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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.03.2001
Aktenzeichen: 6 UF 52/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 331
ZPO § 181
ZPO § 182
ZPO § 418
Die Zustellung in der 'ofiziellen' Wohnung reicht aus, um eine ordnungsgemäße Ladung mit VU-Folge zu bewirken.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

6 UF 52/01

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Lampertheim vom 06.02.2001 am 16. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 4.200,00 DM (350,00 DM x 12; § 17 Abs. 1 GKG).

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

Im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 276 ZPO hat das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) am 15.06.2000 ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO erlassen. Das Versäumnisurteil wurde dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 04.07.2000 und dem Beklagten am 26.06.2000 unter der Anschrift X-Straße, 67227 Frankenthal (Pfalz) durch Niederlegung beim Amtsgericht Frankenthal zugestellt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 06.09.2000 Einspruch eingelegt. Zugleich hat er vorsorglich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Amtsgericht Lampertheim, an das der Rechtsstreit zuständigkeitshalber verwiesen worden ist, hat durch Beschluß vom 06.02.2001 den Einspruch verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 341 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht binnen der Notfrist von zwei Wochen (§ 577 Abs. 2 ZPO) am 28.02.2001 eingelegt worden, da der angefochtene Beschluß dem Beklagten nicht förmlich zugestellt worden ist.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 15.06.2000 zu Recht verworfen. Er ist verspätet eingelegt worden. Die Einspruchsschrift vom 06.09.2000 enthält zwar keinen Eingangsstempel. Es ist jedoch davon auszugehen, daß sie am 08.09.2000 zusammen mit dem Prozeßkostenhilfeantrag vom selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist. Dies geschah jedoch nicht innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen (§ 339 Abs. 1 ZPO), die für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, das im schriftlichen Verfahren erlassen worden ist, mit der letzten der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellungen an die Parteien beginnt (BGH NJW 1994, 3359). Dies war hier die Zustellung an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 04.07.2000.

Die zeitlich davor liegende Zustellung an den Beklagten vom 26.06.2000 war wirksam. Wird der Zustellungsempfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen und kann das zuzustellende Schriftstück dort auch nicht einer Hilfsperson übergeben werden (§ 181 ZPO), so kann die Zustellung nach § 182 ZPO unter anderem in der Weise erfolgen, daß das zu übergebende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung gelegen ist, niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben wird. Entgegen den Vorbringen des Beklagten ist davon auszugehen, daß er bei Zustellung noch eine Wohnung unter der angegebenen Anschrift hatte. Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZPO erstreckt sich zwar nicht auf die Tatbestandsvoraussetzung der Wohnung. Allerdings begründet die Erklärung des Zustellungsbeamten, daß er den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung nicht angetroffen habe, ein beweiskräftiges Indiz dafür, daß der Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Die indizielle Wirkung dieses Sachverhalts kann nur dadurch entkräftet werden, daß objektive Umstände oder der Vortrag des Zustellungsempfängers hinreichende Zweifel an der Annahme begründen, die Zustellungsadresse sei seine Wohnung. Der Zustellungsempfänger kann das durch die Niederlegung begründete Indiz, daß er unter der Zustellungsanschrift wohnt, nur durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräften, daß er die ursprüngliche Wohnung aufgegeben und an einen anderen Ort seinen Lebensmittelpunkt begründet hat (BGH NJW 1992, 1963 in Anschluß an BVerfG NJW 1992, 224 und ständige Rechtsprechung).

Daran fehlt es bei einer Gesamtbetrachtung der näheren Umstände. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.01.2001 eingeräumt, daß er eine Dienstwohnung seines früheren Arbeitgebers unter der Zustellungsanschrift bewohnt. Er ist auch allein unter dieser Anschrift gemeldet. Die kostengünstige Wohnung ist offensichtlich noch eingerichtete, da sie angeblich für Besuch aus der Türkei vorgehalten wird. Sowohl der Bescheid des Arbeitsamtes vom 03.08.2000 über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 31.07.1999 als auch der Rentenanpassungsbescheid zum 01.07.2000 weisen die Anschrift in Frankenthal aus. Auch das Mieterhöhungsverlangen vom 03.06.1999 war an den Beklagten unter dieser Anschrift gerichtet. Er nimmt daher unter dieser Wohnanschrift regelmäßig am Rechtsverkehr teil und leert nach seinen Angaben regelmäßig seinen Briefkasten. Danach genügt sein Vortrag nicht, er lebe seit April 1980 bei seiner Lebensgefährtin K. in Lampertheim, ohne zugleich nähere Angaben über die Aufgabe der Wohnung in Frankenthal zu machen. Mag er sich in Lampertheim auch regelmäßig aufhalten, so ist aber nach den Umständen davon auszugehen, daß der Beklagte dort lediglich eine Zweitwohnung hält. Zwar setzt die Aufgabe einer Wohnung nicht voraus, daß ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken können, er wohne dort auch weiterhin. Der Aufgabewille muß aber, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstückes oder für den mit der Zustellung beauftragten Postbediensteten, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Darauf kann schon deshalb nicht verzichtet werden, weil sonst Möglichkeiten zur Manipulation eröffnet würden (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564; NJW 1988, 713). Dies liegt hier schon deshalb nahe, weil der Beklagte im Verhältnis zum Beispiel gegenüber dem Träger der Arbeitslosenhilfe aus naheliegenden Gründen erkennbar eine selbständige Wohnanschrift offenbaren wollte, während er sich vorliegend durch die Berufung auf einen Zustellungsmangel den nachteiligen Folgen eines Versäumnisurteils entziehen möchte. Eine abweichende Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn die Klägerin und der gemeinsame Sohn davon wußten, daß sich der Beklagte seit längerem bei Frau K. aufhält, solange dieser die eigene Wohnung in Frankenthal nicht erkennbar aufgegeben hat. Wenn der Beklagte die Wohnung in Frankenthal beibehalten hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob er tatsächlich (auch) in Lampertheim Wohnung genommen hat. Der von ihm angebotene Beweis muß danach nicht erhoben werden.

Hingegen erstreckt sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde darauf, daß der zustellende Beamte die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in den Hausbriefkasten gelegt hat (vgl. BVerfG NJW 1992, 224). Die angedeutete Möglichkeit, der Sohn könnte die Benachrichtigung eigenmächtig und in Benachteiligungsabsicht entnommen haben, reicht zur Widerlegung der Beweiskraft nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus.

Danach ist von einer wirksamen Zustellung auch an den Beklagten und einer Versäumung der Einspruchsfrist auszugehen.

Weiterhin zu Recht hat das Amtsgericht dem Beklagten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt, da er nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Es fehlt an hinreichender Substantiierung und Glaubhaftmachung seiner Behauptung, er habe regelmäßig den Briefkasten geleert, aber keine Benachrichtigung über die Niederlegung des Versäumnisurteils erhalten. Soweit er insoweit in seiner eidesstattlichen Versicherung die Frist von etwa drei Wochen genannt hat, fehlt es bereits an näheren Angaben, wann der Beklagte in den hier fraglichen Zeiträumen den Briefkasten geleert hat und er Kenntnis von der Nachricht über die Niederlegung erhalten haben könnte. Es fehlt auch an näheren Angaben, über die von ihm unternommene Prüfung des Inhalts des Briefkastens. Da es gerade bei längerer Abwesenheit durchaus üblich ist, daß insbesondere Werbedrucksachen und Zeitschriften eingeworfen werden, besteht die Gefahr, daß der Benachrichtigungszettel mit dem anderen Briefkasteninhalt entsorgt und mangels ausreichender Sorgfalt nicht bemerkt worden ist. Vorliegend war der Beklagte aber insbesondere deshalb zu besonderer Vorsicht gehalten, weil ihm bereits der Prozeßkostenhilfeantrag der Klägerin ausweislich des Kanzleivermerks am 10.04.2000 übersandt und die Klageschrift mit der Anordnung des schriftlichen Verfahrens am 16.05.2000 durch Niederlegung zugestellt worden ist. Der Beklagte hatte danach Kenntnis vom laufenden Verfahren und mußte mit weiteren Zustellungen rechnen.

Danach war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht kann dem Beklagten keine Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittel bewilligt werden (§§ 114, 119 ZPO).

Ende der Entscheidung

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