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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 6 U 92/06
Rechtsgebiete: ANEG, BGB


Vorschriften:

ANEG § 6 Abs. 2 S. 2
ANEG § 8 l Nr. 3
BGB § 613 a
BGB § 816
1. Darlegungs- und Beweislast für die rechtzeitige Inanspruchnahme einer Diensterfindung.

2. Zu den Anforderungen an die Manifestation des Willens eines Arbeitnehmers, eine frei gewordene Diensterfindung zu übertragen.


Gründe:

I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch Teilurteil über den im Wege einer Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruch des Klägers entschieden. Es hat den Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB zuerkannt und hierzu ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Schuldverhältnis, aus dem dem Kläger die geltend gemachten und zuerkannten Auskunftsansprüche zustünden.

Dem Rechtsverhältnis der Parteien aufgrund der streitgegenständlichen Erfindung liege nicht der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 10. November 2004 (Anlage CBH 20, Bl. 136 d.A.) als vertragliche Grundlage zugrunde. Die Beklagte habe über die streitgegenständliche Erfindung als Nichtberechtigte verfügt, indem sie sie an die japanische Firma A GmbH (nachfolgend: A) übertragen habe. Denn die Diensterfindung sei frei geworden und habe dem Kläger zur Verwertung zugestanden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien würden sehr wohl durch den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle bestimmt, den der Kläger angenommen habe. Gegenstand des Einigungsvorschlages sei auch die Frage gewesen, ob eine wirksame Inanspruchnahme der Diensterfindung des Klägers vorliege. Denn die unbestimmte Inanspruchnahme sei Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach entstehen könne.

Auch habe das landgerichtliche Urteil rechtsfehlerhaft eine einvernehmliche Überleitung der Erfindungsrechte zwischen den Parteien verneint. Der Kläger habe nach dem insoweit maßgebenden Empfängerhorizont einen Übertragungswillen eindeutig zum Ausdruck gebracht. Hierfür sei es nicht relevant, ob er zum Zeitpunkt der maßgeblichen Handlungen und Erklärungen Kenntnis von den Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitigen Inanspruchnahme der Diensterfindung gehabt habe.

Ein Schuldverhältnis gemäß § 816 BGB bestehe zwischen den Parteien auch deshalb nicht, weil der Kläger die Übertragung der Erfindungsrechte auf die Firma A mit seinem Schreiben vom 20. Januar 2005 an die Schiedsstelle (Anlage CBH 21) verweigert habe. Darüber hinaus scheitere das Bestehen eines Schuldverhältnisses gemäß § 816 BGB daran, dass die Beklagte den die streitgegenständliche Erfindung betreffenden Geschäftsbereich auf die Firma A übertragen habe, mit der Folge, dass A gemäß § 613 a BGB in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen, einschließlich der des Klägers, eingetreten sei.

Schließlich stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auch deswegen nicht zu, weil die Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße. Denn der Kläger habe durch sein gesamtes Verhalten über Jahre hinweg den Eindruck erweckt, er wolle eine Zuordnung der Erfindungsrechte zu der Beklagten und nachfolgend zur Firma A.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft hierzu sein erstinstanzliches vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Auskunftsanspruch mit Recht aus §§ 816 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 242 BGB zugesprochen.

Bei dem Verkauf der Erfindung durch die Beklagte an die Firma AGmbH handelte es sich um die Verfügung eines Nichtberechtigten. Denn weder hat die Beklagte die Erfindung betreffend die weichmacherhaltigen Polyvinylbutyrale wirksam als Diensterfindungen in Anspruch genommen, noch hat der Kläger die Erfindung auf die Beklagte übertragen, bevor diese die Rechte an die Firma A veräußerte.

Die Diensterfindung des Klägers ist frei geworden, da die Beklagte sie nicht gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Arbeitnehmererfindergesetz rechtzeitig in Anspruch genommen hat. Die Erfindungsmeldung ging unstreitig am 30. Januar 2001 der Beklagten zu. Dies bestätigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Mai 2001, mit dem die Beklagte gleichzeitig gegenüber dem Kläger die unbeschränkte Inanspruchnahme der Erfindung erklärte. Der Kläger hat den Empfang dieses Schreibens mit Datum vom 5. Juni 2001 erklärt. Die Frist für die Erklärung der Inanspruchnahme beträgt gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Arbeitnehmererfindergesetz jedoch nur vier Monate und endete mithin am 30. Mai 2001. Die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der Erklärung beim Arbeitnehmer trägt der Arbeitgeber (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz 4. Aufl., § 6 Rdn. 54). Zwar hat die Beklagte bestritten, dass dem Kläger ihr Schreiben vom 29. Mai 2001 erst am 5. Juni 2001 (Dienstag nach Pfingsten) zugegangen ist. Der Verweis auf die üblichen Postlaufzeiten innerhalb des Unternehmens von einem Tag rechtfertigt es jedoch nicht, dem Kläger eine sekundäre Darlegungslast dafür aufzuerlegen, dass ihm das Schreiben tatsächlich erst am 5.6.2001 zugegangen ist. Da das Schreiben der Beklagten von B nach C transportiert werden musste und die Pfingstfeiertage bevorstanden, ist es ohne weiteres plausibel, dass der Kläger das Schreiben tatsächlich, wie von ihm quittiert, am 5.6.2001 erhalten hat. Die Beklagte hatte es in der Hand, durch eine entsprechend frühere Absendung der Inanspruchnahmeerklärung das Risiko eines nicht rechtzeitigen Zugangs auszuschließen.

Rechtsfolge des Fristversäumnisses ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitnehmererfindergesetz das Freiwerden der Diensterfindung. Nichts anderes folgt aus der Annahme des Einigungsvorschlages der Schiedsstelle vom 10.11.2004, der besagt, dass den Erfindern, so auch dem Kläger, keine Erfindervergütung unter dem Gesichtspunkt des Verkaufs "dieser Diensterfindungen", gemeint ist damit auch die streitgegenständliche Erfindung, zusteht. Denn die Schiedsstelle hat, wie sich bereits aus dem ersten Satz ihrer Sachverhaltsschilderung ergibt, vorausgesetzt, dass es sich bei der Erfindung um eine unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindung handelt, es hat diese Frage nicht zum Gegenstand seiner Prüfung gemacht. Demgemäß kann die Annahme dieses Einigungsvorschlages - auch nach dem Empfängerhorizont - nicht so ausgelegt werden, dass der Kläger sich trotz Fristversäumnisses mit der Behandlung der damit frei gewordenen Erfindung als wirksam in Anspruch genommene Diensterfindung einverstanden erklären wollte.

Damit hatte die Beklagte nach Ablauf der Inanspruchnahmefrist in Bezug auf die Erfindung den Status einer Nichtberechtigten.

In der Folgezeit ist es nicht zu einer Vereinbarung zwischen den Parteien gekommen, wonach die frei gewordene Diensterfindung auf die Beklagte übergehen sollte.

Da es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlt, kommt nur eine Übertragung aufgrund schlüssigen Verhaltens beider Parteien in Betracht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Übertragungswille eindeutig offenbart wird (Bartenbach/Volz § 6 Rdn. 61; BGH GRUR 2006, 754, 758 - Haftetikett). Es reicht nicht, dass der Arbeitnehmer einen Zuordnungswillen zugunsten des Arbeitgebers zum Ausdruck bringt. Denn, anders als bei einer nicht frei gewordenen Diensterfindung, steht die frei gewordene Diensterfindung dem Arbeitnehmer als eigenes Recht zu, das übertragen werden muss, um die Rechtsinhaberschaft auf den Arbeitgeber übergehen zu lassen (BGH, a.a.O. S. 759). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es auf Seiten des Arbeitnehmererfinders um die Aufgabe eines geldwerten Rechts geht und eine vernünftige Partei sich hierzu regelmäßig nur bereit finden wird, wenn auch über eine geldwerte Gegenleistung eine Einigung erzielt wird. Eine vertragliche Übertragung einer frei gewordenen Diensterfindung wird deshalb in der Regel nur bejaht werden können, wenn auch angenommen werden kann, dass die Arbeitsvertragsparteien sich über eine Vergütung hierfür jedenfalls geeinigt haben (BGH a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund rechtfertigen es die von der Beklagten dargelegten Umstände nicht, vom Abschluss eines Übertragungsvertrages auszugehen.

Zunächst kann eine Übertragungsvereinbarung nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger das Inanspruchnahmeschreiben kommentarlos bestätigt hat. Denn der Vermerk besagt lediglich, dass der Empfang der Mitteilung quittiert wird.

Der Kläger hat seinen Übertragungswillen auch nicht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er ein Auslandsprogramm auf Anfrage der Beklagten vorbehaltlos vorgeschlagen hat (Anlage CBH 9 der Klageerwiderung), das Freigabeschreiben der Beklagten vom 2. November 2001 kommentarlos bestätigt hat (Anlage CBH 10 der Klageerwiderung), die Übertragungserklärung für die Schutzrechtsanmeldung in D und diversen anderen Staaten unterschrieben hat (Anlagen CBH 11 bis 14 der Klageerwiderung) und an der Erstellung des Auslandstextes für die ausländische Schutzrechtsanmeldung mitgewirkt hat (Anlage CBH 15 bis 17 der Klageerwiderung und CBH B 1 der Berufungsbegründung).

Für die rechtliche Bewertung dieses Verhaltens ist es entscheidend, ob der Kläger die Mitwirkungshandlungen in Kenntnis des Umstandes vorgenommen hat, dass die Diensterfindung wegen verspäteter Inanspruchnahme frei geworden ist oder in der fälschlichen Annahme, die Beklagte habe sie wirksam in Anspruch genommen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis des Klägers von dem Umstand, dass die Diensterfindung frei geworden ist, liegt bei der Beklagten, da es sich hierbei um eine ihr günstige (positive) Tatsache handelt, die den Tatbestand des § 816 BGB ausschließt. Die Beklagte trägt hierzu vor, sie informiere ihre Mitarbeiter, so auch den Kläger, über die Voraussetzungen einer wirksamen Inanspruchnahme von Diensterfindungen mittels Broschüren. Dies lässt jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss darauf zu, dass der Kläger konkret im hier vorliegenden Fall Kenntnis vom Freiwerden der Diensterfindung hatte. Die Maßnahme der Beklagten zur Information ihrer Mitarbeiter legt es zwar nahe, dass dem Kläger die Viermonatsfrist des § 6 Abs. 2 Satz 2 Arbeitnehmererfindergesetz bekannt ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger sich des Ablaufs dieser viermonatigen Frist für die Inanspruchnahme der hier streitgegenständlichen Erfindung bewusst geworden ist.

Allerdings muss sich der Betreffende auch ohne entsprechendes Erklärungsbewusstsein ein Verhalten als Willenserklärung eines bestimmten Inhalts zurechnen lassen, wenn er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung dieses Inhalts aufgefasst werden durfte, und der Gegner sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH a. a. O. S. 758 Tz. 32). Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles kann jedoch schon nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Mitwirkungshandlungen des Klägers als Willenserklärung verstanden hat, die auf die Übertragung einer frei gewordenen Erfindung gerichtet ist. Denn die Umstände sprechen dafür, dass die Beklagte jedenfalls zum Zeitpunkt der Vornahme der Mitwirkungshandlungen durch den Kläger selbst davon ausgegangen ist, die Erfindung wirksam, insbesondere fristgerecht als Diensterfindung in Anspruch genommen zu haben. Sie hatte deshalb weder einen Anlass, eine entsprechende Kenntnis des Klägers zu unterstellen, noch aus seinem Verhalten auf einen Willen zu schließen, eine frei gewordene Erfindung zu übertragen.

Der Kläger hat die von der Beklagten als Nichtberechtigter vorgenommene Verfügung (Veräußerung der Erfindung) nachträglich genehmigt. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass der Kläger mit Schreiben an die Schiedsstelle vom 20. Januar 2005 erklärt hat, die beteiligten Erfinder seien der Aufforderung der Firma A zu einer vertraglichen Übertragung der Erfindung nicht nachgekommen. Abgesehen davon, dass diese Erklärung nicht als auch gegenüber der Beklagten abgegeben gewertet werden kann, hat sie die Frage der vertraglichen Übertragung der Erfindung von den Erfindern auf die Firma A zum Gegenstand, nicht die Genehmigung der rechtsgeschäftlichen Verfügung der Beklagten.

Die Beklagte ist passivlegitimiert. Sie kann sich nicht darauf berufen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei gemäß § 613 a BGB auf die Firma A übergegangen mit der Folge, dass diese nun Vergütungsschuldnerin geworden sei. Dem wäre nur dann zu folgen, wenn die Diensterfindung nicht frei geworden, sondern von der Beklagten als Rechtsvorgängerin der A wirksam in Anspruch genommen worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Mit dem Freiwerden ist die Diensterfindung aus dem Arbeitsverhältnis herausgelöst mit der Folge, dass § 613 a BGB, der ausdrücklich nur den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht, nicht greift.

Der Geltendmachung von Ansprüchen aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Kläger steht der Einwand der Treuwidrigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nicht entgegen. Da die Beklagte, wie bereits ausgeführt, dem Verhalten des Klägers nicht den rechtsgeschäftlichen Willen entnehmen konnte, seine Erfindung auf die Beklagten übertragen zu wollen, ist die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen nicht treuwidrig. Dem Kläger kann es auch nicht als treuwidrig vorgeworfen werden, sich auf das Freiwerden der Diensterfindung wegen Fristversäumnisses zu berufen. Es lag in der Sphäre der Beklagten, die Rechtsfolge des § 8 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitnehmererfindergesetz zu verhindern.

Damit steht fest, dass zwischen den Parteien ein aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB beruhendes gesetzliches Schuldverhältnis besteht. Da der Kläger in entschuldbarer Weise im Ungewissen darüber ist, welchen Kaufpreis die Beklagte für die streitgegenständliche Erfindung bei dem Verkauf an den japanischen Konzern A erzielt hat, steht ihr ein dementsprechender Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Auslegungs- und Rechtsgrundsätze bewertet hat.

Ende der Entscheidung

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