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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 6 WF 103/06
Rechtsgebiete: RVG-VV


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 1000
Die Mitwirkung des Anwalts bei der Vereinbarung eines wechselseitigen Unterhaltsverzichts zwischen Ehegatten löst eine Einigungsgebühr nach VV 1000 zum RVG aus.
Gründe:

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die aus der Staatskasse dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt xxx zu gewährende Vergütung für seine Tätigkeit als im Weg der Prozesskostenhilfebewilligung der Antragsgegnerin des Scheidungsverbundverfahrens beigeordneter Rechtsanwalt.

In der mündlichen Verhandlung am 16.06.2005 über die Ehescheidung und die amtswegige Folgesache betreffend den Versorgungsausgleich (andere Folgesachen waren nicht anhängig) haben die Parteien vor dem Amtsgericht eine Vereinbarung mit folgendem Wortlaut getroffen:

Wir verzichten wechselseitig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf Unterhalt einschließlich des Falles der Not und der Gesetzesänderung und nehmen die Verzichtserklärungen gegenseitig an.

Der Hausrat ist bereits in der Form geteilt, dass jeder Ehegatte an den in seinem Besitz befindlichen Hausratsgegenständen Alleineigentum hat.

Wechselseitige Zugewinnausgleichsansprüche bestehen nicht.

Durch anschließend verkündetes Urteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen ihnen geregelt. Den Gegenstandswert für die Scheidung und für den Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht auf 8.900,00 EUR (6.900,00 EUR + 2.000,00 EUR) und den Wert für den Unterhaltsverzicht hat es auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

Auf seine Vergütungsabrechnung vom 21.06.2005 erhielt Rechtsanwalt xxx auf Anordnung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts den Gesamtbetrag von 950,74 EUR ausgezahlt.

Dieser Betrag setzt sich folgendermaßen zusammen:

 1,3 Verfahrensgebühr nach einem Wert von 8.900,00 EUR309,40 EUR
1,2 Terminsgebühr nach einem Wert von 10.700,00 EUR295,20 EUR
1,0 Einigungsgebühr nach einem Wert von 1.800,00 EUR195,00 EUR
Auslagenpauschale+20,00 EUR
 819,60 EUR
zuzüglich 16 % Umsatzsteuer+ 131,14 EUR
 950,74 EUR

Mit geänderter Vergütungsabrechnung vom 03.01.2006 hat Rechtsanwalt xxx der Staatskasse insgesamt 1.021,96 EUR in Rechnung gestellt. Nachdem die Bezirksrevisorin beim Landgericht Darmstadt am 26.01.2006 hierzu und zur Auszahlung an Rechtsanwalt xxx Stellung genommen und dabei zum Ausdruck gebracht hat, das die 1,2 Terminsgebühr lediglich nach einem Gegenstandswert von 8.900,00 EUR zu bemessen und eine auf den Unterhaltsverzicht der Parteien gestützte Einigungsgebühr nicht entstanden sei (letzteres ergebe sich aus der Regelung der Nr. 1000 VV RVG), hat sich die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Argumentation der Bezirksrevisorin zu eigen gemacht und durch Beschluss vom 22.03.2006 die an Rechtsanwalt xxx aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 713,40 EUR festgesetzt und zugleich die Rückforderung des hierüber hinausgehenden, bereits ausgezahlten Betrags angekündigt.

Der Festsetzung liegt folgende Berechnung zugrunde:

 1,3 Verfahrensgebühr nach einem Wert von 8.900,00 EUR309,40 EUR
1,2 Terminsgebühr nach einem Wert von 8.900,00 EUR285,60 EUR
Auslagenpauschale+ 20,00 EUR
 615,00 EUR
zuzüglich 16 % Umsatzsteuer+ 98,40 EUR
 713,40 EUR

Gegen diesen Beschluss, den er offenbar versehentlich mit dem Datum seiner Ausfertigung (03.04.2006) bezeichnet hat, hat Rechtsanwalt xxx mit Schriftsatz vom 04.04.2006 "sofortige Beschwerde" eingelegt, mit der er die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von insgesamt 956,88 EUR begehrt hat.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat sodann durch Beschluss vom 07.04.2006 "der Beschwerde vom 04.04.2006 ..... aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen" und die Akte dem zuständigen Abteilungsrichter vorgelegt.

Dieser hat durch Beschluss vom 11.04.2006 "die Beschwerde vom 04.04.2006 ..... zurückgewiesen" und in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass der Festsetzungsbeschluss vom 22.03.2006 zutreffend sei.

Gegen diesen Beschluss des Richters, dem dieser nicht abgeholfen hat, richtet sich die Beschwerde des Rechtsanwalts xxx vom 19.04.2006 mit der er weiterhin die Festsetzung seiner Vergütung auf insgesamt 956,88 EUR begehrt.

Die Beschwerde gegen den unter Einhaltung der verfahrensmäßigen Vorgaben ergangenen instanzabschließenden Beschluss des Richters (vgl. §§ 55, 56 RVG) ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Zur Entscheidung hierüber ist gemäß § 33 Abs. 8 RVG der Einzelrichter berufen.

Die Beschwerde hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg.

Soweit allerdings der angefochtene Beschluss die Terminsgebühr (1,2) lediglich nach einem Gegenstandswert von 8.900,00 EUR bemisst, ist dies nicht zu beanstanden. Der Wert der Unterhaltsverzichtsvereinbarung ist hierzu nicht hinzuzuaddieren, wie sich aus Nr. 3104 Abs. 3 VV RVG ergibt. Denn Ehegattenunterhaltsansprüche waren nicht rechtshängig.

Dem angefochtenen Beschluss kann indessen nicht gefolgt werden, soweit er dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt eine Einigungsgebühr (1,0) aufgrund der Vereinbarung der Parteien über den gegenseitigen Unterhaltsverzicht vorenthält.

Entgegen der vom Amtsgericht übernommenen Auffassung der Bezirksrevisorin liegen die Voraussetzungen nach Nr. 1000 VV RVG vor. Denn die Parteien haben mit der Vereinbarung gegenseitigen Unterhaltsverzichts die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt. Auf die von der Bezirksrevisorin verneinte Frage, ob auch ein Streit hierüber beigelegt worden ist, kommt es danach nicht mehr an.

Ein die Einigungsgebühr ausschließender Verzicht im Sinne von Nr. 1000 VV RVG liegt bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht vor. Nach dem durch die Aufnahme der Ausnahmen in den Text dieser Gebührennummer verfolgten Zweck soll nicht schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf die Weiterverfolgung eines Anspruchs die Einigungsgebühr auslösen (vgl. Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, Kompaktkommentar, RVG 2004, VV RVG, S. 433). Dieser Zweck wird durch den vorliegend vertraglich vereinbarten gegenseitigen Unterhaltsverzicht nicht gefährdet (vgl. auch Gerold/Schmidt-von Eicken, RVG, 16. Aufl., 1000 VV, Rn. 28, wo es zum Stichwort "Verzicht" wörtlich heißt: "die Einigungsgebühr soll ja den Rechtsfrieden fördern und die Gerichte entlasten, nicht durch rigorose Bejahung des negativen Tatbestandsmerkmals beides verhindern").

Damit ergibt sich folgende Vergütungsberechnung

 1,3 Verfahrensgebühr nach einem Wert von 8.900,00 EUR309,40 EUR
1,2 Terminsgebühr nach einem Wert von 8.900,00 EUR285,60 EUR
1,0 Einigungsgebühr nach einem Wert von 1.800,00 EUR195,00 EUR
Auslagenpauschale+ 20,00 EUR
 810,00 EUR
zuzüglich 16 % Umsatzsteuer+ 129,60 EUR
 939,60 EUR

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 S. 2, S. 3 RVG).

Der Beschwerdewert entspricht der Differenz des mit der Beschwerde zur Festsetzung angemeldeten Betrags zu dem durch den angefochtenen Beschluss festgesetzten Betrag (956,88 EUR - 713,40 EUR = 243,48 EUR).

Ende der Entscheidung

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