotenmäßig zu verteilen (vgl. Kreger in Zöller, ZPO Kommentar, 26. Aufl., § 269 Rn. 18a). Eine derartige gemischte Kostenentscheidung kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (vgl. Vollkommer, Zöller a.a.O. § 91a ZPO Rn. 56).

Die Beschwerde ist auch begründet, denn die Kosten des Verfahrens sind dem Beklagten aufzuerlegen.

Soweit der Rechtstreit erledigt ist, hat das Amtsgericht zu Recht gemäß § 91a ZPO eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten getroffen, da dieser hinsichtlich des Feststellungsantrages ohne Errichtung der Urkunde über die Vaterschaftsanerkennung im Prozess voraussichtlich unterlegen wäre.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind jedoch auch die Kosten des Verfahrens abweichend von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO gem. § 93d ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, soweit die Klage zurückgenommen wurde. § 93d ZPO ist vorliegend anzuwenden, obwohl der Beklagte zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Auskunftsaufforderung noch nicht als Vater der Klägerin festgestellt war. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist im Wege der Analogie dahingehend auszudehnen, dass schon derjenige, der als Vater im Sinne des § 1600d BGB vermutet wird, verpflichtet ist, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Er gibt Anlass zur Klageerhebung gem. § 93d ZPO, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Gerichte berechtigt sind, im Wege der Analogie den Anwendungsbereich einer Norm auf einen Fall zu erstrecken, der vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst wird, wenn sich insoweit eine Lücke feststellen lässt (Bundesverfassungsgericht NJW 1990, 1593; NJW 2006, 3409; Coing/Honsell in Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 2004, Einleitung Rn. 155ff). Eine Gesetzeslücke liegt nicht nur dann vor, wenn das Gesetz keine Regelung enthält, sondern auch dann, wenn sich aus dem Gesetz für einen bestimmten Sachverhalt zwar eine Lösung ergibt, diese jedoch aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes sachlich unangemessen erscheint, weil der Gesetzgeber diesen Fall nicht oder nicht vollständig gesehen hat (Coing/Honsell a.a.O Rn. 122, Bundesverfassungsgericht a.a.O. 1593, Wenzel NJW 2008, 345ff). Eine derartige Konstellation ist vorliegend gegeben, denn § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ordnet für den Fall der Klagerücknahme die Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten an, wenn das Gesetz keine anderweitige Kostenregelung trifft. Eine anderweitige Kostenregelung wäre vorliegend § 93d ZPO, der jedoch nach seinem Wortlaut auf den Fall nicht anwendbar ist, denn zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Auskunftserteilung war die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin und damit die Auskunftsverpflichtung gem. § 1605 BGB noch nicht gegeben. Die Nichtanwendung des § 93d ZPO führt dazu, dass in dem Verfahren nach § 653 ZPO das klagende Kind die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der Leistungsklage zur tragen hat, wenn die Klage insoweit zurückgenommen wird, weil sich im Verfahren die Leistungsunfähigkeit des Beklagten herausstellt. In derartigen Fällen wäre es dem klagenden Kind unbenommen, die Klage aufrecht zu erhalten und trotz fehlender Leistungsfähigkeit zunächst einen Titel gegen den Beklagten zu erstreiten, den dieser dann im Wege der Herabsetzungsklage nach § 654 ZPO wieder beseitigen müsste. Nach allgemeinen Kostenregeln hätte dann der Beklagte als der Unterlegene zumindest für die Klage nach § 653 ZPO die vollen Kosten zu tragen, die Kosten der Herabsetzungsklage richteten sich nach allgemeinen Vorschriften. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig sachgerecht, das klagende Kind dann mit einem Großteil der Verfahrenskosten zu belasten, wenn die Leistungsklage zur Meidung weiterer Verfahren im überwiegenden Kosteninteresse des Vaters zurückgenommen wird. Diese Ausgangssituation entspricht derjenigen, die zur Einführung des § 93d ZPO führte. Damals wurde es als unangemessen empfunden, dass derjenige, der eine Auskunftsstufenklage erheben muss, weil der Unterhaltspflichtige außergerichtlich keine Auskunft erteilt, die Verfahrenskosten tragen muss, wenn sich im Prozess die Leistungsunfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ergibt. Normzweck des § 93d ZPO war es insoweit, durch die drohende Kostenfolge den Verpflichteten zur außergerichtlichen Auskunftserteilung anzuhalten und dem Berechtigten so den umständlichen Klageweg zu ersparen (Musielak, Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 93d ZPO, Rn. 1).

Abgesehen von dem Zweck der Regelung des § 93d ZPO spricht auch die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen des Putativvaters zum Kind vor der formalen Vaterschaftsfeststellung für eine entsprechende Anwendung von § 93d ZPO auf die hier zugrundeliegende Fallkonstellation. Schon vor der Vaterschaftsfeststellung ist der als Vater gem. § 1600d Abs. 2 BGB in Anspruch genommene Mann verpflichtet, Unterhaltsansprüche des Kindes nach § 1615o BGB oder der nichtehelichen Mutter nach § 1615l BGB zu erfüllen. Im Hinblick darauf, dass die Auskunftsverpflichtungen nur Nebenpflichten zum Zweck der Sicherung des Unterhalts sind, spricht insoweit schon einiges dafür, auch vor der formellen Vaterschaftsfeststellung Rechtsfolgen an die Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung zu knüpfen. Darüber hinaus bewirkt die Vaterschaftsfeststellung zwischen dem Kind und seinem Vater von der Geburt an ein Verwandtschaftsverhältnis, dessen Rechtswirkungen von der Geburt des Kindes an rückwirkend geltend gemacht werden können (Seidel, Münchner Kommentar, 3. Aufl. 2002, § 1600d BGB, Rn. 136). So ist anerkannt, dass nach erfolgter Vaterschaftsfeststellung neben dem Unterhalt auch Kindergeld (vgl. BSG, FamRZ 1983, 270) oder kindbedingte Steuerentlastungen (BFH NJW 2006, 1695) rückwirkend ab der Geburt verlangt werden können. Es ist mithin nur systemgerecht, auch bzgl. der Auskunftspflicht von einer Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt auszugehen, da durch die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung lediglich die Rechtsausübungssperre entfällt (vgl. Rausch, Juris Praxiskommentar, 3. Aufl. 2006, § 1600d BGB). Als Ausdruck dieser Bewertung entspricht es auch allgemeiner Meinung, dass ein sofortiges Anerkenntnis hinsichtlich der Leistungsstufe gemäß § 93 ZPO im Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 653 ZPO ausscheidet, wenn der Beklagte außergerichtlich vergeblich aufgefordert wurde, seine Vaterschaft anzuerkennen (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 1843, Herget/Zöller a.a.O. § 93 ZPO Rn. 6 "Vaterschaftsfeststellung"). Auch hier ordnet das Gesetz mithin eine Kostenpflicht des als Vater in Anspruch genommenen Mannes für die Kosten der Klage an, die auf der Nichterfüllung von Pflichten vor der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung beruht. Die Vorschrift des § 93d ZPO ist mithin unter Berücksichtigung der Gesamtwertungen des Gesetztes dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift auch im Rahmen einer Klage nach § 653 ZPO Anwendung finden muss, wenn der Beklagte sich weigerte, außergerichtlich Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift sind ihm die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sich im Rahmen des Prozesses herausstellt, dass er leistungsunfähig ist und das klagende Kind daraufhin die Leistungsklage zurücknimmt. Dem Regelfall des § 93d ZPO entspricht es, demjenigen, der seine Auskunftspflichten nicht erfüllt hat, die Gesamtkosten aufzuerlegen (vgl. insoweit Herget/Zöller a.a.O. § 93d Rn. 2). Demgemäß hat der Beklagte auch hier die gesamten auf die Teilklagerücknahme entfallenden Kosten zutragen, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Beklagte vorliegend die Unterlassung der Auskunftserteilung entschuldigen kann. Es ergibt sich damit eine Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der Kosten des Prozesses insgesamt. Auch bezüglich des Beschwerdeverfahrens hat der der Beklagte gem. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er insoweit unterlegen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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