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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.08.2000
Aktenzeichen: 7 U 167/99
Rechtsgebiete: BGB, VVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1360
VVG § 74 Abs. 1
VVG § 75 Abs. 2
VVG § 16 Abs. 1
VVG § 16 Abs. 2
VVG § 79 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 11
ZPO § 713
Die Ehefrau des Versicherungsnehmers in einer Familienkrankenversicherung ist Versicherungsnehmerin, nicht bloße Gefahrsperson. Falschangaben zum Zahnstatus bei Vertragsschluss berechtigen die Versicherung nicht in jedem Fall zum Rücktritt.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 167/99

10 O 257/98 Landgericht Wiesbaden

Verkündet am 2.8.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf die mündliche Verhandlung am 28. Juni 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 04.08.1999 - Az.: 10 0 257/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer beträgt 27.264,87 DM. Von der darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Zurecht ging das Landgericht davon aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 282,99 DM auf den zwischen ihrem Ehemann und der Beklagten zustande gekommenen Krankenversicherungsvertrag zusteht.

Für Leistungsansprüche aus diesem Versicherungsvertrag ist die Klägerin aktiv legitimiert. Zwar ist Versicherungsnehmer lediglich ihr Ehemann. Die Klägerin wird in dem Versicherungsvertrag ausweislich des Versicherungsantrages vom 18.01.1997 jedoch als versicherte Person genannt. Aus dieser Formulierung ergibt sich für die Klägerin nicht lediglich die Stellung einer Gefahrperson, sondern die Stellung einer Versicherten im Sinne von § 74 Abs. 1 VVG mit der Folge einer Aktivlegitimation gemäß 75 Abs. 1 VVG und einer Klagebefugnis - erforderliche Zustimmung zur gerichtlichen Geltendmachung des Ehemannes als Versicherungsnehmers liegt vor - gemäß § 75 Abs. 2 VVG.

Ob eine versicherte Person als Versicherte im Sinne der 74 ff. VVG anzusehen ist oder als bloße Gefahrperson, richtet sich danach, ob der Versicherungsnehmer ausschließlich ein eigenes Interesse versichert, oder ob ein fremdes Interesse zumindest mitversichert ist (vgl. Bach in Bach/Moser MBKK, Einleitung Rz. 65; Kollhosser in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, Vorbemerkungen zu den §§ 74 - 80, Rz. 1, 2 und § 178 a Rz. 51; Römer in Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, § 74 Rz. 7). Vorlie- gend ist vom ersteren auszugehen, da es sich bei der Klägerin um die Ehefrau des Versicherungsnehmers handelt. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht berufstätig ist.

Zwar wird zum Teil ohne Differenzierung angenommen, dass es sich in der Familien- Krankenversicherung bei mitversicherten Familienangehörigen um bloße Gefahrpersonen handelt, da der Versicherungsnehmer lediglich im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtung ein eigenes Interesse versichere (vgl. OLG Hamm VersR 1980, 137, 138; OLG Köln VersR 1983, 772, 773; OLG Saarbrücken VersR 1997, 863, 865; Pannenbecker, VersR 1998, 1322, 1323). Zum Teil wird hinsichtlich des mitversicherten Ehepartners danach differenziert, ob dieser berufstätig ist, da nur bei fehlender Berufstätigkeit von einer Unterhaltsverpflichtung des Versicherungsnehmers und damit von einem eigenen Interesse, welches versichert werde, ausgegangen werden könne (Bach in Bach/Moser MBKK, Einleitung Rz. 70; Kollhosser in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, Vorbemerkungen zu den 74 - 80, Rz. 6 und § 178 a Rz. 5). Diese die einseitig die zwischen den Eheleuten bestehende Unterhaltsverpflichtung in den Vordergrund rückende Argumentation überzeugt nach Ansicht des Senats bei der Mitversicherung des Ehepartners nicht. Vielmehr ist bei der Mitversicherung von Ehepartner regelmäßig davon auszugehen, dass ein primäres Interesse der versicherten Person an Krankheitsvorsorge zumindest mitversichert werden soll und nicht lediglich das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erfüllung einer etwaigen Unterhaltsverpflichtung.

Das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung ist für die Frage, ob ein eigenes oder ein fremdes Interesse versichert wird, wenig aussagekräftig, denn die Verpflichtung zum Familienunterhalt umfasst zwar auch eine angemessene Krankheitsvorsorge, doch wird nicht geregelt, auf weiche Art diese Krankheitsvorsorge zu gewährleisten ist (vgl. Hübner/Voppel in Staudinger, § 1360 a Rz. 33). Rechtskonstruktiv kann dieser Verpflichtung daher auch durch Abschluss einer Fremdversicherung Genüge getan werden. Hingegen erscheint die Vorstellung, dass der berufstätige Ehepartner durch die Mitversicherung des nicht beruftätigen Ehepartners lediglich seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommen will, überholt. Nach heutigem Verständnis stellt die Ehe kein Versorgungsinstitut, sondern eine von Zuneigung getragene Lebenspartnerschaft dar. Dem wird ein einseitiges Abstellen auf die unterhaltsrechtliche Ehewirkungen nicht gerecht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass angesichts der persönlichen Beziehung der Ehepartner regelmäßig das eigene Interesse des Mitversicherten an Krankheitsvorsorge im Vordergrund steht.

Auch das geänderte gesetzliche Leitbild der Ehe spricht für eine Fremdversicherung. Mit der Neufassung des § 1360 BGB durch Artikel 1 Nr. 8 Gleichberechtigungsgesetz und dann weiter durch Artikel 1 Nr. 5 erstes Eherechtsgesetz wird die Tätigkeit des den Haushalt fahrenden Ehepartners als echte Unterhaltsleistung anerkannt. Diese Aufwertung lässt sich auch auf anderen Rechtsgebieten beobachten, etwa bei dem Bemühung des Gesetzgebers um die Einführung einer vom berufstätigen Ehepartner unabhängigen gesetzlichen Rente. Diese nach dem geänderten Leitbild der Ehe gestärkten Position des nicht berufstätigen Ehepartners entspricht es, bei dem mitversicherten Ehegatten dessen eigenes Interesse an Krankenvorsorge und nicht lediglich das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erfüllung von Unterhaltsverpflichtungen als versichert anzusehen.

Unstreitig ist hinsichtlich. der in Rechnung gestellten Leistungen der Versicherungsfall eingetreten.

Die Beklagte ist auch nicht mit Schreiben vom 11.12.1997 leistungsbefreiend zurückgetreten. Die Rücktrittsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1, 2 VVG liegen nicht vor. Der E- hemann der Klägerin hat als Versicherungsnehmer keinen ihm bekannten gefahrerheblichen Zustand verschwiegen. Zwar ist ihm Kenntnis und Verschulden der Klägerin an Versicherte nach § 79 Abs. 1 VVG zuzurechnen, doch ist dies unschädlich, da auch die Klägerin bei Beantwortung der Gesundheitsfragen des Versicherungsantrages keinen ihr bekannten gefahrerheblichen Zustand verschwiegen hat.

Zwar hat die Klägerin in dem Gesundheitsfragebogen zum Versicherungsantrag die Frage unter Ziffer 13 nach derzeit fehlenden Zähnen und/oder schadhaften sanierungsbedürftigen Zähnen mit ja beantwortet, so dass nach dem Gesundheitsfragebogen außerdem noch eine gesonderte Zusatzerklärung auszufüllen war. Dort wurde in dem Zahnschema, zu dem sich die Anweisung findet, dass die schadhaften, sanierungsbe- dürftigen und/oder fehlenden Zähne angekreuzt werden sollen (ohne Weisheitszähne), lediglich der Zahn 37 angekreuzt und die Formulierung "fehlenden" der Ausfüllanweisung unterstrichen, was den Erklärungswert beinhaltet, dass lediglich Zahn 37 fehlt und ansonsten weder schadhafte, noch sanierungsbedürftige Zähne vorhanden sind.

Diese Angabe ist jedoch nicht dadurch unrichtig, dass bei der Klägerin die Zähne 18, 14, 24, 25, 28, 46, 41, 36 und 38 fehlen, was im zweiten Rechtszug unstreitig ist, jedenfalls aber aufgrund der Aussage des Zeugen H. behandelnder Zahnarzt der Klägerin zu 1., bewiesen ist. Eine Falschangabe ist trotzdem zu verneinen, denn mit der Frage nach fehlenden Zähnen in dem Gesundheitsfragebogen, sind lediglich solche Zähne gemeint, bei denen das Fehlen - zumindest möglicherweise - zu einer Behandlungsbedürftigkeit führt. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Gesundheitsfragebogens, dem Versicherer eine Risikoabklärung zu ermöglichen. Die erforderliche zumindest potentielle Behandlungsbedürftigkeit ist bei der Klägerin hinsichtlich der nicht angegebenen fehlenden Zähne zu verneinen, denn aus der Aussage des Zeugen H. und aus den von ihm überreichten Fotografien ergibt sich, dass die nicht vorhandenen Zähne bei der Klägerin nicht zu Zahnlücken führen, sondern angesichts der Größe ihres Kiefers und der vorhandenen Zähne überhaupt keinen Platz hätten.

In objektiver Hinsicht lag zwar eine Falschangabe der Klägerin betreffend die Sanierungsbedürftigkeit ihrer Zähne vor, denn aus der Aussage des Zeugen H. ergibt sich dass bei Anfertigung der von ihm vorgelegten Fotografien, die unstreitig am 20.11.1995 gefertigt wurden, die Füllungen der Zähne 15, 16 und 26 sowie der Zahnersatz für die Zähne 12 bis 22 erneuerungsbedürftig waren. Diese Sanierungsbedürftigkeit war der Klägerin aber nicht bekannt. Aus der Aussage des Zeugen H. ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass dieser nicht bereits bei Anfertigung der Fotografien die Klägerin auf die Sanierungsbedürftigkeit hinwies, sondern sie erst bei Aufstellung des Behandlungsplanes, also erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages, darüber unterrichtete, dass die Zähne 12 bis 22 erneuerungsbedürftig und die Zähne 15, 16 und 26 kariös waren. Bedenken gegen den Wahrheitsgehalt dieser Aussage lassen sich nicht daraus herleiten, dass der Zeuge in dem Schreiben vorn 21.11.1997 angab dass der sich aus den Panoramaaufnahmen ergebenden Befund unter anderem zum Zeitpunkt der Anfer- tigung mit der Klägerin besprochen worden sei. In dem Schreiben wird nicht näher ausgeführt, was mit Befund gemeint ist, so dass sich ein Widerspruch seiner Zeugenaussage nicht feststellen lässt. Angesichts des zeitlichen Abstandes der Zeugenvernehmung zum bekundeten Geschehen ist auch verständlich, dass sich der Zeuge an Einzelheiten nicht mehr zu erinnern vermochte. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der Kläger nach seinen Angaben einen Kariesbefund nicht in die Behandlungsunterlagen einträgt. Ob dies üblicherweise anders gehandhabt wird, ist irrrelevant, so dass dem dahingehenden Beweisantritt der Beklagten nicht nachzugehen war. Eine erneute Vernehmung des Zeugen kam nicht in Betracht, zumal angesichts der mehr als 4 Jahre zurückliegenden zu bekundenden Ereignisse ein Erkenntnisgewinn von einer weiteren Vernehmung nicht zu erwarten ist.

Hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Zahlungsanspruches werden mit der Berufung keine Einwände geltend gemacht.

Die Feststellung der Zahlungsverpflichtung in Höhe von 545,25 DM ist ebenfalls zurecht erfolgt. Da die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung bestreitet, ist das erforderliche besondere Feststellungsinteresse gegeben. Daß die Beklagte dem Grunde nach zur bedingungsgemäßen Erstattung der betreffenden Behandlungskosten verpflichtet ist, ergibt sich aus obigen Ausführungen. Was die Höhe der Behandlungskosten angeht, werden von der Beklagten gegen den festgestellten Betrag keine Einwände geltend gemacht.

Die Klägerin kann auch Feststellung verlangen, dass das Vertragsverhältnis fortdauert. Angesichts der Kündigungserklärung der Beklagten kann das besondere Feststellungsinteresse nicht verneint werden. Hinsichtlich des Fortdauerns des Vertragsverhältnisses wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO sowie aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Hinsichtlich der Beschwer wird auf den Beschluss zur vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 30.11.1999 Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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