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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 6 U 176/06
Rechtsgebiete: ZPO, ANEG


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ANEG § 9
ANEG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 270 ff. d. A.) wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten für zwei unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindungen, die Gegenstand zweier europäischer Patente (EP ... und ...) sind, welche bei der Herstellung des Insulinprodukts "A" genutzt werden, für die Jahre 2002 und 2003 eine weitere Arbeitnehmererfindervergütung in Höhe von 136.660,-- € nebst Zinsen. Die Beklagte hat dem Kläger für diesen Zeitraum auf Grundlage des von ihr erzielten Nettoverkaufserlöses für das Produkt A in Höhe von 552.393.163,-- € eine Erfindervergütung nach Maßgabe der Lizenzanalogie gezahlt. Bei der Herstellung des Produkts A werden von der Beklagten insgesamt 15 Erfindungen benutzt, darunter die beiden streitgegenständlichen Diensterfindungen des Klägers. Der Miterfinderanteil des Klägers und der Anteilsfaktor sind zwischen den Parteien unstreitig. Hinsichtlich der Höhe des Lizenzsatzes führte der Kläger ein Schiedsstellenverfahren, welches mit einem Einigungsvorschlag vom 05.03.2004 (Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 26 ff. d. A.) endete. Die Parteien streiten in diesem Verfahren darum, wessen Umsatz der Berechnung der Arbeitnehmererfindervergütung zugrunde zu legen ist.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nicht die Nettoverkaufserlöse der Beklagten, sondern der gesamte Konzernaußenumsatz in Höhe von 786.000.000,-- € in den Jahren 2002 und 2003 seien Bemessungsgrundlage für die ihm zustehende Vergütung. Aus der Umsatzdifferenz in Höhe von 233.606.387 € errechnet sich die Klageforderung in Höhe von 136.660,--€.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er weist insbesondere darauf hin, dass die Beklagte selbst im Schiedsstellenverfahren beim Streit um die Höhe des Lizenzsatzes auf den gesamten A-Umsatz als Bezugsgröße für die Erfindervergütung abgestellt habe. Er bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Schreiben der Beklagten an die Schiedsstelle vom 16.05.2003 (Anlage K 40, Bl. 355 ff. d. A.).

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Nutzung der Erfindungen EP ... und EP ... in dem Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 eine weitere Erfindervergütung in Höhe von 136.660,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes ab dem 08.06.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Arbeitnehmererfindervergütung für die Nutzung der beiden Diensterfindungen in dem Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 in Höhe von 136.660,-- € zusteht. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 9 Arbeitnehmererfindergesetz (ANEG). Denn die Beklagte hat den Kläger mit Recht auf Grundlage des von ihr erzielten Nettoverkaufserlöses für das Produkt A vergütet mit der Folge, dass der Vergütungsanspruch des Klägers für den eingeklagten Zeitraum vollständig erloschen ist.

Nach dem verbindlich gewordenen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 05.03.2004 steht fest, dass die dem Kläger zustehende Vergütung nach der Methode der Lizenzanalogie zu berechnen ist. Bei dieser Methode wird der Lizenzsatz gemäß Nr. 3 Buchstabe a) der Vergütungsrichtlinien zugrunde gelegt, der für vergleichbare Fälle bei freien Erfindungen in der Praxis üblich ist. Da nach dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle auch feststeht, dass die Beklagte eine Vergütung analog einer Umsatzlizenz schuldet, ist zu fragen, was Vertragsparteien bei der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz an eine wie die Beklagte einem weltweit tätigen Konzernverbund angehörende Lizenznehmerin üblicher- oder vernünftigerweise vereinbart hätten. In diesem Zusammenhang ist es nicht erheblich, dass die beiden streitgegenständlichen Diensterfindungen im Jahre 1999 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma B AG, unbeschränkt in Anspruch genommen wurden. Entscheidend ist gemäß Nr. 7 S. 3 der Vergütungsrichtlinien der tatsächlich erzielte Umsatz. Das heißt, es kommt darauf an, welche Vergütungsregelung die Parteien mit Blick auf die tatsächliche Verwertung der beiden Diensterfindungen durch die Beklagte getroffen hätten, ob sie insbesondere vereinbart hätten, dass die geschuldete Lizenzgebühr sich nach dem Nettoverkaufserlös bemisst, den die Beklagte erzielt, oder nach dem gesamten Konzernaußenumsatz des C-Konzerns.

1.) Das hängt davon ab, ob sich in den Nettoverkaufserlösen, die die Beklagte mit dem Verkauf des Produkts A erzielt, die vollständige wirtschaftliche Verwertung der beiden Diensterfindungen widerspiegelt, oder nicht. Letzteres wäre der Fall, wenn der Beklagten, die gemäß § 9 Abs. 1 ANEG die alleinige Vergütungsschuldnerin ist, neben ihrem eigenen Umsatz, den sie durch den Verkauf des Produkts A erzielt, weitere wirtschaftliche Vorteile dadurch zuflössen, dass sie das Produkt im Ausland nur an verbundene Konzernunternehmen liefert. Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn sich die Beklagte und ihre konzernverbundenen Unternehmen bei der Belieferung mit Produkten untereinander Konzernverrechnungspreise in Rechnung stellen würden, die hinter dem tatsächlichen Marktwert deutlich zurückbleiben. In diesem Fall würde ein freier Erfinder mit der Beklagten eine Regelung treffen, die dem Umstand Rechnung trägt, dass die von der Beklagten verlangten Preise nicht marktgerecht sind (Busse-Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Auflage 2003, § 11 ANEG Rdn. 10).

Eine Vereinbarung der Lizenzvertragsparteien, an den Konzernumsatz anzuknüpfen, oder an den Umsatz desjenigen oder derjenigen konzernverbundenen Unternehmen, dem bzw. denen die Benutzung von dem Lizenznehmer (Arbeitgeber) gestattet ist, wäre denkbar, wenn sich der Konzern bei wirtschaftlicher Betrachtung als Einheit darstellt (BGH WRP 2002, 835, 838 - Abgestuftes Getriebe; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz 4. Auflage, § 9 Rn. 188).

Der Konzern, dem die Beklagte angehört, stellt sich jedoch weder als wirtschaftliche Einheit dar, noch besteht ein Anlass zu der Annahme, dass die von der Beklagten verlangten Konzernverrechnungspreise nicht marktgerecht wären.

a) Ein Konzern, der sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in dem Sinne als Einheit darstellt, dass vernünftige Lizenzvertragsparteien nicht an die Umsätze der Arbeitgeberin, sondern an die einzelner oder mehrerer konzernverbundenen Unternehmen angeknüpft hätten, läge etwa dann vor, wenn der Arbeitgeber des Erfinders eine allein zu Zwecken der Forschung und Entwicklung gegründete Tochtergesellschaft wäre oder wenn die einzelnen Konzerngesellschaften wie unselbständige Abteilungen eines einheitlichen Unternehmens geführt würden (BGH a.a.O.).

Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Entscheidend ist, dass die Beklagte die alleinige Produzentin von A ist. Sie verkauft dieses Produkt zu etwa 10% an dritte Unternehmen im Inland und zu etwa 90% an konzernverbundene Unternehmen im Ausland. Die konzernverbundenen Unternehmen im Ausland ziehen einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Produkt A und den in diesem Produkt liegenden beiden Diensterfindungen des Klägers in der Form, dass sie dieses Produkt weiterveräußern. Bei ihnen handelt es sich also nicht um die - wirtschaftlich betrachtet - eigentlichen Lizenznehmer, sondern um Angehörige der nächsten Wirtschaftsstufe. Daher steht der Kläger, wenn seiner Umsatzlizenz die Nettoverkaufserlöse der Beklagten zugrunde gelegt werden, zunächst nicht besser und nicht schlechter da, als ein freier Erfinder, der einen Lizenzvertrag mit einem Lizenznehmer abschließt, welcher nicht direkt an den Letztverbraucher liefert. Dies rechtfertigt es grundsätzlich, auf den Ab-Werk-Umsatz des Arbeitgebers abzustellen. Denn für das Unternehmen ist es gleichgültig, ob es als Großhändler oder Unterlieferant dritte Unternehmen oder konzerneigene Unternehmen einsetzt; der Arbeitgeber realisiert nur den Gewinn, den er selbst durch den eigenen Umsatz mit den erfindungsgemäßen Produkten macht (Einigungsvorschlag der Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen beim Deutschen Patentamt vom 22.02.1991, Aktenzeichen Arb.Erf. 79/89, GRUR 1992, 390, 391 - Medikalprodukt; OLG München GRUR-RR 2001, 103, 104 - Verankerungsmittel).

Der Konzern, dem die Beklagte angehört, stellt sich daher bei der Verwertung der beiden streitgegenständlichen Diensterfindungen nicht als wirtschaftliche Einheit in dem Sinne dar, dass vernünftige Lizenzvertragsparteien den Umsatz der konzernverbundenen Unternehmen in die Bemessungsgrundlage einbezogen hätten.

b) Dennoch könnte nicht auf die von der Beklagten erzielten Nettoverkaufserlöse allein abgestellt werden, wenn die Konzernverrechnungspreise, die die Beklagte den konzernverbundenen Unternehmen in Rechnung stellt, nicht marktgerecht wären. Dies wird vom Kläger jedoch nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Dagegen spricht bereits die nicht übermäßig große Differenz zwischen den Nettoverkaufserlösen, die die Beklagte erzielt hat, in Höhe von rund 552,4 Mio € und dem gesamten Konzernaußenumsatz in Höhe von 786 Mio €. Die Differenz kann noch mit der Gewinnspanne auf der nächsten Wirtschaftsstufe erklärt werden und würde jedenfalls einen freien Erfinder nicht veranlassen, in Kenntnis des Umstandes, dass der Vertrieb zu 90% an konzernverbundene Unternehmen erfolgt, auf einer vertraglichen Regelung zu bestehen, die an deren Umsatz anknüpft.

2.) Auch mit Rücksicht auf das durchgeführte Schiedsstellenverfahren gilt im vorliegenden Fall nichts anderes.

Zunächst bietet der verbindlich gewordene Einigungsvorschlag der Schiedsstelle nach seinem Inhalt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Konzernaußenumsatz als Bemessungsgrundlage dient. Es ist mit Rücksicht auf die zitierte Praxis des Schiedsgerichts auch nicht naheliegend, anzunehmen, dass die Schiedsstelle ohne weiteres von dem Konzernaußenumsatz ausgegangen wäre, ohne dies in ihrem Einigungsvorschlag ausdrücklich zu erwähnen.

Es ist auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Parteien mit Rücksicht auf das Schreiben der Beklagten an die Schiedsstelle vom 16. Mai 2003 (Bl. 355 ff. d. A.) übereinstimmend davon ausgegangen wären, Bemessungsgrundlage sei der Konzernaußenumsatz. In dem Schreiben heißt es auf Seite 1: "Die Höhe des Lizenzsatzes hängt direkt von der gewählten Bezugsgröße ab. Da im vorliegenden Vergütungsvorschlag vom 20.10.2001 die größtmögliche Bezugsgröße, nämlich der Nettoverkaufserlös von A, gewählt wurde, bezieht sich die gesamte Berechnung der Erfindervergütung des Erfindungsvergütungskomplexes A auf diese Bezugsgröße." Mit der dort genannten "größtmöglichen Bezugsgröße" ist, anders als der Kläger meint, nicht der Konzernaußenumsatz gemeint, sondern die Summe sämtlicher Schutzrechte, die in die Produktion von A einfließen. Dies ergibt sich aus dem nächsten Satz (auf Seite 2 oben): "Das bedeutet, der der Lizenzanalogie zugrunde liegende Lizenzsatz gilt für den gesamten Komplex und ist nach der Bedeutung der einzelnen Schutzrechte entsprechend aufzuteilen."

Auch soweit die Beklagte auf Seite 4 des Schreibens auf die weltweiten Kosten für die Markteinführung von A abstellt, kann der Kläger hieraus nicht schlussfolgern, dass die Bemessungsgrundlage für den Lizenzsatz der Konzernaußenumsatz sein soll. Vielmehr ergibt sich aus dem Kontext des Schreibens, dass die Beklagte mit dem Verweis auf die hohen Kosten für die Markteinführung und die Werbung lediglich verdeutlichen wollte, dass der Anteil der Schutzrechte, die mit dem Produkt A benutzt werden, am Verkaufserfolg nicht übergewichtet werden darf, sondern daneben Marketingmaßnahmen einen erheblichen Anteil haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II, 1 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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