Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 6 W 153/04
Rechtsgebiete: MarkenG, UWG


Vorschriften:

MarkenG § 14
UWG § 2 I 1
UWG § 2 II
UWG § 3
UWG § 4
UWG § 5
UWG § 6 2
UWG § 21
1. Angebote eines nach außen im Geschäftsverkehr auftretenden eBay-Mitglieds können nicht als rein privat gewertet werden, wenn die dafür vorgebrachten Gründe (Schmuckstück der Ehefrau, Gefälligkeit für Verwandte und Bekannte) den potentiellen Kaufinteressenten gegenüber nicht deutlich gemacht werden.

2. Die Standarderklärung "Dieser Artikel wird von Privat verkauft" reicht nicht.


Gründe:

I.

Der Beklagte bot im September 2003 im Internet auf der elektronischen Handelsplattform eBay unter seinem eBay-Mitgliedsnamen "X" eine "... Perlenkette aus altem Nachlaß" an (Anlage K 2, Bl. 11 ff. d.A.). In der Beschreibung gemäß Anlage K 2 (Bl. 13 d.A., dort kleingedruckt) und im Quellcode gemäß Anlage K 2a (Bl. 17 ff., Bl. 23) findet sich in einer inkohärenten Ansammlung werbewirksam erscheinender Begriffe unter sonstigen Markennamen auch das Wort "Cartier". Die Aufnahme eines Begriffs in die Beschreibung bzw. den Quelltext bewirkt, daß eine (erweiterte) Suche unter Eingabe dieses Begriffs (auch) zu dem betreffenden Angebot führt.

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit ihrer am 16.03.2004 anhängig gewordenen und am 02.04.2004 zugestellte Klage aus § 14 MarkenG sowie wegen Rufausbeutung und Irreführung aus UWG auf Unterlassung in Anspruch. Sie hat zunächst den Antrag angekündigt, dem Beklagten bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu untersagen, ohne die Einwilligung der Klägerin hergestellte und/oder erstmals in den Verkehr gebrachte Schmuckstücke unter Bezugnahme auf "Cartier" zu bewerben, wenn dies dadurch geschieht, daß die beworbene Ware in Datenbeständen, insbesondere solchen elektronischer Art wie beispielsweise auf der elektronischen Handelsplattform eBay, unter dem Suchbegriff "Cartier" auffindbar ist, es sei denn, die Werbung bezieht sich auf Waren für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung und ist objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis der Waren bezogen.

Das Landgericht hat das Prozeßkostenhilfegesuch des Beklagten durch Beschluß vom 19.07.2004 (Bl. 177 ff. d.A.) mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Mit am 19.08.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend gefaßt, daß dem Beklagten untersagt werden möge, ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte und/oder erstmals in den Verkehr gebrachte Schmuckstücke unter Bezugnahme auf "Cartier" zu bewerben, wenn dies dadurch geschieht, daß die beworbene Ware wie gemäß Anlagen K 2 und K 2a zur Klageschrift in elektronischen Datenbeständen wie beispielsweise auf der elektronischen Handelsplattform eBay unter dem Suchbegriff "Cartier" auffindbar ist.

Das Landgericht hat daraufhin der Beschwerde des Beklagten teilweise abgeholfen und ihm hinsichtlich eines Teilstreitwertes von 12.500,-- EUR für den Zeitraum bis zum 19.08.2004 Prozeßkostenhilfe bewilligt. Im übrigen hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluß vom 07.09.2004 (Bl. 217 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte wendet mit seiner Beschwerde, die er im Verfahren vor dem Senat ergänzend begründet hat, im wesentlichen ein, daß er bei dem hier in Rede stehenden Verkaufsangebot nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt habe und daß Ansprüche aus UWG verjährt seien. Außerdem stellt der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede und bestreitet, daß er selbst den Begriff "Cartier" in die Angebotsbeschreibung bzw. den Quelltext eingestellt habe.

II.

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache, soweit das Landgericht nicht bereits abgeholfen hat, keinen Erfolg.

Die Klägerin hat den Klageantrag durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform hinreichend konkretisiert. Im Hinblick auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18.08.2004 und die dort aufgeführten Beispielsfälle zur Umschreibung des Kernbereichs ist allerdings anzumerken, daß sich der Kernbereich der konkreten Verletzungsform durch Ausführungen zur Begründung des Klageantrags nicht beliebig ausweiten und sich insbesondere nicht auf den Bereich erstrecken läßt, den die Klägerin bereits mit ihrem ursprünglichen, abstrakt gefaßten, Antrag erfassen wollte. Im übrigen wird die dem Beklagten zur Last gelegte Verletzungshandlung auch dadurch charakterisiert, daß sich die Verwendung des Begriffs "Cartier" hier lediglich auf die Suchfunktion auswirkte und für Kaufinteressenten keinen (weitergehenden) Mitteilungswert hatte.

Das Landgericht hat mit seinem Beschluß vom 07.09.2004 und dem hiermit korrespondierenden Streitwertbeschluß, durch den der ursprünglich mit 100.000,-- EUR angegebene Wert auf 87.500,-- EUR ab dem 19.08.2004 festgesetzt wurde, klargestellt, daß der neu formulierte Antrag gegenüber dem ursprünglichen Antrag eine Beschränkung des Unterlassungsbegehrens beinhaltet. Das Landgericht geht somit zutreffend und in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Antrags davon aus, daß die Klägerin eine Einschränkung auf die konkrete Verletzungsform vorgenommen hat. Diese Einschätzung hat die Klägerin hingenommen, wie ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 25.10.2004 unter Ziff. 7 (Bl. 268 d.A.) zeigen.

Die Klägerin ist, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, für markenrechtliche und auch für wettbewerbsrechtliche Ansprüche aktivlegitimiert. Ob das von der Klägerin vorgetragene Verhalten des Beklagten eine markenmäßige Benutzung des Begriffs "Cartier" beinhaltet und einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 14 MarkenG begründet, kann hier offenbleiben. Sollte das Verhalten markenrechtlich nicht zu erfassen sein, so liegt jedenfalls ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht vor, da eine mit dem Angebot und seiner Beschreibung inhaltlich nicht in einem Sachzusammenhang stehende Beeinflussung der Suchfunktion, die die mit der Sucheingabe verbundenen Erwartungen des Interessenten unterläuft, geeignet ist, die Verbraucher irrezuführen, oder ggf. auch eine unzulässige vergleichende Werbung darstellen kann ( §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 2 und 4, 3 UWG a.F.; §§ 3, 5, 6 Nr. 2 und 4, UWG n.F.).

Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, hat der Beklagte im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Des weiteren liegen die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (n.F.) vor. Der Beklagte ist als Unternehmer im Sinne von §§ 2 Abs. 2 UWG, 14 BGB anzusehen. Der Unternehmerbegriff des §?14 BGB ist in einem funktionalen Sinne zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, daß ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb geführt wird. Unternehmer ist vielmehr jeder, der am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet (Senat, GRUR 2004, 1043, 1044 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei dem Beklagten erfüllt. Als regisitrierter "PowerSeller", der ausweislich der Anlage K 8 (Bl. 71 ff. d.A.) seit dem 01.04.1999 eBay-Mitglied ist und 3.767 Bewertungen vorweisen kann und der mit dem Hinweis wirbt, er erhalte wöchentlich neue Waren aus Nachlässen und Haushaltsauflösungen, zählt der Beklagte ohne Zweifel zu den geschäftlich bzw. unternehmerisch tätigen Akteuren auf der Handelsplattform eBay.

Der Einwand des Beklagten, er habe im vorliegenden Fall für seine Ehefrau eine Kette angeboten, die die Ehefrau geerbt habe, und er sei auch sonst weitgehend aus Gefälligkeit für Verwandte und Bekannte tätig geworden, ändert nichts. Zwar bleibt bei einer aufgrund des Umfangs als geschäftlich einzustufenden Handelstätigkeit über eBay ein im Einzelfall als rein privat einzuordnender Verkauf grundsätzlich möglich, wobei hier offenbleiben kann, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Verkauf über einen ansonsten geschäftlich genutzten eBay-Account abgewickelt werden kann. Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber schon deshalb nicht gegeben, weil die von dem Beklagten nun angeführten Besonderheiten den potentiellen Kaufinteressenten gegenüber nicht deutlich gemacht wurden, auch nicht durch die pauschale und standardisiert wirkende Erklärung "Dieser Artikel wird von Privat verkauft ...". Das Angebot der "... Perlenkette aus Nachlaß" reihte sich vielmehr ein in die Vielzahl der Auktionsangebote des Beklagten, die wiederum in ihrer Gesamtheit sein Bewertungsprofil und damit auch die Grundlage seines geschäftlichen Erfolges beeinflussen. Auch kann von einer rein privaten Verkaufstätigkeit nicht mehr gesprochen werden, wenn ein eBay-Mitglied die privaten Verkaufsinteressen einer größeren Anzahl dritter Personen bündelt und auf diese Weise - mit oder ohne eigene Gewinnerzielungsabsicht - ein Handelsvolumen erreicht, das ihm auf der Handelsplattform eBay eine besondere Beachtung verschafft, wie sie einem nur in dem Rahmen des eigenen privaten Interesses aktiven eBay-Mitglied nicht zuteil würde (vgl. Senat, GRUR 2004, 1042, 1043).

Des weiteren hat das Landgericht den Vortrag des Beklagten, er habe den Begriff "Cartier" nicht selbst in das Angebot eingestellt, mit Recht als Schutzbehauptung bewertet. Die hier vorliegenden Gesamtumstände, insbesondere die bereits von dem Landgericht angesprochenen Gegebenheiten, lassen die Annahme, ein Dritter habe "Cartier" hinzugesetzt, als völlig fernliegend erscheinen. Auch wenn eine Beweisaufnahme in Betracht gezogen werden sollte, etwa durch Vernehmung der von der Klägerin zur Ausräumung eines etwaigen Manipulationsverdachts benannten Zeugen, so wäre ein für den Beklagten positives Beweisergebnis derart unwahrscheinlich, daß auch unter diesem Gesichtspunkt keine hinreichende Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung angenommen werden kann (vgl. zur in engen Grenzen bestehenden Möglichkeit einer Beweisantizipation im Prozeßkostenhilfeverfahren: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 114 Rdnr. 26 m.w.N.).

Schließlich sind wettbewerbsrechtliche Ansprüche auch nicht verjährt.

Da die Klage am 16.03.2004 bei Gericht einging und ihre Zustellung "demnächst" erfolgte, kommt es darauf an, ob die Klägerin schon vor dem 16.09.2003 von der wettbewerbswidrigen Handlung und der Person des Verpflichteten Kenntnis hatte (?§?21 Abs. 1 UWG a.F.; § 167 ZPO). Dabei muß sich die Klägerin das Wissen ihres Testkäufers Z 1 zurechnen lassen. Einer positiven Kenntnis steht es gleich, wenn sich der Verletzte bewußt der sich ihm aufdrängenden Kenntnis verschließt.

Der Zeuge Z 1 hatte vor dem 16.09.2003 Kenntnis von dem Angebot der "... Perlenkette" und dem damit verbunden Wettbewerbsverstoß. Der Name des unter der Bezeichnung "X" handelnden Beklagten wurde dem Zeugen aber erst am 16.09.2003 nach einem von ihm vorgenommenen Testkauf mitgeteilt (Anlage K 15 / Bl. 170 d.A.). Eine frühere Kenntnis des (bürgerlichen) Namens hat der Beklagte im Beschwerdeverfahren durch Vorlage eines den Zeugen Z 1 betreffenden Einlieferungsbelegs vom 28.08.2004, der einem früheren Testkauf bei "X" zuzuordnen sei, zu belegen versucht (Anlage B 8 / Bl. 288 d.A.). Diese Postsendung betraf jedoch, wie die Klägerin in ihrer Erwiderung aufgezeigt hat, einen Testkauf bei der Ehefrau des Beklagten, die unter dem eBay-Namen "Y" handelte (Anlagen K 19 ff., K 22 / Bl. 314 ff., 319 d.A.). Nach Aufklärung dieses Sachverhalts stellt sich die durch den Beklagten gleichwohl aufrechterhaltene Benennung des Zeugen Z 1 für einen schon im August 2003 durchgeführten Testkauf bei "X" als ein Beweisantritt ins Blaue dar. Zumindest aber erscheint ein für den Beklagten positives Beweisergebnis in diesem Punkt ausgeschlossen.

Ein früherer, noch vor dem 16.09.2003 einsetzender, Verjährungsbeginn läßt sich auch nicht damit begründen, daß die Klägerin den Namen des Beklagten über das "VeRi-Programm" hätte ermitteln können oder daß der Zeuge Z 1 den Testkauf auch einige Tage eher, noch am 08.09.2003, hätte durchführen können. Die Klägerin bzw. der von ihr beauftragte Testkäufer haben sich für einen Ermittlungsweg entschieden, der ihnen innerhalb weniger Tage die erforderliche Kenntnis verschafft hat. Angesichts dessen kann von einer "mißbräuchlichen Nichtkenntnis" während des kurzen davorliegenden Zeitraums nicht gesprochen werden. Entscheidend ist daher die tatsächliche Kenntniserlangung am 16.09.2003.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs.1, 127 Abs.4 ZPO, Nr.1811 GKV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück