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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.03.2001
Aktenzeichen: 6 W 24/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 91 a Abs. 2
Hängt der Ausgang eines Rechtsstreits von der Beantwortung einer dem EuGH vorgelegten (vgl. hierzu Senatsbeschluß v. 1.8.00 6 U 25/00) oder vorzulegenden Rechtsfrage ab (Bestehen einer Auskunftspflicht von Landwirten gegenüber der Saatgut-Treuhandverwaltungs-GmbH) und ist die Beantwortung offen, ist es angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben, wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

6 W 24/01

Verkündet am 22.03.2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2000 am 22. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2000 abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Parteien.

Gründe:

Die Klägerin vertritt die Interessen einer Vielzahl von Sortenschutzinhabern betreffend Sorten, die sowohl nach dem Deutschen Sortenschutzgesetz geschützt sind als auch betreffend Sorten, die nach der Gemeinschaftssortenschutzverordnung (V0(EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994) geschützt sind. Der Beklagte ist Landwirt. Mit ihrer Klage hat die Klägerin vom Beklagten Auskunft über den Nachbau geschützter Sorten begehrt, wobei sie als ausreichende Anspruchbegründung angesehen hat, dass sie von den Inhabern der Sortenschutzrechte zur Geltendmachung von deren Rechten ermächtigt ist und der Beklagte Landwirt ist (Kurzformel: Ich Sortenschutzinhaber, Du Landwirt, Folge : Du mir auskunftspflichtig). Der Beklagte hat sich nicht materiell-rechtlich verteidigt, sondern vor der mündlichen Verhandlung den Anspruch anerkannt und Auskunft erteilt. Daraufhin haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt. Das Landgericht hat durch Beschluss die Kosten der Klägerin auferlegt. Weil der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis abgegeben habe, sei bei der Kostenentscheidung der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.

Die nach § 91 a Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben ist, über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91 a Abs. 1 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt bei dieser Entscheidung im vorliegenden Fall der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zugunsten des Beklagten nicht zur Anwendung. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschlüsse vom 17.12.1999 - 6 U 167/99 und vorn 5.2.2001 - 6 W 197/00) trifft den Kläger in diesem Zusammenhang nicht das Risiko des tatsächlichen Zugangs der Abmahnung bzw. der vorprozessualen Leistungsaufforderung. Es reicht vielmehr aus, dass der Kläger eine den inhaltlichen Anforderungen entsprechende Aufforderung so auf den Weg gebracht hat, dass sie den Beklagten nach seinem Kenntnisstand hätte erreichen können müssen, So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat - erstmals - in der Beschwerdeinstanz zur Absendung von Aufforderungsschreiben und Mahnung substantiierte Angaben gemacht und Schreiben an den Beklagten vom 16.8.1999 und 1.3.2000 -vorgelegt, ohne dass der Beklagte dem qualifiziert entgegengetreten ist. Es ist danach davon auszugehen, dass ihm diese Schreiben zugegangen sind, so dass es sich bei seinem Anerkenntnis nicht mehr um ein sofortiges Anerkenntnis um Sinne von § 93 ZPO handelt.

Bei der danach an dem wahrscheinlichen Prozesserfolg auszurichtenden Entscheidung entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der ersten Instanz gegeneinander aufzuheben, weil der Ausgang des Rechtsstreits aus Rechtsgründen ungewiss war. Der Senat hat mit Beschluss vom 1 . August 2000 (GRUR Int. 2000, 1015) dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob in den Fällen der vorliegenden Art die Klägerin Auskunft von einem Landwirt verlangen kann, ohne dass Anhaltspunkte für eine Benutzungshandlung des Landwirts bestehen. Das Landgericht hätte sich im hiesigen Verfahren, in dem die Berufungssumme nicht erreicht wird, es also letztentscheidendes Gericht ist, ebenso wie der Senat die Frage stellen können, ob es in der Sache abschließend entscheiden oder nur Zwischenentscheidungen treffen darf - wie z.B. Aussetzung des Verfahrens oder ebenfalls Vorlage, an den EuGH -, bis der EuGH eine verbindliche Auslegung des Gemeinschaftssortenschutzrechts vorgenommen hat. Bei Verneinung der Vorlagefrage durch den EuGH wäre die vorliegende Klage abzuweisen gewesen, weil Vortrag der Klägerin zu Benutzungshandlungen des Beklagten fehlt. Da offen ist, wie der EuGH die Vorlagefrage beantworten wird, erscheint es dem Senat angemessen, die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz gegeneinander aufzuheben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin insgesamt zu tragen, weil sie die ihr obliegende Substantiierung der vorprozessualen Aufforderung und Mahnung erst mit der Beschwerde vorgenommen hat (§ 97 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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